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Ästhetik der Gewalt im Film

Abschlussarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister Artium (M.A.) an der
Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen (Dekan: Univ.-Prof. Dr. Paul Hill) am Institut
für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft / Abteilung Neuere Deutsche
Literaturgeschichte.

Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Axel Gellhaus (Lehrstuhl für Allgemeine Literaturwissenschaft und
Neuere Deutsche Literaturgeschichte)

Timo Maier (Matr.-Nr.: 249187)


Thomashofstr. 11
52070 Aachen

Aachen den 26.03.2008

1
Inhaltsverzeichnis

Vorwort 3
Vom Gefühl des Überlebens 6
Die Lust am Überleben als Sucht 8
Die Hetzmasse 11
Der Schauwert / Thesen 13
Die Hard 19
McClane nach Canetti 20
Der Massenmörder als Held: Legitimationsstrukturen der Gewalt 22
Mythen als Legitimation der Gewalt 31
The Wild Bunch und Taxi Driver 39
Cape Fear und Straw Dogs 50
Warum es den sog. Antikriegsfilm nicht gibt 58
Allgemeine Beobachtung zur Ästhetik des Kriegfilms 59
Das Zusammenspiel von Gewalt, Bewegung und psychischer Wirkung
im Medium Film 60
Die Hubschraubersequenz aus Apocalypse Now 65
Die Botschaft des Blutes 70
Zur Opfer- und Täterschaft in Michael Hanekes Werk 74
Funny Games 79
1. Die Spiele und die Komplizenschaft des Zuschauers 81
2. Die Negation der Gewaltdarstellung und die Vergewaltigung im Kopf 84
3. Die charakterlosen Killer und deren Sprache 85
4. Die Apparatur im Zentrum 88
Resümee - Rückschlüsse auf Canetti 94
Nachwort und eine abschließende Warnung 101
Bibliografie 104
Filmografie 107
Einstellungsprotokoll 111

2
Vorwort

Elias Canetti vermerkt im letzten, posthum erschienenen Band seiner Autobiographie


bezüglich einer Hinrichtung: „Die Freude am Hin- und Herschwingen der Gehenkten damals
ist nur der heute an den Beatles zu vergleichen“1. Die Bemerkung muss im ersten Moment
stutzig machen, da diese einen öffentlich ausgestellten Mord an einem Menschen im Gestus
eines genussvollen und erfreuenden Schauspiels für die Massen beschreibt, der die gleiche
Wirkung hervorruft wie eine popkulturelle Veranstaltung. Canetti versucht hier, die feierliche
Stimmung in Anbetracht einer Tötung mit der ekstatischen Wirkung zu vergleichen, die die
englische Rockband The Beatles ihrer Zeit bei den Massen hervorrief. Zudem ist es
interessant, dass Canetti damit, ob willkürlich oder unwillkürlich, einen Bezug im
Wirkungsbereich zwischen realen Hinrichtungsritualen und einer seriell produzierten
Kunstform herstellt. Diese Wirkungsbeschreibung einer Hinrichtung hat mich zunächst in
moralischer Hinsicht abgestoßen, dann jedoch aufmerken lassen. Mir kam der Gedanke an die
Zelebrierung von Gewalt, Mord und Totschlag im Medium Film. Kein anderes Medium
unserer heutigen Alltagskultur zeichnet sich durch eine derart radikale Anhäufung von
Gewalttaten aus wie der Film, der zudem das Massenmedium unserer Zeit ist. Ein schärferer
Blick auf diesen Umstand wirft folgende Fragen auf: Warum erfreuen wir uns stetig am
visualisierten Tod von Menschen im Medium Film, deren Tötung durch Gewalt motiviert ist,
die wir im realen Leben, im Rahmen eines allgemeinen, gesellschaftlichen Konsens,
verachten und ablehnen? Wie wandelt sich in der Betrachtung von Filmen dieses moralische
Konzept von Abscheu zu freudiger Zustimmung, und welche Rolle spielt dabei die
Ästhetisierung der Morde im Medium Film? Gibt es einen tiefer wurzelnden Grund für das
Phänomen eines wiederholten Konsums seriell produzierter filmischer Morde als der schöne
Schauer oder dem einer Geisterbahnfahrt ähnelnden Rausch, der durch filmische Gewalt
erzeugt wird?
Ich möchte im Folgenden untersuchen, ob Kongruenzen innerhalb der Wirkung eines realen
Mordes auf ein Publikum und dessen medialer, fiktiver Aufbereitung bestehen. Der Begriff
Ästhetik, dessen Bestimmung in seiner semantischen Uneindeutigkeit Schwierigkeiten
aufwirft, wird hier also konkret seinem Nutzen nach für mediale Gewaltdarstellungen
untersucht. Welcher Nutzen dies konkret sein kann, soll verdeutlicht werden. Den
aufgeworfenen Fragen soll zunächst mit den Ausführungen Elias Canetti zum
Überlebensgefühl im Angesicht des Todes begegnet werden. Canetti geht davon aus, dass die

1
Elias Canetti, Party im Blitz, Die englischen Jahre, Frankfurt am Main 2005, S. 27-28.

3
oben angedeutete Wirkung bei der Betrachtung einer Tötung wesentlich auf einem sich daraus
ergebenden Kraftgefühl beruht, die er Überlebensgefühl nennt. Auf der Basis von Canettis
Ausführungen sollen für diese Arbeit zwei grundlegende Thesen formuliert werden, die
vorausdeutend folgendermaßen skizziert werden können: 1.: Das von Canetti beschriebene
Überlebensgefühl stellt sich auch bei Betrachtung filmisch dargestellter Morde ein, und 2.:
Alle im Film dargstellten Morde werden auf verschiedene Arten legitimiert. Die erste These
gilt also der Faszination der Gewalt, während letztere sich auf die Charakteristika der
Gewaltästhetik und deren Nutzen für die Gewaltdarstellungen im Film bezieht. Die Thesen
sollen im weiteren Verlauf der Arbeit anhand von Einzelanalysen am Medium Film als
Gegenstand der hier vorliegenden Untersuchung auf ihre Verwertbarkeit hin geprüft werden.
Warum gerade dieses Medium für eine Untersuchung der Gewaltdarstellung so vorzüglich
geeignet ist, wird noch eingehender erläutert. Die unüberschaubare Menge an Filmen
gewalttätigen Inhalts erfordert eine weitere Eingrenzung. Im Fokus stehen die Genres des
Actionfilms und des sog. Anti-Kriegsfilms. Die Einzelanalysen vollziehen sich an Filmen,
die als Stellvertreter für ihr jeweiliges Genre fungieren. Der Actionfilm dient im Zuge dieser
Arbeit der Herausstellung konventioneller Muster der Gewaltpräsentation. Diesem werden
dann einige Filme als Gegenmodelle gegenüber gestellt, um die bis dahin erarbeiteten Muster
weiter zu vertiefen. Die Gewaltdarstellung erfährt im Anti-Kriegsfilm schließlich ihre
radikalsten Aufbereitungen. Diesem Genre wird dann das Filmwerk Michael Hanekes
gegenübergestellt, dem seinerseits die radikalste Negation der konventionellen Gewaltästhetik
inhärent ist. Doch darf die Abgrenzung hier nicht zu scharf betrieben werden, da man auf
mannigfache Kongruenzen angesichts der Gewaltaufbereitung in den erwähnten Genres stößt.
Da Canetti die Grundlage für diese Arbeit bildet, wird schlussendlich auch auf diesen
innerhalb des Resümees zurückgekommen werden, und die nun folgend geöffnete Klammer
auch wieder geschlossen. Die hier vorliegende Untersuchung ist also wesentlich
kulturkritischer Ausrichtung, die sich auf den Film als kulturelles Erzeugnis bezieht und damit
einhergehend die Ästhetisierung filmischer Gewalt kritisch aufarbeiten soll. Mit Ästhetik ist
dann an erster Stelle die Aufbereitung und Wahrnehmung gewalttätiger Inhalte in Filmen
gemeint.
Auch wenn im Rahmen dieser Arbeit nicht spezifisch darauf verwiesen wird, müssen doch
noch einige Autoren und deren Werke genannt werden, deren Lektüre entscheidenden
Einfluss auf die Entwicklung der hier vorliegenden Gedankengänge hatten. Zu diesen gehören
Sigmund Freuds Unbehagen in der Kultur, Hanna Arendts Macht und Gewalt, Karl Heinz
Bohrers Auseinandersetzung mit Ernst Jüngers Frühwerk in Die Ästhetik des Schreckens,

4
Theodor W. Adornos Minima Moralia und Hans Magnus Enzensbergers Mittelmaß und
Wahn.

5
Vom Gefühl des Überlebens

Elias Canetti beschreibt in seinem Hauptwerk Masse und Macht sowie in seinem Essay Macht
und Überleben kurz und prägnant eine Form der gesteigerten Lebensempfindung, die sich aus
dem Tode anderer Menschen speist.
Es ist daran gelegen, Canettis Ausführungen in ihren Kernpunkten kurz zusammenzufassen.
Direkt zu Anfang stellt er fest, dass der Schrecken im Angesicht des Todes einem Gefühl der
Befriedigung weicht, da man nicht selbst der Tote ist, dem man nunmehr gegenüber steht. Die
verschiedenen körperlichen Positionen sind in diesem Zusammenhang von elementarer
Bedeutung: Der Überlebende steht, während der Tote, oder Gefallene, hilflos vor ihm liegt,
„als wäre ein Kampf vorausgegangen und als hätte man den Toten selbst gefällt“2. Die
Körperhaltung wird hier zu einer Metapher für die Opponenten Sieger und Verlierer. Der
Sieger befindet sich in diesem Augenblick in einem triumphalen Rausch, an welchem
gemessen „aller Schmerz gering ist“3. Von elementarer Bedeutung ist die sog. Einzigkeit des
Siegers, dieser muss allein vor dem toten Gegner stehen. Canetti sieht in diesem Moment der
Einsamkeit vor dem Tode, den entscheidenden Augenblick eines Machtgefühls, wie er im
Augenblick des Überlebens, den Augenblick der Macht schlechthin begreift, da das
„Überleben im Kern all dessen steht, was wir […] als Macht bezeichnen“4. Was es mit dieser
Einzigkeit auf sich hat, wird an späterer Stelle noch zu klären sein.
Auch darf die Leiche des bezwungenen Gegners nicht einfach verschwinden, sie muss
anwesend sein, um das Überlebensgefühl entstehen zu lassen. Canetti beschreibt zwei
Stadien: Zunächst setzt der Schrecken über den Toten ein, denn „die Konfrontation mit dem
Toten ist eine Konfrontation mit dem eigenen Tod“5, woraus sich der Schrecken erst ableiten
lässt. Dieses Stadium wird von einem der Genugtuung abgelöst, da man selbst nicht an seiner
statt dort liegt. Man selbst ist der einzig Stehende in Anschauung liegender Leiber. Das
Überlebensgefühl speist sich aus dem Umstand, dass der Tod von einem selbst abgelenkt
wurde, aus eben jener Genugtuung, die besagt „man ist nicht selbst der Tote. Man hätte es
sein können“6. Aus der Ablenkung der Todesbedrohung ergibt sich, warum der Anblick des
Toten so wichtig ist: Der schlaffe Leib ist die Versicherung des eigenen Lebens, die, wie
bereits erwähnt, in dem Gegensatz Stehen (für Leben und Sieg) und Liegen (für Tod und
Niederlage) aufgeht. Wenn Canetti schreibt, dass der Stehende, dem noch alles möglich ist,

2
Elias Canetti, Masse und Macht, Frankfurt am Main 2003, 28. Auflage, S. 267.
3
Ebenda, S. 267.
4
Elias Canetti, Das Gewissen der Worte, 2005¹¹, S. 25.
5
Ebenda, S. 26.
6
Ebenda, S. 26.

6
sich seines Stehens nie mehr bewusst ist, als in dieser Situation und selbst, wenn er Flügel
hätte nicht entschweben würde7, meint er konkret, dass sich der Überlebende nie mehr seines
eigenen Lebens bewusst wird, als in diesem Moment der Bindung an den Toten, an den
wiederum das Gefühl der Erhabenheit selbst gebunden ist. Dieses Erhabenheitsgefühl,
welches Canetti auch als Kraftgefühl „ganz eigentümlicher Art, die keiner anderen Art von
Kraft zu vergleichen ist“8 benennt, rekurriert auf eine Form der Auserwähltheit, da man selbst
unter vielen Anderen vom Tode verschont blieb. Durch den simplen Umstand des eigenen
Überlebens ist man vor den Toten als etwas Besseres ausgezeichnet, oder ausgezeichnet
worden. Die Ablenkung des Todes von sich selber weg auf Andere hin enthält somit
zusätzlich eine sakrale Steigerung: „Die höheren Mächte sind ihm gewogen.“9 Umso häufiger
das Überleben gelingt, umso häufiger ein Mensch als Sieger aus einem Kampfe hervorgeht,
desto stärker wird die Aura des Auserwählten, nach Canettis Definition wird jener zu dem,
was man allgemein unter dem Typus des Helden versteht.
Und hier ist auch das Prinzip der Wiederholung schon angelegt. Canetti unterminiert den
Typus des Helden in seinen moralischen und gesellschaftlichen Implikationen, in dem er ihn
als einen Menschen erscheinen lässt, der lediglich von Kampf zu Kampf und von Krieg zu
Krieg schreitet, um jenes eigentümliche Kraftgefühl wieder und wieder zu erspüren. Laut
Canetti wächst mit jedem getöteten Gegner das Gefühl, ein Besserer zu sein, ein
Auserwählter, dem der Tod nichts anhaben kann. Diese Vorstellung mündet schließlich in
einem Gefühl der Unverletzlichkeit. Um die Erlangung dieses Gefühls geht es dem Helden
eigentlich. Darum sucht er immer aufs Neue den gewalttätigen Konflikt, aus dem er selbst als
Überlebender hervorgeht, da sich das Gefühl der Unverletzlichkeit „auf diese Weise in
rascher Steigerung gewinnen lässt.“10 Das Mittel hierzu ist das Sammeln von Toten.
Heldenimplikationen wie Ruhm, Ehre oder sogar gesellschaftliche Vorbildfunktionen werden
hier zu Akten der Verschleierung degradiert, die eben jene eigentliche Motivation des Helden
verbergen11.
An einer anderen Stelle12 schreibt Canetti, dass das Volk seinen Helden unverletzlich sehen
will. In der Unverletzlichkeit ist also eine Doppelfunktion verborgen, die den Betrachter des
Helden mit einschließt. Auch dieser scheint in einer Form des kompensatorischen Aktes an
der Unverletzlichkeit des Helden teilzuhaben; vielleicht lässt es ihn an seine eigene

7
Ebenda, S. 27.
8
Canetti, Masse und Macht, S. 268.
9
Ebenda, S. 268.
10
Ebenda, S. 269.
11
„Dieser Sachverhalt ist so furchtbar und nackt, dass er auf jede Weise verschleiert wird“. Canetti, Das
Gewissen der Worte, S. 27.
12
Canetti, Masse und Macht, S. 270.

7
Unverletzlichkeit glauben, an sein eigenes Überleben. Dies ist eine Spur, der wir noch folgen
werden.
Die Angst des Menschen vor dem Tod als das einzige Fatum des Lebens gehört zu den
ältesten Erfahrungen der Menschheit überhaupt. Der Mensch, der sich seiner Verletzlichkeit
bewusst ist, hat in nahezu allen Zeiten nach Mitteln und Wegen gesucht, sein Leben zu
verlängern, um dem nahenden Tode zumindest zeitweise auszuweichen. Der aus dieser Angst
geborene Wunsch nach dem ewigen Leben findet sich in nahezu allen Mythologien aller
Völker zu allen Zeiten wieder und ist eines der am häufigsten verwandten künstlerischen
Motive. Die Weltreligionen arbeiten sogar mit dieser Urangst als Prinzip in nuce, indem sie
eine so oder so geartete Existenz nach dem irdischen Leben, eben über dieses Leben hinaus,
als Möglichkeit in Aussicht stellen. So beschreibt auch Canetti, dass alle Absichten des
Menschen auf Unsterblichkeit immer etwas von der Sucht zu überleben enthalten, womit in
diesem Kontext klar das Überleben anderer Menschen gemeint ist.13

Die Lust am Überleben als Sucht

Eben der Umstand, dass „die Genugtuung des Überlebens eine Art von Lust ist“, kann dem
Menschen eine „gefährliche und unersättliche“14 Leidenschaft werden. Das Überlebensgefühl
steigert sich proportional zu der Masse an Toten. Je größer der Haufen von Leichen, unter
dem man sich als einzig Überlebender aufhält, desto stärker wird das erfahrene Kraftgefühl
und der Wunsch nach Wiederholung; der Vorgang wird zu einer Art Sucht15, der Held zum
typisch Süchtigen. Hieraus erschließt sich auch der Wert der Einzigkeit. Es handelt sich dabei
um eine nochmalige Intensivierung des Überlebensgefühls, da man allein, sozusagen ohne
Überlebenskonkurrenten, vor der Masse der Toten verweilt. Das oben erwähnte Gefühl der
Auserwähltheit kann sich nun voll entfalten, da alle Anderen, außer man selbst, zu Tode
gekommen sind, die Ablenkung der Todesdrohung ist nur der eigenen Person gelungen.
Canetti verweist darauf, dass man sich nicht unbedingt selbst der Gefahr auszusetzen hat und
13
„Man will nicht nur immer da sein, man will da sein, wenn andere nicht mehr da sind. Jeder will der Älteste
werden und es wissen, und wenn er selbst nicht mehr da ist, soll man es von seinem Namen wissen.“ (Masse und
Macht, S. 267.) Die ältesten Gesetzestexte der Menschheit zeugen von eben diesem Umstand. Schon das antike
Rechtswesen kannte klare Vorschriften bzgl. des Eherechts. Die primäre Funktion der Ehe galt der Zeugung
vollberechtigter (männlicher) Nachkommen um den Fortbestand der Familie zu sichern. Ehebruch (seitens der
Frau) wurde mit drakonischen Strafen geahndet. Da der Nachkomme als Träger des väterlichen Namens die
Genealogie des Mannes sicherte, hatte er auch so noch Teil an dessen Überleben. Siehe dazu auch: Ulrich
Manthe, Die Rechtskulturen der Antike, Vom alten Orient bis zum römischen Reich, München 2003.
14
Masse und Macht, S. 271.
15
„Was sie wirklich brauchen, was sie nicht mehr entbehren können, ist die wieder und wieder erneuerte Lust
am Überleben“. (Masse und Macht, S. 271)

8
spielt hier auf die Rolle des Feldherrn an. Da seine Soldaten in seinem Namen töten, fällt auch
die Zahl der Toten auf ihn allein zurück, vereinigt sich einzig auf seine Person. So wird der
Feldherr durch seine Soldaten, die in seinem Namen Tote produzieren auch zum Urheber der
Masse an Gefallenen. Der Unterschied zwischen Freund und Feind wird im Tode aufgehoben,
es geht lediglich um einen größtmöglichen Haufen von Toten, den er selbst durch eigene
Hand nie hätte produzieren können. So misst sich der Ruhm eines Feldherrn (Canetti bringt
hier das Beispiel Caesars, überliefert von Plutarch16), an der Masse der bezwungenen Feinde,
die jenem zugerechnet werden.
Canetti benennt jedoch noch einen anderen, dem direkten Tötungsakt diametral verlaufenden,
Weg zur Erlangung eines Gefühls der Unverletzlichkeit. Dieser basiert auf einer
größtmöglichen Distanz vor der Gefahr einer Verletzung, einem Ausweichen vor dem
persönlichen, gewalttätigen Konflikt. Die Gefahr wird gebannt, indem man sich vor ihr
verbirgt. Als paranoiden Typus des Überlebenden, der sich genau dieses zweiten Weges
bedient, führt Canetti den Machthaber an, „der sich die Gefahr mit allen Mitteln vom Leibe
hält“17. Dieser errichtet überschaubare Schutzzonen um die eigene Person herum, um jedwede
Gefahr von vorneherein neutralisieren zu können. Da er das Recht über Leben und Tod
besitzt, sich selbst jedoch stets in einem übertriebenen Maße vom Tode bedroht fühlt, schöpft
jener die Versicherung des eigenen Lebens aus dem Statuieren von Exempeln, namentlich der
befohlenen Hinrichtung. Ähnlich wie beim Feldherren gilt er somit als Produzent der Toten,
woraus er sein Überlebensgefühl schöpft18. Es ist nicht daran gelegen, die Rolle des
Machthabers hier dezidierter zu betrachten. Trotzdem muss dieser Erwähnung finden, da es
sich bei dessen Weg zur Erlangung des Überlebensgefühls um einen konkret indirekten
handelt.

16
„»Alle Kriegshelden und Feldherren zusammen übertraf Cäsar dadurch, dass er die meisten Schlachten
geliefert und die größte Menge von Feinden erlegt hat«.“ (Masse und Macht, S. 272) Dieser Aussage von
Plutarch ist eben die Vereidigung der Toten auf die Person des Feldherrn zu entnehmen, als habe er jeden
einzelnen Gegner selbst bezwungen. Plutarch führt eine Bilanz von 800 eroberten Städten, 300 bezwungenen
Völkern und drei Millionen geschlagenen Menschen auf. Hier ist das Prinzip der steigenden Zahl, wovon jeder
Machthaber besessen ist, was in Canettis Essay Hitler, nach Speer (Canetti, Das Gewissen der Worte, S. 171-
199) fundamentale Bedeutung erfährt, angelegt. Dies soll jedoch im Rahmen der vorliegenden Betrachtung
lediglich erwähnt werden, um die Wichtigkeit der größtmöglichen Masse an Toten, der man selbst als
Überlebender gegenübersteht, nachhaltig zu verdeutlichen.
17
Canetti, Masse und Macht, S. 273.
18
„Denn jede Hinrichtung, für die er verantwortlich ist, verleiht ihm etwas an Kraft. Es ist die Kraft des
Überlebens, die er sich so verschafft.“ Ebenda, S. 274.

9
Versuchen wir das bisher Gesagte zu resümieren:

1. Der sich aus einer direkten Konfrontation mit dem Tode ergebende Schrecken weicht
einem Gefühl der Befriedigung, da der Tod von der eigenen Person abgelenkt wurde.
2. Das Gefühl ist an die Anschauung des toten Körpers gebunden, dieser besitzt also
einen Schauwert.
3. Das Überlebensgefühl, als unvergleichliches Kraftgefühl, entspricht der Versicherung
des eigenen Lebens und steigert sich proportional zur Masse an Toten.
4. Die Masse der Toten muss nicht durch eigene Hand produziert werden, solange sich
diese auf die eigene Person vereinigt, man selbst als Urheber derer gilt (Feldherr). In
der Masse der Toten wird die Freund-Feind-Opposition suspendiert.
5. Es folgt eine zusätzliche Selbstaufwertung des Überlebenden in Form einer
Auszeichnung als 'Besserer' oder 'Auserwählter' geg. dem Toten.
6. Das Überlebensgefühl drängt nach Wiederholung, kann zu einer Leidenschaft und in
Folge dessen, zu einer Sucht werden.
7. Die stetige Wiederholung evoziert ein Gefühl der Unverletzlichkeit (Motivation des
Helden).
8. Das Gefühl der Unverletzlichkeit kann auf zwei, sich diametral zueinander
verhaltenden, Wegen erlangt werden: Einem direkten und einem indirekten.
9. Die Einsamkeit in Anbetracht der Toten ist von elementarer Bedeutung, da diese der
Intensivierung des Überlebensgefühls Rechnung trägt.

An dieser Stelle muss nochmals gesondert auf den Schauwert der toten Leiber hingewiesen
werden. Auf einer ersten Ebene ist das Überlebensgefühl direkt an die Anschauung des toten
Leibes gebunden, welcher als Produkt aus einem tödlichen Kampf hervorgeht. In zweiter
Instanz muss der Überlebende nicht einmal mehr selbst Hand anlegen, wenn er als Urheber
der Toten anerkannt wird; es reicht ihm die reine Betrachtung. Und auf einer dritten Ebene
scheint eine Art des verdünnten oder weitergegebenen Überlebensgefühls zu existieren, das
sich lediglich aus der Betrachtung jener speist, die als die Urheber einer Masse von Toten
gelten. Auf dieser Ebene befindet sich der Großteil der Bevölkerung, der seine Helden feiert,
ohne an dem eigentlichen Tötungsvorgang beteiligt zu sein. Zugespitzt könnte man diese
Menschen als die Betrachter der Betrachter der Toten bezeichnen. Die Ebene des Betrachters
ist von fundamentaler Wichtigkeit, was sich im Laufe der Arbeit noch erschließen wird.

10
Canetti benennt in einem gesonderten Kapitel noch andere Formen des Überlebens, wie die
Zeugung oder das natürliche Überleben seiner Nächsten im Sinne der Alterung. Diese Formen
des Überlebens spielen für unseren Zusammenhang jedoch keine Rolle, da wir uns hier auf
den gewaltsamen Tod von Menschen durch Menschen konzentrieren wollen.

Die Hetzmasse

Zur weiteren Entwicklung des vorliegenden Gedankengerüstes auf eine verwertbare These
hin, ist es unerlässlich, sich mit noch einem anderen Begriff Canettis auseinander zu setzten,
der sog. Hetzmasse.
Die Hetzmasse ist eine von fünf Massenarten, die Canetti ihrem affektiven Gehalt nach
unterscheidet, wobei die Hetzmasse als eine der ältesten Massenformen überhaupt Geltung
erlangt. Diese zeichnet sich durch eine enorme Intensität19 auf den Akt der Tötung hin aus,
welcher ihr erklärtes Ziel ist. Sie bildet sich nur willens der Erlangung des Ziels, das bekannt
und erreichbar ist. Das Ziel ist ein Mensch, dessen Tod als beschlossen gilt. Ist das Ziel
erlangt, zerfällt die Hetzmasse nahezu augenblicklich. Um es konkret zu machen: Es handelt
sich hierbei um einen Zusammenschluss von Menschen, die den Tod eines anderen Menschen
als beschlossen ansehen und diesen bis zum Tode hetzen. In diesem Zusammenhang darf nun
auch erstmals der Begriff Mord fallen, wobei es sich hier um einen von einem Kollektiv
ausgeführten Mord handelt. Die Entschlossenheit und Intensität dieser Masse basiert auf der
„Gefahrlosigkeit des Unternehmens“20. Zum einen droht dem Kollektiv kein Schaden, da es in
seiner rein physischen Stärke ihrem Gegenüber weit überlegen ist. Der zu tötende Mensch ist
angesichts der Anzahl der Personen, die ihn hetzen, vollkommen unterlegen und wird zu
einem hilflosen Opfer. Zum anderen erwartet das Kollektiv keine Sanktionen, da das Opfer
zum Mord freigegeben wurde. Hier stoßen wir wieder auf das Gefühl der Unverletzlichkeit,
diesmal sogar schon versichert vor der Tötung selbst. In diesem Moment „springt der
freigegebene Mord für alle Morde ein, die man sich versagen muss, für deren Ausführung
man schwere Strafen zu befürchten hätte“21. Canetti beschreibt sogar, dass dieser, im
Augenblick der Ausführung wie in seinen weiteren Konsequenzen, gefahrlose Mord „für den
weitaus größten Teil der Menschen unwiderstehlich ist“22. Die Unwiderstehlichkeit ergibt sich

19
„Mit einer Entschlossenheit ohnegleichen geht sie auf dieses Ziel los; es ist unmöglich, sie darum zu
betrügen.“ Ebenda, S. 54.
20
Ebenda, S. 54.
21
Ebenda, S. 54.
22
Ebenda, S. 54.

11
aus der Erlangung des bereits erklärten Überlebensgefühls, an welchem jeder Einzelne des
Kollektivs in diesem Augenblick teilhat. Wieder wird der Tod von der eigenen Person
abgelenkt, die Bedrohung des Menschen durch den Tod als einziges Fatum seines Lebens
wird kurzzeitig suspendiert. Das Opfer und dessen Hinrichtung erlangen also Gültigkeit als
kollektiv kompensatorischer Akt. Canetti führt die Hetzmasse auf „die ursprünglichste
dynamische Einheit zurück, die unter Menschen bekannt ist“23, die sog. Jagdmeute24. Was der
Jagdmeute wie der Hetzmasse grundlegend gemein ist, ist der Akt des gemeinschaftlichen
Tötens, der hier in Form der Hinrichtung des Opfers aufgeht25. Ferner ist wichtig, dass Canetti
den Vorgang als Übung bezeichnet, da diese Bezeichnung sowohl Wiederholung als auch ein
tradiertes Bedürfnis zum Ausdruck bringt.
Eine der ältesten Formen der Hinrichtung ist die der Steinigung. Bei diesem Vorgang wird ein
Mensch auf ein freies Feld geführt und von einer Menge anderer Menschen gemeinsam
gesteinigt. Jeder hat in diesem Moment seinen Teil am Tod des Opfers und so auch seinen
Teil am Überleben. Diese Art der Hinrichtung, die hier als eine direkte bezeichnet werden
kann, hat über die Zeit verschiedene Abwandlungen erfahren, die jedoch alle wesentlich auf
die Übung des gemeinsamen Tötens rekurrieren. Folglich ist die Masse der Menschen als
Henker zu bezeichnen, sie gilt als Urheber des Tötungsvorganges.26 So auch in komplexeren
Hinrichtungsformen, bei denen die judikative Instanz schon von der exekutiven getrennt
erscheint, und letztere nicht mehr von der Masse, sondern von einem bestellten Henker
besetzt wird. Doch vollzieht sich das Recht, wie auch dessen Durchsetzung, im Namen der
Masse. Canetti geht schon sehr früh auf den enormen Schauwert einer Hinrichtung ein und
beschreibt, wie eine Masse von Menschen herbeiströmt, um dem Schauspiel beizuwohnen.
Jeder will nach wie vor seinen Teil am Tod des Opfers haben, da ein jeder rechtmäßig als
Urheber des Vorgangs gelten kann. Aus den oben angeführten Beobachtungen ergibt sich,
dass sich ein Überlebensgefühl auch dann einstellen kann, wenn, wie am Beispiel des
Feldherren gezeigt, die Toten auf die eigene Person zurückgeführt werden, man selbst eben
als Urheber derer gilt. Dieses Prinzip liegt auch der Hinrichtung zugrunde. Die Masse gilt als
Urheber und gelangt somit auf indirektem Weg zu ihrem Überlebensgefühl, d.h. jeder
Einzelne der Masse hat Anteil an diesem Gefühl, der Tod ist von jedem Einzelnen der Masse

23
Ebenda, S. 55.
24
Die Jagmeute versteht sich hier als eine Gruppe von Menschen die gemeinsam ein Tier erlegt. Canetti
überträgt das Verhalten der Jagdmeute auf jenes der Hetzmasse und macht grundsätzliche Übereinstimmungen
aus. Es ist zu beachten, dass sich der Vergleich lediglich auf das pure Jagdverhalten und den Akt des Zusammen-
Tötens bezieht, da das eigentliche Ziel der Jagdmeute, anders als bei der Hetzmasse, in der Erlangung und
anschließenden Verteilung von Nahrung bestand.
25
„Alle Formen der öffentlichen Hinrichtung hängen an der alten Übung des Zusammen-Tötens.“ Ebenda, S. 56.
26
„Der wahre Henker ist die Masse, die sich um das Blutgerüst versammelt.“ Ebenda, S. 56.

12
abgelenkt worden auf das hinzurichtende Opfer, was an ihrer Stelle stirbt. In älteren Zeiten
hätte jeder von ihnen ein Stein geworfen und somit seinen Anteil an der Hinrichtung gehabt.
Nun besorgt das in ihrem Namen der Henker, wie auch der Schuldspruch in ihrem Namen
ergeht. So wird „das Todesurteil, das, im Namen des Rechtes abgegeben, abstrakt und
unwirklich klingt, wahr, wenn es vor der Menge ausgeführt wird“27. Die Masse gilt hier als
das eigentlich aktive Prinzip, die Instanzen, in welche der ursprüngliche Akt des Zusammen-
Tötens aufgegliedert ist, handeln in ihrem Willen. Hieraus erschließt sich die enorme
Begeisterung und Anziehungskraft, die von einer Hinrichtung ausgeht.

Der Schauwert / Thesen

Was oft als Schaulust im Sinne eines schönen Schauers oder stimulierenden Schreckens
missverstanden wird, geht hier auf ein dem Menschen innewohnendes, ursprünglicheres
Bedürfnis zurück. Der Schauwert ist bei der ganzen Prozedur nach wie vor von fundamentaler
Wichtigkeit, doch nicht um seiner Selbst willen. Dieser fungiert als die Vergewisserung des
Todes eines Anderen und des eigenen Lebens. Darum ist es „der Masse wichtig, dass der
Henker ihr den Kopf des Getöteten zeigt. Dies und nichts anderes ist der Augenblick der
Entladung28“ Wie Canetti selbst beschreibt, vollzogen sich Hinrichtungen im Mittelalter als
komplexes Schauspiel, welches viel Zeit in Anspruch nahm. In den Aufzeichnungen dieser
Zeit finden sich detaillierte Berichte über Hinrichtungen und deren geplante Darstellung,
sprich Visualisierung. In seiner Monographie Die visuelle Kultur der Gewalt am Ende des
Mittelalters beschreibt Valentin Groebner die Hinrichtung der Gebrüder Vittel um 1477, die
als „erbaulich frommes Theater“ überliefert wird. Es wird beschrieben, dass die Verurteilten
vor dem Galgen in einen Streit gerieten, wer zuerst gehenkt werde. Dass jeder dem anderen
den Vortritt streitig machen wollte, steht in einem religiösen Kontext, da ein jeder zuerst das

27
Ebenda, S. 56.
28
Die sog. Entladung ist ein anderer Terminus Canettis, der als einer der wichtigsten innerhalb seiner
Massenphilosophie zu werten ist. Canetti geht davon aus, dass eine Massenbildung nur deswegen zu Stande
kommt, damit der einzelne Mensch seine Distanz zu anderen Menschen überwinden kann und sich wieder als
Teil eines großen Kollektivs fühlt, aus dem er im Archaikum eigentlich stammt, und was im Zuge der Moderne
immer weiter verloren ging. Nach Canetti ist die Ausprägung des Individualbewusstseins eine Erscheinung
modernerer Natur. In den Momenten der Entladung, die für jede Massenform eine andere ist, besteht die Masse
eigentlich erst, da dies den Moment der vollkommenen Gleichheit darstellt. Das Gefühl der Gleichheit und damit
einhergehenden Überwindung der Distanz zwischen den Menschen, fällt rein physisch mit dem Moment der
größten Dichte der Masse zusammen, was die engste mögliche Aneinanderdrängung von Menschen meint.
Dieser Moment kann allerdings immer nur von kurzer Dauer sein, da die so oder so geartete Masse kurz nach der
Erlangung des Augenblickes einer tiefsten Übereinstimmung auch schon wieder zerfällt. Da die Menschen nicht
gleich sind, sondern sich in diesem Augenblick nur gleich fühlen, entpuppt sich eben jene Gleichheit auch als
grundlegende Illusion, aufgrund dessen die Masse auch wieder zerfallen muss.

13
christliche Versprechen auf ein Leben nach dem Tode für sich einlösen wollte. Bevor sie also
gehängt wurden, hielten beide noch lange Reden der Vergebung und Nächstenliebe, die so
rührend gewesen sein sollen, dass „sogar die städtischen Söldner, sündige und hart gesottene
Leute, zu weinen und zu beten“29 begannen. So folgert Groebner, dass „städtische
Exekutionen als Inszenierungen von strafender Gerechtigkeit, Vergebung und unmittelbar am
Leib des Missetäters wiederhergestellte Ordnung, aber auch als religiöses Drama stilisiert,
wenn ihre Hauptdarsteller als schuldig dargestellt wurden“30. Was wir daraus schließen
können, ist folgendes: Schon die mittelalterliche Hinrichtung, hier in Form einer städtischen
Exekution, unterlag einer geplanten Ästhetisierung des Gewaltaktes, mit festgelegter
Dramaturgie, schauspielerischen Darbietungen und ideologischen Strukturen.
Groebner selbst vergleicht die Exekutionen mit mittelalterlichen Passionsspielen und kommt
zu dem Schluss, dass die spielerisch dargestellte Gewalt in den Passionsspielen wesenhaft
immer auf real erfahrene Gewalt Bezug nahm und dies dem Betrachter zu dessen Zeit
durchaus bewusst war. Also wird hier die Vorstellung suspendiert, dass symbolische Gewalt
nur auf der reinen Symbolebene funktioniert; sie gilt im Gegenteil als Verweis auf real
erfahrene Gewalttaten31. Der in dem religiösen Schauspiel Hingerichtete verweist also auf den
real Exekutierten. Laut Groebner gilt dies ebenso für das Schauspiel wie für Bilder oder
Schlachtenberichte. Was für uns nun von Wichtigkeit ist, ist der Umstand, dass hiermit der
Sprung auf die Bildebene oder die Darstellungsebene vollzogen wird und diese von
ideologischen Strukturen durchsetzt erscheint. Das soll nicht etwa bedeuten, dass die reale
Hinrichtung keiner Ideologie Rechnung trägt (wie am Beispiel der Gebrüder Vittel gezeigt),
sondern nur, dass sich die Bildebene für weitaus komplexere ideologische Aufladungen
anbietet. Zunächst müssen wir aber noch einmal einen Schritt zurück unternehmen. Groebner
führt an, dass der Zweck eines bildhaften Verweises auf reale Gewalt auch „der Schauer
desjenigen war, der betroffen sein konnte, aber dieses mal eben nicht betroffen war, weil er
sich in der sicheren Position des Betrachters befand: Es bin nicht ich; es ist ein Bild“32. Wenn
die Bildebene also konkret auf die Realebene verweist und dies dem Betrachter des Bildes
bewusst ist, sogar in einem solchen Maße, dass das betrachtete Bild, wenngleich auch nicht
exaktes Abbild einer realen Hinrichtung, Schrecken in ihm hervorruft, als hätte es sich auch
bei ihm selbst um den Gerichteten handeln können, dann erfüllt die Betrachtung des Bildes in
einer sehr indirekten und gemilderten Form die gleiche Funktion, wie das reale Beiwohnen

29
Valentin Groebner, Die visuelle Kultur der Gewalt am Ende des Mittelalters, New York 2003, S. 110.
30
Ebenda, S. 110.
31
„In den detaillierten religiösen Darstellungen von Peinigung und physischem Schmerz wurde auf sehr reale
zeitgenössische Gewalt verwiesen.“ Ebenda, S. 114.
32
Ebenda, S. 114.

14
einer realen Hinrichtung - nämlich das Teilhaben an dem Tod eines Anderen und das
befriedigende Gefühl des eigenen Überlebens. Im Bild bleibt die Struktur der Ablenkung der
Todesdrohung, von der eigenen Person weg auf einen anderen Menschen hin, also erhalten.
Von hier an lassen sich alle weiteren Stufen eines gesteigerten Überlebensgefühls, vom
Schauwert der Leiche über die Wiederholung bis hin zum Gefühl der Unverletzlichkeit, wie
sie oben aufgeführt wurden, exemplarisch nachvollziehen. Wie der Betrachter des Helden hat
auch der Betrachter des Bildes teil an einem Gefühl des Überlebens. Außerdem unterliegt der
Betrachter des Bildes einem zusätzlichen Gefühl der Sicherheit, da er physisch ja nur einem
Bild gegenübersteht. Um es noch einmal zu verdeutlichen: Die Bildebene kann im Betrachter
einen Schrecken und das befriedigende Gefühl der abgewandten Bedrohung hervorrufen. Das
funktioniert, da das Bild auf eine Realebene verweist, was dem Betrachter bewusst ist, auch
wenn das im Bild Dargestellte fiktiver Natur ist. Auf der Realebene vollzieht sich der
eigentliche Gewaltakt, aus dem das Gefühl des Überlebens gewonnen wird, die Bildebene
rekurriert auf die Realebene.
Canetti führt in diesem Sinne den Zeitungsleser an. Er beschreibt, dass die „Abscheu vor dem
Zusammentöten ganz modernen Datums ist“33. Doch darf man bei dieser Entwicklung nicht
unterschätzen, dass man nach wie vor, laut Canetti, an öffentlichen Hinrichtungen teilnimmt,
eben durch das Medium Zeitung. An dieser Stelle ist das Medium, welches ein Teilhaben an
diesem Vorgang ermöglicht, austauschbar. Wichtig ist nur, dass die Möglichkeit, Teil zu
haben, besteht. Dass man dem Vorgang nun nicht mehr direkt beiwohnt, macht zunächst
keinen großen Unterschied. Man hat es nach Canetti nur viel bequemer, nicht nur physisch,
sondern auch rein psychologisch betrachtet, da man sämtlicher Verantwortung entledigt ist,
vom Schuldspruch über die Vollstreckung bis hin zur Darstellung und „nicht die leiseste Spur
von Mitschuld den Genuß trübt“34. Der Genuss des Überlebens allerdings ist es, auf den es
weiterhin ankommt. Nach Canetti hat sich „im Publikum der Zeitungsleser eine gemilderte,
aber durch ihre Distanz von den Ereignissen um so verantwortungslosere Hetzmasse am
Leben erhalten“35. So verhält es sich mit dem modernen Zeitungsleser nicht anders als bei
unserem mittelalterlichen Bildbetrachter. Beide sind Teil einer gemilderten Hetzmasse. Und
bei allem, was wir über die Hetzmasse gesagt haben, sieht diese in der Erlangung des
Überlebensgefühls ihr primäres Ziel. Also konstatiert auch Canetti die Möglichkeit, durch
eine medial aufgearbeitete Darstellung einer Tötung eines Menschen (hier durch den Akt der

33
Masse und Macht, S. 58.
34
Ebenda, S. 58.
35
Ebenda, S. 58.

15
Hinrichtung), in den Genuss des eigentümlichen Kraftgefühls zu kommen, was wir zu Anfang
als Überlebensgefühl definiert haben.
Die Meldung einer Hinrichtung mittels des Mediums Zeitung verweist immer noch auf eine
reale Begebenheit. Doch wie schon beim mittelalterlichen Bildbetrachter festgestellt, muss
sich der medial aufbereitete Gewaltakt nicht kongruent zu einem bestimmten realen Pendant
verhalten. Ob es sich um eine konkrete oder fiktive Hinrichtung handelt, ist hinfällig, da dem
Betrachter die Möglichkeit auf Nachweisbarkeit des Geschehenen ohnehin abhanden
gekommen ist. Der moderne Medienmensch erfährt von Geschehnissen derlei Art einzig
durch die Informationsmedien, betrachtet diese also nicht mit seinen eigenen Augen. Das
beste Beispiel für diesen Umstand ist der heutige Nachrichtenkonsument. Im Fernsehen
erfährt er von Kriegen in fremden Regionen der Welt, die er unter aller Wahrscheinlichkeit
nie selber bereisen wird. Ohne die Berichterstattung würde er nicht mal von einem
gewalttätigen Konflikt in der jeweiligen Region wissen. Obwohl er eine Option darauf hat,
sich selbst ein Bild von den Geschehnissen zu machen, wird er sie aller Wahrscheinlichkeit
nach nicht in Anspruch nehmen. Eine Tatsache, die den Nachrichtenproduzenten durchaus
bewusst und konstitutiv für die Aufbereitung der Berichterstattung ist. Nachrichtenmeldungen
sind in Form und Inhalt selbst funktionalisierte Konstrukte, medial arrangiert und den
Sehgewohnheiten angepasst. Als Medienkonstrukte sind diese von der Fiktion nicht mehr
unterscheidbar, da dem medialen Bild sein Wirklichkeitswert seitens des Betrachters nicht
nachzuweisen ist.36 Die Beweisführung für eine solche Definition visueller
Nachrichtenberichterstattung wird noch an späterer Stelle erbracht werden.
In diesem Zusammenhang erscheint es ratsam, ein Zitat Michael Hanekes vorwegzunehmen:
„Wir beziehen den überwältigenden Großteil unserer Informationen aus den Medien und
wiegen uns dadurch in der Illusion, etwas von der Welt zu wissen. In Wahrheit wissen wir so
gut wie nichts. Niemals in der Geschichte hat der Mensch etwas außerhalb des eigenen
Erfahrungsbereiches gewusst. Er hat sich aber auch nicht eingebildet, viel zu wissen. Heute
gaukeln uns die Medien Wirklichkeit vor. Was wir sehen, sind bloß noch dazu manipulierte
Bilder von Ereignissen, die wir nicht einordnen können, weil uns dazu die Erfahrung und das
Hintergrundwissen fehlen, aber wir halten uns für informiert. Ich denke das ist […] eine

36
Eine Fernsehberichterstattung setzt sich aus bewusst geschnittenen Bildern zusammen. Die zeitliche Integrität
fällt dem Schneidetisch ebenso zum Opfer wie der weitere Kontext des Gezeigten. Einzelne Aussagen werden
isoliert und gewinnen in einem anderen Kontext auch eine andere Gewichtung. Es handelt sich bloß noch um
funktional gesetzte Ausschnitte. Oftmals kommt es vor, dass ein aktuelles Geschehen mit Bildern unterlegt wird,
die bereits mehrere Jahre veraltet sind. Große Nachrichtenagenturen haben sogar eigens Softwareprogramme
entwickelt, die selbständig feststellen können, wie oft ein und dasselbe Bild für unterschiedliche Meldungen
verwendet wurde. Dieses Verfahren soll verhindern, dass der Zuschauer die Bilder wieder erkennt und die
Objektivität der Meldung daraufhin anzweifelt. Doch geht es hier nicht um eine konkrete Analyse medialer
Berichterstattung. Es sollte lediglich auf den fiktionalen Charakter selbiger hingewiesen werden.

