Um die Evolution des Open-World-Konzepts besser nachvollziehen zu können, müssen wir mehr als 45 Jahre in die Vergangenheit springen. Genauer gesagt ins Jahr 1975. Damals schreibt William Crowther, bekennender Hobby-Höhlenforscher und gelernter Informatiker, ein Programm für den Minicomputer PDP-10, das Nutzern in Textform ermöglicht, das weltbekannte Mammoth-Cave-Höhlensystem im US-Bundesstaat Kentucky zu besuchen. Der damals geschiedene Crowther will auch seine beiden Töchter – die mittlerweile bei der Mutter leben – für sein Programm begeistern, weshalb er sich entschließt, dem Ganzen eine spielerische Komponente hinzuzufügen. Also ergänzt er nicht nur einen roten Storyfaden, sondern auch von Dungeons & Dragons inspirierte Fantasy-Elemente wie Zauber, Zwerge und Schätze. Weil man sich in der Welt von Colossal Cave Adventure, das ab 1977 von Programmierer Don Woods massiv erweitert wird, mittels Parser-Befehlen frei bewegen kann, stufen es viele in der Spieleindustrie als eines der allersten Open-World-Games überhaupt ein. Colossal Cave Adventure schlägt schnell große Wellen, vor allem auch in der Entwicklerszene. Als Atari-Programmierer Warren Robinett das Text-Abenteuer beim Besuch des Stanford Artificial Intelligence Laboratory erstmals sieht, ist er ebenfalls direkt Feuer und Flamme und setzt sich in den Kopf, das Spiel von einem Textkorsett zu befreien und in grafischer Form umsetzen. Das Ergebnis seiner Bemühun-gen heißt Adventure und gibt Atari-2600-Besitzern 1980 die Aufgabe, einen magischen Kelch in einer labyrinthartigen, von drei gefährlichen Drachen bewachten Welt zu lokalisieren. Gelingt dies der nur als Quadrat dargestellten Spielfigur, muss das Gefäß noch in den sogenannten Goldenen Palast befördert werden. Sich einen Weg durch die offen angelegte, gerade mal vier Kilobyte große Welt von Adventure zu bahnen, macht großen Spaß, beflügelt die Fantasie der Spieler und beschert Atari über eine Million verkaufte Module. Eine für damalige Zeitmaschine zu finden, um so zu verhindern, dass ein finsterer Zauberer Unsterblichkeit erlangt und die Menschheit unterjocht. Das noch mittels Textkommandos gesteuerte Ultima entpuppt sich als wegweisendes Rollenspiel-Epos, ist eines der ersten Spiele mit Outdoor-Setting sowie NPC-Gesprächen und legt den Grundstein für eine Saga, der Garriott bis einschließlich 1999 noch acht weitere Teile spendiert – alle ebenfalls mit offener Welt als Grundlage. Hervorzuheben ist dabei insbesondere Ultima 6: The False Prophet (1990), zumal Garriott und sein Team bei Origin Systems hier sowohl die Oberwelt als auch die darin befindlichen Dungeons, Burgen und Städte auf einer einzigen, 1024 x 1024 Kacheln großen Karte mit identischem Maßstab vereinen. Zum Vergleich: In den Ultima-Spielen zuvor waren diese Orte jeweils als Sub-Karten dargestellt, die sich erst dann öffneten, wenn man die dazugehörige Kachel in der Oberwelt betrat.
VON ADVENTURE BIS GTA 5: DIE EVOLUTION DER OPEN-WORLD-SPIELE
Feb 10, 2022
14 minutes
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