16
höchst gefährliche Illusion.“37 Auch Michael Haneke verwendet einen allgemeinen
Medienbegriff, der den Unterschied zwischen scheinbar objektiver Berichterstattung und
fiktiver, künstlerischer Gestaltung suspendiert. In beiden Fällen unterliegen die Bilder einer
Manipulation, die sich aus der Konstitution des Mediums selbst ergibt (die bewusste
Anordnung der Bilder und des Tons am Schneidetisch).

Die bisherigen Feststellungen führen zu zwei Grundthesen:

1. Die Darstellung medialer Gewaltakte, insbesondere die Tötung von Menschen,


evoziert beim Betrachter ein Überlebensgefühl. Um dieses Überlebensgefühl geht es
dem medialen Gewaltkonsumenten eigentlich. Die Definition des Zeitungslesers bei
Canetti lässt sich also auf den heutigen Medienmenschen übertragen, wobei nicht
weiter zwischen Bildern, die einen direkten Bezug zur Realebene herzustellen
versuchen (Nachrichtenbilder), und fiktiven Bildern unterschieden wird.
2. Dieser Umstand (Erlangung des Überlebensgefühls) wird auf verschiedene Weisen
verschleiert, welche den Konsum von Gewalt nicht nur rechtfertigen sollen, sondern
die dargestellte Gewalt überhaupt erst konsumierbar machen. Diese Prozesse der
Legitimation erfolgen auf der inhaltlichen wie auf der formalen Ebene eines Films.

Im Folgenden ist es daran gelegen, Akte der Gewaltdarstellung und deren Legitimationen
willens ihrer Konsumierbarkeit an einem spezifischen Bildmedium zu verdeutlichen: dem
Film. Das Medium eignet sich hervorragend zur Konkretisierung der Thesen, da „es wohl
keine Gewalttat auf dieser Welt gibt, die nicht in irgendeinem Film benutzt wurde, um den
thrill zu steigern, das Geschehen attraktiver zu machen“38 und zudem noch ein
Massenmedium ist. Erwähnter Nervenkitzel und Attraktivität laufen auf Unterhaltung hinaus,
eben Gewalt und Mord als unterhaltsames Element. Von besonderem Interesse wird das
Genre des Actionfilms und des sog. Antikriegsfilms sein, da in beiden Gattungen eine
erhebliche Anzahl an Tötungen wie auch anderen Gewaltakten zu konstatieren ist, was diese
für die nachfolgende Untersuchung prädestiniert. Obwohl dies auch für viele andere Genres
und Subgenres des Films gilt, wie etwa den Horror-, Splatter- oder Gangsterfilm, so sticht der
Actionfilm des Mainstreamkinos doch gerade aufgrund des engmaschigen Netzes aus

37
Franz Grabner, „Der Name der Erbsünde ist Verdrängung“, Ein Gespräch mit Michael Haneke, in: Michael
Haneke und seine Filme, Eine Pathologie der Konsumgesellschaft, Marburg 2005, S41.
38
Norbert Grob, Akt der Gewalt, Zur Faszination von Schrecken und Gewalt im Kino, in: Marcus Stiglegger
(Hrsg.), Kino der Extreme, Kulturanalytische Studien, St. Augustin 2002, S.159.

17
Unterhaltung, Gewalt als dumpfer Orgie und ideologischer Aufladung heraus. Dieser bietet
gerade noch genug Geschichte, um die dargestellte Gewalt in einem mehr oder weniger
sinnvollen Kontext zu transportieren, also diese als reinen Selbstzweck zu kaschieren und
eben wenig genug, um die Lust an der Gewalt nicht zu schmälern. Außerdem ist der
Actionfilm ein gesellschaftlich akzeptiertes Phänomen, was durch seinen Massenkonsum
belegt wird. Im Gegensatz zum Actionfilm, der keine aufklärerischen Tendenzen verfolgt, ist
der sog. Antikriegsfilm zu untersuchen, der ebenfalls eines der großen, von Massen
konsumierten Genres ist. An kaum einem anderen Genre lässt sich besser untersuchen, ob
dem selbst gewählten Diktum, Gewalt als etwas Schreckliches und verachtungswürdiges zu
identifizieren, entsprochen wird. Es sei vorausdeutend schon erwähnt, dass die
Genreintention, Gewalt als ein ernstes und seriöses Thema zu begreifen, scheitern muss, da
das Abgelehnte zugleich visuell gefeiert wird. Die Analyse des Actionfilms wird maßgeblich
inhaltlich ausgerichtet sein, während in Folge der Analyse des Antikriegsfilms auch die
formale Ebene eingehender untersucht werden soll. Die Untersuchung des Actionfilms auf
Verifizierung der Thesen, schließt eine Anzahl von Filmen mit ein, die als Gegenmodelle zum
Actionfilm die bis dahin erbrachten Ergebnisse weiter vertiefen sollen. In welchem Maße die
beiden Genres (Action und Antikriegsfilm) eigentlich kongruent sind, soll später noch
herausgestellt werden. Es muss jedoch daraufhin gewiesen werden, dass diese beiden
Gattungen nicht spezifisch, ob ihres gewalttätigen Inhalts oder der in ihnen vorherrschenden
ideologischen Strukturen, insistiert werden sollen. Sie stehen lediglich exemplarisch für die
mediale Aufbereitung von Gewalt. Es ist natürlich unbestreitbar, dass ein jedes Genre eigene
Gewaltkonventionen ausgebildet hat, wie auch ein jeder Regisseur (im besten Falle) seine
eigene Ästhetik entwickelt. Jedoch geht es in erster Linie nicht darum, die verschiedenen
genreeigenen Konventionen und ästhetischen Modelle herauszuarbeiten39. Vielmehr dreht es
sich um die nackte Tatsache, dass jedes Genre seine eigenen Konventionen in der
Gewaltdarstellung hervorgebracht hat, die in ihrer jeweiligen Ästhetik Ausdruck findet und
als ideologische Verschleierung im Zuge der vorliegenden Betrachtung Geltung erlangt. Es
soll noch einmal an die grundlegende Frage erinnert werden, warum man sich überhaupt mit
einer derartigen Überhäufung von Gewaltdarstellungen in den Medien, besonders aber im
Film, konfrontiert sieht. Eben diesem Umstand soll, mit Canettis philosophischer Überlegung
zum Überlebensgefühl als Axiom, begegnet werden40.

39
Zu diesem Thema gibt es bereits eine Vielzahl von Literatur. Ganz besonders sei hier auf die Reihe
Grundlagen des populären Films aus dem Programm Roloff und Seeßlen verwiesen, in welcher sukzessive die
genreeigenen Darstellungskonventionen und deren zugrunde liegenden Mythologien untersucht werden.
40
Ich erwähne dies so nachdrücklich, um dem Vorwurf der Verallgemeinerung so früh wie möglich Einhalt zu
gebieten.

18
Die Hard

Es folgt der Versuch, Canettis These zum Überleben an einem filmischen Beispiel
nachzuvollziehen. Des Weiteren sollen systematisch die Ideologien, die der Film in Hinblick
auf die dargestellte Gewalt transportiert, aufgeführt und in ihrer Funktion als Verschleierungs-
bzw. Milderungsmechanismen entlarvt werden. Um einzelne Muster zu verdeutlichen, werden
noch andere Filme kurz Erwähnung finden. Die Bearbeitung konzentriert sich im
Wesentlichen auf die Filminhalte und nicht auf seine formalen Aspekte, auch wenn auf
einzelne Bilder hingewiesen werden wird.
Der auf diese Weise zu analysierende Film ist Die Hard, ein US-amerikanischer Film aus dem
Jahr 1988. Jener ist dem Genre des Actionfilms zuzuordnen, einem der profitabelsten Genres
weltweit, und kann durchaus als einer der bekanntesten dieser Gattung bezeichnet werden.
Das englische 'hard' wir in der deutschen Fassung mit langsam übersetzt, bedeutet aber eher
qualvoll. Der Mann, der nur sehr langsam bzw. gar nicht stirbt, seine Gegner hingegen äußert
qualvoll zu Tode bringt, ist der New Yorker Polizist John McClane, verkörpert von Amerikas
Actionikone Bruce Willis. Als eher gefühlsrudimentärer Einzelgänger entspricht er ganz dem
Bild des 'strong and silent typ' Westerners, nur im modernen Gewand, der sich dem 'ein Mann
muss tun, was ein Mann tun muss'-Codex verpflichtet sieht und somit seine eigene
mythologische Struktur als Archetyp des amerikanischen Blockbuster-Kinos gleich mitliefert.
Der Titel des Films ist Programm, die Geschichte schnell erzählt. John McClane kommt am
Weihnachtsabend von New York nach Los Angeles, um seine Frau Holly (gespielt von
Bonnie Bedelia) zu überraschen und auf diesem Wege gleich die, aufgrund des
Karrierestrebens seiner Frau, zerrüttete Ehe zu kitten. Sie arbeitet als rechte Hand ihres
Bosses bei einem Großkonzern, dessen wirtschaftliche Unternehmungen nicht weiter erläutert
werden. Die hausinterne Weihnachtsfeier findet im Nakatomi Plaza statt, einem
Edelbürogebäude und Hotel, dessen Name sich vom Firmeneigner ableitet. Die Party wird jäh
von dem Eindringen einer Gruppe europäischer Terroristen, unter deutscher Führung,
unterbrochen. Die Eindringlinge bringen das Gebäude unter ihre Kontrolle und nehmen alle
dort verweilenden Mitarbeiter und Partygäste als Geiseln. Der sich nach außen hin als
Terrorist gebärdende, charismatische Anführer heißt Hans Gruber (Alan Rickman) und
entpuppt sich schon nach kurzer Zeit als einfacher Dieb, der den Deckmantel des Terrorismus
lediglich zur Irreführung der städtischen Polizei und des FBI benutzt. Letzteres ist in seinem
wohl durchdachten Plan, nämlich an die Wertpapiere des Unternehmens, die im
gebäudeeigenen Safe lagern, heranzukommen, mitintegriert, da Gruber das Standardvorgehen

19
des FBI (die Kappung der Stromzufuhr) dazu nutzt, die letzte Sicherheitsbarriere des
Panzerschranks zu überwinden. Eigentlich sollte nichts schief gehen, wäre da nicht der
Störfaktor McClane, mit dem niemand gerechnet hat. Einmal dem Ernst der Lage gewahr
geworden, schießt sich McClane fortan in typischer Heldenmanier durch das Gebäude, um
den Terroristen / Dieben das Handwerk zu legen und seine Frau aus deren Fängen zu retten.
Einzige Unterstützung erfährt er durch den schwarzen Streifenpolizisten Sgt. Al Powell
(Reginald VelJohnson), der ihm außerhalb des Gebäudes über Funk mit aufmunternden
Worten und Appellen an Johns Durchhaltevermögen zur Seite steht. Polizei und FBI erweisen
sich als unfähig, verschlimmern die Situation sogar zusehends, was den New Yorker
Polizisten McClane zur einzigen Hoffnung der Geiseln macht. Jener erfüllt seine Aufgabe
bravourös und so ist dann nach ca. 118 Filmminuten (Deutsche DVD-Fassung) der Großteil
der Geiseln befreit, alle Gegner getötet, und McClane schleppt sich halbtot und von Blut
verschmiert in den Armen seiner Frau aus dem schwer in Mitleidenschaft gezogenen, teils
brennenden Gebäude. Nach einer allerletzten Schießerei können Mr. und Mrs. McClane
schließlich gemeinsam, von der Abspannmusik begleitet, in das nächtliche Los Angeles
hinaus fahren, um mit ihren Kindern, in wieder erlangter familiärer Harmonie, doch noch ein
beschauliches Weihnachtsfest zu feiern.

McClane nach Canetti

Der von John McTiernan gedrehte Film zeichnet sich durch äußerste Brutalität aus und weist
eine beachtliche Bilanz von 27 toten Menschen auf, wovon fünfzehn auf Seiten der Halunken
und zwölf auf der Gegenseite zu verzeichnen sind. Insgesamt werden achtzehn Tötungen
explizit ausgestellt, meist durch Schusswaffengebrauch vollführt (diese beinhalten auch vier
zunächst angeschossene Menschen, die schließlich in Folge einer Explosion ums Leben
kommen, und einen Genickbruch), während die restlichen neun in explodierenden Vehikeln
(Schützenpanzer der Polizei und FBI-Hubschrauber) dahingerafft werden. Der von den
Schurken produzierte Leichenhaufen setzt sich aus den Mitgliedern der staatlichen
Exekutivgewalt und der hausinternen Wachmannschaft des Gebäudes zusammen, wobei eine
erschossene Geisel die Ausnahme bildet. Alle restlichen Gefallenen gehen auf das Konto von
McClane, bis auf einen, der von Sgt. Powell erschossen wird. Die von Canetti angestellten
Überlegungen bzgl. des Helden lassen sich an dem Beispiel John McClanes konkretisieren.
Als Held ist er derjenige, der die meisten Kämpfe ausfechten muss, von Gegner zu Gegner eilt

20
und aus jedem Kampf als Sieger hervorgeht. Auf seine Person vereinigt sich die größte
Anzahl an Toten, er produziert den größten Leichenhaufen und gibt erst Ruhe, wenn auch der
letzte Gegner überwunden ist. Jeder Kampf hinterlässt an ihm seine Spuren, hier besonders
intensiv durch ein weißes Unterhemd, was er zu Beginn der Geiselnahme trägt,
veranschaulicht, das sich sukzessive durch Blut und Dreck allmählich dunkel verfärbt, bis es
schließlich dunkelbraun ist. An McClane wird eine Parade der Torturen vollzogen, auf ihn
wird geschossen, er wird geschlagen, getreten, gewürgt oder durch Fenster geworfen, er muss
Granatenexplosionen ebenso gekonnt ausweichen, wie er sich barfuss einen Weg durch ein
Scherbenmeer bahnt. Mit jedem siegreichen Kampf wächst die Sicherheit, dass er dieses
Bürohausinferno überstehen wird, jede gekonnt durch die Kamera festgehaltene Wunde
veranschaulicht dem Zuschauer, was er bisher geleistet hat. Egal mit welchem Mittel man es
versucht, er entkommt dem Tod ein ums andere Mal und lenkt die eigene Todesdrohung auf
seinen Opponenten ab. Wir können die zu Anfang festgehaltenen Beschreibungen zum
Überlebensgefühl exemplarisch an dieser Figur nachvollziehen. Er ist der Held, also tötet er.
Die Kämpfe vollziehen sich direkt, viele davon in der klassischen 'Mann gegen Mann'-
Manier. McClane steht dem toten Leib des bezwungnen Gegners als einziger gegenüber, oft
werden die Leichen mit ihm als Stehenden noch einmal gesondert im Bild festgehalten. Auf
ihn vereinigt sich die größte Anzahl an Toten, womit das Prinzip der Wiederholung
einhergeht. Obwohl er aus mannigfachen Wunden blutet und schwer verletzt ist, findet er
immer wieder die Kraft, weiter zu machen. Sein nackter Oberkörper gleicht gegen Ende des
Films einer Landkarte der überstandenen, gewalttätigen Konflikte und wird für den Zuschauer
explizit ausgestellt. Der Betrachter kann visuell jede Wunde einem Kampf zuordnen, was als
fleischliche Erinnerung fungiert: Mit den Wunden zählen sich die Toten. Was im Titel schon
angedeutet, nämlich dass der Held besonders schwer zu töten ist, wird über den Film hinweg
durch das Zeigen der absurdesten Gewalteinwirkungen auf den Helden zelebriert, deren
Überstehen ihm die Aura des Auserwählten beschert. Seine Wunden stehen für seine
Unverletzlichkeit im Sinne des Überlebens, sie dienen der visuellen Versicherung seines
Heldentums, der zählbaren Ablenkung der Todesdrohungen. Und zuletzt ist auch das Prinzip
der Einzigkeit berücksichtigt, da er der Einzige im Gebäude ist, der den Plan der Schurken
durchkreuzen kann. Er kämpft jeden Konflikt ohne Unterstützung allein aus und ist somit
auch der einzige Hoffnungsträger des Films.

21
Der Massenmörder als Held: Legitimationsstrukturen der Gewalt

Eine grundlegende Annahme vorweg: John McClane ist ein Massenmörder. In einer
filmischen Erzählzeit von nicht einmal zwei Stunden tötet er elf Menschen auf brutalste Art
und Weise. Alle von ihm begangenen Morde erscheinen als gerechtfertigt. Er stellt den
Sympathieträger des Films dar und hat somit nicht nur das Recht, sondern, in Canettis Sinne,
auch die Pflicht zu morden. Der Zuschauer gibt ihm dieses Recht und die Produzenten wissen,
dass der Zuschauer seinen Sieg ebenso wie das Morden wünscht. Die Macher des Films
bedienen lediglich die Gewaltlust seitens der Rezipienten. Der moderne Filmzuschauer
erscheint als eine neuere, wesenhaft jedoch nicht andere Form des Schaulustigen, der sich an
einer Hinrichtung ergötzt. Er ist der Betrachter des Helden, der mittels seines Sieges und
seiner Unverletzbarkeit an die eigene glaubt und als Teil einer beständigen Hetzmasse, die
persönliche Genugtuung eines gemilderten Überlebensgefühls durch den visuellen
Gewaltrausch erfährt. Da es sich allerdings um eine sehr abgeschwächte, indirekte Form des
Überlebensgefühls handelt, die der Betrachter als Konsument aus der filmischen Aufbereitung
von Gewalt ziehen kann, ist der Vorgang auf Wiederholung angelegt41, über die Grenzen des
einzelnen Films hinaus. Die ungeheure Masse an Filmen nach dem Muster von Die Hard
legen Zeugnis davon ab. Die Geschichte des Draufgängerpolizisten John McClane, dessen
Figur als Archetyp in unzähligen Filmen auftaucht, also selbst eine Schablone im seriellen
Mechanismus der Filmindustrie darstellt, erfuhr zudem seine persönliche Serialität. Der Film
wurde zu einer Reihe ausgebaut, zudem eine der erfolgreichsten ihres Genres, und gleich
dreimal neu aufgelegt: 1990 unter dem Titel Die Hard II – Die Harder, 1995 als Die Hard III
– With a Vengeance und schließlich 2007 mit dem programmatischen Subtitel Die Hard IV –
Live Free or Die Hard. Alle Filme funktionieren nach dem gleichen Muster, die
Figurenkonstellationen bleiben typenschematisch konstant, die Geschichte variiert lediglich in
der Wahl der Schauplätze (wobei anzumerken ist, dass der Handlungsspielraum der Filme
sukzessiv von Teil zu Teil erweitert wird)42 und der Intention der Opponenten (in Teil I und
III handelt es sich um Diebe, in II und IV um Terroristen). In jedem Film ist John McClane
der Held, der versehentlich in eine infernalische Auseinandersetzung gerät, als einziger die
Situation durch drastische Gewaltanwendung lösen kann und am Ende alle Schurken besiegt.
Die Kinoplakate eines jeden einzelnen Films sind mit einem verwundeten Bruce Willis, in

41
Auch hier stimmt der Filmzuschauer mit dem Zeitungsleser überein: „Für Abwechslung ist in der täglichen
Wiederholung der Zeitung gesorgt“, Masse und Macht, S. 59.
42
In Teil I spielt sich das Geschehen noch in einem beengten Hochhaus ab, Teil II auf einem Flughafen und
dessen Peripherie, während Teil III schon ganz New York mit einbezieht und Teil IV den Handlungsraum
nochmals auf das Umland selbiger Stadt erweitert.

22
Pistolen schwingender Pose, vor dem Hintergrund eines brennenden oder explodierenden
Schauplatzes, geziert, damit der Zuschauer von vorneherein weiß, was ihn erwartet: ein
spektakuläres Blutbad mit Minimalhandlung ohne Charakterentwicklung oder Tiefgang. Und
was Groebner über das spätmittelalterliche Publikum von Schlachtenberichten und den
heutigen Nachrichtkonsumenten befindet, gilt hier auch für das Kinopublikum: „Der Horror
ist das Bekannte“43. Nur ist es eben kein Horror mehr, sondern im Zuge der Wiederholung der
Wiederholung des ewig Gleichen ein Vergnügen. Man fühlt sich an die Feststellung Walther
Benjamins, in seinem wegbereitenden Aufsatz über die Reproduzierbarkeit, erinnert, dass die
Menschheit, aufgrund ihrer Selbstentfremdung, „ihre eigene Vernichtung als ästhetischen
Genuss ersten Ranges erlebt“44.
Was aber rechtfertigt die Handlungsweise einer Figur wie John McClane, der im
außerfiktiven Raum, nach den sozialen und moralischen Standards westlich demokratischer
Gesellschaften, sofort verurteilt und lebenslänglich eingesperrt werden würde, im übrigen von
den gleichen moralischen Menschen, die ihm auf der Kinoleinwand ihre Huldigung und
Bewunderung zu Teil werden lassen? Hier stößt man bereits auf das erste Paradoxon, nämlich
die Suspendierung der im realen Leben gepflegten Moral, die sich, in Anbetracht dieses
Filmes, in ihr genaues Gegenteil wendet, in die Bejahung des Mordes. Als Zustimmung in
erster Distanz gilt schon der freiwillige und gewünschte Konsum desgleichen45.
Die Zustimmung seitens des Zuschauers wird über Modelle ideologischer Rechtfertigung, die
Formen der Distanzierung gegenüber der Gewalttat evozieren, erreicht. Beides ist auf das
Engste miteinander verbunden. Der Begriff Distanzierung darf in diesem Zusammenhang
nicht als Reaktion der moralischen Empörung auf das Gesehene hin gedeutet werden, sondern
als sein genaues Gegenteil. Distanz meint hier zunächst die ermöglichte Distanzierung von
den eigenen, aber auch gesellschaftlich verbürgten, sprich allgemeinen, moralischen
Vorstellungen. Die erste und den Film maßgelblich bestimmende ideologische Rechtfertigung
für die von McClane angewandte Gewalt, ist sein Stellenwert als der 'Gute', im moralischen
Sinn, eben als der Held. Da die von ihm ausgehende Gewalt lediglich als Reaktion auf eine
außergewöhnliche Situation veranschaulicht wird, ist diese damit legitimiert.
Außergewöhnliche Situationen bedürfen außergewöhnlicher Maßnahmen. Für ihn bedeutet
dies, dass er Gewalt nicht als erbaulichen Selbstzweck anwendet, sondern zum Schutze der

43
Groebner, Visuelle Kultur der Gewalt, S. 164.
44
Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: Gesammelte
Schriften, Bd. I 1, Tiedemann, Schweppenhäuser (Hgg.), Frankfurt am Main 1977, S. 469.
45
Im Zuge der Serialität ist der gewalttätige Inhalt des Films, wie bereits erläutert, schon vor dem Kinobesuch
bekannt. Allein in Deutschland schauten 2.628.206 Menschen den vierten Film der Die Hard - Reihe. Weltweit
spielte dieser 382,3 Millionen US-Dollar ein. (Angaben laut http://www.insidekino.com)

23
unbeteiligten Opfer, die es zu retten gilt. Hier stößt man bereits auf eine zweite Legitimation
seines Vorgehens: Die Tötung von Wenigen zum Schutze von Vielen, ein utilitaristisches
Argument. Beide Legitimationen sind moralischer Natur, wobei es sich hier um eine sehr
einseitige wie unreflektierte Moral handelt, die besagt, dass Gewalt seitens des 'Guten'
gerechtfertigt erscheint, da sie einem höheren Zwecke und der Allgemeinheit dient, die
gleiche Tat des 'Bösen' aber auf Ablehnung stößt, da sie sich auf Selbstsucht gründet.
Außerdem geht die Spirale der Gewalt immer vom 'Bösen' (darum ist er ja der Böse) aus46.
Wir haben es hier mit einem Messen mit zweierlei Maß zu tun, das sich auf eine simple
moralische Polarität beruft. Eine weitere Rechtfertigung erfährt die Figur des John McClane
in seiner Stellung als Polizist, mit der eine Mythologie des gerechten Ordnungshüters
einhergeht. Damit ist die Struktur des Kampfes eines Gesetzeshüters gegen den
Gesetzesbrecher gemeint, dessen Bestrafung schon im Vorfeld durch den kriminellen Akt
legitimiert wird. Michael Haneke nennt dies ein „zynisches Alibi“47, welches, im Zuge der
steten Wiederholung, bereits dermaßen vom Zuschauer verinnerlicht wurde, „dass uns der
Vorwandcharakter dieser Argumentation schon gar nicht mehr auffällt“48. Mit dem Dualismus
Gut – Böse fällt noch eine andere, gerne verwendete Erzählstrategie zusammen, nämlich das
Opfer – Täter – Szenario. Gruber und seine Bande sind hier klar als Täter klassifiziert, die
Geiseln als Opfer und McClane, so eigenartig es auch anmuten mag, seinerseits ebenfalls als
Opfer. Er jedoch erkennt diese, ihm aufgezwungene, Rolle nicht an und ergreift die Initiative.
Auch wenn er über die Geschichte des Films hinweg zum Täter (als solcher durch das gezielte
Töten von Menschen qualifiziert) wird und auf die gleichen Mittel, die auch von den
Halunken eingesetzt werden, zurückgreift49, ist seine Präkonfiguration als Opfer, also als
unschuldig in eine Situation geratene Person, eben die entscheidende Legitimation für die
nachfolgende Anhäufung von Schuld, die aber nicht mehr als solche identifiziert wird. Seine
Momente der Gewaltausübung, entgegen jener der Schurken, werden in einen Frieden
stiftenden, die Ordnung wiederherstellenden Kontext eingebettet, könnten also durchaus als
konstruktive Gewalt betrachtet werden. Die moralische Überlegenheit des Sympathieträgers
fällt bei der Figur McClane mit seinem Status als Polizist zusammen. Im Film wird er eben
nicht als kaltblütiger Mörder dargestellt, dem seine Handlungen Freude bereiten, wie es bei
den Schurken der Fall ist, sondern untersteht dem Ehrencodex des Ordnungshüters, dessen

46
„Doch in diesen Filmen scheint jede Wendung zur Gewalt nur auf den ersten Blick als Reaktion auf brutale
Herausforderung. In Wahrheit verläuft die eigentliche Dramaturgie umgekehrt: Die primäre Brutalität ist blosser
Vorwand, um den Mechanismus von Gewalt zu entfesseln, um wie auf den Jahrmärkten den Kunden das
Allersimpelste zu bieten: surprises, thrills and shocks.“ Grob, Akt der Gewalt, S. 160.
47
Grabner, Gespräch mit Michael Haneke, S. 38.
48
Ebenda, S. 38.
49
„Kein Mittel ist ihnen zu abwegig, um ihre Gegner auszuschalten.“ Grob, Akt der Gewalt, s. 159.

24
primäre und edle Aufgabe, unter Missachtung seines eigenen Wohlergehens, der Schutz der
Schwachen ist. Die Schurken zeichnen sich hingegen durch Kaltblütigkeit aus, McClane
durch Gerechtigkeit und Selbstaufopferung. Dies wird an einer Stelle des Films besonders
betont. In einer Kampfsequenz entwaffnet McClane einen der Schurken, erschießt ihn aber
nicht, da es ihm die moralischen Statuten des Polizisten nicht erlauben, einen Unbewaffneten
zu töten, weil es sich dann nicht mehr um Notwehr, sondern um Mord handeln würde. Sein
Gegenspieler ist sich dieses Umstandes sehr wohl bewusst, und so weist er McClane darauf
hin, dass dieser ihn nicht erschießen wird, da er ein Cop sei.50 McClane erschießt ihn
tatsächlich nicht, sondern beginnt, sich mit dem Schurken zu prügeln, ein fairer Faustkampf.
Dieser kommt schließlich durch einen Genickbruch in Folge eines Treppensturzes ums Leben.
Von besonderer Wichtigkeit ist hier, dass McClane ihn eben nicht willentlich tötet und so
seinen Ehrencodex nicht suspendiert. Der Tod des Schurken ist ein Unfall. Solche Szenen
sind unerlässlich für den Figurenaufbau des Protagonisten als Sympathieträger, da sie jenen
im Lichte der Gerechtigkeit leuchten lassen und ihn mit moralischer Integrität versehen.51 Es
wird im Film nachdrücklich betont, dass McClane gar nicht allein gegen die Schurken
vorgehen möchte. Wiederholt versucht er, die örtlichen Behörden auf sich aufmerksam zu
machen. Erst als sich diese als handlungsunfähig erweisen, und zudem die Zeit drängt, da er
von dem Plan der Geiselnehmer, das Gebäudedach mitsamt aller Geiseln in die Luft zu
sprengen, erfahren hat, entschließt er sich seinerseits zu handeln. Die Geschichte liefert somit
den zureichenden Grund für die Selbstjustiz des Protagonisten. Die Setzung des Charakters
als moralisch integeren Menschen und das utilitaristische Argument rechtfertigen die von nun
an folgenden Exekutionen. Was sich im ersten Moment moralisch äußerst zweifelhaft anhören
mag, nahezu paradox, ist tatsächlich ein anerkanntes Prinzip im dramaturgischen Aufbau
solcher Filme. Denn „der Zuschauer hat ein Recht darauf zu sehen, wie die Ordnung der Welt
mit Gewalt wiederhergestellt werden kann und manchmal wiederhergestellt werden muss“,
eben Gewalt als legitime Lösungsstrategie, die nicht weiter hinterfragt werden muss. Die
Geschichte ist bewusst auf den gewalttätigen Konflikt, der als einziger Lösungsweg offen
steht, zugespitzt. Alle anderen möglichen Lösungswege werden systematisch ausgespart oder
versperrt, so dass die Geschichte nur ihr 'Happy End' aufgrund der radikalen Vorgehensweise
des Protagonisten erfahren kann, die sich damit selbst legitimiert. Durch die Legitimation
kann der Zuschauer sich auf die Seite des Helden begeben, wird also zu dessen Komplizen, da

50
Sie werden mir nichts tun!“ – „Tatsächlich, warum nicht?“ – „Weil Sie Polizist sind und Polizisten haben
Vorschriften.“, Die Hard.
51
In Wolfgang Petersens Film Air Force One wird das Muster auf den Punkt gebracht: “Wir sind doch die guten
Jungs, die die bösen Jungs jagen”.

25
er „im Film einen durch das Geschehen und die Handlungsführung legitimierten Stellvertreter
hat, den Helden, als dessen Schattendouble er mit-tötet, -schießt, - schlagen darf, ohne mit
moralischem Kater bezahlen zu müssen.“52 Auf seine eigene Mittäterschaft wird der
Zuschauer nicht zurückgeworfen, da eben eine Legitimation der Gewalt im Vorfeld a priori
eine selbstreflexive Grundhaltung des Zuschauers dem Filminhalt, wie auch sich selbst
gegenüber, unterbindet. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass der Zuschauer hier nicht als
Opfer einer unerbittlichen, profitorientierten Filmindustrie erscheinen soll, denn ein jeder
kann aus freiem Willen entscheiden, ob er die ihm dargebotenen Legitimationen annimmt
oder verwirft. Doch gerade die, an der horrenden Zuschauerzahl erkennbare, willfährige
Annahme dieser Muster, verweist auf ein tief begründetes Bedürfnis nach derlei Filmen.
Gewalt als Lösungsstrategie erlangt, im Kontext des hier untersuchten Films, noch in einer
anderen Beziehung Geltung. Nämlich in der Zementierung des Ehelebens von John McClane.
Die zerrüttete Ehe des Protagonisten wird im Film zwar nur oberflächlich, aber stetig
diskutiert. In einer Szene zu Anfang wird die kommunikative Unfähigkeit der Ehepartner
herausgestellt, die sich schon nach wenigen Sätzen als völlig unsensibel gegenüber ihrem
Partner erweisen und zu streiten beginnen. Die aggressive Grundstimmung des Films
durchzieht auch diese Ebene. Zur angestrebten Aussprache der Eheleute kommt es aufgrund
des Geschehens nicht. Alles, was John McClane seiner Frau sagen möchte, erzählt er an Stelle
derer Sgt. Al Powell über Funk, der seine Worte, im Fall von John McClanes Ableben, seiner
Frau überbringen möchte. Die Tatsache, dass der Protagonist in der direkten Kommunikation
mit dem anderen Geschlecht versagt und seine Gefühle nur vor einem anderen Mann äußern
kann, verdeutlicht die Suspendierung kommunikativer Lösungsstrategien exemplarisch. Und
selbst im Männergespräch bedarf es noch der räumlichen Distanzierung, der emotionale
Moment kann nur unter der Aussparung eines direkten Gegenübers bewerkstelligt werden.
Eine direkte Aussprache und das Zeigen von Emotionen und Empathie würden den
Protagonisten als sensibel, sogar schwach erscheinen lassen. Diese Sensibilität ist der Figur
John McClane im Rahmen des Männlichkeitskults nicht gestattet. Im Gegenteil muss das
Klischee des harten Mannes bedient werden, welches durch genannte Szene mitkonstituiert
wird und ein unentbehrliches archetypisches Merkmal ist. Die Beendigung der Geiselnahme
durch Gewalt und sein daraufhin erworbener Heldenstatus lösen zunächst auch die ehelichen
Probleme, da McClane seine Liebe zu seiner Frau mit deren Rettung ausreichend unter
Beweis gestellt hat, was darauf hinweist, dass „Gewalt in diesen Situationen als Moment der

52
Grabner, Gespräch mit Michael Haneke, S. 37.

26
Stärke wirkt, die Schwäche zu verbergen“53. Doch nicht nur John pflegt Gewalt als
Lösungsstrategie, sondern auch seine Frau Holly. Am Ende des Films wird sie mit einem
aufdringlichen Reporter konfrontiert, der seinerseits schon ihre Kinder belästigte und damit
den Terroristen die Möglichkeit gab, Holly als McClanes Frau zu identifizieren, um ihn
anschließend mit ihrer Geiselhaft zu erpressen. Auf die Frage des Journalisten reagiert Holly
mit unverhohlener Gewalt, indem sie ihm einfach mit der Faust ins Gesicht schlägt, anstelle
verbal auf sein Fehlverhalten hinzuweisen. Der abschließende Kommentar ist dem schwarzen
Chauffeur Argyle (De'voreaux White) vorbehalten, der begeistert ausruft: »Wenn die so
Weihnachten feiern, muss ich unbedingt Neujahr hier sein«. Der Selbstzuspruch kommt
einem Anruf an das Publikum gleich, der besagt, dass das gerade Gesehene eine große Freude
bereitet hat und beinhaltet die Aufforderung, den Vorgang zu wiederholen.
Seine Härte stellt McClane besonders im Umgang mit seinen Opfern heraus, in der Art und
Weise, wie er psychisch auf diese reagiert; nämlich gar nicht. Er zeichnet sich durch äußerste
emotionale Kälte aus und quittiert die Tötung eines Gegners meist noch mit einem 'coolen'
Spruch. Auch in dieser Hinsicht wird jede Emotionalität in der Struktur der Figur ausgespart,
sie ist nicht zur Reue fähig, sie ist im wahrsten Sinne des Wortes kalt54. Genau so wenig, wie
bei dem Protagonisten eine moralische Reflexionsebene einsetzt, setzt eine solche beim
Zuschauer ein. Die fehlende reflektierende Ebene in Form einer empfundenen Reue seitens
der Figur soll eben diese beim Zuschauer verhindern und für die nötige Distanz im Angesicht
der Tötungen sorgen. Diese wurden im Vorfeld schon legitimiert, bedürfen im nach hinein
also keiner emotionalen Auseinandersetzung mehr. Sich filmisch nicht mit den Opfern einer
Gewalttat auseinanderzusetzen, ist für ein genussvolles Seherlebnis von fundamentaler
Wichtigkeit. Nur wenn emotionale Strukturen dieser Art unterbunden werden, kann sich der
Sehgenuss entfalten. Der Vorgang schafft die Basis für die bereits erwähnte Mittäterschaft des
Zuschauers als Komplize des Helden. Dafür, dass er eben nicht mit einem „moralischem
Kater“ das Gewalterlebnis quittieren muss, sorgen die Distanzierungsmechanismen.
Eine andere Distanzierung ergibt sich aus jener Realitätsverzerrung, die mit dem Begriff der
surrealen55 Gewalt zu kennzeichnen ist. Gemeint ist hier die physische Unzerstörbarkeit des

53
Grob, Akt der Gewalt, S. 163.
54
Im Film Crying Freeman von Christophe Gans aus dem Jahr 1995 wird der Archetyp durch die Ausstattung
mit einem, diametral zur Reuesuspendierung stehenden, Merkmal gebrochen. Die Figur des Freeman (Mark
Dacascos), einem Profikiller, der im Gegensatz zu McClane nicht auf Seiten des Gesetzes agiert, zeichnet sich
durch den eigentümlich emotionalen Zug des Weinens nach jeder Tötung aus. Dieses, dem Archetypen des
Genres, völlig zuwiderlaufende Merkmal, erzwingt, als eine die Konventionen brechende Kontradiktion, die
Aufgabe der Distanz seitens des Zuschauers. Dieser muss nun eine moralische Position ob des Gesehenen
einnehmen, da das visualisierte Schuldeingeständnis eine Reflektion hinsichtlich der eigenen Moralität fordert.
55
Der Begriff surreal bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht auf den surrealistischen Film oder dessen
Vertreter. Die surreale Gewaltdarstellung bei Luis Buñuel, Salvador Dalí, Alejandro Jodorowsky oder David

27
Helden. Die Torturen, die sich an McClanes Körper über die Filmdauer hinweg vollziehen
und ihm seine martialische Präsenz verleihen, würde ein realer physischer Körper nicht
verkraften. Der Filmheld kann durch Glasscheiben springen, nach einem spektakulären
Autounfall aus dem brennenden Gefährt klettern, mehrere Stockwerke hinunter fallen oder
einer Explosion aus nächster Nähe beiwohnen. Was im Normalfall zu schwersten
Verletzungen oder einem raschen Tode führen würde, kann sein Körper ohne größere
Probleme überstehen. In diesen Szenen tritt die Fiktionalität des filmischen Geschehens
deutlich zu Tage, da der Zuschauer sich des Mangels an Realität hier bewusst wird und sich
auf das Absurde in der Gewaltdarstellung zurückziehen kann. Dies evoziert jedoch keinen
Bruch im filmischen Kontinuum. Gerade durch diese gnadenlose Überzeichnung wird die zur
Schau gestellte Gewalt gemildert, wenn nicht sogar verharmlost. Der Rückzugsort des
Zuschauers ist nicht etwa ein gedanklicher, von dem aus ihm die kritische Analyse des gerade
Gesehenen ermöglicht wird, sondern einer der Berauschung, von dem aus er der suggestiven
Bilderflut nichts entgegenzusetzen hat. Das Wissen um die Surrealität der Stunteinlagen und
der spektakulären Tötungsszenen, werfen ihn nur umso stärker auf diese zurück, ziehen ihn in
deren Bann, ohne moralische Konsequenzen fürchten zu müssen, denn das Gesehene ist ja
überhaupt nicht möglich. Der Film Last Action Hero von 1993, auch von John McTiernan
gedreht, spielt auf interessante Weise mit dieser Konvention. Der Kinoheld Jack Slater
(Arnold Schwarzenegger) wird mittels einer magischen Kinokarte in die 'Realität' versetzt, wo
er die bittere Erkenntnis machen muss, dass seine Leinwandunverletzlichkeit hier nicht mehr
gegeben ist. Das ist umso schlimmer, da er seinen Opponenten, der auch dem filmischen
Universum entkommen ist, nun in der Realität jagen muss, in welcher er sich reale Wunden
zuzieht, die seinen Tod bedeuten können. Es handelt sich hierbei um einen Film im Film, der
eine Brechung im filmischen Kontinuum dadurch erzeugt, dass er gezielt auf sich selbst, als
Film, verweist. Die Brechung erfolgt nicht nur durch den Ebenenwechsel, sondern auch durch
Arnold Schwarzenegger, der hier die Hauptrolle innehat. Auch Schwarzenegger ist eine der
Ikonen des achtziger und neunziger Jahre Actionfilms und bringt, wie schon bei Bruce Willis
festgestellt, alle Heldenimplikationen a priori mit sich. Umso ironischer wirkt es, wenn das
unverletzliche Muskelpaket versucht, eine Glasscheibe mit der Faust einzuschlagen und
erkennen muss, dass die tausendfach wiederholte filmische Übung ihm in der Realität arge
Schmerzen bereitet. Durch den Ebenenwechsel wird sich der Filmheld seiner Existenz als
reines Kunstprodukt nachdrücklich bewusst und somit auch dem Zuschauer. Am Ende des
Films muss er in seine eigene Welt, auf die Filmebene im Film, zurückkehren, da er sonst, auf

Lynch unterscheidet sich in allen Merkmalen von der des Mainstream. Der Begriff soll hier in seiner engsten
definitorischen Lesart, als etwas unwirkliches, verstanden werden.

28
der Realitätsebene im Film, sterben würde. Trotz des subversiven Ansatzes ist der Film
maßgeblich von den allgemeinen Genrekonventionen (der Gute besiegt im spektakulären
Showdown, unter Einsatz aller ihm möglichen Mittel, den Bösen und überlebt) bestimmt56.
Es wurde bereits erwähnt, dass die dargestellte Gewalt schon im Vorfeld durch
Erklärungsmuster legitimiert wird. Entweder, wie im Fall John McClanes, durch eine 'Gut
gegen Böse' Polarität oder durch das Prinzip der gerechten Rache, einer vor dem Film oder im
Film am Handlungsträger oder seinen Nächsten begangenen Untat, einem Eifersuchtsmord
aus sexueller Demütigung heraus und so weiter. Die Liste möglicher Rechtfertigungen für
Gewalt ist endlos. Es wird immer ein Auslöser, als Motor der folgenden Gewaltspirale,
festgelegt, wobei besonders beim Rachemotiv die Formel gilt, je schwerer die im Vorfeld
begangene Tat, desto drastischer die Sühne. In Filmen, wo kein edles Gerechtigkeitsmotiv
oder verständliches Rachemotiv die Legitimation der Gewalt bieten kann, wird auf
individualpsychologische Muster57 zurückgegriffen, die ein Erklärungsmuster für die im Film
gezeigten Taten des Protagonisten liefern sollen. Ein gutes Beispiel für diese Form der
Legitimationsstrategie ist der Film Falling Down, gedreht von Joel Schumacher 1993. Der
Protagonist William 'D-Fens' Foster (Michael Douglas) ist ein mit seinem Leben im höchsten
Maße unzufriedener, sich selbst stets als Opfer seiner Umgebung begreifender, zutiefst
enttäuschter Mensch, dem die Fähigkeit, sich in irgendeiner sozialen Weise positiv in die
Gesellschaft zu integrieren, schlicht abhanden gekommen ist. Eine Konstellation also, die das
Gros der Masse zumindest in Ansätzen kennen dürfte. Ohne weitere Erklärung bricht sein
lang aufgestauter Hass in ihm durch und er beschließt, sich fortan nichts mehr gefallen zu
lassen und reagiert auf jede Kleinigkeit mit extremster Aggression, gleich, ob es sich um
einen von ihm bestellten Hamburger handelt, der seiner Meinung nach nicht dem Ideal des
Werbebilds entspricht, überhöhte Preise für einen Softdrink oder eine Steuergelder
verschlingende, unnütze Straßeninstandsetzungskolonne. Von seiner Warte aus gesehen, gibt
es kein zurück mehr, er hat den ultimativen Kampf gegen ein ihm verhasstes System
aufgenommen. Die gewalttätige Grundstimmung des Films, die unter der Oberfläche der
Alltäglichkeit deutlich spürbar ist und jederzeit hervorbrechen kann, kreiert einen extremen
Spannungsmoment, der über die Gesamtdauer des Films hinweg gehalten wird und durchaus

56
Interessanterweise war der Film hinsichtlich seiner Einspielergebnisse bei weitem nicht so erfolgreich, wie die
Filme Schwarzeneggers, in denen er den unbesiegbaren Helden mimt. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass die
Zuschauerwartungen durch den genannten Bruch im Heldenklischee, der die Unbesiegbarkeit des Helden in
Frage stellt, nicht befriedigt wurden.
57
Diese Bezeichnung ist Michael Hanekes Theorie über Gewalt im Film entlehnt. Er selbst bezieht sich zur
Klärung dieser Legitimation auf den Film Falling Down, weswegen es ratsam erscheint, diesen hier ebenfalls
anzuführen. Vgl. Grabner, Gespräch mit Michael Haneke, S. 36.

29
sehr verstörend wirken kann. Das Gewaltpotential ist hier eben nicht mehr räumlich und auf
einige wenige Personen eingegrenzt, wie es in Die Hard der Fall ist, sondern in den
allgemeinen öffentlichen Raum verlegt. Das für den Zuschauer verstörende Element ist nun
die Gewissheit, dass er an jedem Ort Opfer einer Gewalttat werden kann, dass gewaltsame
Konflikte in jedem Raum möglich sind. Dadurch wird ihm die sichere Behaglichkeit eines
Rückzugsraums genommen, ein Prinzip was Michael Haneke, wie später noch behandelt
werden wird, bis zur Perfektion steigert. Der Film beinhaltet also einen durchaus
gesellschaftskritischen, subversiven Ansatz, der dem Zuschauer die nötigen Leerstellen böte,
über das gesellschaftliche Grundpotential an Gewalt auf der einen, und sozialen
Ungerechtigkeiten auf der anderen Seite zu reflektieren. Der viel versprechende Ansatz wird
leider in dem Moment zerstört, in welchem eine Psychologisierung des Protagonisten
betrieben wird. Im Film wird die Vita des William Fosters, durch die Recherchen des
Polizisten Martin Prendergast (Robert Duvall), sukzessive rekonstruiert, was zur Folge hat,
dass sich der Protagonist als ein von Grund auf gewalttätiger, faschistoider Arbeitsloser mit
vehementen Eheproblem herausstellt. Die verstörend wirkende Tatsache, es handle sich hier
einfach um einen Jedermann, einen Durchschnittstypen, der die Verrohung, Abstumpfung und
Blasiertheit des gesellschaftlichen Alltags nicht mehr ertragen kann und daraufhin Amok
läuft, wird hier durch die Psychologisierung der Hauptfigur, die auf Nicht-Identifikation mit
diesem ausgerichtet ist, gebrochen. Mit dem Durchschnitttypen kann sich jeder einzelne
Zuschauer identifizieren. Er kennt die Alltagssituationen, in denen der Protagonist Amok
läuft, selbst nur allzu gut und auch das Gefühl des Betrugs, der Ungerechtigkeit und der
Ohnmacht, mit welcher er dem System gegenübersteht. Genau an diesem Punkt könnte dem
Zuschauer eine Reflektionsebene seitens des Films geboten werden, da er, nach einer
Abgleichung der eigenen Lebenssituation mit der des Protagonisten, zu dem Schluss kommen
müsste, dass hier eine beängstigende Kongruenz auszumachen ist. Dies würde „den
Zuschauer selbst mit seinen Ängsten und Aggressionen ins Zentrum der Geschichte stellen“58,
er wäre auf seine eigene Verantwortung zurückgeworfen. Diese Spitze wird dem Film
allerdings durch die Rekonstruktion des Lebenslaufs des Protagonisten genommen. Plötzlich
sehen wir uns mit einem Verlierertypen konfrontiert, der in seinem ganzen Leben nichts zu
Stande gebracht hat, ein gewalttätiges Naturell besitzt und zudem noch drogenabhängig ist.
Aus dem Stellvertreter für die Masse wird ein individualpsychologischer Fall, aus dem
Jedermann wird ein psychotischer Alkoholiker. Diese Muster sind für den Zuschauer nicht
mehr annehmbar, er wird systematisch der Möglichkeit zu einer Identifikation mit der Figur

58
Grabner, Gespräch mit Michael Haneke, S. 36.

30
beraubt und damit der Reflektion auf die eigene Lebenssituation. Die Gewalt erscheint nicht
mehr inspiriert aus einem Moment der Ohnmacht gegenüber einer maroden Gesellschaft, in
der die soziale Kälte den Alltag regiert, sondern gilt als Überreaktion eines gefährlichen und
verwirrten Verstandes. Somit hat sich auch der allgemein kritische Blick in den des
Wahnsinnigen gewandelt, der als monomaner Einzelfall von falschen Erkenntnissen ausgeht
und somit auch falsch handelt. Die Figur wird zum Störfaktor im ungestörten
Gesellschaftsleben und daraufhin am Ende des Films auch beseitigt. Danach ist die Ordnung
wiederhergestellt, es lässt sich normal weiterleben. Der im Ansatz subversive Film wird zu
einem Action-Melodram, von welchem sich der Zuschauer distanziert berieseln lassen kann.

Mythen als Legitimation der Gewalt

In Bezug auf Film gilt die Formel Roland Barthes’, dass alles zum Mythos werden kann59. In
seinem Sinne kann Mythos als eine Form eines vereinfachten Weltverständnisses aufgefasst
werden, das als unproblematisch gilt, da dieses dem Menschen nicht völlig bewusst ist, also
unterschwellig wirkt, und ihm auf diese Weise als natürlich erscheint. So darf
geschlussfolgert werden, dass „ein Mythos eine Denkfigur ist, die so tief in unserem
Bewusstsein verankert ist, dass sie unsichtbar wird“60.
Filme nutzen diesen Vorgang auf mannigfache Weise. So wurde dem Zuschauer zum Beispiel
der antike Römer, im Zuge der Sandalenfilme der siebziger Jahre, zu einem weißen,
schwitzenden und Haarfransen auf der Stirn tragenden Menschen61, oder die indigene
Urbevölkerung Amerikas, im klassischen Wild-West-Film, zu bestialischen Wilden, die
einzig und allein nach dem Skalp des weißen Mannes trachten. Der Mythos im Film dient also
primär dazu, bestimmte Vorstellungen im kulturellen Gedächtnis einer Gesellschaft zu
verankern, die daraufhin als allgemein verbindlich und wahr gelten. Ab dem Moment, wo
eine bestimmte Weltvorstellung in ihrem Stellenwert als Mythos gefestigt ist, findet ein
stetiger Rekurs auf selbigen statt. Darum ist es besonders bei der Darstellung von Gewalt
daran gelegen, Legitimationen aus mythischen Bereichen zu schöpfen, um diesen einen Wert
der Natürlichkeit, im Sinne von Wahrheit, zu verleihen. Bei diesem Prozess wird zum einen

59
Roland Barthes, Mythen des Alltags, Helmut Scheffel (Übers.), Frankfurt am Main 1964, S. 85.
60
Neil Postman, Wir amüsieren uns zu Tode, Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, Reinhard
Kaiser (Übers.), Frankfurt am Main 1985, S. 101.
61
Vgl. Roland Barthes, Mythen des Alltags, S. 43 – 46.

31
auf den schon existierenden Mythenbestand62 zurückgegriffen, der nach Belieben in den
jeweiligen inhaltlichen Kontexten von Filmen verarbeitet wird, oder es werden einfach neue
Mythen kreiert. Bei Filmmythen handelt es sich zumeist um Mischformen aus alten und
neuen Mythen. Der Mythos ist hier also besonders in seiner Funktionalität von Interesse.
Bisher wurde mit den Begriffen Ideologie und Mythos gearbeitet, was eine Unterscheidung
selbiger voraussetzt. Allerdings erscheint hier eine klare, allgemeine Definition der Begriffe,
die ihre Differenz formuliert, als wenig zweckdienlich, wenn nicht sogar unmöglich, da die
Grenzen zwischen beiden allzu oft verschwimmen und die eine Form in der anderen aufgehen
kann. Eine Definition der beiden Begriffe kann sich hier nur aus ihrer kontextuellen
Verwendung und ihrem Verhältnis zueinander erschließen lassen63. Gerade bei der
Bestimmung des Begriffs Mythos kann eine allgemeinverbindliche Definition nicht erbracht
werden, da sich diese aus der jeweiligen Betrachtung, sei sie nun inhaltlich,
motivgeschichtlich oder funktionalistisch, erschließt. Die Definition ist also von der
Erkenntnisperspektive abhängig64.
Für unseren Zusammenhang, Mythos als Verdeckungs- und Legitimationsstrategie, ist
allgemein zu konstatieren, dass der Begriff Mythos eher positiv konnotiert (wenn dieser nicht
als irrational angenommen wird) und durch komplexere, wie auch offenere Strukturen
gekennzeichnet ist. Offen meint in diesem Zusammenhang, dass ein Mythos eine Vielzahl
von Anschlussstellen bietet, an welche Ideologien anknüpfen können. Im Gegenzug ist der
Begriff Ideologie eher negativ konnotiert und als abgeschlossene, einseitige Vorstellung
aufzufassen, die einen Beigeschmack von Lüge mit sich bringt. Ein Mythos hat, wie oben
erwähnt, den Vorteil, dass er als eine tief in der Gesellschaft verbürgte Form gilt (als
sagenumwoben, legendär, sinnstiftend und zeitlos), die einer zudringlichen Hinterfragung
entgeht. Darum ist es daran gelegen, Ideologien in Mythen umzuwandeln, um sie dem
Bereich der gesellschaftlichen Kritik zu entziehen.
Wie Mythen als Legitimation von Gewalt funktionieren, soll nun am Film Die Hard kurz
verdeutlicht werden. Da gerade dieser Film mit einer Vielzahl von Mythologisierungen
arbeitet, ist es nicht möglich, jede einzelne detailliert aufzuarbeiten. Darum sollen lediglich
zwei Mythen, einer älteren und einer modernen Ursprungs, die für die Konstitution der Figur
John McClane von maßgeblicher Wichtigkeit sind, aufgegriffen werden, um das Prinzip

62
„Alle Legenden, alle Mythologien, alle Religionsstifter, ja alle Religionen … warten auf ihre belichtete
Auferstehung, und die Heroen drängen sich an den Pforten.“ Zitat von Abel Gance, in: Paul Virilio, Krieg und
Kino, Logistik der Wahrnehmung, Frankfurt am Main, 1989, S. 61.
63
„Eine Definition setzt ja grundsätzlich schon voraus, was erst Resultat einer konkreten Problemerörterung sein
kann.“ Josef Früchtl, Das unverschämte Ich, Eine Heldengeschichte der Moderne, Frankfurt am Main 2004, S.
45.
64
Vgl. Früchtl, Das unverschämte Ich, S. 44 – 53.

32
verständlich zu machen. Wie im Zuge der Filmbesprechung schon erwähnt wurde, ist die
Figur des John McClane eine moderne Abwandlung des klassischen Westernhelden, als
kommunikationsarmer, einsamer, starker Mann, der Probleme meistens mit dem Colt, folglich
mit Gewalt löst. Josef Früchtl, der in seinem Werk Das unverschämte Ich den Westernfilm
eingehend analysiert und zudem die wichtigsten tragenden Elemente der Westernmythologie
aufarbeitet, postuliert, dass „Western Filme über eine Grenze“65 sind, die wiederum nicht nur
geographisch oder sozial und psychologisch zu begreifen ist, sondern in ihrer staatstragenden
Bedeutung. Der Western ist also aus amerikanischer Sicht auch ein Politikum und in seiner
mythologischen Dimension als eine Art nationaler Pfeiler zur staatlichen Identifikation
anzusehen. Früchtl selbst macht hier den Wert des Mythos als legitimierendes Element aus. Er
beschreibt, dass „Mythen wie alle Formen der Kultur, die als Zeichen- und Symbolsystem
Tradition verbürgen, nie privat sind, sondern sie dienen, funktional und speziell soziologisch
gesehen, der sozialen Integration“66. Nach seiner Definition verhelfen Mythen zur Einordnung
des Individuums in ein Kollektiv, als dessen Teil es sich durch eine als allgemeinverbindlich
interpretierte Geschichte begreifen kann. Mythen sorgen für diese Allgemeinverbindlichkeit
der Geschichte, da „sie einen zentralen Wert im wörtlichen Sinn beglaubigen (zum
Glaubensgegenstand erheben) oder rechtfertigen“67. Genau um diesen Mechanismus der
Rechtfertigung geht es hier, da „etwas zu rechtfertigen heißt, es auf einen intersubjektiv
unumstrittenen Punkt zu beziehen […] und es heißt in diesem Fall, es auf etwas zu beziehen,
was für heilig, für unantastbar und mächtig gehalten wird“68.
Die Helden des Western sind primär Männer, die die Grenzen Amerikas mit Gewalt
erweiterten und auch sicherten. Der Handlungsraum, in dem diese operierten, war
anarchischer und rauer Natur, eben der 'Wilde' Westen, in welchem erst noch
ordnungsstiftende Strukturen etabliert werden mussten, und das mit dem Recht des Stärkeren,
also mit Gewalt. Die Männer, die ein solches Vorhaben in die Tat umsetzten, sind im
Westernfilm die typischen Helden, die größten unter ihnen Legenden. Legenden sind selbst
Teil der Mythen und erfüllen auf gleiche Weise wie diese eine bestimmte Funktion für die
Gemeinschaft, „deren allgemeine eben darauf abzielt, der Gemeinschaft ein Bild von sich
selbst zu bieten, das sie stabilisiert und motiviert“69. Somit beruft sich der Western als

65
Ebenda, S. 40.
66
Ebenda, S. 48.
67
Ebenda, S. 48.
68
Ebenda, S. 48.
69
Ebenda, S. 173.

33
Filmgenre auf eine Mythologie der staatsgründenden Gewalt, als Gründungsakt einer
kulturellen Ordnung70.
John McClane nun verhält sich im Grunde nicht anders als die Westerhelden aus den Filmen.
Mit den typischen Attributen des Westerners versehen, schützt er die in Gefahr geratene
Ordnung mit dem Mittel der Gewalt. Auch er operiert dabei in einem nahezu rechtsfreien
Raum, der durch das Eindringen der Verbrecher seine Ordnungsstruktur verloren hat und nun
als anarchisch gilt. So versucht er, als Verkörperung des Gesetzes, die bestehende Ordnung
wieder herzustellen und rettet damit nicht nur die Geiseln, sondern schützt gleichsam auch die
mythisch tradierten, nationalen Ideale Amerikas. An einer Stelle des Films, bietet dieser selbst
eine explizite Referenz auf den Westerhelden, als Gruber McClane mit einem solchen
vergleicht. Gruber nennt ihn nämlich 'Mr. Cowboy' und fragt ihn, ob er einer jener
Amerikaner sei, die als Kind zu viele Filme gesehen haben, ob er ein weiterer Waise einer
bankrotten Kultur sei, der denkt, er wäre John Wayne, Rambo oder Marshall Dillon71.
McClane antwortet darauf, dass er immer mehr Roy Rogers72 zugetan gewesen wäre,
aufgrund der Paillettenhemden. Kurz nach diesem Gespräch lässt sich McClane von Sgt.
Powell mit dem selbst gewählten Decknamen Roy ansprechen. Die Stelle verweist auf die
enge Beziehung des Westerngenres zu dem Actiongenre, da in dem Zitat nicht nur die Namen
John Wayne und Marshall Dillon als Ikonen des Genres, fallen, sondern auch Rambo, womit
Sylvester Stallone in seiner Paraderolle als Vietnamkriegsheld John Rambo gemeint ist und in
einer späteren Szene noch auf Arnold Schwarzenegger verwiesen wird. Die beiden
letztgenannten sind ebenso wie Bruce Willis selber Ikonen ihres Genres, des Actionfilms. Die
Mythologie des Westerns wird hier also, mit ihren erwähnten Implikationen, die Gewalt unter
anderem als staatsgründendes Mittel legitimieren, in den Actionfilm transportiert. Es handelt
sich also um eine Art mythologische Kette, in der das eine Genre (Actionfilm) auf die Mythen
eines älteren Genres (Western) zurückgreift, das wiederum auf noch ältere Mythen
(Gründungsgewalt) zurückgreift. Der Rückgriff auf die Westernmythologie dient dem
gewaltsamen Vorgehen John McClanes als Legitimation. Der Zuschauer soll sich an die

70
Vgl. René Girard, Das Heilige und die Gewalt, Elisabeth Mainberger-Ruh (Übers.), Düsseldorf und Zürich
2006. Girard untersucht an zahlreichen Ursprungsmythen die sog. Gründungsgewalt, die er in diesen bezeugt
findet. Er geht grundsätzlich von der Annahme aus, dass in jeder sozialen Gemeinschaft Gewalt entsteht, die
früher oder später eine destruktive Rachedynamik entfaltet und nur durch die Einleitung des Opferritus, sofern
die Überführung der Rache in ein Gerichtswesen nicht gegeben ist, beendet werden kann. Die Opferung eines
Menschen als Gewaltakt verhindert somit das Auseinanderbrechen der sozialen Gemeinschaft und kann als
Gründungsakt einer kulturellen Ordnung gelten. Von Girard’s Schlussfolgerungen bzgl. des Opferritus
abgesehen ist hier wichtig, dass es sich bei der sog. Gründungsgewalt um ein Phänomen handelt, das in den
ältesten Mythen überliefert wird, also selbst schon ein Mythos ist, der bis in den heutigen Film hineinwirkt.
71
Marshall Matt Dillon ist ein fiktiver Charakter der von John Meston erdacht wurde und in der Radio- und
Fernsehserie Gunsmoke auftaucht.
72
US-Amerikanischer Countrysänger und Schauspieler, der als 'singender Cowboy' bekannt wurde.

34
Helden des Westernfilms erinnert fühlen, deren Gewalt er schon, laut Grubers Äußerung im
Film, als Angehöriger der amerikanischen Kultur, von Kindheit an miterlebt hat und somit als
natürlich begreift. Darum erscheint ihm auch McClanes Gewaltanwendung als rechtens, da er
in der Tradition eben jener großen Männer steht, die Amerika, ideologisch bzw.
programmatisch formuliert, zu einer großen Nation gemacht haben.
Gewaltanwendung, Etablierung sowie Schutz der bestehenden Ordnung und Männlichkeit
fallen auf dieser Ebene zusammen. Die Waffe gilt in diesem Zusammenhang als
Friedensstifter73 oder Gesetz, das Ansehen des Westerners ist von seiner Fähigkeit, mit seiner
Handfeuerwaffe umzugehen, bestimmt. So kann auch der letzte Mord im Film, die Tötung
eines sich noch einmal aufbäumenden Verbrechers durch Sgt. Powell, als Anspielung auf den
Western gedeutet werden. In der Gesprächsszene von McClane und Powell, die gleiche, in der
McClane über sein Fehlverhalten und seine Liebe zu seiner Frau Holly spricht, erzählt ihm
Powell, dass er aufgrund der versehentlichen Tötung eines Kindes durch seine Hand nicht
mehr dazu fähig ist, von der Waffe Gebrauch zu machen. Dessen Unfähigkeit kommt hier
einer Entmannung gleich. McClane spricht ihm dazu sein Beileid aus. Wenn man den
verständnisvollen Kommentar McClanes zynisch liest, ist dieser nicht auf den Unfall und den
daraus resultierenden Tod des Kindes bezogen, sondern eben auf Powells Unfähigkeit, Recht
und Ordnung mit der Waffe durchzusetzen, also zu töten. Diese Lesweise wird von eben
erwähnter Szene, die Tötung des letzten Verbrechers, unterstützt. Der Verbrecher will
McClane von hinten erschießen, als auf einmal ein Schuss fällt, und ersterer zusammenbricht.
Das nächste Bild zeigt eine Großaufnahme einer Pistole (ebenfalls ein Colt), über die,
begleitet von pathetischer Musik, nach oben zum Schützen geschwenkt wird, der nun scharf
im Bild zu erkennen ist: Sgt. Al Powell. Mit dem Einsatz der Schusswaffe und der damit
wieder gewonnenen Fähigkeit zu Töten ist auch Powells Männlichkeit restauriert. Er rettet
dem Helden das Leben und wird dadurch selbst zu einem. Somit erfährt die Figur ihre
Katharsis durch den legitimen Mord an einem Menschen, im Gestus des Frieden stiftenden
Sheriffs.
Die Westernmythologie ist nicht in Hollywood entstanden. Sie wurde in und durch die
verschiedensten Genres (Autobiographie, Theater, Groschenroman, Show-Gewerbe, populäre
Geschichtsschreibung etc.) etabliert, transportiert und erweitert. Besonders selbst erschaffene
Helden, die eine Fiktion von sich selber, im Zuge einer cleveren Marketingstrategie, als ihr
reales Leben verkauften (eine der bekanntesten war Buffalo Bill mit seiner Wild-West-Show),
machten die Mythen des Westerns bekannt und massentauglich. Die Mythen des Westerns
73
Ein seit 1873 gefertigter 6-schüssiger Revolver der US-amerikanischen Firma Colt trägt den Namen
Peacemaker und wird als 'Westernwaffe' bezeichnet.

35
haben mit der Historie wenig gemein. Gerade bei der Westernmythologie handelt es sich um
ein sehr starkes Konstrukt, was die historischen Tatsachen zu Gunsten der in den Mythen
transportierten 'Wahrheiten' aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt hat. Darum ist diese
ein hervorragendes Beispiel für die Macht, die eine Mythologie in ihrer Funktion als
Legitimation bestimmter Sachverhalte besitzen kann.
Als eine neue Form des Mythos ist der Mythos der sog. 'Coolness' zu begreifen. Über die
thematische Weite und Funktion dieser Bezeichnung lässt sich viel sagen. Zunächst scheint
sie eine Art der Auszeichnung, ein positives Prädikat zu sein, das nicht materiell gebunden ist.
'Cool' kann zunächst einmal alles sein, von einer bestimmten Mode über Verhaltensformen
sowie Umgangssprache bis hin zu jeder Art künstlerischen Ausdrucks, Farben, Formen,
Situationen oder Menschen. Es ist ein Etikett, was schlechthin allem verliehen werden kann.
Sogar ein heißer Sommertag kann cool sein. Die Bezeichnung ist fester Bestandteil unserer
gegenwärtigen Kultur, genauer formuliert, der gegenwärtigen jugendlichen Subkultur, wie
Josef Früchtl74 richtig erkannt hat. Für unseren Zusammenhang ist nun wichtig, dass cool in
erster Instanz so etwas wie gut, sprich bejahungswürdig meint. Wenn etwas cool ist, trifft dies
also auf Zustimmung. Aus der Tragweite dieser Bezeichnung lässt sich sehr schnell ihre
marktwirtschaftliche Relevanz ableiten, als Etikett, das, wenn es erst einem bestimmten
Produkt verliehen ist, welches dann als cool identifiziert wird, selbiges marktwirtschaftlich
rentabel macht. Ökonomische Rentabilität ist, wie bereits erwähnt, eine der wichtigsten
Zielsetzungen des Actionfilms. So ist es daran gelegen, dass die Helden jener Filme möglichst
cool wirken. Cool sind besonders ihre Handlungsweise, ihr Verhalten und ihre Reaktionen auf
die Situationen, in die sie verstrickt sind. Ihre psychischen Reaktionen in Anbetracht von
Gewalt sind im wahrsten Sinne des Wortes, wie auch schon erwähnt wurde, als kalt zu
bezeichnen. Sie empfinden keine Reue, tragen keine psychisch irreversiblen Schäden
aufgrund des Erlebten davon und quittieren einen von ihnen begangenen Mord meist noch mit
einem sog. coolen Spruch, der in Anbetracht der Tötung eines Menschen als nichts anderes
als blanker Zynismus zu werten ist. Der Regisseur Quentin Tarantino, dessen Filme allesamt
als popkultureller Kommentar zu lesen sind, perfektioniert das Prinzip der Coolness als
primäres Attribut seiner Helden. Seine Protagonisten weichen in keinem Moment von dem
Diktum des cool-Seins ab, ganz gleich, welchem Wahnsinn sie ausgesetzt sind. Obwohl
Tarantinos Filme im wesentlichen „mit einem bitteren und eisigen Humor reflektieren, wie
sich ein solches Verhältnis (Mord – Coolness) im Medium Film hat entwickeln können“75,
also Coolness persiflieren, gelten seine Filme selbst wiederum als cool und sind zu
74
Vgl. Früchtl, Das unverschämte Ich, Helden der Coolness und die Ironikerin, S. 292 – 330.
75
Martin Büsser, Lustmord Mordlust, Das Sexualverbrechen als Sujet im 20. Jahrhundert, Mainz 2000, S. 156.

36
Kultobjekten geworden, die stilbildend wirken. Eben durch diese Kultivierung geht den
Filmen ihre kritische und ironische Lesart verloren, worin „die Inhärenz des kommerziellen
Mediums besteht, selbst noch an der Kritik an seinen eigenen Mechanismen mit diesen
Mechanismen arbeiten zu müssen und am Ende alleine über sie wirken zu können“76.
Auch John McClane ist cool, da er ohne moralische Ressentiments jemandem das Genick
brechen oder in den Kopf schießen kann und dabei nicht die Spur von Reue zeigt. Zumeist
werden seine Tötungen ebenfalls von dem sog. coolen Spruch begleitet, der die Gewalttat in
einen humoresken Kontext einbettet. Die Entschärfung von Gewalt durch Humor ist eng mit
der Coolness des Helden verbunden; er zeigt keinerlei nervliche oder psychische Belastung
im Angesicht des Todes. So kommentiert er etwa das Verbrennen mehrer Menschen (hier auf
Seiten seiner Opponenten77) mit dem Kommentar, dass sich so wohl ein Mikrowellengericht
fühlen müsse. Coolness ist, negativ gewertet, als eine Ästhetisierung der sozial-existentiellen
Kälte zu begreifen, als „ein Image, dessen man sich bedienen kann, eine Pose, die man
einnehmen und variieren kann“78. In der Figurenkonstitution des Actionheldens ist diese Pose
nicht mehr wegzudenken, sie ist längst allgemeine Konvention für das Genre geworden und
ihre mannigfaltigen Variationen ergeben sich aus der Serialität des selbigen. Durch die
mediale Vervielfältigung dieser Pose, hier in ihrer Funktion als Milderungsmechanismus für
Gewalttaten, erscheint in letzter Instanz auch die von den Filmhelden angewandte Gewalt als
cool, erfährt folglich Zustimmung und Legitimation. Schlussfolgernd könnte man der
Definition von Mythos in diesem Sinne noch hinzufügen, dass alles zum Mythos wird, was
nur häufig genug reproduziert wird79. Das Medium Film schafft also seine eigenen Mythen
und arbeitet mit einem stetigen Rekurs auf diese. Büsser greift ein Zitat von James Monaco
auf, der den Film als das einzige künstlerische Medium begreift, dem es gelungen ist,
Gesellschaft nach seinen Bildern zu formen, da der Film die Sichtweise seiner Rezipienten
auf die Welt verändert80. Die Kultivierung der in Tarantinos Filmen dargestellten Figuren im
realen Leben legen von diesem Vorgang Zeugnis ab. Was dies in Bezug auf die
Gewaltdarstellung in Filmen meint, wird noch zu klären sein. Es ist jedoch ersichtlich, dass
dieser Vorgang, sollte Monaco Recht behalten, in puncto Gewalt in höchstem Maße
beängstigend erscheint.

76
Ebenda, S. 158.
77
Die Gut-Böse-Opposition als simpler Dualismus ist selbst dem mythischen Bestand entlehnt. Sie gehört in den
religiösen Mythenbereich, speziell des manichäischen Christentums, das hier in dem Dualismus Gott und Teufel
oder stellvertretend Himmel und Hölle ihr Äquivalent findet.
78
Früchtl, Das Unverschämte Ich, S. 325.
79
„Da der Mythos eine Aussage ist, kann alles, wovon ein Diskurs Rechenschaft ablegen kann, Mythos werden.“
Barthes, Mythen des Alltags, S. 85.
80
„Film hat unsere Art, die Welt zu sehen, verändert und damit in gewisser Weise, wie wir uns in ihr Verhalten.“
James Monaco, Film verstehen, Brigitte Westermeier, Robert Wohlleben (Übers.), Hamburg 2000³, S. 262.

37
Fassen wir noch einmal kurz zusammen:

- Die im Actionfilm dargestellte Gewalt erfährt ihre Legitimation einerseits durch im


Vorfeld stattgefundene oder im Rahmen des Films stattfindende Taten, die als
Auslöser und Alibi fungieren. Andererseits werden Legitimationen für Gewalt in die
Bereiche der Tradition verortet.
- Die Legitimationen sind manipulativer, didaktischer, ideologischer, mythologischer
oder psychologischer Art und lassen keine Leerstellen für Reflektion offen.
- Gewalt beruft sich immer auf eine Täterschaft, die Leiden der Opfer werden
ausgespart.
- Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Die Wertung richtet sich nach den moralischen
Implikationen der Figur, von der sie ausgeht.
- Gewalt wird als konstruktive Lösungsstrategie anerkannt, die alle anderen Optionen
ausschließt.
- Die Art der Darstellung ist seriell und entspricht einem 'common sense', sie ist
Konvention und Normalität. Die Serialität konstituiert sich durch die Beibehaltung der
gleichen Erzählmuster und Archetypen.

Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die Wirkung der dargestellten Gewalt im Film
auf den Zuschauer wesentlich von ihrem Darstellungskontext abhängig ist, was meint, dass
dieser die gleiche bildliche Darstellung von Gewalt, durch eine Änderung des Kontextes,
verschieden wahrnimmt und darauf reagiert (Kuleshov-Effekt)81. Aus diesem Grund wurde
die Inhaltsebene der Formalebene bisher vorgezogen. Die Formalebene wird am Beispiel des
Antikriegsfilms und an den Filmen Michael Hanekes eingehender untersucht werden. In der
Auseinandersetzung mit letzteren bietet sich dann die Möglichkeit, gezielt am Gegenstand,
deren Differenz zur formalen Ebene des klassischen Erzählkinos zu konkretisieren. Zunächst
sollte darauf verwiesen werden, dass eine Gewalttat nicht immer als Gewalttat erscheint, da
Gewalt, wie ihre Darstellung, eine Standpunktfrage ist – gerade in ihrer Interpretation und
Deutung. Der Actionfilm, wie er uns hier erscheint, gibt die Interpretation des Gesehenen
schon vor und verhindert sogar gezielt andere Deutungsmöglichkeiten.

81
David Cronenburg verwendet diesen Effekt in seinem 2005 erschienenen Film A History of Violence als
durchgehendes Prinzip. Er stellt die Gewalt in einer Vielzahl verschiedener Kontexte dar, so dass selbige die
verschiedensten Reaktionen des Publikums hervorrufen, von Entsetzen über Zustimmung bis hin zu Gelächter.
Auf diese Weise versucht er, nicht moralisierend, die Qualität der Gewaltdarstellungen so facettenreich wie
möglich, anhand der im Publikum hervorgerufenen Affekte, zu untersuchen. Das Publikum wird somit Teil des
Versuchsaufbaus. Siehe dazu auch: Andreas Busche, Das Recht des Stärkeren, taz Online-Archiv, 12.10.2005.

38
Zur weiteren Konkretisierung der bisher angeführten Legitimationen, sollen nun noch andere
Filme in den Diskurs miteinbezogen werden, die als Gegenmodelle eine Vertiefung der
Thematik ermöglichen. Diese sollen einerseits die bereits erarbeiteten Ergebnisse zusätzlich
fundieren und andererseits auf die noch zu ziehenden Schlussfolgerungen vorausdeuten. Alle
im Folgenden zu besprechenden Filme zeichnen sich durch einen oder mehrere subversive
Ansätze aus und brechen hinsichtlich der in ihnen dargestellten Gewalt mit den
konventionellen Darstellungs- und Deutungsmustern. Leider ist es im Rahmen dieser Arbeit
nicht möglich, jeden Film in seiner Gänze zu besprechen, da dies selbigen sprengen würde
und die Gefahr mit sich brächte, das Thema der Arbeit zugunsten einer unangemessenen
Detailverliebtheit aus den Augen zu verlieren. Darum ist es daran gelegen, die Filme nur kurz
wiederzugeben und sich auf einzelne Sequenzen zu konzentrieren. Die Auswahl besteht aus
jeweils zwei Filmen zweier Regisseure: Zum einen The Wild Bunch und Straw Dogs von Sam
Peckinpah aus den Jahren 1969 und 1971, und zum anderen Taxi Driver und Cape Fear von
Martin Scorcese aus den Jahren 1976 und 1991. Zunächst weisen alle vier Filme eine
grundsätzliche Übereinstimmung auf. Die in ihnen dargestellte Gewalt wirkt sehr realitätsnah,
verstörend und beängstigend, was bedeutet, dass dem Zuschauer der Genuss am Dargestellten
bewusst verleidet wird. Die beiden Regisseure gaben mit ihrer Darstellung von Gewalt
wiederholt Anlass zu ausufernden Kontroversen, die von der Uneinigkeit der
Kritikerrezeption geprägt waren. Die Reihenfolge der Besprechung erfolgt in zwei
Abschnitten. Der erste Abschnitt bezieht sich auf The Wild Bunch und Taxi Driver, da beide
Filme ihre Auflösung in einem Massaker finden. Der Zweite Abschnitt setzt sich mit Straw
Dogs und Cape Fear auseinander, an denen eine grundlegende Übereinstimmung im Raum,
in welchem sich die Gewalt ereignet, auszumachen ist. Zur besseren Orientierung sollen
folgende Fragestellungen dienen: In welchem filmischen Raum (Welt) spielt sich die Gewalt
ab? Von wem geht die Gewalt aus und in welchen Situationen? Gibt es Erklärungsversuche
für die stattgefundenen Gewalttaten und wenn ja, welche? Werden die Handlungsträger mit
ihren Taten konfrontiert und wie verlaufen mögliche psychische Reaktionen?

The Wild Bunch und Taxi Driver

The Wild Bunch ist der Kategorie des Spätwesterns zuzuordnen, einerseits inhaltlich-zeitlich,
da das Geschehen des Films in einer Zeit nach der Goldenen Ära des Westens spielt und
andererseits filmhistorisch gelesen, weil die bestehenden Genrekonventionen hinsichtlich der

39
im Western dargestellten Moralität in Frage gestellt werden. Wenn im Western der fünfziger
Jahre die Geschichte problematisiert wird, so problematisiert Peckinpah in seinen Western
Gewalt als Mittel der Identitätsfindung82. Was nun die Protagonisten des vorliegenden Films
angeht, eine Zusammenrottung alternder Westerner zu einer Diebesbande, sind diese in einem
existentiellen Grundzerwürfnis gefangen, da ihre eigene große Zeit, aus welcher auch ihr
Moralkodex und ihre Handlungsmaximen stammen, zu Ende geht, und sie nicht in der Lage
sind, sich in die neue Zeit und der daraus erwachsenden Gesellschaft zu integrieren. Zunächst
ist auffällig, dass Peckinpah die Glorifizierung des Westernhelden suspendiert, indem er „von
den großen Einzelgängern, den unangepassten Männern der glorreichen Zeiten […] nur noch
Verlierer großen Stils“ übrig lässt, geboren aus dem Wissen, „dass ihre Zeit vorbei ist, sie
aber dennoch nicht kapitulieren und ihre Ideale aufgeben“83. Dies ist dann auch das Fatum,
auf welches hin sich der Film zielstrebig zuspitzt, nämlich der unvermeidbare Untergang der
Protagonisten. Peckinpah entwirft in diesem Film, wie auch in Straw Dogs, eine Welt, die von
Gewalt beherrscht wird, in der Gewalt das erste und adäquateste Mittel zur Konfliktlösung
scheint, gleich von welcher Seite sie angewandt wird. Der Film wird von zwei Massakern,
eines zu Anfang und eines zu Ende, eingerahmt; er beginnt wie er endet, mit schonungsloser,
offener und undifferenzierter Gewalt. Das erste Gemetzel spielt in einer typischen
Westernkleinstadt, als Ort städtisch-ziviler Ordnung und Gehorsamkeit. Die wilde Horde der
Protagonisten versucht als Militäreinheit getarnt ein Lohnbüro zu überfallen, wobei ihr die
Gesetzeshüter auflauern. Es kommt zur wilden Schießerei. Die Demarkationslinie zwischen
Gut und Böse verschwimmt in dieser Sequenz nahezu vollständig. Die Mitglieder der
Diebesbande exekutieren ohne Skrupel jeden, der ihnen im Weg steht, schrecken auch nicht
davor zurück, Anhänger eines bigotten Christenumzugs, die versehentlich zwischen die
Fronten geraten, als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen, vorzugsweise sogar
Frauen84. Die Gesetzeshüter, auf der anderen Seite, rekrutieren sich aus einem Haufen
genauso geldgieriger wie auch schmieriger Halunken, die mit der gleichen Seelenruhe
Leichen fleddern, wie sie den Tod von Frauen und Kindern, im eben erwähnten Gemetzel,
unbeteiligt hinnehmen. Ihr Anführer ist sogar ein ehemaliges Mitglied der gleichen Bande,
auf die er jetzt, durch Erpressung gezwungen, Jagd machen muss. Schon in der Exposition des
Films wird die gewalttätige Grundstimmung exemplarisch ausgestellt. Noch während die
Vorspannmusik läuft und die Darsteller ihren Rollen bildlich zugeordnet werden, sehen wir

82
Siehe dazu: Georg Seeßlen, Romantik und Gewalt, Ein Lexikon der Unterhaltungsindustrie, 2. Bd., München
1973, S. 93.
83
Früchtl, Das unverschämte Ich, S.245.
84
Der Schutz der Frau ist ein vielfach in Filmen aufgegriffener Mythos, der hier gezielt gebrochen wird.

40
eine Horde Kinder, die zwei Skorpione in einen Ameisenhaufen schmeißen und beobachten,
wie diese von dem Heer der schwarzen Kleintiere zu Tode gebissen werden. Anschließend
bedecken die Kinder das Szenario mit Stroh und zünden selbiges an. Tiere quälende Kinder
sind in Peckinpahs Filmen ein zentrales Motiv und eine deutliche Metapher für die verlorene
Unschuld85. Niemand kann sich in seinen Filmen von dem eigenen Gewaltpotential
freisprechen, so sehr er es auch versuchen sollte, es scheint dem Menschen von Kleinkindheit
an zugehörig. Der abwechselnde Schnitt, von den Mitgliedern der wilden Horde auf die
'spielenden' Kinder, unterstützt dies formal. Es wir die Annahme formuliert, was den Kindern
hier noch Spiel ist, wird ihnen als Erwachsenen bitterer Ernst werden. Auf einer Metaebene
gelesen enthält das Bild allerdings noch eine andere Implikation. So wie die Kinder unbedarft
und doch grausam ihrem Mikrokosmos des Tötens beiwohnen, so wird der Zuschauer am
Ende des Films dem finalen Massaker beiwohnen. Peckinpah wirft den Zuschauer, noch
bevor sich das Geschehen des Films entwickelt, auf die eigene Perversion seiner
Zuschauerrolle zurück86. Und obendrein wird es dem Zuschauer durch die Suspendierung
klarer moralischer Instanzen enorm erschwert, seine Sympathieträger ausfindig zu machen.
Wenn wir die Mitglieder der wilden Horde als unsere Helden anerkennen wollen, werden wir
auf unsere eigene Unmoral und geistige Komplizenschaft deutlich aufmerksam gemacht,
gerade wenn ein Mitglied der Gruppe, ohne mit der Wimper zu zucken, seine Ex-Geliebte
erschießt, weil sie in seinen Augen, mit der Wahl des feindlichen Generals zum neuen
Geliebten, Verrat an ihm, an ihrer Familie und schließlich an der ganzen Dorfgemeinschaft
begangen hat. Der abschließende Showdown, auf den normalerweise ein jeder Western
hinausläuft und integraler Bestandteil des Genres ist, könnte hier brutaler nicht sein. Der
Auslöser für den gewalttätigen Konflikt besteht in der Tötung eines der Bandenmitglieder.
Dieser wurde von dem mexikanischen General Mapache (Emilio Fernández) gefangen
genommen und gefoltert. Zunächst steht der Rest der Bande dem Geschehen ohne Reaktion
gegenüber. Das abschließende Blutbad ereignet sich erst am nächsten Tag, als die Bande
beschließt, die Freiheit ihres Freundes zu fordern und der General zunächst vorgibt ihrer
Forderung Folge zu leisten, ihm dann aber die Kehle durchschneidet. Der Racheaffekt könnte
hier als der Moment Geltung erlangen, in dem die Situation unweigerlich kippt und durch
welchen sich die Spirale der Gewalt eröffnet. Dies wäre allerdings zu kurz gegriffen. Die
davor liegende Nacht verbringt die Bande mit Alkohol und Prostituierten, um danach, schwer

85
Hier wird der romantische Mythos von der kindlichen Unschuld gebrochen.
86
„Wir sind als Liebhaber des Western, Komplizen der Gewalt, die sich auf der Leinwand abspielt, nicht ihr
wehrloses Opfer. Wir warten nur darauf, dass die Akteure aufeinander losgehen, wir wollen den Showdown. Wir
wären, wenn Peckinpah recht hätte, nicht weiniger verroht als unsere »Helden«, die wir bewundern und
nachahmen, bis wir schließlich das tun, was auch sie getan haben.“ Ebenda, S.255.

41
bewaffnet, auf das Wort ihres Anführers Pike (William Holden) hin, einem simplen »Let’s
go!«, zur Tat zu schreiten. Es scheint, als entspräche ihre Handlungsweise ihrem
überkommenen Ehrenkodex, der sie nicht anders handeln lässt, als sie ihr ganzes Leben über
gehandelt haben und welcher ihr Schicksal besiegelt. Gerade die zeitliche Verzögerung der
dazwischen liegenden Nacht und der lange, von einem militärischen Trommelwirbel
begleiteten Marsch in den sicheren Untergang, persifliert die nachfolgende Affektlogik und
entlarvt sie als zynisches Alibi. Noch klarer wird dies in Anbetracht der Tatsache, dass der
General, also der Mörder ihres Freundes, zuerst der wilden Horde zum Opfer fällt und
Peckinpah bewusst eine Leerstelle einbaut: Der Mord scheint nun gesühnt, die dem General
Untergebenen reagieren zunächst nicht und der Showdown könnte an dieser Stelle zwar
unspektakulär, aber als Folge eines Vernunftsieges, abgebrochen werden. Man könnte fast zu
der Ansicht reifen, Peckinpah wusste, wenn er dem Zuschauer den Showdown vorenthalten
würde, um dessen mangelnde Befriedigung und so gab er ihm vielleicht mehr, als dieser
wollte und lässt fortan seine wilde Horde unter Gelächter aus allen Mündungen feuern und
wahllos mit Hilfe eines eroberten Standmaschinengewehrs, in die Menge schießen, Frauen
und Kinder in einem apokalyptischen Szenario morden, bis auch der letzte seiner
Protagonisten gefallen ist. Als einer der ersten Filme wartet The Wild Bunch mit dem
expliziten Zeigen von Austrittswunden auf, Kleidung und Körper werden durch MG-Salven
zerfetzt, Ströme von Blut platzen in slow motion aus den zerstörten Leibern, was dem Film
den Vorwurf der Ästhetisierung von Gewalt eingebracht hat. Doch geht es hier um das genaue
Gegenteil eines ästhetischen Selbstzwecks, da im herkömmlichen Actionfilm, bis heute,
Tötungsszenen eben von rasanten Schnittfolgen bestimmt werden, die eine klare
Identifizierung des Geschehens verdecken. The Wild Bunch im Gegenzug geht es „nicht um
das Goutieren eines in der Zeit gedehnten Zerstörungsaktes, sondern die verlangsamte Zeit
bildet das technische Gegengift zur beschleunigten Dramatik und verleiht dadurch umgekehrt
dem Geschehen eine moralische Qualität, indem sie das Sterben erfahrbar macht, heraushebt
aus dem rasenden, rasend gemachten Fluss der Zeit.“87 Das Maschinengewehr steht
symbolisch für die Serialität des Mordens, gerade dann, wenn es von einigen der
überlebenden Armeeangehörigen aus dem Fort an einen anderen Ort gebracht wird – das
Morden wird weitergehen. Am Ende sieht sich der Zuschauer mit einem riesigen
Leichenhaufen konfrontiert, auf den sich die nun eintreffenden Verfolger als gierige
Leichenfledderer stürzen, alles Verwertbare an sich reißen, sogar den Gefallenen die
Goldzähne aus den Kiefern brechen, während ihr Anführer desolat vor den Mauern der

87
Ebenda, S. 253.

42
Befestigungsanlage zurückbleibt. Wenn in Die Hard Gewalt als ein konstruktiver Akt
dargestellt wird, der als Lösungsstrategie funktioniert, eben Gewalt als regeneratives Element,
verkehrt The Wild Bunch dieses Prinzip in sein Gegenteil und entzaubert das Gezeigte durch
eine radikale Überzeichnung. Der Anführer der Wilden Horde, Pike, dessen »Let’s go« ihren
Untergang besiegelt hat, ist in einer letzten Szene zusammengebrochen vor dem
Maschinengewehr zu sehen, das er noch mit der rechten Hand fest umschlossen hält. Für ihn
und die Seinen gab es nie die Möglichkeit auf eine andere Form der Konfliktlösung als durch
das Mittel der Gewalt. Selbst im Tod hält er das Mordwerkzeug noch fest umschlossen. Was
hier zurückbleibt sind nur Tote, verwesende, stinkende Leichenberge, die von desolaten,
psychisch und physisch verwilderten Existenzen auseinander gerissen werden. Der Film
schließt die Klammer mit dem zweiten Massaker ab und impliziert damit, dass es endet, wie
es begonnen hat, dass sich also nichts ändert und hinterlässt den Zuschauer mit dem Gefühl
der Hoffnungslosigkeit, zurückgeworfen auf ein dystopisches Konzept aller menschlichen
Existenz als im Grunde gewalttätig.
Auch der Film Taxi Driver beschließt sein Ende mit einem Massaker. Doch anders als im
Vorigen, geht das Gemetzel hier von einer Einzelperson aus, dem Taxi fahrenden
Vietnamveteran Travis Bickle (Robert DeNiro). Ähnlich wie Peckinpah entwirft Scorcese
eine Welt, die von einer gewalttätigen, brodelnden Unterströmung erfasst ist, in der zu jedem
Zeitpunkt und an jedem Ort Gewalt in einem eruptiven Moment hervorbrechen kann. Nur
handelt es sich nicht um den vergangenen, weiten und anarchischen Raum des Wilden
Westens, sondern um den heutigen, klaustrophobischen und chaotischen des
Großstadtdschungels. Diesen bevölkert er mit Protagonisten, deren „exzessive
Gewaltausbrüche ihren Ursprung in einer Gesellschaft haben, die geprägt ist von Isolation,
Doppelmoral, Aggression und der Unfähigkeit zur Liebe und Freundschaft“88. Sie sind
neurotisch, beladen mit vehementen Angst- und Schuldgefühlen, die stetig an ihnen nagen
und beschreiten auf der Suche nach Erlösung meist den Weg der Gewalt, der ihnen durch den
Zerrspiegel ihrer Wahrnehmung als einzige Lösung erscheint. Auch Travis Bickle trägt die
Züge eines faschistoiden, sexuell frustrierten, kommunikationsunfähigen Menschen, der von
seiner Umgebung, der New Yorker Großstadt, zutiefst angewidert ist. Doch im Gegensatz
zum Wahnsinn eines William Foster (Falling Down), der in einer geordneten,

88
Thomas Plöger, Die Strukturen der Gewalt – Martin Scorceses Kino-Realismus, in: Barg, Werner / Plöger,
Thomas, Kino der Grausamkeit, Institution Bundesverband Jugend und Film (Hrsg.), Frankfurt am Main 1996,
S. 87.

43
funktionierenden Welt89 als monomaner Störfaktor dargestellt wird, dessen lediglich innere
Welt aus den Fugen geraten ist und sich in Folge dessen zur äußeren Welt in Opposition stellt,
ist Scorceses Protagonist Spiegel und Produkt einer Welt und Gesellschaft, die in ihrer
Gesamtheit als ein chaotischer, verödeter und menschenunwürdiger Ort erscheint. Hier wird
eben keine Distanz durch ein individualpsychologisches Muster aufgebaut, da der Zerrspiegel
der Wahrnehmung eines Travis Bickle sich gerade aus einer verzerrten Welt heraus
konstituiert, so also Allgemeingültigkeit erfährt. Aufgrund dieser Weltbeschaffenheit gelingt
es Scorcese, seine Figur gleichzeitig als Opfer und als Täter erscheinen zu lassen. Travis
Bickle ist kein pathologischer Einzelfall, sondern Teil einer pathologischen Gesellschaft. Die
Verortung seiner Figur im Heutigen mindert zudem die allegorische Distanz, macht es für den
Zuschauer jedoch auch zu einem schmerzlichen Prozess anzuerkennen, dass die beschriebene
Welt seiner eigenen entspricht und nicht einer als überkommen zu wertenden Vergangenheit
zugehörig ist.
Travis fährt vorzugsweise nachts Taxi und meidet, im Gegensatz zu seinen Kollegen, auch
nicht die gefährlichen Gegenden der Stadt, wie Harlem oder die Bronx. Er befördert jeden
Gast und steht allen gleich teilnahmslos gegenüber, was seine Indifferenz gegenüber den
Menschen im Allgemeinen zum Ausdruck bringt – für ihn sind sie alle gleich wenig wert.
Diese Ansicht wird dem Zuschauer über sein Tagebuch mitgeteilt, indem er die nächtliche
Stadtbevölkerung als »Huren, Betrüger, Amateurnutten, Sodomiten, Schwuchteln,
Drogensüchtige, Fixer und kaputte Siphkranke« beschreibt. In der gleichen Tagebuchnotiz
wünscht er eine biblische Flut herbei, die alles Gesindel, »den ganzen Abschaum von der
Straße spült«. Gegenüber dem Präsidentschaftskandidaten Palantine, den er eines Abends
chauffiert, radikalisiert er seine Ansicht nochmals und präsentiert ihm seine Idee einer großen
Säuberungsaktion: »Der Präsident sollte diese Stadt entweder abbrennen oder einfach in die
größte Toilette spülen«. An dieser Stelle spricht er auch von den starken Kopfschmerzen, an
denen er aufgrund des Drecks - und hier ist nicht der Großstadtdreck gemeint, sondern die
Menschen - leidet; er krankt an seiner Umgebung. Die meiste Zeit nimmt er diese durch die
Glasscheiben seines Taxis war. Scorcese hat hier eine sehr dichte und komplexe Metapher für
die Situation des Kinozuschauers geschaffen. Wie schon in der Kinderszene von The Wild
Bunch funktioniert der Film an diesen Stellen selbstreferentiell. Die Glasscheibe des Taxis
steht als Metapher für den Wahrnehmungsausschnitt der Kinoleinwand. Wie für den
Zuschauer auf dieser die Filmbilder vorüberziehen, zieht an Travis durch die Scheiben seines

89
Auch in Falling Down werden marodierende Straßengangs, soziale Kälte, Schmutz und Lärm verarbeitet.
Diese Elemente werden jedoch alle in das System einer grundlegend funktionierenden Ordnung integriert, die in
ihrem Fundament nicht angezweifelt wird.

44
Taxis die Welt an ihm vorüber. Er betrachtet sie distanziert, wie einen der Pornofilme, mit
denen er tagsüber seine Freizeit ausfüllt. Dem Zuschauer soll hier deutlich gemacht werden,
dass ihm lediglich ein Ausschnitt der Welt geboten wird, der zudem noch abhängig ist von der
Position (als geistige Haltung zu verstehen) des Betrachters. Die Metapher wird zusätzlich
von der, den Protagonisten umgebenden, Dunkelheit verstärkt. Der Zuschauer sitzt im Dunkel
des Kinos und das Licht der Leinwand erfüllt den Saal mit Bildern, die Travis in seinem Taxi
sitzend zeigen, der durch die dunklen Straßen fährt, die erfüllt sind vom kalten elektrischen
Licht der Reklamebeleuchtungen und den Blick auf das Elend erst ermöglichen. Denn mehr
schafft Kino im ersten Moment auch nicht: es bringt Licht ins Dunkel90. Travis
Weltbetrachtung und die Filmbetrachtung des Zuschauers fallen auf dieser Ebene zusammen.
Einerseits wird mit diesem raffinierten Verfahren Distanz aufgegeben, da der Zuschauer
gezwungen ist, auf der inhaltlichen Ebene die Welt durch die Augen eines an selbiger
krankenden Menschen zu betrachten, dessen existentielle Grundsituation während der
Taxifahrten nicht von der des Zuschauers während der Betrachtung des Films (auf der
Realebene) zu scheiden ist. Was bei Falling Down dem Zuschauer verwehrt bleibt, wird ihm
durch dieses Verfahren ermöglicht, da es ihn selbst in das Zentrum der Geschichte stellt und
zwingt, sich mit seinen eigenen moralischen Vorstellungen, Ängsten und Aggressionen zu
konfrontieren. Andererseits wird Film als Film kenntlich gemacht und als lediglich winziger
Wahrnehmungsausschnitt entlarvt, was wiederum Distanz zu dem Medium im Allgemeinen
schafft und vor Ideologisierung schützt. Hier wird eben jener selbstreflexive Raum für den
Zuschauer bereitgestellt, der ihm sonst versagt bleibt. Doch die Metapher erweist sich als
weitaus komplexer. Wie schon erwähnt, steht Travis dem Geschehen und seinen Fahrgästen
gleichgültig gegenüber. An einer Stelle des Films nimmt er einen Fahrgast (Martin Scorcese
selbst) auf, der zu einer bestimmten Wohnung gebracht werden möchte. Vor dem
betreffenden Haus wird angehalten und der Fahrgast und Travis beobachten im Folgenden
durch ein beleuchtetes Fenster eine sich präsentierende Frau. Selbige wird nur als Schatten,
als Schemen dargestellt, was wiederum als Anspielung auf die Grundkonstitution des Kinos
als solches zu lesen ist, als Spiel von Licht und Schatten. Der Fahrgast erklärt Travis
monologisch, dass es sich hierbei zwar um seine Frau, nicht aber um seine Wohnung handele
und er den Entschluss gefasst habe, dort hinaufzugehen und sie zu erschießen. Obwohl er die
zu vollführende Tat in all ihren grausamen Einzelheiten beschreibt, ist die einzige daraufhin

90
„Was den Lichtspiel-Medien (vom 19. Jh.) bis zur Cinemascope-Leinwand gemeinsam ist, trotz aller
technischen Veränderungen in den letzten 150 Jahren, das ist die Dunkelheit des Auditoriums und die Helligkeit
des Bildes. Hier tritt das Licht nicht als Beleuchtung einer vorgegebenen Szenerie auf, sondern es schafft die
Szenerie selber […].“ Wolfgang Schivelbusch, Lichblicke, Zur Geschichte der künstlichen Helligkeit im 19.
Jahrhundert, München 1983, S. 208.

45
in Travis hervorgerufene Reaktion, ein kurzer Blick in den Rückspiegel seines Wagens, der
seinen Fahrgast spiegelt. Wiederum betrachtet er das Geschehen wie der Kinozuschauer – aus
der sicheren Distanz. Gleichzeitig ist er aber auch Teil des Geschehens, da der Raum seines
Taxis nun von einem am Geschehen Beteiligten erfüllt ist. Es findet also eine Art Osmose
statt, die Beförderung von Fahrgästen kann in der hier betriebenen Auslegung der
Taxifahrtmetapher als osmotischer Akt gelesen werden. Mit jedem Mal, wenn sich die Tür zu
Travis Taxi öffnet, wird der Raum einer reinen, distanzierten Wahrnehmung gebrochen, da
gleichsam Realität in diesen einbricht. Gleichwohl wird Travis nicht direkt vom Geschehen
affiziert, genauso wenig wie der Zuschauer in Anbetracht des Films aufgrund seiner
physischen Distanz von diesem affiziert wird, werden kann. Was hingegen affiziert wird,
sogar in beängstigendem Maß, ist Travis Wahrnehmung in Bezug auf die Menschen seiner
Umgebung, die er samt und sonders für verabscheuungs- und ausrottungswürdig hält. Auf
einer Metaebene gelesen, kann dies bedeuten, dass der Zuschauer zwar keine physische
Berührung mit dem auf der Leinwand dargestellten Geschehen hat, aber eine Geistige, in
Form einer Affizierung seiner Wahrnehmung durch das Medium Film. Einerseits kann
hiermit die gezielte Beeinflussung des Zuschauers gemeint sein, in welcher Weise er das
Gesehene zu werten hat. Das würde mit der Evokation bestimmter Wertungsmuster
hinsichtlich des im vorigen Besprochenen, am Beispiel von Die Hard, übereinstimmen.
Andererseits könnte an dieser Stelle auch auf eine darüber hinaus gehende Gefahr für den
Zuschauer verwiesen werden, nämlich auf die Spuren, die das Leinwandgeschehen in
Kombination mit den aufgeführten Verschleierungs- und Milderungsmechanismen, gerade in
puncto der Gewaltrezeption, in diesem, nach dem Filmerlebnis, hinterlässt. Darauf soll
besonders im nächsten Kapitel, im Zuge der Untersuchung des Genres Kriegsfilm,
eingegangen werden.
Vor dem eigentlichen Massaker, bietet der Film allerdings noch einen anderen Bruch der
gewohnten Rezeptionsmuster, der durch die Austauschbarkeit der zu massakrierenden
Menschen erreicht wird. Nachdem sich Travis bis zu einem Punkt in seinen Hass ergeben hat,
an dem es für ihn kein Zurück mehr gibt, keine andere Option mehr, als der Gesellschaft mit
Gewalt zu begegnen, bewaffnet er sich und übt vor dem Spiegel den Moment der
Todesandrohung. Abermals liegt eine Spiegelmetapher vor, die in dieser Szene aussagen soll,
dass Travis sich nur noch auf sich selbst zurückgeworfen sieht, nunmehr ausschließlich in
seiner Existenz als gewaltbereites Individuum. Außerdem richtet er die Waffe auf sein eigenes
Abbild, was als fundamentale Selbstaufgabe, die Bereitschaft zu sterben, gedeutet werden
kann. Dies wird am Ende der Massakersequenz noch einmal verstärkt, als Travis, nachdem er

46
den letzten Gegner erschossen hat, die Waffe gegen sich selbst richtet und versucht, sich zu
erschießen. In der Trommel seiner Pistole befindet sich jedoch keine Munition mehr,
woraufhin er sich setzt und in einer Großaufnahme, seine von Blut verschmierte Hand zu
einer Waffe formt, an seine Schläfe hält und sich symbolisch selbst erschießt. Zunächst
befindet sich Travis aber noch im Modus der Reaktion gegenüber seiner Umwelt. Er erschießt
einen schwarzen Mann, der zufälligerweise das Lebensmittelgeschäft überfällt, in dem auch
Travis seinen Einkauf tätigt, mit aller ihm gebietenden Ruhe und sichtlichem Vergnügen. Die
vorher am Fernseher angedeutete Tat, als Travis zum Spaß mit seiner rechten Hand eine
Waffe simuliert und auf eine schwarze Frau in der laufenden Sendung zielt, wird hier blutiger
Ernst. Eigentlich wäre er jetzt ein Held, da er den Überfall vereitelt und Unschuldigen das
Leben gerettet hat. Doch er verzichtet zunächst freiwillig auf den ihm dargebotenen Status
und schreitet unbeteiligt aus dem Laden. Ihm ging es nur ums Töten, um die Säuberung der
Stadt von dem Dreck, der ihm Kopfschmerzen bereitet. Für Travis haben sämtliche Organe
der staatlichen Ordnung, insbesondere der Politik, versagt, so dass er, als logische
Konsequenz seiner Weltsicht, nun selbst mit der großen Säuberungsaktion beginnen muss.
Auch wenn es Scorcese dem Zuschauer sehr schwer macht, Travis als eine Sympathiefigur
anzuerkennen (in jedem Moment, wo dies geschieht, wird der Zuschauer auf seine eigene
moralische Indifferenz hingewiesen), nutzt er doch die grundlegende Tatsache, dass der
Zuschauer immer die Figur zur Identifikation wählt, die ihn durch die Geschichte führt, und
nutzt diesen Vorgang zu einem letzten Manöver, welches den Zuschauer auf sich selbst
zurückwirft. Travis entscheidet sich nämlich, nach einer physischen Weihe zum Krieger
(durch die Rasur seiner Haare zu einem Irokesen, als Symbol archaischer Männlichkeit) den
Präsidentschaftskandidaten Palantine zu ermorden. Im letzten Moment jedoch lässt er von
seinem Vorhaben ab und entschließt sich an Stelle dessen, den Zuhälter Sport (Harvey Keitel)
zu erschießen, um die Kindprostituierte Iris (Jodie Foster) aus dessen Fängen zu befreien. Das
nachfolgende, völlig außer Kontrolle geratende Blutbad, stilisiert ihn zum Helden. Die
gelungene Befreiung wird von den Zeitungen als heldenhafter Akt gefeiert, Travis selbst
erhält Anerkennung und Lob von seinen Mitmenschen als auch von der Öffentlichkeit. Hätte
er den Kandidaten Palantine an Stelle des Mobs hingerichtet, wäre die öffentliche wie private
Meinung, ob seines Vorgehens, in das Gegenteil umgeschlagen. Dann wäre er in den Augen
der Gesellschaft kein Befreier, sondern ein wahnsinniger Mörder, kein Held, sondern eine
Gefahr für die bestehende Ordnung gewesen. Für Travis macht die Wahl seines Opfers keinen
Unterschied, ihm erscheinen der Politiker und der Zuhälter gleich würdig, gerichtet zu
werden. Scorcese macht hier unmissverständlich auf die verschieden gewichtete Auslegung

47
gewalttätiger Handlungen aufmerksam, was sich auf die Formulierung zuspitzen lässt, dass
Gewalt legitim und dem Gemeinwohl förderlich ist, wenn sie nur die Richtigen trifft. Die
Reaktion der Öffentlichkeit und der Privatpersonen in Travis Umgebung spiegeln den
Zuschauer hinsichtlich seines eigenen Wertungsschemas. Wäre der Politiker erschossen
worden, gäbe es für den Zuschauer keine Möglichkeit, Travis als Helden anzuerkennen, die
Ermordung des Zuhälters und seiner Spießgesellen hingegen ermöglicht eben jene
Zustimmung. Scorcese verweist also darauf, dass zwar die getöteten Menschen austauschbar
sind, nicht aber die sich daraus verschieden ergebenden moralischen Konsequenzen. Er deutet
an, was auch hätte geschehen können und formuliert so, dass auf der einen wie auf der
anderen Deutungsebene ein grundsätzlicher Umstand erhalten bleibt, nämlich dass Menschen
auf grauenvollste Art und Weise um ihr Leben kommen.
In der Wertung des Massakers selbst kommt also die gleiche Legitimationsstrategie zum
tragen, die auch Die Hard anwendet. Der Held konstituiert sich aus seiner Handlung als
Mensch, der, unter Missachtung des eigenen Wohls, einen unschuldigen Menschen rettet und
auf diesem Wege, die, aufgrund ihrer Taten als schuldig präkonfigurierten Menschen, tötet.
Auf den eigentlichen Ablauf des Massakers soll hier nicht weiter eingegangen werden91. Von
Interesse ist gerade, was danach geschieht. In dessen vorletzter Einstellung kommt Travis zur
Ruhe und setzt sich auf eine Couch. Die eintreffenden Polizisten finden ihn in dieser Haltung
vor. Von diesem Moment an wird Bilanz gezogen. Entgegen der Konvention des
Mainstreamfilms wird von nun an sein blutiger Weg explizit rekonstruiert, zunächst in einer
langen Fahrt von oben gefilmt, bis die Kamera die Wohnung verlässt, dann gerafft durch sich
weiter auf die Haustür zu bewegende Überblendungen, die sich auf jedes wichtige Detail
konzentrieren (Blutflecken, die Leiche des Zuhälters, Waffen). Die Überblendungen gehen
wieder in eine Fahrt über, in der sich die Kamera immer weiter von dem Haus entfernt, bis sie
einen hohen Übersichtspunkt eingenommen hat. Dem Zuschauer wird keines der grausigen
Details erspart. Hat er zuvor das Massaker in seiner Schnelligkeit noch nicht ganz fassen

91
Rainer Rother hat eine hervorragende Analyse aller 54 Einstellungen der Massaker-Sequenz in Taxi Driver
vorgelegt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Montage, durch die Verwendung des so genannten 'unsichtbaren
Schnittes', dem „Schnittkodex des klassisch genannten Erzählfilms“ folgt und „die übliche Gewalt – jene des
illusionierenden, erzählenden Films“ darstellt. Diese bezeichnet er jedoch als Gewalt „gegen den Zuschauer“,
womit eben jene Gewaltdarstellung gemeint ist, die der Konvention des Mainstreamfilms entspricht. Es wurde
festgestellt, das Scorcese große Räume der Selbstreflexivität für den Zuschauer eröffnet. Die Verwendung der
konventionellen Filmsprache in der Massaker-Sequenz entspricht dieser Strategie, da sie hier selbstreferentiell
genutzt wird: er zeigt dem Zuschauer das Gewohnte als Gewohntes und wirft ihn damit auf seine eigenen
Sehgewohnheiten zurück. Hier findet eine Entlarvung der Konvention durch die Konvention statt: „Dieser Film
hat keine neue Sprache, er spricht über die gewohnte. Damit spricht er nicht einfach die alte Sprache, auch wenn
er von ihr abhängig bleibt: er braucht sie als Folie.“ Rainer Rother, Die Faszination des Massakers, Zum
Verhältnis von konventioneller Erzählweise und filmischer Reflexion in Martin Scorcese’s Taxi Driver, in: Ralf
Schnell (Hrsg.), Gewalt im Film, Bielefeld 1987, S. 56.

48
können, so wird ihm jetzt Gelegenheit geboten, noch einmal in aller Ruhe jede einzelne
Gewalttat nachzuvollziehen, diesmal nicht in ihrem Moment des Stattfindens, sondern als
Ergebnis. Wie schon in The Wild Bunch wird der Tod sichtbar gemacht. Gerade die Ruhe und
Genauigkeit der Spurenbetrachtung, die einsetzende Musik und die Verweigerung jedweder
Auspaarung der grausigen Details wirken ungewöhnlich schonungslos und beklemmend, da
die Fahrt nun zeigt, was die Schnelle der Schnitte vorher verborgen hat: Die Resultate der
gewaltsamen Handlungen anhand ihrer Opfer. Der hohe Übersichtspunkt der Kamera hält das
Geschehen vor dem Haus fest. Polizei, Krankenwagen, Reporter und Schaulustige sind
eingetroffen. Die Polizisten halten die allzu neugierigen Voyeure durchaus unsanft davon ab,
die Sicherheitsabsperrungen zu durchbrechen und dem Schauplatz zu nahe zu kommen. Die
ordentliche Gewalt macht also von ihrem Gewaltrecht Gebrauch. Hier vollendet sich die
Überführung des Massakers in die Norm, in den alltäglichen Ablauf, der mit dem Eintreffen
der Beamten bei Travis begonnen hat und zeigt, dass „die alltägliche, gewohnte Gewalt weiter
besteht und schon Bestandteil der sicheren Routine ist. Nichts hat sich geändert durch den
Amoklauf des Travis Bickle.“92 Mit den herbei eilenden Schaulustigen schließt sich auch die
Zuschauermetapher. Ein letztes Mal sieht der Zuschauer sich selbst im Film als Rezipienten
der Gewalt, wird als Voyeur auf seine eigene Rolle als Kinobesucher zurückgeworfen und auf
die Normalität eines von Gewalt und Gewaltdarstellung durchdrungenen Alltags aufmerksam
gemacht. In dieser Hinsicht kommen The Wild Bunch und Taxi Driver zum gleichen Ergebnis,
dass sich nichts ändert. Auch für Travis Bickle ändert sich nichts, er steht am Ende der
Geschichte an dessen Ausgangspunkt, als Taxifahrer, der die Welt weiterhin durch den
Ausschnitt seiner Wagenscheiben betrachtet, und jederzeit wieder zur Waffe greifen könnte.
Das Massaker war lediglich eine eruptive Entladung93 seines Hasses und seiner Frustration,
im medial aufgesetzten Heldenstatus erfährt er keine Katharsis. Scorcese formuliert damit,
dass Gewalt absolut keine legitime Lösungsstrategie ist, dass „Brutalität, Gewalt und Mord
nicht der Ausweg aus der gesellschaftlichen Isolation sind und kein Heilmittel für eine
zerstörte Seele sein können.“94

92
Ebenda, S. 55.
93
Im letzten Film der Gebrüder Coen, No Country for Old Men (2007), verwendet der Killer, statt dem üblichen
Arsenal an Feuerwaffen, ein durch Luftdruck betriebenes Bolzenschussgerät. Dieses stellt eine überaus treffende
Metapher für den eruptiven Moment des Tötens dar. Das Ventil des Druckluftbehälters wird geöffnet, der
angestaute Druck entlädt sich und schleudert das tödliche Geschoss auf die Opfer. Der Druck gilt als Sinnbild für
die vorhandene, angestaute Gewalt, die sich im Augenblick ihrer Eruption entlädt.
94
Plöger, Strukturen der Gewalt, S.101.

49
Cape Fear und Straw Dogs

In der Auseinandersetzung mit den beiden folgenden Filmen ist es daran gelegen, einen
hervorstechenden Aspekt zu besprechen, nämlich den Raum, in welchem sich die Gewalt
abspielt und ihre psychologischen Folgen für die Figuren. Wie in den zuvor besprochenen
Filmen, gilt auch hier, dass von einer gesellschaftlichen Grundsituation ausgegangen wird, in
der Gewalt zu jedem Zeitpunkt und Ort möglich ist und auch hervorbricht. Möchte man einen
wesentlichen Zug der Gewaltursachen sowohl bei Scorcese als auch Peckinpah herausstellen,
ist es jener, dass Scorcese von einem soziogenetischen Gewaltmodell – emotionale Kälte,
Kommunikationsunfähigkeit, Isolation des Einzelnen – ausgeht und seine Protagonisten als
gesellschaftlichen Spiegel erscheinen lässt, während Peckinpah die menschliche Existenz als
per se gewalttätig begreift. Beide Vorstellungen durchdringen einander, so dass keines der
Modelle dem anderen vorzuziehen wäre. Die Frage, ob Gewalt nun im einzelnen Individuum
angelegt ist, aus deren Vielzahl sich eine Gesellschaft bildet, oder ob die Gesellschaft
grundsätzlich gewalttätig ist, was wiederum das Individuum affektiert, kann hier nicht
hinreichend geklärt werden. Es kommt vielmehr darauf an, dass beide Vorstellungen nicht
divergieren, sondern in einem Wechselspiel miteinander verbunden sind, woraus die
spezifische Gewaltdynamik resultiert, auf die uns beide Regisseure wieder und wieder
zurückwerfen. Es bleibt zu konstatieren, dass Gewalt, wie sie in Scorceses und Peckinpahs
Filmen aufgegriffen wird, keinen klar zu benennenden Ausgangs- und Endpunkt in einem
abgeschlossenen Raum bezeichnet, sondern als Teil eines fortwährenden Prozesses erscheint
und über die inhaltlichen wie auch physischen Grenzen (Dauer) des Films hinausweisen. Die
Hard beendigt die Gewalt mit dem Abschluss der Handlung, die Ordnung der Welt und ihrer
Figuren ist wieder hergestellt, es handelte sich lediglich um eine kurze Störung. The Wild
Bunch und Taxi Driver hingegen, gehen von einer grundsätzlichen Erschütterung der äußeren
Welt und der inneren ihrer Figuren aus. An John McClane vollziehen sich die brutalsten
Gewalttaten ohne Konsequenzen für sein Leben oder seine Psyche, sie bleibt intakt und am
Ende des Films kehrt er zu seiner Familie zurück. Die wilde Horde geht samt und sondern im
Kugelhagel unter, während Travis Bickle, als soziopathische Zeitbombe, Taxi fahrend auf den
nächsten Ausbruch zusteuert.
Cape Fear und Straw Dogs verortet die Gewalt nun im innersten sozialen Raum des
Menschen, in seinem eigenen Heim. In beiden Filmen findet ein Angriff von außen auf das
Herzstück, die kleinste gesellschaftliche Einheit des Zusammenlebens statt, auf die Familie.
In Cape Fear haben wir es mit dem Anwalt Sam Bowden (Nick Nolte) zu tun, dessen Familie

50
bestehend aus seiner Frau, Leigh Bowden (Jessica Lange), und der Tochter Danielle (Juliette
Lewis), von dem gerade aus der Haft entlassen Gewalttäter Max Cady (Robert De Niro)
bedroht wird. Sukzessive wird dieses Gefühl der Bedrohung etabliert. Zunächst deutet Cady
sein Vorhaben gegenüber Sam, sich an diesem zu rächen, nur verbal an. In kleinen Schritten
gewinnt Cady nach und nach mehr an Präsenz im häuslichen Leben der Bowdens, in dem er
sich auf deren Gartenmauer zeigt, sich gegenüber der Tochter als Lehrer ausgibt, um diese in
ein vertrauliches Gespräch zu verwickeln und schließlich den Familienhund tötet. Alle diese
Manöver dienen dem Zweck, den Bowdens und besonders ihrem Familienoberhaupt in aller
Deutlichkeit zu verstehen zu geben, dass es für sie keinen Rückzugsort mehr gibt, das gerade
das heimische Refugium seinem Zugriff schutzlos ausgeliefert ist, und Sam seiner Rache
nicht entkommen wird. Diese konstituiert sich aus der Tatsache heraus, dass Sam im Zuge des
Prozesses gegen Cady, als dessen damaliger Anwalt, entlastendes Material zurückgehalten
hat. Jener gibt ihm somit die Schuld an seiner 14jährigen Haftstrafe. Da Cady die Bedrohung
äußerst subtil aufbaut und ihm somit nichts nachzuweisen ist, greift Sam zu
unkonventionellen Mitteln, lässt Cady verprügeln und stellt in letzter Instanz einen
Privatdetektiv an, der das Haus und seine Bewohner schützen soll. Dieser versucht Cady in
eine Falle zu locken, um ihn auf frischer Tat und in Notwehr zu erschießen. Die gestellte Falle
soll also den bewusst geplanten Mord an Cady rechtlich sichern. Diese Maßnahmen und die
andauernden Zerwürfnisse innerhalb der Familie, aufgrund von Sams wiederholt
außerehelichen Aktivitäten, zerstören, in Kombination mit der
Entlastungsmaterialunterschlagung, Bowdens bürgerliche und berufliche Integrität, die auf
den Verlust der bürgerlichen Existenz hinausläuft. Die Existenz des Bürgertums zeichnet sich
gerade seit Etablierung des Gesellschaftsvertrags durch die Übergabe des Gewaltrechts auf
die staatlichen Institutionen aus und die Akzeptanz der von diesen vorgegebenen Grenzen.
Mit seinen Provokationen erreicht Cady, dass sich Bowden in den rechtsfreien Raum begibt
und sich in seiner Handlungsweise ihm gleich stellt. Somit „bricht Scorcese mit der
Vorstellung, dass die Guten gut und die Bösen schlecht sind“95. Außerdem ist das
Familienidyll schon durch die Zerwürfnisse der Ehepartner lange vor Cadys Eindringen
fundamental gestört, was den familiären Rückzugsraum a priori dekonstruiert. Nachdem alle
legalen und illegalen Optionen wirkungslos bleiben, Cady der gestellten Falle entkommt und
diese mit dem Mord an dem Privatdetektiv und dem Hausmädchen der Bowdens quittiert,
bleibt selbigen nur die Flucht zu ihrem Hausboot am Cape Fear. Doch auch dorthin folgt
Cady der Familie, um seine Rache zu vollenden. Er kapert das Hausboot und unterzieht die
95
Plöger, Strukturen der Gewalt, S.117.

51
Familie einem Martyrium. Diese setzt sich nun mit vereinten Kräften zur Wehr, so dass im
Showdown mal Cady, mal die Bowdens Oberhand gewinnen, und lange nicht deutlich zu
erkennen ist, wer als Überlebender die Szenerie verlassen wird. Scorcese schafft in dieser
Sequenz ein hervorragendes Bild für den Angriff auf den gesellschaftlichen Kern, auf die
Familie, einerseits durch die klaustrophobische Enge des Hausboots, andererseits, dass er
selbiges, von den Leinen los geschnitten, in eine vom Sturm gepeitschte See treiben lässt. Die
äußere Welt gleicht einem apokalyptischen Szenario und spiegelt hier den Kampf im Inneren
in naturalistischer Manier. Am Ende schafft es die Familie doch noch der Bedrohung zu
entkommen. Sam hat Cady mit Handschellen an das auseinander brechende Hausboot
gekettet, was kurz darauf vollkommen zerstört wird. In den letzten Einstellungen der
Showdown-Sequenz sehen wir Sam und Cady, wie sie am Ufer angespült liegen. Cady, noch
immer angekettet an ein großes Stück des einstmaligen Bootes, ist Sam nun schutzlos
ausgeliefert. Dieser ergreift einen großen Stein, reißt ihn schreiend und blutüberströmt nach
oben, um Cady damit zu erschlagen. Hier vollzieht sich der letzte Akt der Zerstörung von
Sams bürgerlicher Existenz, indem er, selbst zum Gewalttäter mutiert, mit von Wahnsinn
verzerrtem Gesicht und vor Hass und Entsetzen glimmenden Augen, den Stein auf Cadys
Schädel sausen lässt. Cady wird allerdings, kurz bevor der Stein seinen Kopf unter ihm
begräbt, von dem übrig gebliebenen Rest des Bootes auf den Fluss gezogen und in die Tiefe
gerissen. In einen religiösen Wahn verfallen stößt Cady unidentifizierbare Laute aus, die
jenen von Besessenen ähnlich sind, um mit seinen letzten Atemzügen aus dem alten
Testament zu zitieren: »Ich stehe an den stürmischen Ufern des Jordan und wer kommt mit
mir? Ich bin auf dem Weg ins gelobte Land«. Wenn Bowdens Verlust der bürgerlichen
Existenz hier ihren Abschluss findet, vollendet sich gleichsam Cadys Selbststilisierung zum
Märtyrer. Beide blicken sich noch einmal in einem Schuss – Gegenschuss in die Augen. Cady
vermittelt Sam durch seinen Blick, dass dieser nun dort angekommen ist, wo er gelebt hat, in
seiner Hölle, dass er mit ihm nun auf einer Stufe steht, als Mörder. In der quälend langen
Untergangssequenz, verfolgen wir durch Bowdens Augen, wie Cady von den Wassermassen
verschlungen wird. Wie Bowden will der Zuschauer sicher gehen, dass der Horror mit ihm ein
Ende findet, er will sich seines Todes vergewissern, er hat seinen Tod herbeigesehnt und sieht
ihm nun beim Sterben zu. Cadys letzte Blicke künden genau von diesem Wissen, sie sind, da
der Zuschauer durch Bowden seinem Ende beiwohnt, auch an selbigen gerichtet. Scorcese
wirft den Zuschauer durch diese Szenen einmal mehr auf seine eigene Rolle als
Gewaltrezipienten zurück und evoziert in ihm das dringende Verlangen nach der Tötung eines
Menschen, welches er dem Zuschauer dann, im Moment des Vollzugs, vorwirft. Der ganze

52
Aufbau des Films ist auf diesen einen Moment zugespitzt, indem der Zuschauer sich seines
eigenen Blickes in den wissenden Augen Cadys gewahr wird. Mit der Bejahung des Todes
eines Menschen gleitet der Zuschauer in Bowdens Hölle ab, aus der zuvor Cadys Leben
bestand. Cady sagt uns mit seinem letzten Blick: Ihr seid auch nicht anders als ich.
Mit seinem Tod ist die familiäre Sicherheit jedoch nicht wiederhergestellt, nach den Bildern
ist nicht wieder alles in Ordnung. Verwirrt, ängstlich und verlassen stolpern die durchnässten
Familienmitglieder, nun in einem an den Hades erinnernden Elendszenario, begleitet von
infernalischen Hornklängen, durch den Schlamm aufeinander zu. Was hier zurück bleibt, sind
durch ihr Gewalterlebnis gebrochene, zutiefst traumatisierte Existenzen, denen der Rückweg
in eine innere Sicherheit Zeit ihres Lebens versperrt bleiben wird. In dieser Hinsicht hat Cady
sein Werk vollendet, da er der Familie den letzten Rückzugsort genommen hat, der ihnen
blieb: Die Normalität, die Sicherheit des familiären Alltags und die kleinen Lügen, die
selbigen zementierten. Die letzten Worte entfallen auf die Tochter Danielle, die dem
Zuschauer nun als auktorialer Erzähler aus dem Off kundtut, dass die Familie nie über das
Geschehen miteinander sprach, wahrscheinlich aus der Angst heraus, dass die Erwähnung
Cady’s ihm Eingang in deren Träume gewähren würde, und dass es nie wieder so wurde wie
vor seinem Eintritt in ihr Leben. Danielles letzten Satz, dass es in Ordnung wäre zu vergessen,
um weiterleben zu können, kann durchaus als letzte lakonische Bemerkung an den Zuschauer
gedeutet werden, die besagt, dass der Film ihn zwar verstört haben mag, dass er ihn vielleicht
mit einem Bruch in seinem Wahrnehmungsgefüge zurücklässt, er dies aber vergessen wird,
um wieder in die Normalität seines Alltags zurückzufinden, die den Bowdens fortan versagt
bleiben wird. Der Film weist also mit der Evokation eines Bruches im normativen
Wahrnehmungsgefüge und einer daraus resultierenden Verstörung, über sich selbst hinaus
und prophezeit, wie zuvor schon in Taxi Driver und The Wild Bunch, dass sich nichts ändern
wird, da Gewaltdarstellung, als „mediales Einbrechen in die Intimsphäre“96, längst alle
gesellschaftlichen und privaten Räume eingenommen hat, der Bruch folglich nicht mehr als
solcher erfahren wird.
Die Geschichte von Straw Dogs ist der von Cape Fear eng verwandt. Auch hier wird ein
Konflikt zwischen einer kleinen heimischen Einheit und von außen eindringenden
Gewalttätern etabliert. Der Astrophysiker David Sumner (Dustin Hoffman) zieht mit seiner
jüngeren Frau Amy (Susan George) in eine englische Kleinstadt, aus der sie ursprünglich
stammt. Diese entspricht jedoch nicht einem wohlwollenden, romantisch-idyllischen Ideal,

96
Bernd Kiefer, Home Invasion, Die Zerstörung des privaten Lebens und die Medien, in: Marcus Stiglegger
(Hrsg.), Kino der Extreme, Kulturanalytische Studien, St. Augustin 2002, S. 202.

53
sondern ist geprägt von Ignoranz und Misstrauen, sowohl den Neuankömmlingen gegenüber,
als auch innerhalb der Dorfgemeinschaft selbst. Schon in den ersten Szenen entwirft
Peckinpah ein Szenario des menschlichen Zusammenlebens, das maßgeblich von einer
omnipräsenten Gewalt bestimmt wird. Keiner der Dorfcharaktere erscheint auch nur im
Mindesten vertrauenswürdig, ein jeder scheint auf der Lauer zu liegen, um die erstbeste
Gelegenheit zu ergreifen, seinen Mitmenschen Übel angedeihen zu lassen. David versucht in
der Zurückgezogenheit seine Studien zu forcieren, während es Amy daran gelegen ist, einen
Ausgleich mit der Dorfbevölkerung und ein liebevolles Heim für sich und ihren Mann zu
schaffen. David ist allerdings nicht an einer Integration in die dörfliche Gemeinschaft
interessiert. Er lässt die Bewohner in arroganter Manier seine intellektuelle Überlegenheit
deutlich spüren und zieht sich auch gegenüber Amy zunehmend in eine defensive Haltung
zurück, da er sich von ihr in seiner Arbeit gestört fühlt. Die innere Sicherheit und Ordnung
der Ehe erscheint, wie in Cape Fear, von kommunikativem Unvermögen und Zerwürfnissen
geprägt, also gestört. So ist das Zusammenleben der Protagonisten dem der Dorfbewohner gar
nicht so unähnlich, die inneren Störungen in Form eines passiv-aggressiven Verhaltens
werden im äußeren Kontext der offenen Aggressionen innerhalb der Dorfgemeinschaft
gespiegelt, während das raue, neblige und kalte Klima, die Kälte innerhalb der menschlichen
Bindungen symbolisch wiedergibt und verstärkt, als ein unwirtlicher Platz, an dem keine
Liebe erwachsen kann und ein jeder nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Die physische
Gewalt der Dorbewohner findet also ihr Äquivalent in der psychisch-intellektuellen von
David. Die aktive Bedrohung für das Heim der Sumners geht hier von den mit dem Bau des
Schuppens beauftragten dörflichen Handwerkern aus, unter denen sich auch der Ex-Liebhaber
von Amy, Tom Hedden (Peter Vaughan), befindet. Zum einen konstituiert sich die Bedrohung
aus der stetigen Vermehrung der Handwerker heraus, zum anderen aus der Tatsache, dass sich
diese ständig arbeitsbedingt in der nächsten Nähe des Hauses aufhalten. Wenn Scorcese Cady
mehr und mehr an Präsenz gewinnen lässt, in dem er ihn sukzessive dem Familienheim näher
bringt, ist die Nähe bei Peckinpah schon vorher gegeben und verstärkt sich mit der Zunahme
der Zahl an Menschen. Wie in Cape Fear dringen auch die Handwerker in das Haus ein und
hinterlassen sichtbare Spuren, indem sie die Katze der Summers töten und in deren
Wandschrank hängen. Die Sicherheit der eigenen vier Wände wird mit dem Tod des Haustiers
(in Cape Fear der tote Hund) symbolisch suspendiert und die Aussage formuliert, dass die
Eindringlinge frei ein und ausgehen können, wie es ihnen beliebt. Auch hier können die
Sumners auf keine Intervention der städtischen Sicherheitsorgane hoffen, da den
Handwerkern nichts nachzuweisen ist. Das nebeneinanderher Leben mit den Menschen, die

54
für das Ehepaar eine akuter werdende Bedrohung darstellen und denen jederzeit von außen
durch die Fenster Einblick in das Heim und somit in das Eheleben der Sumners gestattet wird,
intensiviert die Atmosphäre einer bedrohlichen Spannung zusätzlich. Amy verlangt von ihrem
Mann David, sich im Gestus der Männlichkeit mit den Handwerksburschen auseinander zu
setzten, woraufhin David diese offiziell in ihr Haus einlädt, Getränke serviert und eine
zivilisierte Auseinandersetzung zur Lösung der Problematik anstrebt. Natürlich scheitert
dieses Experiment einer kommunikativen Lösungsstrategie, da die Kluft zwischen dem
vergeistigten Forscher und den rauen Arbeitern zu groß ist. Doch wird hier nicht etwa
lediglich die Opposition zwischen Geist und animalischer Natur des Menschen in den
Vordergrund gestellt, sondern eher das zerrüttete Eheverhältnis der Sumners, da David seine
Frau samt ihren Sorgen nicht wirklich ernst zu nehmen scheint, und diese ihm nicht nur ihre
Unterstützung versagt, sondern zudem noch in den Rücken fällt, was in der vorliegenden
Gesprächsszene verdeutlicht wird. Zudem präsentiert sie sich in einer anderen Szene, in
einem Anflug trotzigen Stolzes, barbusig vor einem der offenen Fenster des Hauses und stellt
sicher, dass ihr der Blickfang auf die dargebotene Nacktheit ihres Körpers, seitens der auf
dem Dach des Schuppens arbeitenden Handwerker, gelungen ist. Die Provokation reizt die
sexuell bereits aufgebrachten Handwerker noch zusätzlich an, so dass zwei von ihnen eines
Tages, während Davids Abwesenheit, in das Haus eindringen und Amy vergewaltigen. Sogar
aus der Vergewaltigung durch ihren Ex-Liebhaber versucht Amy noch eine Art Lustgewinn
für sich zu ziehen, um die Vernachlässigung seitens Davids zu kompensieren. Auch hier
versagt die Kommunikation zwischen den beiden, sie berichtet ihm nicht mal von den
Vorkommnissen. Peckinpah suspendiert somit die Unschuld aller Beteiligten exemplarisch
und verwischt die Grenzen zwischen Tätern und Opfern97.
Die Situation eskaliert, als der unter dem Verdacht des Kindermordes stehende Triebtäter
Henry Niles (David Warner), Zuflucht in Davids Haus findet. Der sich formierende
Lynchmob, bestehend aus den Handwerkern, fordert die Herausgabe des Täters, der dazu
noch einer der Dorfbewohner ist, um ihn einem Standgericht zu unterziehen. David
verweigert die Herausgabe des Missetäters und versucht noch einmal, die Situation durch das
Mittel der Kommunikation zu lösen. Als der Versuch scheitert, da der Lynchmob den Vorfall
als dorfinterne Angelegenheit begreift und sich weigert, auf das Eintreffen der Behörden zu

97
Sein dystopisches Konzept aller menschlichen Existenz als im Grunde gewalttätig wird erneut durch eine
Kindermetapher zum Ausdruck gebracht. Auf einer dörflichen Veranstaltung werden die
Vergewaltigungsszenen, die sich hier noch einmal vor Amys geistigem Auge auftun, mit denen lärmender,
spielender Kinder verschnitten. Der Parallelschnitt zwischen dem Getöse der Kinder, die mit Tröten und
aufgesetzten Partyhüten den Festivitäten frönen, und dem halb von Lust und halb von Schmerz verzerrten
Gesicht Amys, ist eine der gewalttätigsten Stellen im ganzen Film und verweist wieder auf die Vorstellung einer
verlorenen Unschuld der Menschheit, die hier noch zusätzlich durch den sexuellen Aspekt erweitert wird.

55
warten, beginnt die Belagerung des Sumner’schen Anwesens. Als dann doch ein Vertreter der
stattlichen Gewalt in Gestalt des Major Scott (T.P. McKenna), der innerhalb der
Gemeinschaft offenbar so etwas wie die Autorität eines Dorfsheriffs innehat, auftritt, um die
Situation unter Kontrolle zu bringen, wird dieser kaltblütig erschossen, woraufhin sich die bis
dahin noch relativ verhaltene Gewalt (Flüche und Androhungen) in eine wilde, offene
steigert. David verharrt trotz des Drängens seiner Frau, den vermeintlichen Mörder
auszuliefern, stoisch auf seinem Standpunkt und verteidigt fortan mit allen ihm zur Verfügung
stehenden Mitteln sein Haus. Mit den Sätzen »Dies ist mein Haus! Gewalttaten in diesem
Haus lasse ich nicht zu!« konterkariert er seine eigene Logik, da er wenige Minuten später
selbst zu dem Mittel der Gewalt als letzten Ausweg greift. Seine Frau behindert sein
Vorgehen mehr, als dass sie ihm nützlich wäre, und so schlägt Davids sonst passiv-
aggressives Verhalten ihr gegenüber diesmal in ein offenes um, was sich darin äußert, dass er
sie schlägt und ermahnt, ihm zu gehorchen. David geht taktisch äußerst klug vor, kann
aufgrund seiner intellektuellen Überlegenheit die Züge des Gegners, wie in einem
Schachspiel, im Voraus berechnen und tötet einen Eindringling nach dem anderen. Den Ex-
Liebhaber und Vergewaltiger seiner Frau bringt er mit einer großen gespannten Bärenfalle,
die er ihm auf den Kopf schlägt, woraufhin diese zuschnappt, ums Leben. Den letzten Gegner
erschießt Amy schließlich nach einigem Zögern mit einer Schrotflinte selbst. Was hier gezeigt
wird, ist nicht etwa die Überlegenheit des Verstandes, sondern „die gewaltsame
Instrumentalisierung der Vernunft“98, die sich der animalisch-gewalttätigen Natur, die selbst
einem Geistmenschen wie David innewohnt, untertänig machen muss. Die äußerst brutal
gestaltete Tötung des letzten Gegners durch eine Bärenfalle unterstreicht dies zusätzlich.
Außerdem hat die Bärenfalle einen mehrdeutigen Symbolgehalt. Einerseits kann diese als
riesige vagina dendata interpretiert werden, mit der gerade der Vergewaltiger umgebracht
wird, als Symbol der Rache für die geschändete Weiblichkeit Amys. Andererseits in ihrer
tatsächlichen Funktion als Falle, da, metaphorisch ausgelegt, nicht nur Tom mit dem
Zuschnappen der Bärenfalle um sein Leben gebracht wird, sondern auch David.
Gewaltanwendung wäre in diesem Sinne als unentrinnbare Falle zu interpretieren, in der sich
nicht nur das Opfer, sondern auch der Täter verfängt, was am Ende des Films formuliert wird.
Dort sehen wir ihn gemeinsam mit Henry in seinem Auto sitzend eine Landstraße
entlangfahren. Nach kurzem Zögern bringt Henry mühevoll hervor, dass er seinen Weg nach
hause nicht finde. David erwidert, dass dies in Ordnung sei und fügt nach einigen Sekunden

98
Sven Jachmann, Mein Haus, meine Frau, meine Schrotflinte, in: Jungle World, Nr. 34, August 2007.

56
lächelnd wissend hinzu, dass es um ihn gleich bestellt sei99. Was bei Henry die Unfähigkeit
zur Wegbeschreibung ausdrücken soll, drückt für David die Unfähigkeit aus, in sein altes
Leben zurückzufinden. Die erfahrene Gewalt hat nicht nur irreversible Schäden an seinem
schon zuvor nicht intakten Eheleben hinterlassen, sondern auch an seiner psychischen
Verfassung. Peckinpah enthält seinem Protagonisten sogar die Möglichkeit vor, durch
Verdrängung sein Eheleben wieder aufzunehmen oder durch irgendeine andere Form der
Kompensation in selbiges zurückzufinden. Weder hinter ihm noch vor ihm liegt für David
eine denkbare Zukunft. An Stelle dessen lässt Peckinpah ihn ziellos in das Dunkel der Nacht
und damit in das Dunkel seiner eigenen Psyche abgleiten, kurz bevor sich das Schwarz dann
auch auf die Kinoleinwand und damit auf die Zuschauer senkt. Auf diese Weise erscheint das
Ende von Straw Dogs gegenüber dem von Cape Fear weitaus radikaler, da es eine nicht mehr
zu übertreffende Verlorenheit zum Ausdruck bringt. Es bleibt die Frage offen, ob David und
Amy ohne das Erlebte hätten glücklich werden können. Aus der schon vor den
Gewalteskalationen als brüchig dargestellten Konstitution der Ehe, aufgrund der
Kommunikationsunfähigkeit und passiven Gewalt der Ehepartner, lässt sich allerdings das
Gegenteil schließen.
Die Gewalt der sog. Home-Invasion-Movies, unter diese Kategorie fallen beide Filme, deuten
auf eine alttägliche Gewalt im eigenen Heim hin, nicht als physischer Akt zu begreifen,
sondern als Einbrechen medialer Gewaltakte in das Bewusstsein. Die mediale
Gewaltdarstellung hat den innersten sozialen Raum des menschlichen Zusammenlebens
erobert und sich dort als Variante des allabendlichen Amüsements fest etabliert. Menschen
sitzen gemeinsam im Wohnzimmer vor dem Fernseher und schauen sich an, wie Menschen
andere Menschen grausam ums Leben bringen. Aus diesem Grund verortet Peckinpah die
letzten in seinem Film dargestellten Morde, auch in das Wohnzimmer der Sumners, als
Metapher für das heimische Seherlebnis. Die Warnung, die sich hier für den Zuschauer
formulieren lässt und die während der Besprechung des Films Taxi Driver bereits angedeutet
wurde, ist die, dass die konventionelle mediale Gewaltdarstellung durch den auf stetige
Wiederholung angelegten Konsum einen festen Platz in seinem Innersten, nämlich in seinem
Bewusstsein, erobert hat. Dieser osmotische Prozess erscheint dem Zuschauer jedoch durch
die eingeübten Legitimationen der dargestellten Gewaltakte und seiner Gewöhnung an das
hohe Gewaltpensum nicht mehr als befremdlich, sondern im Gegenteil als natürlich.
Im Folgenden soll nun auf ein Genre eingegangen werden, dessen Filme der genreinternen
Deutung nach dazu dienen sollen, vor Gewalt abzuschrecken und diese ohne Milderung oder

99
Im englischen Original: »I don’t know my way home - That’s okay. I don’t either.«

57
Beschönigung in ihrer nackten, destruktiven Gestalt zu veranschaulichen. Es handelt sich um
den sog. Antikriegsfilm, der eine eindeutige Position gegen Krieg und Gewalt artikulieren
möchte, also hinsichtlich der bisherigen Untersuchungsergebnisse selbst als Gegenmodell zu
der zelebrierten Gewalt im Actionfilm Geltung erlangen sollte. Ob diese Einschätzung zutrifft
gilt es zu untersuchen.

Warum es den sog. Antikriegsfilm nicht gibt

Schon vorher wurde die Behauptung aufgestellt, dass der sog. Antikriegfilm nicht existiert.
Dies lässt sich aus der Beobachtung schließen, dass der Antikriegsfilm sich selbst als
aufklärerisches Genre begreift und dabei dem selbst auferlegten Diktum folgt, Krieg als
Barbarei darzustellen. Antikriegsfilme wollen also eine moralische Instanz einnehmen und
dem Zuschauer warnend vermitteln, dass Krieg verabscheuungswürdig und unter allen
Umständen zu vermeiden sei. Und dies soll dadurch erreicht werden, indem fortwährend die
abscheulichsten Bilder von Kriegen produziert werden100, eingebettet in Geschichten, die
nach den konventionellen Erzählmustern der Filmindustrie funktionieren. An diesem Punkt
führt sich der Antikriegsfilm selbst ad absurdum, wenn „er das Grausame beklagt und dafür
unentwegt Bilder des Grausamen zeigt“101. Gerade der Krieg bietet sich, als anarchischer
Raum in Vollendung, zur Produktion höchst ästhetischer Gewaltbilder an, die dem Zuschauer
den gleichen visuellen Reiz bieten sollen, wie die spektakulären Showdowns im Actionfilm.
Nur dass sich in diesem amoralischen Raum die Ästhetisierung und damit der Schauwert in
ihr Extrem steigern. In diesem Szenario werden dann noch die gleichen seriell produzierten,
konventionellen Heldengeschichten erzählt, die das typische Erzählkino ausmachen. Die
variierenden Schauplätze des Kriegfilms dienen also als Folie der Faszination, da sich auf
dieser Strategie, Körperästhetik, Heldentum, Kameradschaft und vor allem das Sterben
exemplarisch darstellen lassen, „woraus seine Eignung für das Melodram, das
Heldenspektakel, opulente Bildästhetik, sowie die Emotionen Rührung und Mitgefühl
resultieren“102. Der Krieg als Situation, als Raum einer filmisch erzählten Geschichte, eignet
sich wie kein zweiter, um mit klaren ideologischen Demarkationslinien zu arbeiten, wie Gut
und Böse, Schuld und Unschuld oder Täter und Opfer, die im vorigen Kapitel aufgeführt

100
„Sie (Kriegsfilme) beschwörend den Himmel und beschreiben die Hölle“. Grob, Akt der Gewalt, S. 172.
101
Ebenda, S. 172.
102
Thomas Klein, Der inszenierte Krieg, Emir Kusturicas Underground, in: Marcus Stiglegger (Hrsg.), Kino der
Extreme, Kulturanalytische Studien, St. Augustin 2002, S. 227.

58
wurden, und Gewalt rechtfertigen sollen. Ein Spezifikum des Antikriegsfilms ist überhaupt
die grundlegende Tatsache, dass in ihm Gewalt in erster Instanz überhaupt nicht mehr
gerechtfertigt werden muss, da sie im Kern schon vorliegt: Kriegschauplätze sind Schauplätze
der Gewalt, der Kriegsfilm rechtfertigt seine Gewaltdarstellungen per se, aus seiner eigenen
Grundkonstitution heraus. Mit der Wahl des filmischen Erzählraums Krieg ist die dargestellte
Gewalt schon im Voraus gerechtfertigt, da Krieg zunächst nichts anderes als Gewalt ist.
Allein diese aller Moral entbehrende Strategie macht deutlich, warum es den sog.
Antikriegfilm nicht geben kann, da „Kriegfilme das ausbeuten, was sie sichtbar machen –
gerade wenn sie behaupten, gegen das zu sein, wofür sie so mühevoll ihre Bilder arrangieren,
denn schon während sie die Gewalt anprangern, huldigen sie ihr zugleich. Auch wenn sie
noch so strikt gegen den Krieg argumentieren, feiern sie zugleich seine Mittel“103. Der
Kriegfilm (der programmatische Präfix anti- wird im Folgenden weggelassen) ist zudem in
seiner Herstellung äußerst kostspielig und steht somit unter der Zielsetzung wirtschaftlicher
Rentabilität. Er muss unterhaltend sein, wenn er die Produktionskosten wieder einspielen soll.
Die Ästhetisierung der Barbarei sorgt für den nötigen Schauwert, der das Publikum in die
Kinosäle locken soll. Also wird die Barbarei zur Unterhaltung stilisiert, woran die
grundlegende Verfehlung des eigenen aufklärerischen Diktums deutlich wird: was im
moralischen Sinne belehren soll, kann nicht unterhaltsam sein. Das Genre bedient sich im
Wesentlichen der gleichen Erzählmuster wie der Actionfilm, konstituiert sich aus den
gleichen wirtschaftlichen Vorgaben und wendet die gleichen ideologischen,
melodramatischen oder mythischen Milderungs- und Abschwächungsmechanismen an, durch
die auch die Gewalt im konventionellen Actionfilm für den Zuschauer berieselnd - genussvoll
aufbereitet wird. Der Krieg wird hier nicht zum Gegenstand der Kritik erhoben, sondern dient
der extremsten Gewaltdarstellung zum Selbstzweck. Insofern „sind und bleiben Kriegsfilme
die Bastarde des Kinos“104.

Allgemeine Beobachtung zur Ästhetik des Kriegfilms

Die Ästhetik der Kriegsfilme erinnert sehr stark an jene, die in den futuristischen Manifesten
beschrieben wird. Namentlich Marinettis Manifest zum äthiopischen Kolonialkrieg, aus
welchem auch Walther Benjamin in seinem Kunstwerkaufsatz zitiert, ist zu entnehmen,
welche Schönheit die Bilder des Krieges beinhalten. Dort heißt es, dass „der Krieg schön ist,
103
Grob, Akt der Gewalt, S. 172.
104
Ebenda, S. 172.

59
weil er das Gewehrfeuer, die Kanonaden, die Feuerpausen, die Parfums der
Verwesungsgerüche zu einer Symphonie vereinigt“105. Diese, vom Futurismus postulierte
Schönheit des Krieges, die in einer Ästhetik des Krieges aufgeht, schlägt sich eben im
Kriegfilm exemplarisch nieder. Geht es Marinetti noch um die Begründung der Herrschaft
über die unterjochte Maschine, so wird dem Kriegfilm die maschinelle Gerätschaft zum
ästhetischen Selbstzweck der Zerstörung. Der Verweis auf die futuristischen Manifeste wird
hier erbracht, da diese, in einer positiven Lesart, als ästhetischer Leitfaden zur Produktion der
filmischen Bilder dienen könnten. Denn nichts anderes wird dem Zuschauer hier geboten: „Im
Krachen von Kugeln und Granaten, Explodieren von Häusern, Brücken, Türmen, im
massenhaften Vernichten von Leben, im Zerplatzen von Körpern und Spritzen von Blut liegt
ein Schauwert, der Attraktion und Schauwert für sich ist“106. Das moralische Empfinden des
Zuschauers wird eben in diesen Momenten kompromittiert, indem der Aufklärungsgestus zu
Gunsten der Unterhaltung suspendiert wird. Auch in sofern eignet sich der Kriegsfilm mit der
Wahl seines Raumes als perfekte Ästhetisierungsoberflache der Grausamkeit. Dem Zuschauer
soll vor dem filmischen Ereignis klar sein, dass Krieg per se schlecht ist. Die Ablehnung
gegenüber dem Gegenstand der Erzählung wird hier einfach instrumentalisiert. Solange der
Zuschauer das aufgeklärte Wissen um die Schlechtigkeit des Krieges im Allgemeinen mit sich
bringt, dessen moralische Integrität also allgemeinverbindlich vorausgesetzt wird, darf er
diese den Film über getrost vergessen und sich an den Bildern ergötzen. Darum ist es dem
Genre so sehr daran gelegen, als eines der kritischen Reflexion wahrgenommen zu werden.
Dass die kritische Distanz dann im Zuge des dargestellten Bilderrauschs in ihr Gegenteil
umschlägt, ist ökonomisches Kalkül.

Das Zusammenspiel von Gewalt, Bewegung und psychischer Wirkung im Medium Film

Norbert Grob nennt das Gefühl, das ein solcher Bilderrausch evoziert, das Jahrmarktgefühl.
Tatsächlich hat die Gewaltdarstellung im Actionfilm wie auch im Kriegsfilm viel mit einem
Fahrgeschäft eines Jahrmarkts gemein. Die Tötungsszenen werden so schnell geschnitten,
dass sie sich beinahe überlagern, und einerseits eine räumliche Desorientierung evoziert wird,
und andererseits das tatsächliche Geschehen durch die Raschheit der Bilderfolgen, für den
Zuschauer zunächst nicht nachvollziehbar ist. Obwohl wir uns bisher wesentlich mit der
inhaltlichen Ebene von Gewaltdarstellungen und ihrem Kontext beschäftigt haben, muss nun
105
Benjamin, Technische Repoduzierbarkeit, S. 468.
106
Grob, Akt der Gewalt, S. 170.

60
einmal in Form eines kleinen Exkurses auf die Formalebene eingegangen werden. Gewalt, in
ihrer traditionellen Darstellung, ist immer Bewegung. Die Bilder der Gewalttaten rauschen am
Zuschauer vorbei wie die Umgebung, wenn er sich auf einem Fahrgeschäft des Jahrmarkts
befindet (darum ist die Jahrmarktsmetapher auch so treffend.) Die Einzelbilder können
aufgrund der Trägheit des Auges (weswegen Film überhaupt nur funktioniert) in ihrer
rasenden Abfolge nicht erfasst werden, sie entziehen sich einer formalen Bestandsaufnahme
im Moment des Sehens. Insbesondere ihre inhaltliche Interpretation wird durch diese
Montageform verhindert. Das Prinzip ist sehr alt. Es geht auf die ersten Laterna Magicae
Mitte des 17. Jahrhunderts zurück, mit denen auch der Beginn der bildhaften Projektion
einhergeht. Bei diesem Verfahren handelte es sich um Bilder, die nebeneinander auf einer
Glasscheibe gemalt, durch einen Projektionsapparat gezogen wurden. Die Apparatur eignete
sich hervorragend zur Dramatisierung schnell wechselnder Bildfolgen, die sich zudem noch
mit variablen Perspektiven kombinieren ließen. Die Schnelligkeit der Bildfolgen evozierte
einen visuellen Rausch beim Betrachter und verweigerte gleichzeitig die intellektuelle
Durchdringung des Gesehenen. Diesem, den Film von Grund auf konstituierenden Verfahren,
ist bis heute die konventionelle Darstellung von Gewalt in nuce verschrieben. Gewalt wird, in
Bewegung aufgelöst, zu einem rauschhaft belebenden Ereignis und nicht zum Gegenstand
moralischer Reflektion. Genau auf diese Darstellungsstrategie, in Hinblick auf die Rezeption
von Gewalt, verweisen selbstreferentiell etwa die Massakersequenz am Ende von Taxidriver,
die, durch die Bestandsaufnahme, in der das Geschehen in seiner Konsequenz noch einmal
rückwärtig und in aller Langsamkeit gezeigt wird, eben die konventionelle Erzählhaltung
bricht, oder die Darstellung des Massakers am Ende von The Wild Bunch, in der das Sterben
schon im Vollzug erfahrbar gemacht wird. Die Illusion des Kinos findet im Mittel der
Bewegung ihre ganz spezifische Konstitution. Denn nicht nur die Bilder auf der Leinwand
bewegen sich, sondern es findet auch eine Bewegung in den Bildern statt, durch die Kamera
selbst. Im Gegensatz zu der Fotographie, in welcher Abbild und Blick zu einer Einheit
verschmelzen, wird durch die Montage und die Kamerabewegung, die sichtliche Ordnung im
Bild durcheinander gebracht. Standpunkte, Distanzen und Perspektiven werden gerade in der
Gewaltdarstellung schnell gewechselt, woraus sich die genannte räumliche Desorientierung
ergibt, aber auch die Dramatik des Geschehens107. Das Filmbild spielt also gleich mit zwei
Bewegungsdimensionen mehr, der Bewegung in der Zeit und der Bewegung im Raum. Mit
dieser doppelten Bewegung konstituiert sich die Ordnung der Filmbilder unablässig neu und

107
In der Bestandsaufnahme der Massakersequenz aus Taxi Driver wird die räumliche und auch zeitliche
Integrität wieder hergestellt. Der Zuschauer verfolgt den Weg en detail, diesmal in aller Ruhe, von hinten nach
vorne zurück und gewinnt somit auch die Orientierung im filmischen Raum wieder zurück.

61
schafft eine „nicht gekannte Illusionierung von Realität“, die den Zuschauer „durch die
ständige Änderung von Dauer und Distanz, von Raum und Perspektive direkt in das
Geschehen zieht“108. Auch wenn er selbst physisch unbeteiligt im Kinosessel verharrt, wird er
doch „als Subjekt ästhetischer Erfahrungen aktiv und ist unentwegt in Bewegung“109. Grob
schließt aufgrund dieser Beobachtungen, dass der Zuschauer in den Zustand einer steten
Überwältigung versetzt wird, der er nicht entgehen kann, die komplementär zu der
inhaltlichen Gewalt des Films, Gewalt durch den Film erzeugt, die sich gegen den Zuschauer
richtet. So bezeichnet er diesen Vorgang sogar als Form der ästhetischen Vergewaltigung110
und kommt zum gleichen Schluss wie Früchtl, der auf die von ihm zuvor gestellten
rethorischen Fragen, „Warum wollen wir als Kinobesucher immer wieder hinsehen auf das,
was da auf der Leinwand zu sehen ist, auch dann, wenn wir, wie im Horrorfilm, nicht (immer)
hinsehen wollen? Weshalb »erlaubt« es einem der Film im Grunde nicht, nicht
hinzusehen?“111, entgegnet, dass durch die Technik der Montage der Blick gelenkt wird und
durch die technische Vorführung der Film den Menschen dazu zwingt, „dem Ablauf wie eine
Registriermaschine zu folgen“112. Die Formulierung 'der Film erlaubt' zeugt von dessen
eigentümlicher Macht über den Betrachter, die dem Film hier zugesprochen wird und
verwandelt den Zuschauer selbst in eine Art wesenlose Apparatur, was hier durch die
Bezeichnung selbigen als 'Registriermaschine' zum Ausdruck gebracht wird. Die Bezeichnung
ist sehr treffend, da der Zuschauer durch den Sog der Bilderflut tatsächlich nichts anderes
vollbringen kann, als zu registrieren; er registriert, wertet jedoch nicht aus. Anders formuliert
kommt man nun, diesmal von dem formellen Seite aus, wieder an den Punkt zurück, an dem
im Zuge der inhaltlichen Rechtfertigungsmechanismen von Gewaltdarstellungen schon
konstatiert wurde, dass der Zuschauer die Gewalt zwar zur Kenntnis nimmt, um sich an ihr zu
berauschen, ihm die reflexive Ebene jedoch verwehrt bleibt, um sich überhaupt berauschen zu
können. Daher kann man in puncto Gewaltdarstellung getrost von einem komplementären
Verhältnis von der Formebene zu der inhaltlichen Ebene reden, da Form und Inhalt hier in
Kombination noch stärker auf den Betrachter einwirken113. Früchtl bezeichnet das Medium
Film als „dirigistisch wie sonst nur die Musik“114, womit man den Rückschluss auf die
Inhaltsebene des Kriegsfilms, als Genre, welches das Grauen symphonisch darstellt, führen

108
Grob, Akt der Gewalt, S. 165.
109
Ebenda, S. 165.
110
Ebenda, S. 166.
111
Früchtl, Das unverschämte Ich, S. 224.
112
Ebenda, S. 224.
113
Die Gewalt durch den Film sieht Grob zunächst unabhängig von dem im Film dargestellten Inhalt. Dies
spricht allerdings keineswegs gegen eine verstärkte Einwirkung auf den Zuschauer, wenn der Filminhalt,
zusätzlich zu der vom Medium ausgehenden Gewalt, auch noch Akte der Gewalt darbietet.
114
Früchtl, Das unverschämte Ich, S. 224.

62
kann. Dem Futurismus war es daran gelegen, die Welt der Technik als Bewegung, als
Dynamik zu spiegeln, da dies den Inbegriff der Welt darstelle, als Geist ihrer Zeit. Dieser galt
den Futuristen als allgegenwärtige Geschwindigkeit, die die Kategorien Raum und Zeit
aufhebt. Eine derartige Aufhebung bzw. ständige Neuanordnung der räumlichen und
zeitlichen Kategorien wird im Medium Film mittels der Montage115 wie in keinem anderen
Medium erreicht. Der symphonische Charakter kann hier auf der formalen wie auf der
inhaltlichen Ebene erzeugt werden. Es wurde festgestellt, dass Film Bewegung ist. Eine der
ältesten filmisch inszenierten Bewegungen ist die Verfolgungsjagd. Sie ist mit Edwin S.
Porter’s The Great Train Robbery (1903) eine der ersten und beständigsten
Bewegungssequenzen im Film, die Dramatik erzeugt, und fehlt in keinem Action- oder
Kriegfilm bis heute. John Hembus hat festgestellt, dass in The Great Train Robbery „alle
kommenden Spielfilme angelegt (seien), vor allem natürlich alle kommenden Western:
Überfall, Verfolgung, Showdown, ausgeschmückt mit Mord, Terror, Brutalitäten, Humor,
unter Einsatz von schnellen Transportmitteln.“116 Im Kriegsfilm wird die Bewegung noch
einmal durch den Einsatz der Kriegsmaschinen, insbesondere durch Flugzeuge und
Hubschrauber, radikalisiert, die Verfolgungsjagden gewinnen in den dargestellten Schlachten
zu Wasser, zu Land und in der Luft noch einmal eine gesteigerte Qualität. Man könnte sogar
behaupten, dass die Bewegung über den eigentlichen Moment des Todes eines Menschen im
Kriegfilm hinausgeht, da dieser, wenn er von einer der zahlreichen spektakulär inszenierten
Explosionen getroffen und daraufhin in seine Einzelteile zerrissen wird, sich noch in Form der
zerfetzten Fleischstücke weiterbewegt, bis auch selbige zum Erliegen kommen. Den
Explosionen der Bomben folgt hier die Explosion der menschlichen Körper als Bewegung in
alle Richtungen. Die symphonischen Orgien der Kriegfilme finden somit ihr Extrem in einer
in Bewegung aufgelösten Destruktion von Körpern. Somit erfährt Grobs dritte These, in
seinem nun schon vielfach zitierten Aufsatz „Akt der Gewalt“, dass Gewalt vor allem
dramatisierte Choreographie sei, Gültigkeit. Und auf ihre extremsten Darstellungen stößt man
im Kriegsfilm.
Paul Virilio geht von einer grundsätzlichen Osmose von Krieg und industriellem Kino aus. In
seinem Buch Krieg und Kino zeichnet er die Entwicklung des Kinomatographen parallel zu
den Entwicklungen militärischer Technologien nach. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass
die Kriegstechnologie nahezu jede kinematographische Entwicklung vorweggenommen und

115
„Es gilt auch nach der Gewalttätigkeit der Organisation filmischer Bilder selbst zu fragen: Der Film selbst ist
gewalttätig kraft des inneren Organisationsprinzips, welches ihn technisch und ästhetisch definiert: Das Prinzip
der Montage“. Karl Ossenagg, Der wahre Horror liegt im Blick, S. 117, in: Michael Haneke und seine Filme.
116
Joe Hembus, Western-Lexikon - 1272 Filme von 1894-1975, Wien 1977², S.268.

63
diese daraufhin beeinflusst hat. Wenn die speziell für den Kriegszweck entwickelten
Wahrnehmungsgeräte Anwendung in der Filmindustrie gefunden haben, geht folglich die
Organisation der Wahrnehmung im Krieg in der Organisation der Wahrnehmung im Film auf.
Aufgrund dieser von Virilio konstatierten Entwicklung versucht er der Frage nachzugehen, in
wie fern durch die Osmose von Kamera- und Kriegstechnik sich ein Wandel in den
menschlichen Wahrnehmungsgewohnheiten vollzogen hat. Mit Virilio argumentiert,
konstituiert sich der Film also prinzipiell aus den Wahrnehmungsbedingungen heraus, die im
Zuge der Technisierung des Krieges geschaffen wurden. Er schreibt, dass „die
Wahrnehmungsfelder, zu denen die Schlachtfelder teilweise werden, von Anfang an
prädestiniert waren für schnelle Stimuli, aus denen später die Slogans und Warenzeichen des
kommerziellen Designs und der Filmindustrie werden sollten.“117 Dies bedeutet, dass die
Gewalt der Schlachtfelder als visuelle Stimulans begriffen, im Film aufgeht, da die
Wahrnehmung der realen Schlachtfelder und die Wahrnehmung des Films gleich organisiert
sind. Die Stimuli des Films sind also den Stimuli der Schlachtfelder verwandt als deren
Ableger. Somit lässt sich eine grundlegende Kongruenz zwischen der Wahrnehmung des
Krieges und der Wahrnehmung des Films ausmachen und überspitzt behaupten, dass Krieg
nicht nur die filmische Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat, sondern dass Film im
wesentlichen Krieg ist oder zumindest die Fortführung des Krieges mit visuellen Mitteln
(nicht ideologisch zu begreifen), als Verlagerung der Kriegsstimuli auf die Leinwand.
Der Rausch oder der Sog, in den ein Film den Zuschauer ziehen kann, erfährt hinsichtlich von
Gewalt noch eine zusätzliche Qualität. Es wurde der Zwang Hinzuschauen beschrieben,
dessen sich der Zuschauer nicht erwehren kann. Béla Balász brachte die Tragweite dieses
Phänomens mit einer sehr persönlichen Formulierung zum Ausdruck: „Die Kamera nimmt
mein Auge mit. Mitten ins Bild hinein. Ich sehe die Dinge aus dem Raum des Films. Ich bin
umzingelt von den Gestalten des Films und verwickelt in seine Handlung, die ich von allen
Seiten sehe.“118 In dieser Notiz beschreibt er, dass es ihm als Zuschauer so vorkommt, als
wenn er selbst in den Film hinein gezogen werden würde und somit Teil der Handlung wird.
Es kommt ihm also so vor, als wäre aufgrund der psychischen Wirkung des Films auf ihn, er
seiner physischen Distanz zum Geschehen enthoben und begreift sich daraufhin selbst als
Akteur. Früchtl greift in diesem Zusammenhang ein psychoanalytisches Erklärungsmuster
auf, was besagt, dass es sich bei der „cineastischen Lust am Sehen um eine Lust handelt, die
eigene Identität aufzugeben“119. Er beschreibt, wie die psychoanalytische Filmtheorie den

117
Virilio, Krieg und Kino, S. 78.
118
Béla Balázs, Der Geist des Films, Frankfurt am Main 2001, S. 15.
119
Früchtl, Das unverschämte Ich, S. 225.

64
Zustand des Zuschauers mit der des Träumenden oder des Halluzinierenden vergleicht. Der in
diesen psychischen Zustand geratene Zuschauer kann das Geschehen zwar rein physisch nicht
teilen, es kommt ihm allerdings so vor als könnte er es, da eine Verwechslung zwischen der
realen Wahrnehmung und der bloßen Vorstellung stattfindet, weil es „den Subjekten
strukturell nicht gelingt, die aus der Außenwelt stammenden Reize von den inneren zu
unterscheiden“120. Dem Zuschauer würde nach dieser Theorie die Möglichkeit einer
Realitätsprüfung entzogen werden. Früchtl kommt zu dem Schluss, dass die psychische
Wirkung des Films auf einer Steigerung der Realität beruht, weil der Film einen
Realitätseindruck wie im Traum oder der Halluzination vermittelt (da er Vorstellungsbilder
als real ausgibt), diesen aber gleichzeitig konterkariert (da die lediglich als real ausgegebenen
Vorstellungsbilder durch die reale Wahrnehmung aufgenommen werden). Aus dieser
Mischform aus Traum und Realität und der sich daraus ergebenden Realitätssteigerung
resultiert, in Anlehnung an Früchtls Aufarbeitung des psychoanalytischen Ansatzes, die
spezifisch psychische Qualität der Filmwirkung auf den Zuschauer, die dieser als Sog in das
Geschehen hinein und dadurch eine ihm Lust bereitende Identitätsaufgabe erfährt. Dieser
Vorgang bietet eine Erklärung dafür, warum der Zuschauer überhaupt in der Lage ist, eine
Komplizenschaft mit den Leinwandhelden einzugehen und mit diesen, als legitimierte
Stellvertreter, mit zu töten, mit zu schießen und mit zu schlagen.

Die Hubschraubersequenz aus Apocalypse Now

In wie fern der gewaltkritische Gestus im Kriegsfilm durch eine Ästhetisierung der Gewalt
und dem sich daraus ergebenden Rausch verfehlt wird, lässt sich am Beispiel des Films
Apocalypse Now aufzeigen. Dieser hat allgemein den Stellenwert eines überaus kritischen
Meisterwerks und ist zudem eines der bildgewaltigsten des Genres. Schauplatz der
kriegerischen Auseinandersetzungen ist der Vietnamkrieg. Der von Francis Ford Coppola
gedrehte Film bietet einige äußerst subversive Elemente, da er anhand zweier Charaktere,
Colonel Walter E. Kurtz (Marlon Brando) und Captain Benjamin L. Willard (Martin Sheen)
einen Diskurs über die fragwürdige Moralität der auch im Krieg gelten Gesetzmäßigkeiten
anstimmt. Colonel Kurtz ist in Folge seiner Teilnahme am Krieg zu tieferen Erkenntnissen
über das Wesen desselbigen und die sich verändernde, existentielle Grundlage der Menschen,
die in einem solchen kämpfen, gelangt. Daraufhin hat er sich mit einigen seiner Getreuen

120
Ebenda, S. 225.

65
abgesetzt, um den Krieg fortan mit seinen eigenen, weitaus radikaleren Mitteln zu führen, die
es seiner Meinung nach bedarf um selbigen zu gewinnen. Kurtz gilt dem Generalstab als
integerer, hochintelligenter und moralischer Mann, als Inbegriff einer militärischen Elite und
so wird sein unbegreifliches Vorgehen dem Wahnsinn zugerechnet, der offenbar von ihm
Besitz ergriffen haben muss. Für Kurtz selbst stellt seine Handlungsweise jedoch lediglich die
ultima ratio des Krieges dar, da in diesem jede Gesetzmäßigkeit einer moralischen Handlung
a priori suspendiert wird. Die Einhaltung sog. moralischer Normen auch in Kriegzeiten, hält
er, aus der Konsequenz seiner tieferen Erkenntnisse heraus, für Scheinheiligkeit und
Schwäche, wenn nicht sogar Feigheit. Da seine Gesuche um Radikalisierung der
Kriegsführung wiederholt auf taube Ohren stießen, unterbricht er die Befehlskette und
verschwindet. Captain Willard wird nun von der militärischen Führung beauftragt, Kurtz zu
suchen und seinem freien Walten Einhalt zu gebieten, weil er in deren Augen ein
unkontrollierbares Risiko geworden ist. Auf dieser Ebene beschäftigt sich der Film mit dem
Umstand, dass es im Krieg moralisch richtige Vorgehensweisen und moralisch falsche gibt,
also Gewalt nicht gleich Gewalt ist und entlarvt diese Vorstellung als simple, funktionalisierte
Doppelmoral. Dies soll Erwähnung finden, da diese Art der Subversion dem Film auf keinen
Fall abgesprochen werden kann. Gerade weil dem Film ein hoher gesellschaftskritischer
Ansatz immanent ist, der in letzter Konsequenz doch wieder vom Rezipienten übergangen
werden kann, was seinen Grund in der eingangs kritisierten Ästhetik des Genres hat, ist der
Film von solchem Interesse. An einer Sequenz des Films lässt sich das exemplarisch
aufzeigen. Captain Willard trifft hier während der Suche nach Kurtz auf den Kommandanten
einer Hubschrauberstaffel, Lieutenant Colonel Bill Kilgore (Robert Duvall). Dieser wird als
harter, im Angesicht des Krieges nervlich nicht zu erschütternder Draufgänger dargestellt, in
dessen Figur einmal mehr die Implikationen des Westerners eingehen, hier allerdings kritisch
aufgearbeitet. Er und seine Mannen sind Teil der Airborne Cavalry, die organisatorisch
tatsächlich der traditionellen berittenen Kavallerie entstammt, Kilgore selbst trägt den Hut
eines Kavalleristen und lässt beim Start der Hubschrauberstaffel die traditionelle
Aufbruchsmelodie der Kavallerie von einem seiner Männer auf dem ebenso traditionellen
Horn blasen. Unter den Männern Captain Willards befindet sich der professionelle Surfer
Lance B. Johnson (Sam Bottoms). Als Kilgore, der selbst ein begeisterter Surfer ist, davon
erfährt, lässt er seine Staffel starten, um einen Strand mit besonders guter Wellenlage
einzunehmen, der von dem Vietcong besetzt gehalten wird, um dort surfen zu können. Der
Tod Dutzender Menschen auf der Gegenseite und die Gefährdung der eigenen Männer finden
ihren Grund also lediglich in der Tatsache, dass Kilgore an einem bestimmten Ort seinem

66
Hobby frönen möchte. Diese Form des Wahnsinns erscheint der militärischen Führung jedoch
nicht als Besorgnis erregend, da er den Kampf mit den konventionellen und seitens der
Führung abgesegneten Mitteln führt. In der folgenden Sequenz sehen wir nun eine sich gegen
das Morgenrot abhebende Hubschrauberstaffel, die sich im Formationsflug dem Strand
nähert. Untermalt werden die Szenen von Wagners Walkürenritt, der aus auf dem
Führungshubschrauber montierten Lautsprechern, auf Geheiß Kilgores, ertönt und seiner
Aussage nach gleichzeitig die Moral der Truppe stärkt wie den Feind in Angst versetzt. In den
darauf folgenden Szenen wird das Dorf, welches sich am Strand befindet und von dem
Vietcong gehalten wird, in einem apokalyptischen Szenario von größtem Schauwert
(Formationsflug der Hubschrauber, rasante Schnittfolge, Explosionen) dem Erdboden gleich
gemacht. Die Sequenz soll also vor allem durch die Darstellung kriegerischen Pathos’ und
dessen völliger, hoch ästhetisierten Überzeichnung selbigen kritisch beleuchten, zumal die
Bombardierung des Dorfes und der Mord an Zivilisten aus dem persönlichen Irrsinn des
Befehlshabers resultieren, der als Mikrokosmos des Wahnsinns im Makrokosmos des Krieges
aufgeht.
Michael Haneke bemerkt zu dieser Sequenz, dass „wir alle im Hubschrauber von Apocalypse
Now sitzen und zu Walkürenrittklängen auf die ameisenhaft wuselnden Vietnamesen, auf das
Fremde, Unbegreifbare, Beängstigende, also Auszurottende ballern und wir uns entschlackt
wie nach einem Saunabesuch fühlen, denn die Verantwortung für dieses Gemetzel tragen
nicht wir, sondern die trägt der Kommunismus oder der undurchdringliche politische Filz in
Washington oder schlimmstenfalls der amerikanische Präsident […] “121. Das Zitat bringt das
bisher Festgestellte noch einmal auf den Punkt. Es sagt aus, dass der Zuschauer keine
kritische Distanz zu dem Dargestellten einnimmt, sondern im Gegenteil an der dargestellten
Gewalt lustvoll partizipiert. Nach der Berauschung stellt sich laut Haneke ein Gefühl der
inneren Reinigung ein, womit nach Canetti das Kraftgefühl des Überlebens gemeint wäre.
Dies funktioniert, da der Zuschauer den Genuss der Gewalt für sich selbst nicht zu
rechtfertigen braucht, weil diese ideologisch, in diesem Fall politisch, a priori gerechtfertigt
ist. Der Zuschauer muss keine Verantwortung für seine Partizipation in Form einer
Berauschung übernehmen, da die Verantwortung für die Taten bei politisch-ideologischen
Systemen liegt, mit denen er sich nicht identifiziert. Der Krieg als Raum inhärenter Gewalt
liefert zudem die Legitimation derer Darstellung gleich mit. Zudem sterben in dieser Sequenz
weitestgehend Menschen einer fremden Kultur, die im Rahmen des Films als der
Kriegsgegner Vietcong ideologisch aufgeladen dargestellt werden und die es im größeren

121
Grabner, Gespräch mit Michael Haneke, S. 37.

67
Rahmen des Konflikts von der Partei, zu der auch die handlungstragenden Figuren gehören,
zu besiegen gilt. Gerade Kriegsfilme arbeiten mit einem klareren Freund – Feind –
Dualismus, der als zusätzliche Legitimation der dargestellten Gewalt dient (es gilt den Feind
mit dem Mittel der Gewalt zu besiegen) und bis ins Extrem zugespitzt zur grundlegenden
Weltsicht im Kriegsfilm gemacht wird. Da der Feind lediglich auf seine reine Existenz als
solcher reduziert dargestellt wird, erscheint er nicht mehr als Teil einer kulturellen und
sozialen Gemeinschaft von Menschen, sondern wird dementsprechend seiner Kultur beraubt
als fremd, unverständlich, feindlich gesinnt und damit beängstigend identifiziert. In letzter
Instanz erscheint dieser dann eher als Tier denn als Mensch, was das Adjektiv ameisenhaft
zum Ausdruck bringt. Der Vorgang der Entmenschlichung des Feindes ist uralt und dient zur
Legitimation dessen Ausrottung122, ist durch die stetige Anwendung in nahezu jedem Konflikt
der Historie tief im menschlichen Denken verwurzelt und funktioniert wesenhaft wie ein
Mythos. Dieses von gegnerischen Parteien realer kriegerischer Konflikte gepflegte Prinzip ist
einer der Gegenstände, die der Kriegsfilm kritisch aufgreifen möchte. Da sich dieser aber in
gleichem Maße der Prozedur zum Selbstzweck der Darstellung bedient, geht die kritische
Instanz verloren.123
So wird dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben, das Gesehene nicht reflektieren zu müssen,
er wird in Distanz zu den gewalttätig Handelnden gestellt, kann sich von seiner eigenen
moralischen Ebene lösen und muss keine Schuldgefühle ob der Berauschung empfinden, da
die ausgestellte Gewalt keinen Bezug zu seinem alltäglichen Leben hat, weder räumlich, noch
ideologisch oder psychologisch. Um es noch einmal deutlich zu machen: Der Zuschauer wird
durch diese Strategie der Legitimation von Gewalt von allem distanziert, was ihn zu einer
reflektierenden, Mitschuld empfindenden oder kritischen Haltung gegenüber der dargestellten
Gewalt bringen könnte, nicht aber von der Gewalt selbst. Erst wenn der Zuschauer jedwede
persönliche Moral fallen lassen kann, dieser vor sich selbst nicht als unmoralisch handelnd da
steht, kann er sich ganz auf die dargestellte Gewalt als rauschhaften Zustand einlassen. Er
wird nicht auf sich selbst als gewalttätiges Wesen zurückgeworfen, da seine existenziellen
Bedingungen nicht im Zentrum der Geschichte stehen. Haneke beschreibt darüber hinaus die
Kinogewalt als, „ein immer virtuoser werdendes Blut- und Gestenballet, dessen Tempo und

122
Diese Strategie ist zudem auch das Wesen des Propagandafilms.
123
Die Argumentation erscheint im ersten Moment sehr pauschal. Es gibt eine Vielzahl von Kriegsfilmen, die
sich darum bemühen den Feind nicht zu entmenschlichen (Flags of our Fathers und Letters from Iwo Jima –
Clint Eastwood 2006) oder den Tod lediglich in den eigenen Reihen darzustellen (Das Boot – Wolfgang Petersen
1981). Die konventionelle Freund – Feind – Opposition wird trotzdem nicht suspendiert, da sie als inhärente
Logik des Krieges, die dem Feind niemals den gleichen menschlichen Stellenwert wie der eigenen Partei
zugestehen kann, diesen grundlegend konstituiert. Gleich wie menschlich der Gegner auch dargestellt wird,
dessen Tötungsszenen entsprechen automatisch dieser Logik.

68
optischen Reizwerten wir uns nur schwer entziehen mögen“124 und verweist damit auf den
erläuterten Zusammenhang zwischen Bewegung, Gewalt und psychischer Wirkung, die im
Kriegsfilm ihr Extrem erfährt. Zudem identifiziert er hier die dargestellte Gewalt als
choreographiertes Bewegungsspielspiel symphonischen Charakters, welche der Ästhetik des
Kriegfilms allgemein und besonders dieser Sequenz immanent ist.
Von genau dieser Rezeption zeugt der Tatsachenbericht Anthony Swoffords in seinem Buch
Walküren über dem Irak. Swofford greift ebenfalls die Hubschraubersequenz aus Apocalypse
Now auf. Seiner Beschreibung nach versetzen sich Angehörige der US-Armee (deren
Angehöriger der Autor selbst war) in ekstatische Bereitschaftszustände durch den Konsum
älterer, realer Kriegsaufnahmen und insbesonders Kampfszenen aus fiktiven Vietnamfilmen
wie Apocalypse Now. Swofford beschreibt die Wirkung solcher Szenen auf die Soldaten als
sexuelle Erregung125, da „ihre magische Brutalität die schreckliche und
verabscheuungswürdige Schönheit ihrer Kampftechniken zelebriert“ und weiter, dass
„Filmische Bilder von Tod und Gemetzel für den Soldaten Pornographie sind“. Auch hier gilt:
je härter, desto besser. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen beurteilt er Kriegsfilme wie
folgt: „Es heißt, viele Vietnamfilme seien gegen den Krieg, ihre Botschaft sei, Krieg sei
inhuman […] Eigentlich aber sind alle Vietnamfilme für den Krieg, ungeachtet ihrer
vermeintlichen Botschaft und dessen, was Kubrick, Coppola oder Stone beabsichtigen.“126
Die genannten Regisseure stehen hier stellvertretend für ihre Filme: Stanley Kubrick für Full
Metal Jacket (1987), Oliver Stone für Platoon (1986) und Francis Ford Coppola eben für
benannten Apocalypse Now. Allen Filmen ist ihr Stellenwert als subversives, den Krieg als in
höchstem Maße inhuman aufarbeitendes Werk gemein. Mit seiner Beschreibung der
ekstatischen Wirkung dieser Filme verifiziert Swofford Hanekes These der Gewaltrezeption
seitens des Zuschauers und bestätigt die Verfehlung des Kriegsfilms als Instanz der
Aufklärung. Man könnte dem entgegenhalten, dass sich Swoffords Beobachtung lediglich auf
eine kleine Gruppe von Menschen konzentriert, deren Verhalten ob der im Film dargestellten
Gewaltakte nicht für das Gros der Zuschauer verallgemeinert werden kann. Zudem handelt es

124
Ebenda, S. 37.
125
Martin Büsser versucht in seinem Buch Lustmord – Mordlust die Verbindungen zwischen Gewalt und Sex
aufzuarbeiten. Er konstatiert eine immens hohe Quantität an Gewaltdarstellungen im Film gegenüber jener von
Sex, die zu einem qualitativen Umschlag führt: Gewalt ersetzt Sex und gewinnt somit selbst an sexueller
Qualität. Gründe hierfür sieht er im sog. amerikanischen Production Code der 1930’ Jahre (auch Hays Code), der
die Darstellung von Sex gleichermaßen wie die von Gewalt in größtmöglichem Maß einschränkte. Allerdings
wurden diese Regelungen weitaus vehementer zur Beschränkung sexueller Darstellungen durchgesetzt, als bei
Gewaltdarstellungen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich über den Production Code „eine Gesellschaft
formierte, die Schießen gleichermaßen er-, wie Küssen verlernt hat“. Vgl. Martin Büsser, Lustmord – Mordlust,
S. 150 – 162.
126
Vgl. Anthony Swofford, Jarhead, Erinnerungen eines US-Marines, Franca Fritz, Heinrich Kopp (Übers.),
Frankfurt am Main 2005³, S. 14 – 17.

69
sich um eine Gruppe von Menschen, deren Beruf die Kriegsführung ist, die folglich Gewalt
per se als konstruktive Lösungsstrategie begreift. Dies würde allerdings auch voraussetzen,
dass Soldaten allgemein als Mörder gelten, denen jedwede ethischen Grundlagen für ihr
Handeln abgehen. Sicher fällt die von Swofford beschriebene Extremreaktion beim 'normalen'
Zuschauer aufgrund seines existentiell vom Soldatentum verschiedenen Lebenskontextes weit
weniger drastisch aus, und bedarf deswegen auch weitaus dringender der Legitimationen von
Gewaltdarstellung, als die hier genannten Marines. Anders betrachtet ist aber gerade der
Umstand, dass sich Menschen bevor sie an einer realen kriegerischen Auseinandersetzung
teilnehmen, an derlei Filmen überhaupt aufputschen und die Ebene der kritischen Reflexion
völlig suspendieren können, die eigentlich das postulierte Ziel dieser Filme ist, der größte
Einwand gegen selbige. Wenn die Bilder der Gewalt im Kriegsfilm nicht das aufgezeigte
ästhetische Höchstmaß bieten würden, könnten sich die Marines auch nicht an diesen
ergötzen. In so fern gelten Swoffords Beschreibungen durchaus als Beweis dafür, dass die
extremste Gewaltdarstellung Kriegsfilmen zum ästhetischen Selbstzweck wird und auch deren
subversiver Kontext, der als entscheidend für die Wertung von Gewaltdarstellungen
ausgemacht wurde, die Wirkung der ästhetisierten Gewaltbilder nicht abmildern bzw.
umwerten. Es lässt sich abschließend also feststellen, dass eine derartige Ästhetisierung von
Gewalt diese für den Konsum tauglich macht, ein berauschendes Seherlebnis ermöglicht und
kritische Reflexion suspendiert.

Die Botschaft des Blutes

Valentin Groebner kommt am Ende seiner Monographie zu dem Schluss, dass „Kultur
Gebrauch ist, eigennütziges und oft zynisches management of meaning, das von konkreten
Personen durchgesetzt wird – gerade wenn es um Gewalt geht“127. Diese Aussage lässt sich
anhand einer Osmose zwischen Actionfilm, Kriegsfilm und medialer Berichterstattung an
einem gängigen Bild konkretisieren: Dem Bild des männlichen, weißen, blutenden
Oberkörpers. Groebner selbst greift die Nachrichtenbilder der Fernsehberichterstattung
während des Irakkrieges 2003 auf und bemerkt, dass „es Bilder verletzter GIs mit nackten
blutigen Oberkörpern“ gab und fügt hinzu, dass „die Guten immer mehr bluten als die Bösen,
das kommt uns auch bekannt vor“128. Das kommt allerdings bekannt vor, nämlich vom
Actionfilm her. Es wurde festgestellt, dass John McClanes Heldentum insbesondere anhand

127
Groebner, Ungestalten, S. 165-166.
128
Ebenda, S. 172.

70
der Ausstellung seines von blutigen Wunden übersäten Oberkörpers visualisiert wird. Das
Heldentum manifestiert sich geradezu in diesem Bild, ist es doch Standard für jeden Film
seiner Reihe geworden. Das Bild kehrt wieder in Kriegsfilmen, berühmtestes Beispiel für das
Genre wäre die bereits erwähnte Figur John Rambo, gespielt von Sylvester Stallone. Dessen
muskulöser, blutender Oberkörper wird besonders in Teil II (Rambo: First Blood Part II) und
III (Rambo: First Blood Part III) der Reihe explizit ausgestellt. Einer Aufstellung über die in
den Rambofilmen erfolgten Tötungen zur Folge, einem sog. Death-Chart129, liegt die Zahl der
von dem Helden mit nacktem Oberkörper getöteten Gegner in Teil II und III signifikant über
jener der Tötungen, die von diesem mit bekleidetem Oberkörper erfolgten. Was an dem
Beispiel deutlich wird ist, dass das im seriellen Prozess etablierte Bild des blutenden
Oberkörpers als Code für Heldentum gelesen werden kann. Das Bild wurde im Zuge des
wiederholten Konsums von Filmen für den Zuschauer zum Symbol für Heldentum, welches er
in Anbetracht der blutenden GIs implizit mitliest. Im Heldentum des Action- und
Kriegshelden, das sich wie festgestellt auf Gewaltanwendung gründet, ist immer auch der
Kampf für die Sicherung der bestehenden Ordnung mit inbegriffen, der gleichsam auch eine
der grundlegenden Legitimationen für deren Gewaltanwendung liefert. Wir haben diese
Struktur als Mythologie bis zu ihren Wurzeln innerhalb einer mythologischen Kette zur sog.
Gründungsgewalt130 zurückverfolgt. Die Verwendung des Codes 'Blutiger Oberkörper' in den
Nachrichtenbildern, dem diese mythologische Aufladung inhärent ist, reiht letztere somit als
ein weiteres Glied in eben jene Kette ein. Was damit seitens der Nachrichtenproduzenten
bezweckt wird, ist die Identifizierung der Soldaten als Helden, die für eine wichtige und
gerechte Sache kämpfen, als Bewahrer und Stifter der Ordnung im Kontext einer
nationalstaatlichen Ideologie. Solche Bilder der Gewalt seitens der Berichterstattung dienen
dazu, Grenzen zu ziehen, „um die eigene »richtige« und rechtmäßige von der illegitimen
»grausamen« Gewalt der anderen zu scheiden“131. Genau das ist die Funktion solcher Bilder,
die im Kern den gleichen Gut-gegen-Böse-Gestus tragen, die Gewaltausübung im Sinne der
eigenen Interessen als konstruktiv von der des Gegners als destruktiv scheiden und somit auf
die gleichen Strategien der Legitimation zurückgreifen, wie sie am Beispiel von Die Hard
oder dem Genre des Kriegsfilms belegt wurden. Dies würde genau dem 'Mehr' an
Information132 entsprechen, die die Bilder der Gewalt beinhalten.

129
http://www.slashfilm.com/
130
„Der beunruhigende und erschreckende Kern der Ordnung ist die rechtssetzende Gründungsgewalt, die der
Rechtsordnung zugrunde liegt.“ Ebenda, S. 168.
131
Ebenda, S. 167
132
„Filme enthalten unter der Oberfläche ihres konstruierten und montierten Erzählzusammenhangs zusätzlich
auch immer ein nicht genau zu bestimmendes "Mehr" an Informationen: die unbewusste oder zumindest

71
Zu Anfang der Arbeit wurde behauptet, dass Nachrichtenbilder nicht die Wirklichkeit
spiegeln, sondern sie dem Film gleich konstruieren. Das Konstrukt ergibt sich wie im Film
aus der Montage. Groebner bemerkt dazu, dass „in ereignisarmen Gegenden Bildjournalisten
zum Teil selber action inszeniert haben“133. Joris Luyendijk wiederum ist selbst Nahost-
Reporter und hat die Verfahrensweisen der Nachrichtenberichterstattung in einem Interview
wie folgt beschrieben: „If it bleeds it leads. Wir machen am liebsten mit Anschlägen,
Entführungen, Massakern und Katastrophen auf, denn Blut fesselt das Publikum. Ansonsten
muss man die Zahl der Toten durch die Entfernung zum Ort des Geschehens teilen. Tote
Weiße sind eher eine Meldung wert als tote Schwarze oder Asiaten, tote Christen eher als tote
Nicht-Christen“134.
Seiner Aussage nach wird in den Nachrichtenbildern also genau das gleiche verarbeitet, was
den Action- und Kriegsfilm so reizvoll macht, nämlich Blut und eine hohe Zahl an Toten. Er
beschreibt des Weiteren, wie die Meldungen bis ins kleinste Detail von 1.000 Kilometern
entfernten Redaktionen zuvor konstruiert werden, und die Korrespondenten nur noch die dazu
passenden Fakten und Bilder liefern müssen. Der Zuschauer sieht in den Nachrichten also
genau das, was er durch den Konsum von Filmen schon gewöhnt ist. Die sog. objektiven
Medien der Nachrichten ziehen ihre Berichterstattungen also nach den gleichen Konventionen
auf, die auch die Filmindustrie bestimmen. André Glucksmann bemerkt hinsichtlich der
Berichterstattung des Israel-Palästina-Konflikts: „Zerstörte Häuser, heulende Sirenen,
Gebrüll, Schreie Scheinwerfer, die die Nacht zum Tag machen, […] Bomben,
Stromunterbrechungen, man lässt nichts aus und präsentiert jeden Abend die makabre Bilanz
der Zerstörung. Palästina ist der Stoff für eine Fernsehserie geworden, die totale, vollkommen
mystische und daher vollkommen beruhigende Gewalt bietet.“ 135 Dies entspricht der exakten
Definition der Ästhetik des Krieges, der wir schon bei den Futuristen begegnet sind, und die
im Kriegsfilm Anwendung findet. Wie im Kriegfilm wird die Gewalt willens eines
Schauwertes ästhetisiert, die Nachrichten werden in diesem Fall zu einer actionlastigen
Fernsehserie. Unter der Verwendung der gleichen stilistischen und ästhetischen Mittel, mit
denen die Berichterstattungen konstruiert werden, wirkt die Gewalt auch hier nicht mehr
abstoßend oder erschreckend, sondern wie im Film beruhigend, berauschend und genussvoll.
Auch hier findet sich einmal mehr Virilios These, dass die Wahrnehmung der Schlachtfelder

unbeabsichtigte Artikulation des historischen Bewusstseins und des Selbstverständnisses einer Gesellschaft.“
Ingolf Bannemann, Heiner Behring, Uwe Hoppe, Zwei Seiten der Gewalt, Zur Ambivalenz von Michael
Cimino’s The Deer Hunter, in: Ralf Schnell (Hrsg.), Gewalt im Film, Bielefeld 1987, S. 111.
133
Ebenda, S. 170.
134
Maik Söhler, Herr Korrespondent – es brennt!, in: amnesty journal, Ausgabe 01 / 2008.
135
André Gluckmann, Hass, Die Rückkehr einer elementaren Gewalt, Bernd Wilczek, Ulla Varchmin (Übers.),
Paris 2004, S. 77.

72
zur grundsätzlichen Organisation der medialen Wahrnehmung wurde, bestätigt. Er selbst
macht ebenfalls auf die Kongruenz zwischen Kino und Kriegsberichterstattung aufmerksam:
„Warschau, Lyon, Berlin, Harlem, Belfast, Beirut: die Straßen, die Wege sind unterm Blick
der militärischen Mächte und der großen Reporter-Touristen des Weltbürgerkriegs zu
Drehfeldern eines permanenten Kinos geworden.“136
Aus diesen Beobachtungen lässt sich schlussendlich ableiten, dass es dem Zuschauer nahezu
unmöglich gemacht wird, reale Gewalt in den Nachrichten von fiktiver Gewalt zu
unterscheiden, da beide Formen als unterhaltsame Präsentation der gleichen medialen
Aufbereitung und Konstruktion unterliegen. Es kann also eine bewusst herbeigeführte
Kongruenz der Gewaltbilder konstatiert werden, die untereinander von einer intensiven
Referenzialität bestimmt sind. Dem Zuschauer werden somit gezielt
Differenzierungsmöglichkeiten genommen, da die Nachrichtenbilder das gleiche
illusionierende wie unreflektierte Konstrukt aufweisen, das der Zuschauer von Filmen her
bereits gewöhnt ist. Durch die stete Wiederholung wird es immer schwieriger zu beurteilen,
was wir da eigentlich sehen. Die Gefahr besteht hier eben in einer unreflektierten Akzeptanz
des Gesehenen. Die Legitimierungen der Gewalt in Filmen sollen die Hinterfragung jener
unterbinden, sie als vergnüglichen Rausch, eben als Unterhaltung präsentieren. Wenn
Nachrichtenbilder der gleichen Konstruktion entsprechen, wird auch hier die Reflektion des
Gesehenen bewusst gehemmt, indem ein aktives Sehen zu Gunsten einer puren passiven
Berieselung suspendiert wird. Dies entspricht in letzter Instanz einer Gewalt, die von den
Medien selbst ausgeht, als Prozess der Bewusstseinsveränderung. Noch einmal sei an James
Monacos These erinnert, der behauptet, dass der Film das einzige Medium sei, dem es
gelungen ist, Gesellschaft nach dessen Bildern zu formen137. Am Beispiel der Osmose von
Actionfilm, Kriegsfilm und Nachrichten hinsichtlich einer im Wesentlichen gleich
aufgearbeiteten Ästhetik der Gewalt mit dem Ziel einer Kompromittierung des reflexiven
Bewusstseins, scheint die These Gültigkeit zu erlangen. Die Ästhetik der Gewalt, wie sie im
Rahmen dieser Arbeit dargestellt wurde, erfährt hier ihre konkret politische bzw. ideologische
Funktion in Form einer bewussten Instrumentalisierung selbiger innerhalb einer Gesellschaft;
Gewalt wird zu ideologisch aufgeladener Unterhaltung, die somit eine propagandistische Note
erhält. Virilios Aussage, dass das erste Opfer des Krieges das Konzept von Realität sei138,
ließe sich in diesem Sinne zu der Formulierung umformen: Das Konzept von Realität ist das
erste Opfer der Medialität.

136
Virilio, Kireg im Kino, S. 146.
137
„Kollektive Gedächtnisse sind aus Auswahl und Instruktion gebaut.“ Groebner, Ungestalten, S. 171.
138
Virilio, Krieg und Kino, S. 59.

73
Michael Hanekes erklärtes Ziel ist es nun, dem Zuschauer in seinen Filmen eine für diesen
positiv geartete Partizipation an der dargestellten Gewalt unmöglich zu machen, Gewalt als
unterhaltendes Element zu negieren und ihn so radikal wie möglich auf die eigene
Mittäterschaft als wohlwollenden Rezipienten der Gewalt zurückzuwerfen. Dadurch soll der
Zuschauer nicht nur mit der Verzerrung der Eigenmoral konfrontiert, sondern auch auf seine
eigene Opferrolle im medialen Betrieb und den daraus resultierenden Gefahren aufmerksam
gemacht werden. Zwecks dieses Vorhabens entwickelt Haneke in seinen Filmen eine Ästhetik
der Gewalt, die sich drastisch von jener des konventionellen Mainstreamfilms, als auch der
der besprochenen Gegenmodelle unterscheidet. Da einer Gesamtdarstellung des Hanekeschen
Werkes hier nicht gebührend entsprochen werden kann, wird sich die Analyse nach einer
kurzen Einführung, in der die wichtigsten seiner Ansätze aufgegriffen werden, maßgeblich
auf den Film Funny Games beschränken, da dieser das Kernstück innerhalb der
Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt in Hanekes Werk bildet.

Zur Opfer- und Täterschaft in Michael Hanekes Werk

Zunächst ist festzuhalten, wie sich Haneke selbst zu der Gewaltdarstellung in seinen Filmen
geäußert hat. Er konstatiert, dass Gewalt in seinen Filmen als das vorkommt, was sie
tatsächlich ist, nämlich als das Leiden der Opfer139. Dazu ein paar allgemeine Bemerkungen.
Man stößt hier auf den ersten fundamentalen Unterschied zu der im konventionellen Film
dargestellten Gewalt. Es wurde festgestellt, dass in solchen die Opferschaft weitestgehend
ausgespart bleibt und eine Konzentration auf die Täterschaft erfolgt. Es werden, wie an Die
Hard belegt, keine Bilder gezeigt, die die Auswirkungen der dargestellten Gewalt anhand
ihrer Opfer exponieren und dem Zuschauer Unbehagen ob des Gesehenen vermitteln. Der
Zuschauer soll sich nicht mit den Folgen von Gewalt beschäftigen, er soll ihrem Schauwert
Genuss abgewinnen. So erscheint die Gewalt als eine visuelle Attraktion, sie wird in schnell
geschnittenen, visuellen Orgien rauschhaften Charakters zelebriert (besonders im Kriegsfilm),
es wird schnell von Tötung zu Tötung geschritten, ohne einen Blick zurück auf die Resultate
zu werfen. Die ästhetisierten Tötungen, egal mit welcher Brutalität sie dargestellt werden,
erscheinen als etwas reines, als etwas sauberes, da diese selbst von jedweder Evokation eines
Reuempfindens im Sinne einer Tilgung desgleichen gereinigt wurden. Haneke verfährt in

139
Vgl. Grabner, Gespräch mit Michael Haneke, S. 37.

74
diesem Wissen genau gegenteilig: Er zwingt dem Zuschauer den Blick auf das Resultat
gewalttätiger Handlungen nahezu auf. In quälend langen Sequenzen filmt er die Opfer und
deren Leiden. Gewalt wird hier nicht als schneller, sauberer, krafterfüllter Akt dargestellt, die
„Akteure werden nicht ermordet, niedergemetzelt“, sondern „sie sterben – es fließt Blut,
unerträglich lange.“140 Am Ende von 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls rennt ein
junger Mann in eine Bank und schießt wahllos in die Menge. Es wird nicht gezeigt wen und
ob er überhaupt jemanden getroffen hat (nur die Schreie und Fallgeräusche im off deuten
darauf hin). Zwei Szenen später sehen wir den Ausschnitt eines liegenden Körpers, aus dem
Blut quillt. Die Kleidung deutet auf den Wachmann der Bank hin. Ohne Schnitt oder
Veränderung der Einstellung wird nahezu geschlagene eineinhalb Minuten gezeigt, wie sich
das Blut aus dem Körper auf den Boden zu einer anschwellenden Pfütze ergießt. Die Szene ist
absolut statisch, der einzige Moment der Bewegung ist der Fluss des Blutes. In der
dazwischen liegenden Szene wird der Täter aus der Vogelperspektive gezeigt, wie er
weiterhin schießend zu seinem Auto läuft und einsteigt. Es ertönt ein letzter Schuss aus dem
off. Wir sehen ihn ein letztes Mal, mit dem Kopf auf dem Steuer liegend, vermutlich hat er
sich selbst erschossen. Zwischen den einzelnen Szenen wird für wenige Sekunden auf ein
Schwarzbild geschnitten. Dies entspricht bewusst gesetzten Leerstellen im Film. Der
Zuschauer wird dazu gezwungen, das nicht visualisierte Geschehen in seiner eigenen
Phantasie zu imaginieren. Dadurch soll der Zuschauer aus der Rolle des reinen Voyeurs
herausgerissen werden und in seine eigenen Abgründe blicken. Was ihm sonst im Übermaß
präsentiert wird, ist hier bewusst ausgespart, die Gewalt wird von der Leinwand in den Kopf
des Zuschauers versetzt, die tonale Ebene dient als Reizung der eigenen Vorstellung141.
Anstelle der Präsentation des Tötungsaktes als ästhetischer Bilderrauch wird dieser im
Moment seines Stattfindens negiert, indem lediglich das Abfeuern der Waffe seitens des
Täters, nicht aber der Moment der Tötung ausgestellt wird. Kein Bild zeigt das Einschlagen
der abgefeuerten Geschosse in einen Körper, das Opfer wird erst später gezeigt, nach der Tat,
dann jedoch in unerbittlicher Länge. Der Zuschauer muss zwangsläufig eine Konfrontation
mit der eigenen Phantasie auf sich nehmen, wenn er die Leerstellen auffüllen möchte. Dies
wiederum ist ein Prozess, der gerade beim Sehen von Filmen zur natürlichen Grundhaltung
des Zuschauers geworden ist142. Diesen Effekt verwendet Haneke nun um den Zuschauer zu
reaktivieren, ihn aus der halluzinösen Halbschlafstarre heraus zu reißen und ihn damit auf

140
Karl Ossenag, Der wahre Horror liegt im Blick, in: Michael Haneke und seine Filme, S. 131.
141
„Während ein Bild die Phantasie des Zuschauers immer einschränkt, lässt der Ton die Wahl, sich sein eigens
Bild vorzustellen.“ Ebenda, S 130.
142
Die Leerstellentheorie ist der Literaturwissenschaft entlehnt. Vgl. hierzu Wolfgang Iser, Die Appellstruktur
der Texte, Unbestimmtheit als Wirkungsbedingung literarischer Prosa, Konstanz 1970.

75
seine eigenen Gewaltvorstellungen zurück zuwerfen. Und eben die „Aktivierung der eigenen
Phantasie und damit auch der eigenen Verantwortung ist es, die den Zuschauer dazu
veranlasst, Hanekes Filme als extrem gewalttätig zu beurteilen“143, und sie an die Grenze zur
Unerträglichkeit verortet. Für die selbst produzierten Bilder im Kopf muss der Zuschauer
nämlich eigene Verantwortung übernehmen, er wird mit sich selbst und seinem moralischen
Empfinden konfrontiert144.
Gewalt wird anhand ihrer Auswirkungen als tiefer Schmerz visualisiert, der eine kathartische
Genugtuung des Zuschauers unterbinden soll. Doch auch die Einseitigkeit bzgl. der Opferrolle
wird in Hanekes Werk suspendiert, damit seine Filme „keinen Stoff für moralinsäurehaltige
Leidensgeschichten“ abgeben, die sich „als Projektionsfläche für sentimentale
145
Leidensphantasien“ eignen. Dies wird dadurch verhindert, dass Opfer- und Täterschaft in
seinen Filmen zum Ausschluss einseitiger Identifizierungen zusammenfallen (Funny Games
bildet hier zunächst eine Ausnahme, was noch ausführlicher erläutert werden wird). Zwei
Beispiele: In dem Film Die Klavierspielerin werden alle Hauptcharaktere gleichzeitig als
Opfer und Täter dargestellt. Die Klavierlehrerin Erika (Isabelle Hupert) ist ein Opfer ihrer
rigiden Mutter (Annie Girardot), die wiederum Opfer ihrer eigenen Einsamkeit und der
Unfähigkeit zu einem auf Liebe basierenden Umgang mit der Tochter ist. Beide lassen sich
unaufhörlich Schmerz vom jeweils anderen angedeihen, der hier wesentlicher Bestandteil
einer verfehlten Mutter-Tochter-Beziehung ist, als destruktiver, vernichtender Liebesersatz.
Erika selbst bringt sich und anderen physische und psychische Verletzungen bei. Als Täter
evoziert sie die Vergewaltigung durch ihren Studenten Walter (Benoît Magimel), dessen
Opfer sie dann wird. Dieser ist wiederum gleichzeitig Opfer von Erikas sadomasochistischem
Spiel, das in seiner Täterschaft als Vergewaltiger mündet. In Caché begeht der wesentlich als
Täter in Frage kommende Majid (Maurice Bénichou) Suizid, bevor seine Täterschaft
bewiesen werden kann, wodurch die potentielle Opfer-Täter-Identifizierung auf einmal in ihr
Gegenteil umschlägt. Mit einem Mal sieht es so aus, als wenn das eigentliche Opfer des
Films, Georges (Daniel Auteuil), zum Täter wird, da dieser einen unbescholtenen Menschen
aufgrund seiner Anschuldigungen und falschen Verdächtigungen in den Suizid getrieben hat.
Das Modell Opfer – Täter tangiert immer die Schuldfrage. Im Mainstreamfilm wird der Täter
klar identifiziert damit dieser als Schuldiger, als Sündenbock für die von ihm ausgehende
Gewalt einstehen kann. Im klassischen Sinne ist dies der Verbrecher, der im Rahmen des
Films sanktioniert wird. Dies geschieht zur Beruhigung des Zuschauers. Die Person, von der

143
Ebenda, S. 130.
144
„Wir werden zum Gewissen des Bildes.“ Ebenda, S. 130.
145
Ossenag, Der wahre Horror liegt im Blick, S. 131.

76
die Gewalt ausging, wird unschädlich gemacht, ist also als Störelement der Ordnung beseitigt
worden. Mit der Beseitigung des Täters wird gleichzeitig die Schuld und damit auch die Frage
nach dieser suspendiert, da sie sich an diesem entlädt. Die Ordnung scheint danach wieder
hergestellt, da die Quelle der Gewalt mit der Sühne des Täters versiegt ist. Wird allerdings
wie in Hanekes Filmen keine eindeutige Täterschaft ausgemacht, bleibt für den Zuschauer ein
Unbehagen bestehen, da auch „die Gefahr bestehen bleibt, dass es zu weiterer Eskalation der
Gewalt kommt“. Gewaltauslöser und Schuldfrage146 werden hier im Rahmen der Filme nicht
eindeutig beantwortet, sie werden eben nicht zur Beruhigung des Gewissens erklärt.
Erklärungen dienen der Legitimation für die Darstellung von Gewalttaten in Form einfacher
Antworten; Gewalt unterliegt dadurch einer Sinngebung. Bleibt diese aus, so muss der
Zuschauer die Antworten auf die offen gebliebenen Fragen (Wie kann Gewalt entstehen? Wer
trägt die Schuld für Gewalttaten?) in einen außerfilmischen Raum verorten. Er wird zur
Reflektion gezwungen, wenn er sein Gewissen beruhigen möchte.

Wenn Gewalt als Täterschaft bei Haneke in Szene gesetzt wird, dann, nach seinem eigenen
Diktum nur als Funktion, den Zuschauer auf seine voyeuristische Rolle aufmerksam zu
machen und ihm somit den Gewaltgenuss zu verleiden. In Bennys Video wird der Mord (hier
an einem Mädchen) ebenfalls nicht gezeigt. Die Verweigerung der bildlichen Exposition wird
hier sogar verdoppelt. Wir sehen den Mord nicht nur nicht im Bild, sondern wir sehen im Bild
einen Fernseher, der Bennys Zimmer zeigt, während außerhalb des im Fernsehers
abgebildeten Zimmerausschnitts der Mord geschieht. Das Filmbild erscheint doppelt entleert.
Der eigentliche Mord wird rein über die tonale Ebene inszeniert. Wiederum ohne einen
einzigen Schnitt ist der Zuschauer den eindringlichen Schmerzensschreien des Opfers über
eine Dauer von nahezu 01:45 Minuten ausgeliefert, da Benny das Bolzenschussgerät, welches
ihm als Tötungsinstrument dient, noch zweimal nachladen muss, bevor die Schreie
verstummen (das einzige Geschehen im Fernsehbild ist Bennys hektisches Nachladen).
Nachdem der letzte Schuss verhallt ist, sieht sich der Zuschauer noch ca. 40 Sekunden mit
dem Ausschnitt des leeren Zimmers konfrontiert. Das Prinzip der Leerstellenauffüllung
funktioniert wie bei den 71 Fragmenten, nur dass der Zuschauer in Bennys Video gezielt auf
die Apparatur und die Konditionen seiner filmischen Wahrnehmung aufmerksam gemacht

146
Der Sündenbockmechanismus ist weitaus komplexer und kann hier nur gestreift werden. Wichtig ist, dass
simple Antworten in den Filmen Hanekes nicht gegeben werden, dass Gewalt nicht erklärt und legitimiert wird.
Zur gesellschaftlichen Relevanz des Sündenbocks und seiner Opferung vgl. abermals René Gerard, Das Heilige
und die Gewalt, und, spezifisch auf deren Rolle in Michael Hanekes Werk, den Aufsatz von Alfred Jokesch,
…und wer ist schuld?, Michael Haneke auf der Suche nach Moral im Kino, in: Michael Haneke und seine Filme,
S. 315 – 336.

77
wird. Nachdem der Mord vollführt wurde, geht Benny (Arno Frisch) wieder zur alltäglichen
Routine über. Er isst eine Kleinigkeit, macht wie gewohnt seine Hausaufgaben zu lauter
Rockmusik und laufendem Fernseher und deckt lediglich den toten Körper des Mädchens
(Ingrid Stassner) mit einem weißen Bettlaken zu, um sich zunächst des Blickes auf seine Tat
zu entledigen. Diese Verzögerung, bevor das Opfer dann in aller Deutlichkeit gezeigt wird,
soll den stattgefundenen Mord nochmals intensivieren und veranschaulicht zugleich einerseits
die direkte Überführung des Mordes in die alltägliche Routine und andererseits die Parallelität
von Mord und Alltäglichkeit (erst wird Benny gezeigt, der seine Hausaufgaben erledigt, dann
auf das verhüllte Opfer geschnitten, und wieder zurück auf Benny). Das weiße Bettlacken
kann als Metapher für die Verhüllung der stattgefundenen Tat gelesen werden, was in
unserem Zusammenhang als Kritik an den gängigen Legitimationsmechanismen Geltung
erführe (das weiße Bettlaken als Symbol für Unschuld und Reinheit). Diese Deutung wird
durch die anschließende Reinwaschung des Lakens untermauert. Danach sehen wir das Opfer
auf den Fliesen liegend, mit blutverschmiertem Kopf, und Benny wie er sich an die
Reinigungsarbeiten macht. Der Zuschauer wird abermals mit den Konsequenzen der Tat
eindringlich konfrontiert. Auch die Exposition des Opfers wird verdoppelt, indem selbiges
nochmals gefilmt durch Bennys Videokamera gezeigt wird. Anschließend sehen wir Benny
vor seinem Fernseher sitzen, seine Aufnahmen von dem Opfer wieder und wieder
zurückspulend. Der Tod des Mädchens wird in den seriellen Mechanismus digitalisierter
Medien überführt, als Spiegelung des heimischen Seherlebnisses147. Andreas Kilb versteht
Bennys Video als „Film über die Apparatur“148, im größeren Rahmen über
Wahrnehmungsorganisation des alltäglichen Lebens mittels visueller Apparaturen, für die das
Video symbolisch steht. Kilb verweist darauf, dass „der Film Bennys Video den
Wahrnehmungsapparat, den er zeigen will, niemals direkt zur Darstellung bringen kann“149.
Die Kritik wird über die Einreihung des von Benny selbst medialisierten Opfers, seiner
Umwandlung in ein Videobild, in den übergeordneten gesellschaftlichen Video-Kosmos
bewerkstelligt. Das Opfer wird lediglich zu einem weiteren unbedeutenden Bildfragment der
Gewalt, das in die Masse von „Aufzeichnungen, Fernsehnachrichten, Splatter-Filmen,
Ferienerinnerungen und Alltags-Impressionen, in gleichgültiger Vermischung fließt“150, die
das Leben des Medienbürgers ausmachen, dessen Spiegelbild Benny ist.

147
„Die Kamera nimmt auf, was geschehen ist: Sie schluckt und entsorgt das Geschehen, macht es wieder zum
Bild unter Bildern.“ Andreas Kilb, Fragmente der Gewalt, Bildfetisch und Apparatur in BENNYS VIDEO, in:
Michael Haneke und seine Filme, S. 72.
148
Ebenda, S. 67.
149
Ebenda, S. 68.
150
Ebenda, S. 73.

78
Funny Games

In Funny Games findet die Auseinandersetzung mit der Position des Zuschauers als Voyeur
ihre radikalste Formulierung im Hanekeschen Werk. Dies und die Tatsache, dass „die
Unerträglichkeit in der Darstellung subtiler Gewaltausübung auch für Hanekes Verhältnisse
einen unerreichten Höchststand“151 in diesem Film erreicht, prädestiniert selbigen für eine
eingehende Analyse. Für das Verständnis des Films ist es von fundamentaler Wichtigkeit zu
erwähnen, dass Haneke hier keine filmisch aufbereitete Geschichte mehr im eigentlichen Sinn
erzählt. Kritik wird hier nicht allegorisch über die Handlung und die Charaktere geäußert, wie
in Peckinpahs oder Scorceses Filmen, sondern der Film selbst ist die Kritik, insofern dass er
nicht mehr eine Geschichte mit kritischer Grundhaltung erzählt, sondern von den
Sehgewohnheiten und der Gewaltrezeption der Zuschauer Zeugnis ablegt. Funny Games ist
ein aktives, sich am Zuschauer vollziehendes Experiment, das diesen mit seinen eigenen
Wahrnehmungsbedingungen in puncto Gewalt direkt konfrontiert, was noch belegt werden
wird. Funny Games kann durchaus als „ein Abgesang auf konventionelle, unreflektierte und
ästhetisierte Formen der Gewaltdarstellung im Kino“152 bezeichnet werden, in welchem sich
Haneke „mit seiner Darstellungsweise gegen die Diktatur der Schönung der Brutalität“153
wendet und dieser Position in aller Deutlichkeit Nachdruck verleiht.
Funny Games beginnt mit einem idyllischen Familienausflug. Die Familie bestehend aus
Vater Georg (Ulrich Mühe), Mutter Anna (Susanne Lothar) und dem kleinen Sohn Schorschi
(Stefan Clapczynski), ist im Land Rover auf der Straße zu sehen, ein himmelblaues Segelboot
im Schlepptau, wie sie sich die Zeit mit einem Spiel vertreibt: sie raten die Komponisten der
klassischen Stücke, die sie abwechselnd im Auto aufspielen lassen. Die äußerst friedlich
arrangierte Szenerie wird abrupt von ohrenbetäubendem Lärm der aus dem off ertönenden
Heavy-Metal-Musik von John Zorn unterbrochen, der in die genussvollen Klänge Händels mit
aller Gewalt einbricht. Die rote Titelschrift legt sich wie Blut über die im Auto sitzende
Familie, die Einstellung impliziert plötzlich klaustrophobische Enge: Die lustigen Spiele
haben begonnen. Schon jetzt nach diesen ersten Einstellungen und dem schockierenden Bruch
auf der tonalen Ebene wird unmissverständlich deutlich, dass es sich hier um einen Vorspann
handelt, der das nachstehende Geschehen symbolisch vorwegnimmt. Die Familie steuert auf
ein Schicksal zu, welches so unvermutet in ihr Leben hinein brechen wird, wie John Zorn in

151
Jokesch, …und wer ist schuld?, S. 323.
152
Ossenag, Der wahre Horror liegt im Blick, S. 137.
153
Sebastian Schlöglmann, An der Grenze zur Geschmacklosigkeit, Michael Hanekes Filme und ihre
(Un-)Erträglichkeit, in: Michael Haneke und seine Filme, S. 303

79
Händel. Wir sehen die Familie in den folgenden Szenen des Films, wie sie die ersten
Vorbereitungen für ein schönes Wochenende am See treffen. Während Vater und Sohn mit
der Seetauglichkeit des Bootes beschäftigt sind, organisiert die Mutter in klassischer
Rollenverteilung den Haushalt. Es taucht ein Fremder auf. Der junge, schüchterne Mann – er
stellt sich als Freund der Nachbarn vor, wenige Szenen zuvor war er auf deren Grundstück zu
sehen – bekundet auf die Frage wie er auf das Grundstück gelangt sei, dass der Zaun ein Loch
habe und bittet um ein paar Eier für die Nachbarsfrau. Anna entspricht der Bitte und will ihn
gerade mit den Eiern verabschieden, als er aus seiner sich selbst zugeschriebenen
Ungeschicklichkeit heraus diese fallen lässt und anschließend noch das Telefon im
Waschbecken versenkt – alles Unfälle. Sie gibt ihm abermals ein paar Eier. Kurz darauf wird
sie von einem Lärm aus der Küche gelockt und trifft wieder auf Peter (Frank Giering), der aus
Schreck vor dem Familienhund die Eier erneut hat fallen lassen und sich nicht wagt, das
Grundstück zu verlassen. Neben ihm steht jetzt ein zweiter junger Mann mit Namen Paul
(Arno Frisch). Genau wie Paul zeichnet er sich durch äußerste Höflichkeit und wortgewandte
Rede aus. Er bittet darum, einen Abschlag mit einem der in der Ecke des Flurs stehenden
Golfschläger zu machen und verlässt das Haus. Anna folgt ihm. Als er kurze Zeit später
zurückkehrt, beginnt die Situation zu kippen. Peter besteht höflich aber bestimmt auf der
Aushändigung weiterer Eier, Anna missfällt der bedrohliche Gestus und fordert die beiden
eindringlich auf, das Haus zu verlassen, was Peter und Paul jedoch verweigern. Bereits jetzt
drängt sich die Vermutung auf, dass hier irgendetwas nicht stimmt, und die Eier bloßer
Vorwand sind. Die nervlich bereits angeschlagene Anna bemerkt noch, dass sie zwar nicht
wisse was für ein Spiel die beiden treiben, sich aber nicht beteiligen werde. Weiß man um den
weiteren Verlauf des Films, entpuppt sich diese Aussage in ihrem zynischen Kern, denn Anna
befindet sich längst im Spiel, und der Einsatz ist ihr nacktes Überleben. Sie ruft ihren Mann
Georg zu Hilfe, der im Gestus des gerechten Vermittlers, ohne Anschuldigungen
auszusprechen, die beiden jungen Männer seines Grundstückes verweist. Sie weigern sich,
ohne die Eier zu gehen und rücken in bedrohlicher Haltung näher an Georg heran. Paul
provoziert Georg, so dass dieser ihm eine Ohrfeige gibt, und Paul ihm daraufhin mit dem
Golfschläger das Knie zertrümmert. Mit dieser ersten offenen Gewalttat beginnt das Spiel nun
offiziell. Die beiden jungen Männer nehmen die Familie in ihrem eigenen Haus in
Gefangenschaft und bieten eine Wette an. Sie wetten, dass alle drei Familienmitglieder in
zwölf Stunden 'kaputt' sind. Über die verbleibende Filmlänge hinweg ist die Familie, gleich
dem Zuschauer den schlimmsten psychischen und physischen Folterungen ausgeliefert.
Obwohl Haneke in diesem Film mit der klassischen 'thriller-suspense' arbeitet, die im Kern

80
darauf angelegt ist, dass die Familie schließlich doch noch ihren Peinigern entkommt und
selbige am Ende des Films bestraft werden, ist eigentlich schon von Anfang an klar, dass
diesem Muster nicht entsprochen werden wird. Denn Haneke strebt mit Funny Games eine
gezielte Dekonstruktion des klassischen Hollywoodthrillers bzw. Gewalt darstellenden Films
an, der den Normen der Konvention entsprechend eine kontrollierte, gewalttätige Störung in
der bestehenden Ordnung mit anschließender Erlösung veranschaulicht154. Dem entgegen
sehen wir am Ende des Films Anna gefesselt und geknebelt in dem Segelboot zusammen mit
ihren Peinigern sitzen. Zu diesem Zeitpunkt sind ihr Mann und Sohn schon längst tot. Mit
einem beiläufigen »Ciao, Bella« wird sie dann von Paul in die See gestoßen. Die Familie hat
das Spiel verloren. Mit der dem Thriller eigenen (wie auch nahezu jedem anderen Genre
zugrunde liegenden) suspense versucht Haneke den Zuschauer bei dem Film zu halten. Nach
eigener Aussage benutzt er diesen als eine Art „Leim, auf dem der Zuschauer kleben
bleibt“155. Dies ist einer der Spielregeln des Thrillers, die Haneke im Zuge seiner
Dekonstruktion gegen den Zuschauer wendet: er ist sich des seitens des Zuschauers
wiederholt eingeübten Prozedere des auf inhaltlicher Spannung basierenden Sehzwanges
bewusst und setzt diesen hier ein, um den Zuschauer „an einen gedanklichen Ort zu führen, an
den er sonst vermutlich nicht gehen würde“156. Er spielt den Zuschauer gegen seine eigenen
Sehgewohnheiten aus – auch das ist Teil des Spiels. Nur so schafft er es, den Zuschauer über
das abscheuliche Folterszenario der Familie hinweg an die Grenzen der eigenen
Verträglichkeit zu bringen, bis zu einem Punkt, an dem sich dieser eingestehen muss, dass er
selbst als Hauptfigur im Zentrum der Geschichte steht und ebenfalls zum Opfer geworden ist,
nämlich dieses Films. Wie schon anhand des Action- und Kriegfilms konstatiert, wird im
konventionellen Film „Gewalt durch ästhetische Überhöhung und darauf folgende Erlösung
der Schrecken genommen“157. Hier bleiben die Erlösung aus und die Gewalt bestehen. Was
im Rahmen der Sühnelogik schon angesprochen wurde, erfährt in diesem Film seine bitterst-
mögliche Konsequenz. Doch wie genau verfährt Haneke um den Zuschauer selbst unter die
Gefolterten zu stellen?

1. Die Spiele und die Komplizenschaft des Zuschauers


Schon bei dem ersten Spiel wird deutlich, dass Peter und Paul das Repertoire klassischer
Kinderspiele zur psychischen Folter umdeuten. Paul fragt die Familie, einen Golfball

154
Vgl. Ossenag, Der wahre Horror liegt im Blick, S. 135.
155
Ebenda, S. 135.
156
Ebenda, S. 135.
157
Ebenda, S. 135.

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hochhaltend, was das sei. Nachdem ihm geantwortet wird, fragt er daraufhin, warum er diesen
noch besäße, wenn er doch einen Abschlag machen wollte. Woran hat er den Golfschläger
getestet? Anna dämmert die grausige Antwort und begibt sich auf die Suche nach dem
Familienhund Rolfi. Paul begleitet sie um mit ihr das Heiss-Kalt-Spiel zu spielen. Als ob er
Anna fernsteuerte, lotst er sie zu der Hundeleiche. Kurz bevor sie die Wagentür öffnet und der
tote Hund aus selbiger heraus fällt, wendet er seinen Blick das erste Mal in die Kamera und
zwinkert dem Zuschauer verschwörerisch zu. Der Blick will sagen, dass wir es doch auch
genießen, dass wir dem Spiel doch aufmerksam folgen und beharrlich darauf warten, dass
Anna ihren Hund findet. Das zweite Mal wendet sich Paul direkt an den Zuschauer. Die
Wettkonditionen wurden vereinbart und Peter fragt den Zuschauer, auf wen er wette und fügt
wissend hinzu, dass selbiger doch auch wolle, dass die Familie gewinne. Der Gewinn
bestünde hier allerdings in deren Überleben. Haneke spielt die oben erwähnte, vom Zuschauer
erwartetet Filmlogik gegen selbigen aus. Er weiß, dass dieser den Torturen der Familie in
Form der kontrollierten Gewalt gerne beiwohnt, so lange die Täter am Ende bestraft und die
Familie gerettet wird. Mit den Blicken Pauls und dessen provozierender Aussage macht
Haneke den Zuschauer von Anfang an zum Komplizen der Täter. Die Aussage, die sich für
den Zuschauer durch Paul formulieren lässt, ist folgende: Du (der Zuschauer) hast dieses
Geschehen doch schon hundertfach gesehen, du weißt was passieren wird, du weißt, dass es
dir Freude bereitet, deswegen schaust du doch überhaupt Filme dieser Art, um dich an der
Spannung und an den Qualen anderer zu ergötzen. Diese direkte Konfrontation des 'Bösen'
mit dem Zuschauer soll selbigen auf seine Sehgewohnheiten aufmerksam machen und ihm
damit seine Mitschuld ausstellen.158 Paul könnte auch behaupten, dass er und Peter das ganze
Spiel lediglich zu dessen Unterhaltung inszenieren, dass die Familie nicht gequält werden
müsste, wollte der Zuschauer es nicht. Im Rahmen des letzten Spiels wendet sich Paul dann
noch einmal an den Zuschauer und macht ihm diesen Umstand überdeutlich. Auf Georgs
Forderung hin, sie sollen doch Schluss machen, das grausame Spiel beenden, schaut Paul
empört zu Georg und unterstellt ihm Feigheit. Außerdem, so bemerkt er, seien sie doch noch
unter Spielfilmlänge, was heißt, dass es weitergehen müsse, denn der Filmkonvention muss
doch entsprochen und damit einhergehend auch den Erwartungen des Zuschauers entsprochen
werden. Er fragt daraufhin jeden Einzelnen in der Runde, ob es schon genug sei. Zuletzt blickt
er wieder in die Kamera und fragt den Zuschauer direkt: »Ist es schon genug? Sie wollen doch
ein richtiges Ende mit plausibler Entwicklung?« Mit 'plausibler Entwicklung' ist der

158
Eine solche Kontaktaufnahme zum Zuschauer entspricht dem Verfremdungseffekt nach Brecht, der im
Rahmen des dialektischen Theaters das Schauspiel bewusst desillusionieren soll, um selbiges gegenüber dem
wirklichen Leben erkennbar zu machen.

82
Normalausgang eines solchen Filmes gemeint, die Bestrafung der Täter und die folgende
Katharsis des Zuschauers. Die Frage impliziert, dass der Zuschauer sich mitten in der Runde
aufhält, er Teil des Geschehens ist, neben den wimmernden Opfern auf der Couch Platz
genommen hat. Auf eine vorige Frage von Georg, warum die beiden die Familie nicht einfach
direkt umbringen würden, antwortet Peter, dass damit doch alle um ihren Spaß gebracht
würden, wobei die Verwendung des Wortes 'alle', nicht nur als zynischer Kommentar zu lesen
ist, der auch die Opfer mit eingrenzt, sondern bewusst die Zuschauerschaft einschließen soll.
Es wird deutlich, dass das Motiv des Spiels auf mehreren Ebenen funktioniert. Auf der ersten
Ebene sind es die kleinen Spiele, die Peter und Paul mit der Familie um ihr Überleben spielen,
an denen der Zuschauer durch seine Komplizenschaft mit den Tätern teilnimmt. Auf einer
zweiten, in der der Zuschauer ebenfalls bewusst miteinbezogen wird, spielt eben der Film ein
Spiel mit diesem, indem er seine Sehgewohnheiten gegen ihn ausspielt. Wie bereits
festgestellt, lässt der Zuschauer die Hoffnung auf ein Happy End, selbst wenn es von Anfang
an nicht in Aussicht gestellt wird, nicht ohne weiters fallen. So gibt Haneke dem Zuschauer
zweifach die Möglichkeit, seine Hoffnung aufleben zu lassen, indem er zuerst den kleinen
Schorschi entkommen und später Peter und Paul das Haus freiwillig räumen lässt. Diese
Fluchtmöglichkeiten sollen das Spiel anheizen, indem sie Spannung kreieren. Der Zuschauer
soll gespannt verfolgen können, ob es die Familie nicht doch noch durch die ihnen gebotenen
Möglichkeiten schafft, ihrem Martyrium zu entkommen. Doch natürlich schaffen sie es nicht,
wieder enttäuscht Haneke die Erwartungen des Zuschauers, die er vorher spielerisch etabliert
hat. Und auf einer dritten Ebene wird die Gewalt selbst als Spiel gekennzeichnet. Hier wird
die tiefere Bedeutung der 'funny games', der lustigen Kinderspiele, deutlich: als im
Normalfall, also nach den Regeln des konventionellen Films funktionierende, zelebrierte
Spielchen des Mord- und Totschlags. Haneke macht darauf aufmerksam, dass dem Zuschauer
der wiederholte Gewaltkonsum zu einem harmlosen, vergnüglichen Spiel geworden ist. Die
Waffen zur Folterung der Familie gelten den Folternden als Spielzeuge, die Spiele werden
detailliert im Gestus der Kleinkindsprache Schritt für Schritt erklärt, sind diese doch dem
allgemeinen Spielgut von Kindern entlehnt, das ein jeder kennt. Es sind die herkömmlichen
Suchspiele, Kätzchen im Sack oder das bekannte Auszählen, wer als nächster an der Reihe ist.
Nur das an deren Ende keine Erheiterung steht, sondern lediglich ein bitterer, grausamer
Mord.

83
2. Die Negation der Gewaltdarstellung und die Vergewaltigung im Kopf
Funny Games stellt keine Tötung explizit aus159. Der Genuss an einer ästhetisierten, schnellen
und sauberen Tötung, die der Zuschauer gewohnt ist, wird ihm hier radikal versagt. Haneke
kombiniert die verschiedenen Darstellungsweisen, die bei Bennys Video und 71 Fragmente
bereits erläutert wurden. Die getöteten Nachbarn findet der Zuschauer zusammen mit
Schorschi bei dessen Fluchtversuch, wir sehen nur die Resultate in Form der Leichen. Als
Georg von Paul erschossen wird, bleibt die Kamera auf Paul, wir sehen lediglich, wie er nach
unten zielt, abdrückt und hören den Schuss. Anna wird aus dem Boot geworfen, wir sehen ihr
nicht beim Ertrinken zu, sie verschwindet einfach aus dem Bild. Und bei der Ermordung des
kleinen Schorschi, der ersten Tötung des Films, geht die Kamera von dem Ort des
Geschehens weg und folgt Paul in die Küche, wie er sich in aller Seelenruhe etwas zu essen
macht. Wir hören einen Streit der im Wohnzimmer Verbleibenden, irgendetwas scheint schief
zu laufen, ein Schuss löst sich, wir hören die Schreie der Eltern und den laufenden Fernseher.
Der ganze Mord spielt sich rein auf der tonalen Ebene ab, aus der sich der Zuschauer die
Bilder selbst konstruieren muss. Im ersten Moment weiß er noch gar nicht was geschehen ist.
Das nächste Bild zeigt einen blutverschmierten Fernseher, das Programm läuft ohne Störung
weiter. Die Sequenz ist exemplarisch für die Negation der konventionellen
Morddarstellungen. Paul in der Küche, wie er sich einen Snack bereitet, spiegelt den
Zuschauer wie er sich bei gewalttätigen Filmen genüsslich mit Süßigkeiten versorgt, ein zum
genussvollen Sehen zugehöriges Ritual, was hier seine sarkastische Umdeutung erfährt.
Während wir den Fernseher sehen, ebenfalls symbolisch für die nahtlose Fortführung des
Programms zu deuten, in die sich die Bilder der Gewalt gleichgültig einreihen160, hören wir
Paul Peter maßregeln, dass er das Spiel falsch gespielt habe, dass er den Falschen zu diesem
Zeitpunkt getötet habe. Dies ist als Referenz auf die Filmmythologie zu verstehen, dass
Frauen und Kinder mehr wert sind als Männer und entweder gar nicht sterben und wenn,
aufgrund der Aufrechterhaltung der Spannung, bestimmt nicht als Erste, sondern zuletzt. Paul
fügt hinzu, ob er, Peter, denn gar kein Gefühl für Timing habe. Dies ist einerseits auf die
besagte, unkonventionelle Tötung des Kindes zu diesem frühen Zeitpunkt zu deuten, und
andererseits auf die negierte Ausstellung der Tötung selbst, als ironischer Kommentar auf das
Mainstreamkino: der Zuschauer war doch gerade mit Paul in der Küche, was zur Folge hat,
dass er den Mord visuell verpasst und für dessen Ausstellung er doch schließlich den Film
schaut. Die Bilder der Gewalt werden durch dieses Verfahren in den Kopf des Zuschauers

159
Der Satz gilt in Bezug auf die Familie. Eine Tötung wird detailliert dargestellt (siehe 4.).
160
Während der Tötung werden die Geräusche der Fernsehsendung und die Stimmen der Kommentatoren der
laufenden Sendung gleichberechtigt neben die markerschütternden Schreie der Eltern gestellt.

84
verlegt. Dieser muss die entstandenen visuellen Leerstellen mit den aus seiner eigenen
Phantasie kreierten Bildern auffüllen, Bilder für die niemand Verantwortung übernehmen
kann, außer dem Zuschauer selbst. So führt Haneke den Zuschauer an die ihm eigenen
Abgründe und lässt ihn einen Blick auf die gleichsam in ihm schlummernden Perversionen
werfen. Das ist genau der Moment, den Haneke als die Vergewaltigung im Kopf des
Zuschauers bezeichnet, und dieser zu seinem eigenen Opfer wird. Damit evoziert Haneke,
dass sich der Zuschauer ebenfalls selbst zum Täter gegen die eigene Person wird, Opfer- und
Täterrolle fallen so auch bei diesem zusammen. Die Negation in der Exponierung der
gewohnten Gewaltbilder, die der Zuschauer in Anbetracht eines Film wie Funny Games
eigentlich erwartet hat, bietet Haneke die Möglichkeit, den Zuschauer auf sich selbst zurück
zu werfen und ihn mit sich selbst zu konfrontieren. Wieder sind es die eingeübten
Sehgewohnheiten, die dem Zuschauer bei Hanekes Filmen grundsätzlich zum Verhängnis
werden.
Was hingegen in aller Deutlichkeit gezeigt wird, sind die Leiden der Opfer. Nach der Tötung
Schorschis lassen Peter und Paul die Eltern und den Zuschauer mit deren Qualen allein
zurück. Ohne einen einzigen Schnitt sehen wir Anna, George und den leblosen, blutigen
Kinderkörper in einer quälend langen Szene auf dem Boden liegend. Schließlich gelingt es
Anna zuerst, sich aufzuraffen und endlich den immer noch laufenden Fernseher
auszuschalten. Es dauert geschlagene sechs Minuten, ehe die beiden das Geschehen, den Tod
des Sohnes, überhaupt erfassen. Dann brechen bei George endlich die Emotionen hervor und
er beginnt wie im Wahnsinn zu schreien, zu weinen und zu verzweifeln. Der Zuschauer wird
gezwungen, an allem visuell teilzunehmen, ihm wird kein erlösender Schnitt auf etwas
außerhalb der Szenerie geboten. Die insgesamt zehn Minuten lange Szene entlarvt den
Zuschauer wie keine andere als Voyeur, allerdings in einem Voyeurismus der
unangenehmsten Art, in der sich der Zuschauer gefangen sieht. Die Ausstellung der Gewalt
als Opferschaft hat also in ihrer Umsetzung die Funktion, vor allem den Zuschauer leiden zu
lassen, womit er wiederum einmal mehr selbst zum Opfer des Films wird161.

3. Die charakterlosen Killer und deren Sprache


Kurz nach Abschluss der Wette um das Leben der Familie, fragt Georg an Paul gewandt,
warum die beiden das nur täten. Dieser antwortet salopp, »Warum nicht?«. Daraufhin bietet er
eine ganze Palette möglicher Erklärungsmuster für ihr Verbrechen an, die er in lakonischem

161
„Das Publikum ist gleichzeitig Opfer – es ist sich der Medialität des Films bewusst, aber trotzdem emotional
gefangen – und Täter – Paul und Peter spielen das Spiel letztendlich für den Zuschauer“. Alexander D. Ornella,
Das Spiel mit der Wirklichkeit, in: Michael Haneke und seine Filme, S. 112.

85
Tonfall herunterbetet. Die Varianten gründen allesamt auf psychologischen
Erklärungsmodellen, „die man aus diversen Medienkommentaren über die Ursachen
jugendlicher Gewalttäter kennt: Mutterkomplex, Scheidungskind, Kind armer kinderreicher
Leute, Drogen, Sozialneid“162. Er bietet Georg sogar die Möglichkeit des erkrankt-Seins an
der Leere der Existenz an. Haneke verweigert dem Zuschauer hier jegliche Vita der Figur,
jedwedes mögliche Erklärungsmuster für die Taten der beiden, indem er einfach alle anbietet
und diese damit als vorgeschobene Rechtfertigungsklischees entlarvt. Wie festgestellt, dient
die Psychologisierung einer Figur üblicherweise der Legitimation der von ihr ausgehenden
Gewalttaten, indem sie erklärend und damit beschwichtigend wirkt. Haneke persifliert die
herkömmliche Beschwichtigungslogik durch das Erfinden falscher Biographien seitens der
Täter und weist darauf hin, dass es dem Zuschauer im Grunde genommen gleich ist, welche
Motive der Täter hat, so lange er überhaupt eines besitzt. Daher sind Hanekes Täter in Funny
Games Täter ohne Motiv.
Den Opfern wird keine Möglichkeit auf eine Verständigung mit den Tätern gegeben. Das hat
seinen primären Grund darin, dass Peter und Paul an sich gar keine Menschen sind. Sie sind
reinste Referentialität, serielle Produkte der Kinoindustrie oder eben Archetypen des Kino-
Bösen163, wie Haneke sie selbst benannt hat. Sie zeigen nicht die Spur einer menschlichen
Regung, bleiben zu jeder Zeit ausgewählt höflich und schreiten mechanisch von einem
grausamen Spielchen zum Nächsten. Sie selbst und die Gewalt, die von ihnen ausgeht,
werden jeden Sinnes entleert, so dass die Gewalt als pures, destruktives Phänomen erscheint.
Damit wird die zynische Sinngebung, auf der Gewalt in ihrer konventionellen Darstellung
basiert, dekonstruiert (siehe Legitimationen am Beispiel von Die Hard). Der einzige Grund,
der als Auslöser noch benannt werden könnte, ist der anfängliche Streit um die Eier. Hier
klingen noch einmal die schon fast satirisch anmutenden Sätze Pauls nach, nachdem er Georg
die Kniescheibe zertrümmert hat: »Er war schuld, er hat angefangen. Tut mir leid, dass ich
ihnen wehgetan habe, sie haben mich dazu gezwungen!«. Man erinnere sich an die
konstatierte Rachelogik oder die im und vor dem Film stattgefundenen oder stattfindenden
Taten, die Gewalt legitimieren und als Initialzündung eine Spirale der Gewalt entfesseln.
Diese Rechtfertigungsmechanismen werden hier in ihrer Reduktion auf eine Schachtel Eier,
eben als Symbol für eine vorgeschobene Logik mit reinem Vorwandcharakter, als zynisches
Alibi entlarvt.

162
Ossenag, Der wahre Horror liegt im Blick, S. 141.
163
Grabner, Gespräch mit Michael Haneke, S. 40.

86
Da die beiden Täter hier reine Kommentare sind, haben sie in letzter Instanz auch keine
Namen mehr. Über den Film hinweg reden sie sich einander mit Peter, Paul164, Tom und
Beavis an. Mit Peter und Paul sind die frühchristlichen Kirchenväter Peter und Paul gemeint,
deren Erwähnung hier als ironische Referenz auf den in Filmen transportierten Gut-Böse-
Dualismus gedeutet werden kann. Tom steht für das Namenspaar Tom und Jerry kann ein
kritischer Hinweis auf die schon für Kleinkinder humoristisch aufbereitete Gewalt in
Fernsehzeichentrickserien sein, als Einübung verharmlosender Gewaltdarstellungen von
frühester Kindheit an. Schließlich steht Beavis für die MTV-Cartoonfiguren 'Beavis and
Butthead'. Die beiden Figuren stehen exemplarisch für den Verlust emotionaler Regungen in
Anbetracht von Gewalt, die sie an den Geschöpfen ihrer Umgebung wie auch an sich selbst
zelebrieren. Ihr beider Markenzeichen ist ein stumpfes, freudloses, guttural-hechelndes
Lachen, eben „ihre Art, jede Form von Empfindung von sich fernzuhalten“165, das auch bei
Peter und Paul Anklang findet. Was Haneke mit der Verwendung dieser ausdrücklichen
Referenz zu entlarven versucht, ist der bereits besprochene Mythos der Coolness. Er
konterkariert damit das allgemein im Film zelebrierte Bild des empfindungs- und reuelosen
Killers, der die positive Konnotation des cool-Seins innehat. Haneke stellt mit der
Namensreferenz und Markenzeichenaneignung der Comicfiguren seitens der Killer eine
weitere Allegorie zu der medialen Normalität aus, in der Coolness „zum Signum einer neuen
Ästhetik geworden ist: Das Bild ist in sein immunologisches Zeitalter eingetreten“166. Hiermit
ist die immer brutalere, blutigere und härtere Darstellung von Gewaltbildern gemeint, die im
Zuge ihrer Überproduktion den Zuschauer längst gegenüber der Darstellung moralisch immun
gemacht hat; er ist diese Form der Darstellung gewöhnt, die emotionale Gleichgültigkeit ob
des Gesehenen kann als Kälte oder eben Immunität bezeichnet werden.
Die Killer besitzen darüber hinaus auch keine eigene Sprache mehr. Ihre Sprache ist in Gänze
dem Bestand allgemeiner Formulierungen entlehnt. Entweder tragen sie die Maske einer
gleichermaßen beharrlichen wie höhnischen Betulichkeit, deren Wortschatz ganz der Etikette
feinerer Gesellschaften entspricht. Oder sie bedienen sich des Seefahrervokabulars, da Georg
Kapitän eines Segelbootes ist. Bei der Erklärung der Spiele wird meistens auf äußerst
akkurate Artikulation geachtet, sie verlaufen nach dem Muster, in dem man Kindern
gemeinhin ein Regelwerk näher bringt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch

164
Sie vertauschen die Namen auch untereinander, sodass Peter mal zu Paul und Paul mal zu Peter wird. Auch
wenn der eine, hier und im Einstellungsprotokoll als Paul angegebene, Killer eher die Funktion des Wortführers
übernimmt, sind beide doch in ihrer Eigenschaft als reine Referenz austauschbar. Die Vertauschung der Namen
im Film erklärt den Umstand, warum in der gängigen Sekundärliteratur über die verschiedenen Aufsätze hinweg,
der gleiche Schauspieler mal mit Peter und mal mit Paul benannt wird.
165
Ossenag, Der wahre Horror liegt im Blick, S. 119.
166
Ebenda, S. 119.

87
anzumerken, dass die Killer sprachlich zu keinem Zeitpunkt greifbar werden. Jegliche
kommunikative Anbindung der Opfer an die Täter bleibt ausgeschlossen. Die Killer schaffen
es sogar, moralisch zu argumentieren, indem sie mit einer tödlichen Eloquenz die Wörter
einfach umdeuten, die Schuldlosen als die Schuldigen hinstellen und jedweden sprachlichen
Sinn vertauschen167, was als genereller Sprachverlust im Angesicht der Gewalt gedeutet
werden kann, oder, wenn Wahrheit auf sprachlicher Logik gründet, diese hier ebenfalls zu
einem Opfer der Gewalt wird.

4. Die Apparatur im Zentrum


An der folgenden Sequenz soll auf die formale Ebene der Hanekeschen Ästhetik eingegangen
werden (siehe dazu Einstellungsprotokoll: Das letzte Spiel, im Anhang)
Hanekes Ästhetik zeichnet sich durch eine äußerste Reduktion in der filmischen Sprache aus.
Die ästhetische Opulenz, wie sie am Beispiel des Kriegsfilms besprochen wurde, erfährt hier
ihre ausdrückliche Negation. Da Haneke eine Kongruenz der Form mit dem Inhalt als
Voraussetzung für sein Filmschaffen ansieht, muss die inhaltliche Negation auch auf der
formalen Ebene erfolgen. So sind die Farben in Funny Games äußerst stumpf gehalten, die
Bilder werden grundsätzlich nicht mit Musik oder Geräuschen unterlegt, es sei denn, diese
sind innerhalb der Szene durch eine Apparatur (Radio, Stereoanlage, Fernseher) begründet,
die von einem der Handlungsträger vorher eingeschaltet wird. Die Beleuchtung richtet sich
nach der Tageszeit, ist also ebenfalls real motiviert und entspricht in der vorliegenden
Sequenz – es ist bereits Nacht – dem Horror-Genre üblichen Low-Key-Stil mit starkem
Schattenwurf, die Lichtquellen sind ebenfalls alle in der Szene ausgestellt. Die Filmsprache
ähnelt allgemein sehr dem Dogmastil. Die Szenen gestalten sich allgemein ungewöhnlich
lang, ohne dass diese durch Schnitte unterbrochen werden, wodurch sich der Vergleich zu
Theaterinszenierungen aufdrängt. Die Reduktion der ästhetischen Mittel entspricht dem
Konzept, die Gewalt nicht zu ästhetisieren, ihr keinen Schauwert zu verleihen. Die farbliche
Stumpfheit erinnert zudem an die von Nachrichtenbildern (wieder ein Verweis auf die
Kongruenz von Film und Nachrichten), der Verzicht auf Musik und der Schnittminimalismus
sollen den rauschhaften Charakter der Szenen unterbinden, die schwache Beleuchtung kreiert
ein Gefühl der Unbehaglichkeit und Bedrohung. Haneke verwehrt dem Zuschauer somit jeden
Fluchtpunkt, alle Formalia werden in den Szenen selbst motiviert, es gibt keine Hinweise auf
ein Außen, welches mildernd auf die dem Film bewusst inhärente Gewalt wirken könnte. Die

167
„Die Täter sind eloquent, aber von faschistoider Neutralität; die Teilnahmsferne haust im Kapitalismus ihrer
Sätze, in der sich Sinn und Zeichen vertauschen, weil Wörter mal nichts, mal alles bedeuten, mal Hölle, mal
Auferstehung.“ Ebenda, S. 140.

88
Szenerie des Wohnzimmers, in dem die Familie zusammen mit ihren Folterknechten
auszuharren gezwungen ist, schafft das Gefühl einer klaustrophobischen Enge, die Bilder
erscheinen in der Art, wie sie hier präsentiert werden, durch den Einsatz der aufgezählten
formalen Mittel aller Hoffnung entleert. Die Umgebung spiegelt und verstärkt zugleich die
emotionale Leere und die Abstumpfung vor der Gewalt seitens der Killer, wie die
Unmöglichkeit eines Ausweges für die Familie.
Die nun folgende Sequenz spielt kurz nach der Rückkehr Peter und Pauls und wird mit der
hämischen Ankündigung Pauls »It’s Playtime again« eine Szene zuvor eingeleitet. Die letzte
Option auf Flucht konnte nicht genutzt werden, der Sohn ist tot und die potentielle Rettung
durch Freunde der Familie, die vielleicht zum Essen kommen wollten, wird nicht mehr
stattfinden, so dass Anna und George zu diesem Zeitpunkt schon völlig desolat ihrem
nahenden Ende entgegensehen.
Die Kamera ist in nahezu allen Szenen statisch, Ausnahmen bilden lediglich kurze, der im
Bild fokussierten Person folgende Schwenks. Die Einstellungen sind von Halbnah- Nah und
Grossaufnahmen der Charaktere dominiert. Dieses Verfahren schafft eine unmittelbare
Konfrontation mit den Emotionen der Charaktere, die bei den Opfern extrem ausgeprägt sind
und bei den Tätern nicht vorkommen. Der Zuschauer wird somit gezwungen, den emotionalen
Qualen der Opfer wie auch der emotionslosen Ruhe bzw. Kälte der Täter unmittelbar
beizuwohnen. Die Verwendung des Schuss-Gegenschuss’ innerhalb der Sequenz lässt beide
emotionalen Extremzustände aufeinanderprallen, woraus sich eine extrem geartete
Affektspannung ergibt. Dies und die erwähnten Einstellungsgrößen verengen den Erzählraum
noch einmal zusätzlich auf den eigentlichen Gegenstand des Films: die Qualen der Opfer. Der
Zuschauer befindet sich im Zentrum der Gewalt. Alle für den Verlauf der Geschichte
wichtigen Objekte werden in dieser Sequenz noch einmal ausgestellt: Küchenmesser,
Schrotflinte, Telefon. Allesamt wurden über den Film hinweg mit verschiedenen
Implikationen aufgeladen und nun in Grossaufnahmen präsentiert. Das Telefon, dessen Bild
die Sequenz einleitet und welches als letzte Rettungsmöglichkeit in Betracht gezogen wurde,
steht nun als Sinnbild für die gescheiterte Hoffnung auf Erlösung, auf einen Fluchtpunkt oder
Hilfe von Außen. Paul überprüft dieses auf Funktionstüchtigkeit und stellt mit Genugtuung
fest, dass kein Anruf in der verstrichenen Zeit mit diesem getätigt wurde. Das Telefon steht
darüber hinaus symbolisch für das Scheitern jedweder Kommunikation. Die Rückkehr der
Killer wurde mit dem Lauf des zu Anfang erwähnten Golfballs eingeleitet, der noch bevor
diese zu sehen sind in der Mitte des Türrahmens zum Stillstand kommt. Dies soll auf das
Roulettespiel verweisen. Die Kugel ist zum Stillstand gekommen, das Schicksal der Familie

89
ist besiegelt: rien ne va plus, nichts geht mehr!168 Auf der tonalen Ebene beginnt die Sequenz
mit dem bekannten Auszählen zur Ermittlung, wer als nächster mit Sterben an der Reihe ist.
Die Schrotflinte, die der kleine Schorschi auf seiner Flucht im Nachbarshaus fand, und in
seinen Händen zur Hoffnung wurde, wird in den Händen der Killer nun zu einem weiteren
Tötungsspielzeug. Kurz bevor diese zum Einsatz kommt, erspäht Paul das auf der Anrichte
liegende Küchenmesser. Er gebietet Peter mit den Worten »Warte mal, ich sehe ein neues
Spielzeug« Einhalt, woraufhin auf das Messer geschnitten wird. Man wird unweigerlich an
Annas Worte »Wiedersehen macht Freude« erinnert, als sie Schorschi ganz am Anfang des
Films ein Messer für die Bootsarbeiten reicht. Die Grossaufnahmen beider Objekte stellen
diese als Marterwerkzeuge aus und verstärken die Bedrohung, die von selbigen ausgeht. Es
wird konkret darauf verwiesen, dass es sich hierbei um Waffen handelt, deren einzige
Funktion innerhalb der Geschichte in der gewalttätigen Anwendung besteht. Die ironische
Umdeutung der Mordwerkzeuge zu Spielzeugen konkretisiert das Motiv der Gewalt als
harmloses Spiel. Die Sequenz beinhaltet auch die erwähnte, überdeutliche Einbeziehung des
Zuschauers, in Form der Frage, »ob es schon genug sei?« und erreicht hier ihre größte Dichte.
Vor dem letzten Spiel entknebelt Paul Anna mit den Worten »Stumme leiden so
unspektakulär, wir wollen dem Publikum doch etwas bieten«. Ihre Verweigerung dem Spiel
gegenüber führt zu der Folterung ihres Gattens durch das Messer. Wieder wird die
Folterszene nicht gezeigt, die Kamera verharrt auf Anna, in deren Mimik sich die Qualen
Georgs spiegeln, denen der Zuschauer rein auf der tonalen Ebene beiwohnt. Paul lässt sie als
die Schuldige erscheinen, da sie durch ihre Verweigerungshaltung Georg Schmerzen antut.
Dies entspricht der zynischen Umdeutung der Tatsachen mittels der Sprache. Paul fragt sie
daraufhin, ob er bei Georgs »Szene« weitermachen soll, oder ob sie nun bereit sei
mitzuspielen. Während Paul ihr das nun folgende Spiel erklärt, was aus der Wiederholung
eines Kindergebets besteht, bewerkstelligt es Anna, sich der geladenen Schrotflinte zu
bemächtigen und Peter zu erschießen.
Diese kurze Sequenz ist von besonderer Bedeutung. Zunächst einmal wird die Tötung Peters
als einzige im gesamten Film explizit gezeigt. Während aller anderen Szenen gewalttätigen
Inhalts nahezu schnittlos, in aller Langsamkeit präsentiert werden, zeichnet sich diese
Sequenz gerade durch ihre rasante Schnittfolge und der darin detailliert visualisierten
Brutalität aus. Paul wird von der Wucht des Geschosses nach hinten gerissen, sein blutiger
Körper prallt gegen die Wand und kommt leblos auf dem Boden zum Erliegen. Vom
Ergreifen der Waffe bis zum Tod Pauls vergehen gerade mal drei Sekunden in denen sechs

168
Vgl. Ossenag, Der wahre Horror liegt im Blick, S. 132.

90
mal geschnitten wird. Die Sequenz ist die einzige des ganzen Films, die Gewalt in ihren
konventionellen Mustern darstellt. Diese entspricht exakt der Konstruktion einer typischen
Mordszene, wie sie im Action- oder Kriegsfilm Anwendung findet, entspricht also auch den
eingeübten Sehgewohnheiten des Publikums. Zudem ist die Tötung Peters der einzig
legitimierte Gewaltakt im ganzen Film, als Racheakt für die Qualen der Opfer und den Mord
an dem Sohn in Form einer Sühne der Täter. Zusammen mit der Erwartungshaltung des
Zuschauers, dass zumindest Teile der Familie überleben und das Böse besiegt wird, evoziert
diese kurze Mordsequenz eine enorme Befriedigung beim Zuschauer, der die Bestrafung der
Täter herbeigesehnt hat. Der quälend lange Vorlauf bis zum Eintritt des Ereignisses lässt
dieses nun wie eine gewaltige Entladung des aufgestauten Hasses auf die Täter wirken, die
gleich einer Explosion seitens des Zuschauers hervorbricht und diesen mit voller Wucht
erfasst (wie Paul mit voller Wucht von dem Geschoss erfasst wird), da sie ihm endlich den
kathartischen Rausch beschert, auf die selbiger so lange warten musste. Der Grund, warum
die Wirkung auf den Zuschauer, die diese Sequenz haben muss, mit solch einer Bestimmtheit
formuliert werden darf, ist folgender: Im Rahmen der 50. Filmfestspiele in Cannes 1997,
wurde der Film vor einem intellektuellen, filmbewanderten Publikum aufgeführt. Als Anna
Paul erschießt, wurde diese Szene vom Publikum mit stehenden Ovationen und großer
Erleichterung aufgenommen. Michael Haneke, der selbst im Publikum saß, berichtet169 mit
großer Genugtuung von der Publikumsreaktion, da sie bewusst durch sein Konstrukt evoziert
wurde. Durch den Film hat er ein aufgeklärtes, intellektuell-pazifistisches Publikum dazu
gebracht, offen und voller Freude einen Mord zu bejubeln und dieses somit auf ihr
„archaisches Empfinden nach Rache und Strafe“170 zurückzuwerfen.
Doch in dem Moment, als der Film dem Zuschauer doch noch Erlösung verschafft, greift Paul
zu der Fernbedienung und spult die Szene im Schnellrücklauf zu ihrem Ausgangspunkt
zurück. Der Film läuft normal weiter, nur dass Paul dieses Mal schneller ist und Anna an der
Bemächtigung der Schrotflinte hindern kann. Hier entpuppt sich der Film als reines
Experiment. Zum einen evoziert er gezielt die Legitimation eines Mordes durch das
Publikum, und zum anderen konfrontiert er selbiges unmittelbar mit der eigenen Reaktion,
indem er die erleichternde Szene einfach zurücknimmt und das Publikum somit zur
Reflektion der eigenen moralischen Gesinnung in Anbetracht eines Mordes zwingt. Hier
vollendet sich auch die Opferschaft des Publikums, als Opfer seiner eigenen Doppelmoral in

169
Vgl. Interview mit dem Regisseur Michael Haneke und dem französischen Filmkritiker Serge Toubiana,
Deutsche DVD-Fassung, Bonusmaterial.
170
Ossenag, Der wahre Horror liegt im Blick, S. 137.

91
Anbetracht der in Filmen üblicherweise dargestellten Gewalt, auf welche sie dieser Film so
schmerzlich zurückwirft.

Mit seiner Negation der herkömmlichen Gewaltdarstellung schlüsselt Michael Haneke eben
diese auf und macht den Zuschauer auf die Legitimationsmechanismen aufmerksam, die ihm
sonst im Rahmen der filmindustriellen Serialität verborgen bleiben. Peter und Paul sind selbst
reichlich zynische Ausgeburten der „seriellen, kulturindustriellen Sinnproduktion unserer
zeitgenössischen Medien- und Alltagskultur“171, eben Spiegelbilder der alltäglich-medialen
live-and-let-die-Mentalität172. Funny Games ist vor allem ein Sichtbar-Machen der
Konstruktionen des Mainstreamkinos, dem Gewalt zum Spiel wird. Der Film macht sich
anhand der direkten Bezugnahme zum Zuschauer, besonders aber in der Rückspulszene,
selbst als Film kenntlich und wirft damit die Frage nach medialer Realität auf. In Filmen wird
Realität illusorisch erzeugt, Wirklichkeit vorgegaukelt. Hier eben liegt die Macht des
Mediums Film. Am Ende von Funny Games führen die beiden Killer selbst einen Diskurs
über Wirklichkeit und Fiktion. Paul fragt Peter, wo denn jetzt sein Held, über den er im
Rahmen des Gespräches referiert hat, sei, in der Wirklichkeit oder der Fiktion? Peter
antwortet, dass seine Familie in der Wirklichkeit sei und er in der Fiktion. Paul entgegnet
daraufhin, dass die Fiktion doch die Wirklichkeit sei, da er sie doch im Film sähe und damit
genauso wirklich ist wie die Wirklichkeit, die er doch genauso sieht. Danach legen die beiden
am Ufer an, klopfen an der nächsten Tür und bitten um ein paar Eier. Der Morgen dämmert
und das nächste Spiel beginnt. Spätestens jetzt wird deutlich, dass das Spiel, dem wir als
Zuschauer beiwohnten, nur eine Episode einer Endlosschleife war. Das Gespräch ist als letzte
Parabel auf den Film selbst zu lesen. Die Familie steht im Film für die Wirklichkeit des
Zuschauers, in die die beiden Serienkiller als mediale Fiktionen mit unverhohlener Brutalität
hereinbrechen. Die Endlosschleife des Mordens in Funny Games deutet auf den seriellen
Prozess hin, die Wiederholung des Konsums. Das ganze Geschehen spielt sich, wie schon bei
Straw Dogs vermerkt, im Wohnzimmer ab, als der intime Raum des familiären
Zusammenseins, in dem die mediale Gewalt, konsumiert mittels Fernseher und DVD’s, zum
vergnüglichen Ritual geworden ist. Gegenüber Straw Dogs oder Cape Fear, die immer noch
eine Geschichte erzählen, radikalisiert Haneke in Funny Games dieses Motiv zur eigentlichen
Geschichte als kritische Aussage über unsere Sehgewohnheiten. Im größeren Zusammenhang
des medialen Alltags gedeutet ist Funny Games folglich „als Film die Summe der Filme über

171
Beate Ochsner, Serial Killer, in: Jochen Fritz, Neil Stewart (Hg.), Das schlechte Gewissen der Moderne,
Kulturtheorie und Gewaltdarstellung in Literatur und Film nach 1968, Köln 2006, S. 168.
172
Vgl. Ebenda.

92
das Eindringen in die Privatsphäre und ihre Zerstörung im Akt des Mordens: ein Film über die
Gewalt im Film und über die Gewalt der Medien Film und Fernsehen“173. Das Wohnzimmer
ist auf dieser Ebene als Metapher für das Bewusstsein des Menschen zu lesen. Der Film stellt
somit auch die Frage, in wie fern die mediale Wirklichkeit Auswirkungen auf die wirkliche
Wirklichkeit hat, indem Filme unser Bewusstsein, hier innerhalb der Wertung von Gewalt,
kompromittieren, da sie selbst in Form eines gewalttätigen Akts in selbiges hereinbrechen. In
welcher Art sich eine solche Kompromittierung des Bewusstseins konkretisiert, sollte eben
anhand der Osmose von Kriegsfilm, Actionfilm und Nachrichtenbildern deutlich gemacht
werden. Dort wurde erörtert, wie die fiktionale, filmische Kodifizierung des Helden (blutiger
Oberkörper) in die Nachrichtenbilder der Soldaten Eingang findet. So erlangt die Frage Pauls,
wo denn der Held nun sei, ob in der Wirklichkeit oder der Fiktion, auch in diesem
Zusammenhang einen äußerst kritischen Stellenwert und bezeichnet eben den Prozess der
Grenzaufweichung innerhalb unseres Wahrnehmungsraums, indem medial stilisierte und reale
Bilder plötzlich zusammenfallen174.
Michael Haneke strebt mit seinen Filmen eine Reaktivierung des Sehens an, auf dass der
Zuschauer die Möglichkeit auf Reflexion des Gesehenen zurückerlangt und nicht willfährig
konsumiert, was er vorgesetzt bekommt, gerade in Bezug auf Gewalt. Darum konfrontiert
Haneke den Zuschauer in seinen Filmen auch stets mit dem willkürlichen Nebeneinander von
Nachrichtenbildern, Gewaltfilmen oder Urlaubaufnahmen, deren Abgrenzung voneinander
zunehmend aufweicht, gleich der Grenze zwischen realer und medialer Wahrnehmung. In
dieser Hinsicht stellt das filmische Werk Michael Hanekes so etwas wie einen heilsamen
Schock dar, dessen Betrachtung zum Nachdenken über die Wahrnehmungsorganisation
unserer heutigen Gesellschaft reizt, wenn nicht sogar zwingt. Auch wenn Haneke selbst die
moralische Verantwortung bei Filmeschaffenden einfordernd betont, „können seine Arbeiten
aus diesem Blickwinkel nicht als [rein] moralisierend etikettiert werden“, da sich diese
besonders durch ihre „appellative Kraft, die durch die gezeigte und unerträglich spürbare
Negativität hindurch zur Veränderung drängt“175 auszeichnen.

173
Bernd Kiefer, Home Invasion, Die Zerstörung des privaten Lebens und die Medien, in: Marcus Stiglegger
(Hrsg.), Kino der Extreme, Kulturanalytische Studien, St. Augustin 2002, S. 202.
174
Funny Games wird des Öfteren in Zusammenhang mit den Filmen C'est arrivé près de chez vous (Man bites
dog) und Henry: Portrait of a Serial Killer genannt, da sich beide Filme ebenfalls mit der medialen
Reproduktion des Tötens und dem Medium Film als Apparatur auseinandersetzen.
175
Jokesch, …und wer ist schuld?, S. 336.

93
Resümee - Rückschlüsse auf Canetti

An Die Hard, der stellvertretend für das Genre des Actionfilms steht, konnte festgestellt
werden, dass die Beschreibungen des Helden als Überlebender bei Canetti auf den
Protagonisten des Films exemplarisch zutreffen. Weitergehend wurde festgestellt, dass der
Zuschauer dieses sich auf Gewaltausübung gründende Heldentum anerkennt und sich
gleichsam an dessen Taten berauscht, also an der ausgeübten Gewalt und an den Morden des
Helden teilnimmt. Haneke unterstellt dem Zuschauer daraufhin eine Mittäterschaft, indem der
Zuschauer zum Komplizen des Tötenden wird und bezeichnet den Helden als Stellvertreter
oder Schattendouble, der für den Zuschauer mordet. Wenn der Zuschauer also an den Morden
im Film teilnimmt, ist er angesichts der Filmmorde dem Zeitungsleser in Canettis Sinn
gleichzusetzen, als Teil einer modernen Form der Hetzmasse. Wie beschrieben geht es der
Hetzmasse um das Kraftgefühl, welches sich als Überlebensgefühl im Angesicht eines
bezwungenen Gegenübers, in Folge einer Ablenkung der Todesdrohung von der eigenen
Person weg, auf eine andere hin ergibt. Durch die Erfahrung einer Tötung mittels des
Mediums Zeitung erlangt bei Canetti der Leser eine Form des gemilderten Überlebensgefühls,
welches er auch in Anbetracht des Helden erfährt, der als Instanz für das Überleben und
Unverletzlichkeit steht. Folglich wäre auch der moderne Filmbetrachter (das Medium Zeitung
wird durch das Medium Film ersetzt) Teil einer Hetzmasse, der durch die im Film
begangenen Morde eine gemilderte Form des Überlebensgefühls erfährt. Der Held wäre im
Film dann lediglich die ausführende Instanz, Held und Zuschauer fielen in Anbetracht des
Überlebensgefühls zusammen. Die unüberschaubare Anzahl an Filmen gewalttätigen Inhalts
und deren belegter Konsum mitsamt der Tatsache, dass der Zuschauer um den gewalttätigen
Inhalt vor der Betrachtung des Films weiß, deuten darauf hin, dass es dieser ganz gezielt auf
den Konsum von Gewalt anlegt und es ihm im wesentlichen um selbige in den Filmen geht.
Die sich ständig wiederholende Minimalhandlung, die Verwendung von Archetypen und die
Serialität der Filme verweisen auf eine Wiederholung dieses Aktes. Jeder Mord im Film kann
für den Zuschauer als visualisierte Ablenkung der Todesdrohung von seiner eigenen Person
weg gelten. Darum ist die Struktur der Filme auf die Visualisierung einer Vielzahl von Toten
angelegt. Die Geschichte des Kinos entspricht einer Geschichte der Visualisierung aller Arten
von Gewalt, Barbarei und Terror, die Visualisierungen des Todes erfuhren eine stetige
Steigerung hin zu extremeren und brutaleren Darstellungen zum einen und der Anhebung der
Todesrate zum anderen. Diese Prozesse tragen dem Wunsch der Zuschauer Rechnung, sich
immer krasseren Gewaltdarstellungen auszuliefern. Die von den verschiedenen Autoren

94
vielfach beschriebenen emotionalen Wirkungen, die durch Gewaltdarstellungen ausgelöst
werden, als Schock, Thrill, Attraktion oder Faszination, die in einem sich daraus ergebenden
Rauscherlebnis und Befriedigung münden, sind kongruent mit den zwei Stufen, die Canetti
hinsichtlich des Überlebensgefühls beschreibt: Zunächst setzt der Schrecken in Anbetracht
des Todes ein, dann die Befriedigung in Form eines Kraftgefühls, das sich aus dem reinen
Umstand des Überlebens ergibt. Der auf Wiederholung angelegte Tötungsakt im Medium
Film entspricht dem auf Wiederholung angelegten Akt der Aufnahme von Tötungen durch
das Medium Zeitung, der dem auf Wiederholung angelegten Gefühl des Überlebens nach
Canetti entspricht. Die Steigerung der Todesrate entspricht zudem Canettis These, dass mit
einer Häufung der Toten auch das Überlebensgefühl intensiviert wird.
Alle im Film dargestellten Morde werden gemeinhin legitimiert. Der Zuschauer bedarf dieser
Legitimationen, damit er ohne moralische Ressentiments an den Morden teilhaben kann, aus
denen sich sein gemildertes Überlebensgefühl ergäbe. Canetti sieht das Heldentum frei von
jeder Moral lediglich in der größtmöglichen Anhäufung von Toten begründet. Gleichzeitig
weist er allerdings daraufhin, dass die Tatsache der Berauschung am Tod eines Menschen so
ungeheuerlich erscheint, dass diese durch alle nur erdenklichen Formen verdeckt wird. Die
vielfältigen Legitimationen der Tötungsakte in Filmen entsprechen dieser These. Wenn der
Zuschauer nun mit dem Helden des Films gemeinsam mordet, dessen Morde wie in Falling
Down aber nicht moralisch gerechtfertigt erscheinen, wird der Held selbst am Ende des Films
liquidiert um der Wahrung der moralischen Instanzen willen. Wenn Canettis Beobachtungen
zutreffen, würde dem Zuschauer das Gefühl des Überlebens in diesem Moment allerdings
nicht genommen werden. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Zuschauer sich nicht mit der
Person des Helden als Persönlichkeit identifizieren muss, auch nicht mit dessen Taten,
sondern lediglich mit dem durch die Taten evozierten Überlebensgefühl. Der Zuschauer soll
ja eben nicht als er selbst im Zentrum der Geschichte stehen, da er sonst auf seine eigene
Mittäterschaft und den daraus resultierenden Konsequenzen zurückgeworfen wird. Dies
besorgt ein anderer für ihn, nämlich der Held. Dieser ist somit also nur ein Mittel zum Zweck,
da er stellvertretend für den Zuschauer mordet und ihn somit aller moralischen Konsequenzen
entbindet. Es geht darum, dass der Mord gerechtfertigt wird, nicht die Person des Helden. In
Die Hard werden die Gewalttaten durch den Helden als Vertreter einer anerkannten
Weltordnung als konstruktive Lösungsstrategie gerechtfertigt. In Falling Down sind die
Gewalttaten Auswüchse eines monomanen Einzelfalls und werden somit erklärt. Dass die
Figur des John McClane als Gesetzhüter eine positive Konnotation entgegen der negativen
von William Foster erfährt, spielt dabei keine Rolle. Es dreht sich allein um die Tatsache, dass

95
beide Figuren mit Gründen für ihre Taten angereichert werden, seien es moralisch positive
oder negative. Mord wird in beiden Fällen, wie in der Bearbeitung aufgezeigt, über
verschiedene Erzählstrategien und Muster gerechtfertigt, wobei Rechtfertigen wörtlich meint,
etwas als Recht zu fertigen. Die Erzählung gestattet beiden Charakteren, aus welchem Grund
auch immer, dieses Recht zu und somit dem Zuschauer, sich an beiden Varianten des
Mordens und dem daraus resultierenden Überlebensgefühl zu berauschen. Es geht bei dem
Filmhelden also weniger um seine Funktion als Held (innerhalb der Geschichte), sondern
maßgeblich um seine Funktion als stellvertretender Mörder. Diese Form des
Stellvertretertums kommt bei Canetti in der Form der öffentlichen Hinrichtung, beim
Zeitungsleser, wie beim Feldherrn zum Tragen. Der Zuschauer ist in letzter Instanz, wenn
man es genau nimmt, der einzig Überlebende des Films. Es ist unbestreitbar, dass dieser an
die Unversehrtheit des Helden über die Filmdauer hinweg glauben mag und sich sein
Überleben wünscht. In Filmen lebt, leidet, lacht und tötet der Zuschauer mit den
Handlungsträgern. Doch stirbt er nicht mit ihnen, er überlebt auch sie. Das ist genau der
Moment, an dem die von Canetti erwähnte Suspendierung der Freund-Feind-Opposition im
Tod eintritt. Der Zuschauer überlebt nämlich genauso die ideologisch negativ aufgeladenen
wie positiv aufgeladenen Figuren, die gemeinsam in einem Leichenhaufen zusammenfallen.
Wenn man zusätzlich noch in Betracht zieht, dass mit dem Ende des Films alle Figuren
verschwinden, wobei mit Verschwinden die Beendigung ihrer filmischen Existenz gemeint ist
(also sterben), ist der Zuschauer der einzig Überlebende der Geschichte, an welcher er
teilhatte. In dieser spezifizierten Form des Überlebens, die dann für alle Filme unabhängig
von ihrem gewalttätigen Inhalt gelten würde, entpuppte sich damit die eigentliche Faszination
am Kino: in Form einer Nekrophilie176 des Zuschauers. Und nach Canetti liebt der Zuschauer
den Tod eines anderen, weil er diesem als Überlebender gegenübersteht.
Die Untersuchung der Filme Taxi Driver, The Wild Bunch, Cape Fear und Straw Dogs als
Gegenmodelle zu Filmen der Machart von Die Hard bezeugt weiterführend, wie wichtig die
angewandten Legitimationsstrategien der Gewalt für den Zuschauer sind. Alle Modelle
zeichnen sich durch Selbstreferentialität aus, machen also auf Film als Film aufmerksam und
versuchen mittels der sich daraus ergebenden Verwirrung, den illusionierenden Sehgenuss zu
brechen. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass genannte Filme dies in Form inhaltlicher
Metaphern (Taxifahrtmetapher in Taxi Driver, spielende Kinder in The Wild Bunch und Straw
Dogs) oder durch Abweichung von gewohnten Darstellungskonventionen (Bestandsaufnahme
in Taxi Driver, Massaker in The Wild Bunch) zu bewerkstelligen suchen. Der Zuschauer wird
176
Der Begriff Nekrophilie ist hier ohne seine sexuelle Konnotation zu lesen und grenzt hier eher an den von
Erich Fromm beschriebenen Destruktionstrieb.

96
zwar durch die Einräumung reflexiver Ebenen auf sich selbst als Rezipient der Gewalt und
somit auf seine Rolle als Mittäter aufmerksam gemacht. Die Problematik liegt hier jedoch in
der Tatsache, dass der Zuschauer die inhaltliche Metaphorik nicht zwangsläufig lesen und auf
sich selbst zurückwerfend deuten muss. Diesem wird hier lediglich eine Option auf Reflexion
geboten, er muss sie allerdings nicht für sich annehmen. Die Abweichung von den
konventionellen Darstellungsmustern der Gewalt mag den Zuschauer irritieren, ist aber
dennoch Teil einer kohärenten, auf Filmillusion angelegten Erzählung, könnte daher auch
einfach übersehen oder verdrängt werden. Das beruht auf dem simplen Umstand, dass die
Darstellung zwar inhaltlich gestört wird, aber nicht das Medium an sich. Letzterer Bruch kann
nur durch eine Störung im Ablauf der Übertragung, also einer Störung in der medialen
Apparatur erreicht werden, denn „nur im Rauschen, […] oder gar im Zusammenbrechen ihres
reibungslosen Dienstes, bringt das Medium selbst sich in Erinnerung. Die unverzerrte
Botschaft hingegen macht das Medium nahezu unsichtbar“177. Einfacher formuliert bedeutet
dies, dass ein Film, der Film kritisiert, immer noch ein Film bleibt. Diese Problematik
begegnete uns schon in der genannten Kultivierung der Filme Quentin Tarantinos, die sich
nach Büsser aus der kommerziellen Inhärenz des Mediums Film ergibt, da dieser selbst, wenn
er seine Mittel kritisiert, mit eben diesen noch arbeiten muss. So hinterlassen die als
Gegenmodelle aufgeführten Filme den Betrachter zwar mit einer Verstörung,
Hoffnungslosigkeit oder einem Schuldempfinden, können aber nicht verhindern, dass der
Zuschauer ein Überlebensgefühl im Sinne Canettis aus der Betrachtung der Gewalttaten
ziehen kann. Die Filme packen den Zuschauer an seinem einzig verletzlichen Punkt, und das
ist sein moralisches Empfinden, das im Zuge von Filmen wie Cape Fear oder Straw Dogs
nicht suspendiert, sondern reaktiviert wird. Diese Filme versuchen den evozierten
Bilderrausch gewalttätiger Handlungen gegen den Zuschauer zu wenden, indem sie die
eingeübten Legitimationen der Gewalt teilweise suspendieren und die Gewalthandlungen in
andere Kontexte versetzen als die gewöhnlichen. Der Zuschauer gilt zwar weiterhin als
Überlebender, muss dies aber mit dem schalen Beigeschmack seines durch den Film
beschädigten moralischen Eigenentwurfes quittieren. Er wird im wahrsten Sinne des Wortes
spürbar gegen seine eigene Moral ausgespielt.
Des Weiteren wurde am Beispiel des Kriegsfilms die formale Organisation des Mediums
besprochen, mit dem Ergebnis, dass die rauschhaften und nahezu tranceähnlichen Zustände,
die das Medium Film ermöglicht, den Zuschauer mitten in das Geschehen bringen, in Form
einer gesteigerten Realitätserfahrung. Hier zeigt sich, warum gerade der Film als Medium der
177
Sybille Krämer, Das Medium als Spur und als Apparat, in: Medien, Computer, Realität :
Wirklichkeitsvorstellungen und neue Medien, Frankfurt am Main, 1998, S. 73 - 94.

97
Gewaltdarstellung solche Genugtuung im Anblick des Todes bieten und im Zuschauer ein
Gefühl des Überlebens evozieren kann. Kriegsfilme wurden als Actionfilme in einem
anarchischen Raum interpretiert, denen der Gestus der Aufklärung lediglich zum Selbstzweck
zur Produktion hochästhetischer Gewaltbilder dient. Im Kriegsfilm wird ein legitimiertes
Massensterben geboten wie in keinem anderen Genre. Folglich müsste das Überlebensgefühl
beim Zuschauer im Betrachten dieser Filme seinen höchsten Grad erreichen, da sich dieses
nach Canetti proportional zur Menge an Toten steigert. Paul Virilio, der von einer
grundlegenden Osmose von Krieg und Kino ausgeht, konstatiert, dass „aus der kleinen Zahl
der überlebenden Zuschauer der Kämpfe die Masse der Überlebenden-Zuschauer wurde“178.
In Zusammenhang mit Canettis Beobachtungen und der daraufhin hier entwickelten These
würde dies bedeuten, dass eine kleine Anzahl von Menschen, die kriegerischen
Auseinandersetzungen mit eigenen Augen als Überlebende beiwohnten, im Heutigen ihr
Äquivalent in einer enorm großen Anzahl von Menschen findet, die als neue Form, als
indirektere Form der Überlebenden gelten: den Filmzuschauern. Außerdem geht Virilio davon
aus, wie weiter oben erläutert, dass die Stimuli in Anbetracht der Schlachtfelder realer Kriege
in den Film eingegangen sind. Der eigentliche Stimulus im Krieg ist für den Menschen die
Konfrontation mit der Grenzerfahrung des Todes. Das Stimulans kann sich allerdings nur aus
der Tatsache ergeben, dass der Betrachter des Todes als Überlebender das Schlachtfeld
verlässt, um überhaupt von den sich daraus ergebenden Stimuli Zeugnis abzulegen. So ist der
Betrachter des Krieges mit Canetti argumentiert ein Überlebender, und die Stimuli in
Anbetracht der Schlachtfelder dem Überlebensgefühl zuzurechnen. Auf diese Weise fügt sich
die Aussage Virilios bestätigend in die vorliegende Untersuchung ein. Virilio selbst kommt
auf das Überleben im Zusammenhang mit der Etablierung des Starkults zu sprechen. Er
konstatiert, dass mit der ersten Berichterstattung über das Ableben einer Schauspielerin aus
Publicitygründen im Jahr 1910 nicht nur der Starkult seine Geburtsstunde feierte, und damit
„die optische Illusion nicht mehr nur mit der Illusion des Lebens, sondern auch mit der des
Überlebens sich vermischte“179. So würde das Ableben von Schauspielern, das wiederum
selbst medial aufbereitet wird, noch eine zusätzliche Qualität hinsichtlich des
Überlebensgefühls erfahren. Denn mit dem Schauspieler stirbt an erster Stelle weniger die
reale Person, als im filmischen Universum die Rollen, die dieser verkörperte. Im Zuge der
medialen Aufbereitung solcher Todesfälle, werden im Rahmen der visuellen Verlautbarung
des Ablebens immer auch Szenen aus Filmen verarbeitet, in denen der nun Verstorbene in
seinen größten Rollen zu sehen ist. Der Zuschauer wird noch einmal auf die Vielzahl von
178
Virilio, Krieg und Kino, S. 145.
179
Ebenda, S. 54.

98
Charakteren hingewiesen, für die die Person des Schauspielers symbolisch stand. Somit
würde der Zuschauer nicht nur einen Menschen überleben, sondern gleich die Mehrzahl der
von dem Schauspieler verkörperten Figuren, durch die er überhaupt dem Zuschauer bekannt
wurde. Das wäre der Mehrwert, den dieser als Überlebender des Schauspielers erführe.
Der sog. Anti-Kriegsfilm kann seinem eigenen Anspruch also nicht gerecht werden. Darum
lässt sich dieser auch nicht zu den aufgeführten Gegenmodellen zählen. Was für diese gilt,
dass der Zuschauer im Sinne Canettis immer noch der Überlebende ist, lässt sich auch für
Hanekes Filme konstatieren. Allerdings hinterlassen diese den Zuschauer nicht nur mit einem
schalen Beigeschmack, dadurch dass ihm der Genuss an den exponierten Tötungen verdorben
wird, sondern sie versuchen den Zuschauer durch die in diesen radikal negierte Ästhetik selbst
zum Opfer zu machen. Der Zuschauer kann sich nicht mehr auf Seiten des Täters an dessen
Gewaltanwendung erfreuen, sondern wird auf die Seite der Opfer gestellt und gezwungen,
sich mit deren Qualen zu identifizieren. Somit würde sich der Zuschauer selbst auf Seiten der
Gefallenen befinden und könnte an keinem positiv gearteten Kraftgefühl im Sinne eines
Überlebensgefühls teilhaben. Der Zuschauer ist zwar nach wie vor rein physisch der
Überlebende des Films, psychisch allerdings zum Opfer geworden. Das Überlebensgefühl
selbst, wie Canetti es beschreibt, ist wesentlich ein Ereignis psychischer Natur, was die
Bezeichnung Gefühl ja schon vorgibt. Mit der Verkehrung der Zuschauerposition vom
Mittäter zum Mitopfer wäre dies dann folglich ausgehebelt, woran sich der eigentliche Wert
der Filme Michael Hankes messen ließe: als auf den Zuschauer wirkende Experimente, die
eine grundlegende Änderung in der psychischen Konstitution des Zuschauers beim Betrachten
von Gewalt evozieren. Ohne Zweifel kann auch Haneke nicht die von Sybille Krämer
erläuterte Unsichtbarkeit des Mediums völlig suspendieren. Allerdings bewerkstelligt er es
durch gezielte Störungen des Films im Film, wie anhand von Funny Games erläutert, diesen
für wenige Augenblicke sichtbar zu machen und als Apparatur in das Zentrum des Films zu
stellen. Diese Strategie offenbart sich als weitaus effektiver, entgegen der rein metaphorischen
Verweise, was sich an den Publikumsreaktionen bestätigen lässt.
Hinsichtlich der im Rahmen dieser Arbeit aufgestellten Thesen kann folgendes festgehalten
werden. Die These, dass der Zuschauer ein Überlebensgefühl in Anbetracht der in Filmen
dargestellten Morde und Gewalttaten erfährt, die auf Canettis philosophischen Überlegungen
fundiert, kann weder mit Bestimmtheit verifiziert noch falsifiziert werden. Sie erfährt in dem
Moment Geltung, wenn der Zuschauer als moderne Form der Hetzmasse in Canettis Sinne
anerkannt wird. Die Übereinstimmung zwischen dem Zeitungsleser, der mittels eines
Mediums an einer Tötung teilnimmt, und dem Filmzuschauer der seinerseits ebenfalls mittels

99
eines Mediums an einer Tötung teilnimmt, scheint gegeben. Auch der von Canetti
beschriebene Schauwert, aus dem das Überlebensgefühl in milderer Form resultiert, trifft
hinsichtlich des Filmbetrachters zu. Dass hier der Unterschied zwischen einer real
aufgearbeiteten und einer fiktiven Tötung obsolet wird, da sich beide dem Betrachter in Form
eines medialen Konstrukts offenbaren, wurde mehrfach erläutert, so dass sich hieraus kein
Widerspruch für die Argumentation ergibt. Die Problematik, dass sich die These nicht
eindeutig belegen lässt, resultiert aus dem Umstand, dass Canetti selbst seine Überlegungen
nicht eindeutig beweist, sondern aufgrund von Beobachtungen diese spekulativ ableitet.
Möchte man also die These vom Überlebensgefühl verifizieren, müssten zunächst einmal
Canettis Überlegungen verifiziert werden, und, da diese im weiteren Kontext seines
Hauptwerkes Masse und Macht aufgehen, dieses gleich mit. Dass einem solchen Vorgehen im
Rahmen dieser Arbeit nicht entsprochen werden konnte, erklärt sich von selbst, besonders da
Canettis Annahmen selbst wissenschaftlich umstritten sind, zumal selbige wesentlich im
psychologischen Bereich zu verorten sind und die Frage nach der conditio humana mit
einschließen. Canettis Überlegungen basieren grundlegend auf der Betrachtung von
archaischen Verhaltensmustern des Menschen, die er in Teilaspekten und abgewandelter
Form in den modernen Gesellschaften enthalten begreift. Diese Argumentationsbasis hat ihm
selbst wiederholt den Vorwurf der Enthistorisierung eingebracht. Darum wurde die These
vom Überlebensgefühl hier auch als philosophisches Axiom definiert.
Die zweite These, dass Gewalt in Filmen allgemein Rechtfertigung erfährt, diese durch
verschiedene inhaltliche wie formale Legitimationsmechanismen überhaupt erst konsumierbar
wird, und dass der Zuschauer auf selbige angewiesen ist, damit er an den dargestellten
Gewaltakten in positiver Form partizipieren kann, scheint zuzutreffen und ist anhand einer
Vielzahl filmischer Beispiele wie auch Publikumsreaktionen bewiesen worden. Gerade die
Herausbildung solch vehementer Rechtfertigungsstrukturen und die Tatsache, dass bei deren
Wegfall ein filmischer Mord grundlegend anders wahrgenommen wird, obwohl sich an dem
reinen Umstand, dass ein Mensch zu Tode kommt und der Zuschauer diesem Tod beiwohnt,
nichts ändert, verweisen eben auf eine tiefere Bedeutung der visualisierten Tötungen im Film
für den Zuschauer, entgegen der allgemeinen Annahme, es handele sich lediglich um einen
Oberflächenreiz, eine sinnliche Sensation. Denn wäre der Reiz wirklich nur oberflächlicher
Natur, ginge dieser relativ schnell verloren. Die Filmgeschichte kann hier selbst als
Kronzeuge für die Beständigkeit der Zuschauerlust auf Mordvisualisierungen, die bereits von
der Geburtsstunde des Spielfilms an in selbigem zelebriert wurden und schließlich in einer
beharrlichen Serialität mündeten, aufgerufen werde. Der Beweis der zweiten These lässt dann

100
auch den Rückschluss auf erstere zu, da Canetti die Annahme des Vorhandenseins eines
Überlebensgefühls in Form eines positiven Kraftgefühls als furchtbaren Sachverhalt
klassifiziert, der auf jede Weise verschleiert wird. Die Legitimationen der Filmmorde
entsprechen der postulierten Verschleierung. So würde die von Haneke betriebene
Verweigerung der Legitimationen als Beweis ex negativo für Canettis Annahme gelten.

Nachwort und eine abschließende Warnung

Im Rahmen dieser Arbeit kam dem Begriff der Serialität ein hoher Stellenwert zu, als ein
Mechanismus der stetigen Wiederholung kaum variierender Inhalte von Gewalt darstellenden
Filmen, woraus abgeleitet wurde, dass wohl kaum noch die Geschichte von eigentlichem
Interesse ist, sondern wesentlich die in dieser exponierte Gewalt. Der Begriff Serialität geht
wesentlich auf Walther Benjamin und seinen Aufsatz über technische Reproduzierbarkeit180
zurück. In diesem beschreibt er, wie sich nicht nur das Verhältnis der Masse zur Kunst im
Zuge der Reproduktion verändert, sondern wie auch vice versa der
Reproduktionsmechanismus das Verhältnis der Massen zu sich selbst verändert. Benjamin
macht in diesem Prozess eine Korruption des Klassenbewusstseins aus und verweist auf die
Nähe des Mediums Film zum Faschismus, der dieses gezielt zur Stabilisierung der
überkommenen Herrschaftsverhältnisse nutzt. Der Ansatz Benjamins, der noch stark
marxistisch-materialistischer Orientierung ist, radikalisiert sich in Adornos Aufsatz über die
Kulturindustrie181. Auch er sieht die Nähe der industriell produzierten Kulturgüter, deren
Bestandteil der Film ist, zum Faschismus gegeben und provoziert durch die Verortung der
propagandistischen Mittel des deutschen Faschismus in der amerikanischen Kulturindustrie.
Für ihn entspricht der Betrug am Kunstwerk, der sich aus den veränderten
Produktionsverhältnissen eines solchen ergibt, einem Betrug an den Massen. Adornos
Ausführungen zur Folge ist das Kunstwerk im Kapitalismus ideologisch aufgeladen, womit
die Instrumentalisierung der Kunst, als ein Erzeugnis der industriellen Kulturproduktion,
einhergeht. Das Kunstwerk steht also nicht mehr im Dienste der Wahrheitsfindung, sondern
dient an erster Stelle dem Ideologietransport und der damit einhergehenden Unterdrückung
der Massen, auf dass diese ihrer Unmündigkeit innerhalb der Warengesellschaft mit Freuden
zustimme. So wird schließlich auch der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und

180
Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.
181
Vgl. Theodor W. Adorno, Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug in: Theodor W. Adorno, Max
Horkheimer, Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main 2003.

101
Faschismus hergestellt. Der Fokus liegt hier jedoch immer noch auf der ideologischen
Erziehung der Massen zu Käufern, die den hergestellten 'Schund', wie er dieses
Kulturerzeugnisse nennt, ohne Aufbegehren kaufen und konsumieren sollen. Die von Adorno
beschriebene Totalität der Kulturindustrie mutet in Anbetracht der heutigen Monstrosität der
Massenmedien, die, wie im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit aufgezeigt, mittlerweile alle
öffentlichen und privaten Bereiche durchsetzt, nahezu untertrieben an. Hans Magnus
Enzensberger entmaterialisiert Benjamins und Adornos Ansätze schließlich vollends, indem
er schlussfolgert, dass die kommerzielle Kritik gegenstandslos ist, da letzten Endes kein
Handel mehr mit Waren stattfindet, sondern mit rein immateriellen Produkten gehandelt wird,
nämlich mit Meinungen bzw. Ideologien182. Diese fasst er unter dem Begriff Bewusstseins-
Inhalte zusammen, die in allen medialen Sparten produziert werden. Enzensberger zu Folge
muss Bewusstsein durch Induktion erst geschaffen werden, damit es dann ausgebeutet werden
kann. Die Funktion der Bewusstseins-Industrie sieht er klar in der Stabilisierung der
ökonomischen Verhältnisse, also der Herrschaft des Kapitalismus, begründet.
Was hat dies alles nun mit dem Thema Gewalt im Film zu tun? Es konnte festgestellt werden,
dass die Akte der Gewaltdarstellungen durch die Legitimationsmechanismen und ihre stetige
Wiederholung im Zuge der Serialität ihren Schrecken verlieren und der Gewalt ein extrem
hoher Unterhaltungswert innerhalb der Gesellschaft zukommt. Es wurde ferner versucht
darauf hinzuweisen, dass die Rechtfertigung fiktiver Gewalt auch auf reale Gewaltakte
ausgeweitet wird, indem die in Filmen konstruierten Codes z.B. für das Heldentum, in denen
die Mythologie einer konstruktiven, die Ordnung stabilisierenden Gewalt aufgeht, auch
innerhalb von Nachrichten Verwertung finden, etwa in der Darstellung des Soldaten als
Helden. Dies wurde als eine spezifisch ideologische Gewalt, die von den Medien ausgeht,
klassifiziert. Der Verdacht liegt nun nahe, dass die eingeübten Legitimationen der Gewalt, als
Gewaltakt selbst, das Bewusstsein des Zuschauers auf eine politische Unmündigkeit hin
verändert. Oder simpler formuliert: der Zuschauer wird in seiner Konstitution als
Medienbürger durch die Medien bewusst zu einer Akzeptanz realer Gewaltanwendungen von
staatlicher Seite konditioniert. Das von Haneke konstatierte Nebeneinander fiktiver wie realer
Gewaltbilder, deren eigentlicher Gehalt nicht mehr hinterfragt wird, zeugt eben von diesem
Prozess. Gewalt ist zudem ein Verkaufsschlager, Genres wie der Actionfilm sind die
profitstärksten innerhalb der Filmindustrie, was bedeutet, dass diese eine immens hohe Zahl
von Menschen ansprechen und erreichen. Das Medium Film würde in diesem Zusammenhang

182
Vgl. Hans Magnus Enzensberger, Einzelheiten I, Frankfurt am Main 1967 (4.Aufl.).

102
als hervorragender Transporteur von Ideologien Geltung erlangen183. Nicht umsonst hat Béla
Balázs bereits 1930 geschrieben, dass „die Ideologie des Films aufzudecken, sie auf die
ökonomischen und sozialen Wurzeln zurückzuführen, eine lohnende Arbeit wäre“184.
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass auf der Folie von Gewaltdarstellungen eine Vielzahl
von systemstabilisierenden und damit auch herrschaftsstabilisierenden (wenn man geneigt ist,
Kapitalismus als Herrschaftssystem anzuerkennen) Ideologien transportiert werden, und der
Zuschauer zunehmend die Differenzierungsmöglichkeiten im Zuge der Konditionierung durch
den seriellen Prozess verliert. Mit anderen Worten soll schlicht davor gewarnt werden, dass
uns früher oder später alles Dargestellte gleich zur Unterhaltung verkommt und damit auch
alles gleich akzeptiert wird. Im Wesentlichen ist es die gleiche Warnung, die Neil Postman
am Ende seines Buches Wir amüsieren uns zu Tode mit den abschließenden, auf Aldous
Huxleys Dystopie Brave New World basierenden, Worten formuliert: „Die Menschen in
Schöne neue Welt leiden nicht daran, dass sie lachen, statt nachzudenken, sondern daran, dass
sie nicht wissen, worüber sie lachen und warum sie aufgehört haben nachzudenken.“185
Darum ist es von größter Wichtigkeit, den Blick zu schärfen und genau zu hinterfragen, was
wir da eigentlich täglich sehen, und was die Bildbotschaften der Gewalt im Kern
transportieren. Aus diesem Grund ist „die Beschäftigung mit Gewalt und ihrer Darstellung
daher auch ein Testfall für eine Geisteswissenschaft geworden, die gerade dabei ist, sich als
Kulturwissenschaft neu zu erfinden“ 186.

183
„Film ist sowohl Kunstgegenstand als auch profitorientiertes Industrie- und Ideologieprodukt.“ Ralf Schnell,
Gewalt im Film, S. 111.
184
Béla Balázs, Der Geist des Films, S. 146.
185
Postman, Wir amüsieren uns zu Tode, S. 198.
186
Groebner, Ungestalten, S. 165.

103
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104
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105
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Internetseiten:

http://www.schnittberichte.com/

http://www.slashfilm.com/

http://www.insidekino.com/

106
Filmografie

Filme sortiert nach a) Regisseuren b) Erscheinungsjahr

Abkürzungsverzeichnis
R = Regie, B = Buch, K = Kamera, M = Musik, S = Schnitt, P = Produktion

C'est arrivé près de chez vous (Man bites dog)


Belgien 1992, schwarzweiss, 35mm, 95 Min.
R: Rémy Belvaux, André Bonzel, Benoît Poelvoorde B: Rémy Belvaux, André Bonzel,
Benoît Poelvoorde, Vincent Tavier K: André Bonzel M: Jean-Marc Chenut, Laurence
Dufrene S: Rémy Belvaux, Eric Dardill, P: Rémy Belvaux, André Bonzel, Benoît Poelvoorde

No Country for Old Men


USA 2007, Farbe, 35mm, 122 Min.
R: Ethan Coen, Joel Coen B: Ethan Coen, Joel Coen K: Roger Deakins M: Carter Burwell S:
Ethan Coen, Joel Coen P: Ethan Coen, Joel Coen, Robert Graf, Mark Roybal

Apocalypse Now
USA 1976-79, Farbe, 35mm, 153 Min. / 202 Min. (Redux Version)
R: Francis Ford Coppola B: Francis Ford Coppola, John Milius K: Vittorio Storaro M:
Francis Ford Coppola, Carmine Coppola S: Lisa Fruchtman, Gerald P: Francis Ford Coppola

Rambo: First Blood Part II


USA 1985, Farbe, 35mm, 97 Min.
R: George P. Cosmatos B: Sylvester Stallone, James Cameron K: Jack Cardiff S: Larry
Bock, Mark Goldblatt, Mark Helfrich, Gib Jaffe, Frank E. Jimenez M: Jerry Goldsmith P:
Buzz Feitshans, Mario Kassar, Andrew G. Vajna

A History of Violoence
USA / Deutschland 2005, Farbe, 35mm, 96 Min.
R: David Cronenburg B: Josh Olson K: Peter Suschitzky M: Howard Shore S: Ronald
Sanders P: Kent Alterman, Cale Boyter, Josh Braun

Rambo: First Blood Part III


USA 1988, Farbe, 35 mm, 101 Min.
R: Peter MacDonald B: Sylvester Stallone, Sheldon Lettich K: John Stanier S: O. Nicholas
Brown, Andrew London, James R. Symons, Edward Warschilka M: Jerry Goldsmith P: Buzz
Feitshans, Mario Kassar, Andrew G. Vajna

Flags of our Fathers


USA 2006, Farbe, 35mm, 132 Min.
R: Clint Eastwood B: William Broyles Jr., Paul Haggis K: Tom Stern S: Joel Cox M: Clint
Eastwood P:

Letters from Iwo Jima


USA 2006, Farbe, 35 mm, 141 Min.
R: Clint Eastwood B: Iris Yamashita K: Tom Stern S: Joel Cox, Gary Roach M: Kyle
Eastwood, Michael Stevens P: Clint Eastwood, Paul Haggis, Robert Lorenz, Steven Spielberg

107
Crying Freeman
Canada / France / Japan / USA 1997, Farbe, 35mm, 102 Min.
R: Christophe Gans B: Christophe Gans, Thierry Cazals K: Thomas Burstyn M: Patrick
O'Hearn S: Christopher Roth, David Wu P: Victor Hadida, Takashige Ichise

Benny's Video
Österreich / Schweiz 1992, Farbe, 35 mm, 105 Min.
R: Michael Haneke B: Michael Haneke K: Christian Berger M: Johann Sebastian Bach S:
Marie Homolkova P: Bernard Lang, Veit Heiduschka,

71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls


Österreich / Deutschland 1993/94, Farbe, 35 mm, 99 Min.
R: Michael Haneke B: Michael Haneke K: Christian Berger S: Marie Homolkova P: Veit
Heiduschka

Funny Games
Österreich 1997, Farbe, 35mm, 108 Min.
R: Michael Haneke B: Michael Haneke K: Jürgen Jürges M: John Zorn S: Andreas
Prochaska P: Veit Heiduschka

Die Klavierspielerin
Österreich / Frankreich 2001, Farbe, 35mm, 130 Min.
R: Michael Haneke B: Michael Haneke K: Christian Berger S: Monika Willi, Nadine Muse
P: Michael Katz, Yvon Crenn

Caché
Österreich / Frankreich / Deutschland / Italien 2005, Farbe, 35mm, 117 Min.
R: Michael Haneke B: Michael Haneke K: Christian Berger S: Michael Hudecek, Nadine
Muse P: Veit Heiduschka, Michael Weber, Valerio De Paolis

Die Hard 2: Die Harder


USA 1990, Farbe, 35mm, 124 Min.
R: Renny Harlen B: Steven E. de Souza, Doug Richardson K: Oliver Wood M: Michael
Kamen S: Robert A. Ferretti P: Lloyd Levin, Michael Levy

Full Metal Jacket


USA 1987, Farbe, 35mm, 116 Min.
R: Stanley Kubrick B: Stanley Kubrick, Michael Herr, Gustav Hasford K: Douglas Milsome
S: Martin Hunter M: Vivian Kubrick P: Jan Harlan, Stanley Kubrick

Henry: Portrait of a Serial Killer


USA 1986, Farbe, 16mm, 83 Min.
R: John McNaughton B: Richard Fire, John McNaughton K: Charlie Lieberman M: Ken
Hale, Steven A. Jones, Robert McNaughton S: Elena Maganini P: Malik B. Ali, Waleed B.
Ali

The Wild Bunch


USA 1969, Farbe, 35mm, 145 min (1995 re-release)
R: Sam Peckinpah B: Roy N. Sickner, Walon Green, Sam Peckinpah K: Lucien Ballard M:
Jerry Fielding S: Lou Lombardo P: Phil Feldman

108
Straw Dogs
USA 1971, Farbe, 35 mm, 118 Min.
R: Sam Peckinpah B: Gordon Williams, Sam Peckinpah K: John Coquillon M: Jerry Fielding
S: Paul Davies, Tony Lawson, Roger Spottiswoode P: Daniel Melnick

Das Boot
Deutschland 1981, Farbe, 35mm, 293 Min. (uncut version)
R: Wolfgang Petersen B: Wolfgang Petersen K: Jost Vacano S: Hannes Nikel M: Klaus
Doldinger P: Günter Rohrbach

Airforce One
USA / Deutschland 1997, Farbe, 35mm, 124 Min.
R: Wolfgang Petersen B: Andrew W. Marlowe K: Michael Ballhaus M: Jerry Goldsmith S:
Michael Ballhaus P: Marc Abraham, Thomas A. Bliss

The Great Train Robbery


USA 1903, s/w, 35mm, 12 Min.
R: Edwin S. Porter B: Scott Marble K: Edwin S. Porter, Blair Smith

Falling Down
USA 1993, Farbe, 35mm, 113 Min.
R: Joel Schumacher B: Ebbe Roe Smith K: Andrzej Bartkowiak
M: James Newton Howard S: Paul Hirsch P: Arnold Kopelson, Arnon Milchan

Taxi Driver
USA 1975/76, Farbe, 35mm, 114 Min.
R: Martin Scorcese B: Paul Schrader K: Michael Chapman M: Bernard Hermann S: Tom
Wolf, Melvin Schapiro P: Phillip M. Goldfarb, Julia Phillips, Michael Phillips

Cape Fear
USA 1991, Farbe, 35 mm, 128 Min.
R: Martin Scorcese B: John D. MacDonald K: Freddie Francis M: Elmer Bernstein, Emilie
A. Bernstein S: Thelma Schoonmaker P: Barbara De Fina

Platoon
USA 1986, Farbe, 35mm, 120 Min.
R: Oliver Stone B: Oliver Stone K: Robert Richardson S: Claire Simpson M: Georges
Delerue P: John Daly, Derek Gibson

Die Hard
USA 1988, Farbe, 35mm, 131 Min.
R: John McTiernan B: Jeb Stuart, Steven E. de Souza K: Jan de Bont M: Michael Kamen S:
John F. Link, Frank J. Urioste P: Charles Gordon

Last Action Hero


USA 1993, Farbe, 35mm, 130 Min.
R: John McTiernan B: Shane Black, David Arnott K: Dean Semler M: Michael Kamen S:
Richard A. Harris, John Wright P: Arnold Schwarenegger, John McTiernan

Die Hard 3: With a Vengeance


USA 1995, Farbe, 35mm, 131 Min.

109
R: John McTiernan B: Jonathan Hensleigh K: Peter Menzies Jr. M: Michael Kamen S: John
Wright P: Buzz Feitshans, Robert Lawrence

Die Hard 4: Live Free or Die Hard


USA 2007, Farbe, 35mm, 130 Min.
R: Len Wiseman B: Mark Bomback K: Simon Duggan M: Marco Beltrami S: Nicolas De
Toth P: Arnold Rifkin, William Wisher Jr.

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