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Mechanische Verfahrenstechnik
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eBook538 Seiten3 Stunden

Mechanische Verfahrenstechnik

Von Wiley

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Über dieses E-Book

Auf dem neuesten Stand - die Mechanische Verfahrenstechnik. Die Gliederung des Buches: - Charakterisierung disperser Systeme, - Feststoff/ Fluid-Str mungen, - Mechanische Trennverfahren, - Zerkleinern, - Agglomerieren, - Mischen, - Lagern von Sch ttg tern, - Hydraulischer und pneumatischer Transport, - Moderne Behandlung und Betrachtung der wichtigsten Gebiete der Partikeltechnik. Die Besonderheit dieses Fachgebietes liegt darin, dass in fast allen Verfahren der stoffwandelnden Industrie mechanische Prozesse mit Partikelsystemen eine herausragende Rolle spielen. Und dies bei einer au ergew hnlichen Heterogenit t der Stoffsysteme und Partikelgr en, die acht Zehnerpotenzen umfassen. In Anbetracht der Komplexit t und Spannbreite des Gebietes finden Praktiker in der Industrie, Studenten und Dozenten der Technischen Chemie, der Verfahrenstechnik und des Chemieingenieurwesens in dieser Auskoppelung aus Winnacker-K chler, Band 1 (Wiley-VCH, 2004), eine kompetente Einf hrung aus der Feder von Experten.
SpracheDeutsch
HerausgeberWiley
Erscheinungsdatum21. Mai 2012
ISBN9783527663583
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    Buchvorschau

    Mechanische Verfahrenstechnik - Wiley

    1

    Einführung

    Die Verfahrenstechnik befasst sich mit der industriellen Umwandlung von Ausgangsstoffen in einer Folge physikalischer, chemischer oder biologischer Prozesse zu verkaufsfähigen Zwischen- oder Endprodukten. Um Stoffe wandeln zu können, ist Energie in Form von Wärme oder mechanischer Energie erforderlich. Darüber hinaus nutzt man die Möglichkeit der chemischen Umwandlung sowie die Fähigkeit von Mikroorganismen, Stoffe zu wandeln.

    Alle verfahrenstechnischen Prozesse lassen sich in Grundoperationen (unit operations) zerlegen. Dies hat zunächst den Vorteil, dass man die Gesetzmäßigkeiten der stoffwandelnden Vorgänge losgelöst von einem bestimmten Stoffsystem behandeln kann. Die Zusammenfügung der Einzelschritte zum Prozess ist Aufgabe der Systemverfahrenstechnik, die insbesondere die dynamische Aufeinanderfolge der Teilschritte umzusetzen hat. Hier finden sich dann wichtige Verknüpfungen mit der Mess-, Regel- und Automatisierungstechnik.

    Die mechanische Verfahrenstechnik umfasst insbesondere Trennverfahren zwischen Feststoffen und Fluiden (Abschnitt 4), Mischvorgänge (Abschnitt 7), Zerkleinerungs- und Agglomerationsprozesse (Abschnitte 5 und 6), die Schüttguttechnik (Abschnitt 8) und den Transport von Feststoffen (Abschnitt 9). Für die Charakterisierung und Bewertung dieser Verfahrensschritte spielt die Partikelgrößenanalyse (Abschnitt 2.2) eine herausragende Rolle. Da in der mechanischen Verfahrenstechnik an fast allen Prozessen – bei nur wenigen Ausnahmen – feste Partikeln beteiligt sind, ist die Charakterisierung disperser Systeme eine der wichtigsten Aufgaben der Verfahrenstechnik (Abschnitt 2), weil die Eigenschaften von Produkten nicht nur durch ihre chemische Zusammensetzung sondern ebenso durch ihre physikalischen Größen bestimmt werden. Die Feststoffverfahrenstechnik, die hier behandelt wird, umfasst alle Verfahrensschritte einer Prozesskette, von der Entstehung des Feststoffes durch Kristallisation, Fällung oder Kondensation über die Formulierung bis hin zur Anwendung. Dabei werden die dispersen Systeme gezielt oder ungewollt verändert. Dies betrifft insbesondere den Dispersitätszustand. Durch Zerkleinern wird die Größe von Partikeln verringert, durch Agglomeration entstehen größere Partikelverbände. Durch Mischen oder Trennen wird die Häufigkeitsverteilung der unterschiedlichsten Merkmale verändert. Viele physikalische Eigenschaften, z. B. die Festigkeit oder das Haftverhalten von Partikeln ändern sich mit dem Dispersitätszustand. Im Kollektiv äußert sich der disperse Zustand in der Schüttgutdichte, im Fließverhalten von Schüttgütern oder in ihrer Durchströmbarkeit. Um dieses Verhalten zu beschreiben, müssen die physikalischen Eigenschaften der Feststoffe, z. B. Größe, Form und Festigkeit bekannt sein, wobei die Charakterisierung disperser Systeme auch die Ausgangs-, Zwischen- oder Endprodukte umfasst.

    HANS RUMPF hat in seiner Veröffentlichung »Über die Eigenschaften von Nutzstäuben« [1.1] die Zusammenhänge zwischen Dispersitätseigenschaften und Produkteigenschaften beschrieben. An Beispielen wird aufgezeigt, wie die Produkteigenschaften – Produktzustand und Produktverhalten – disperser Systeme von physikalischen Partikeleigenschaften abhängen. RUMPF nannte den funktionalen Zusammenhang »Eigenschaftsfunktion« (Abb. 1.1).

    Die Produkteigenschaften gliedern sich in drei Kategorien: Wirkung, Applizierbarkeit und Herstellbarkeit. Nur die ersten beiden Klassen sind für den Endverbraucher/Anwender relevante Qualitätsmerkmale; verarbeitungstechnische Eigenschaften interessieren dagegen nur den Hersteller. Im Folgenden sind Beispiele der unterschiedlichen Kategorien von Anwendungs- und Verarbeitungseigenschaften sowie Dispersitätseigenschaften aufgeführt.

    Zu den Produkteigenschaften zählen:

    Anwendungseigenschaften: Bioverfügbarkeit, Farbe, Geschmack, Festigkeit, Aktivität eines Katalysators

    Verarbeitungstechnische Eigenschaften: Fließfähigkeit, Haftverhalten, Mischbarkeit, Filtrierverhalten, Abscheideverhalten, Verdampfungsgeschwindigkeit

    Die Dispersitätseigenschaften umfassen:

    Partikelgröße, Partikelform, Porosität, Festigkeit, Kristallinität.

    Prozesse der mechanischen Verfahrenstechnik zielen auf eine Veränderung der Partikeleigenschaften oder des Mischungszustandes hin. Die für die Charakterisierung disperser Systeme besonders wichtige Partikelmesstechnik dient dem Erfolgsnachweis der Maßnahmen in den einzelnen Prozessen, wobei der Erfolg eines jeden Prozesses selbst entscheidend vom dispersen Zustand bestimmt wird, zum Beispiel:

    mit abnehmender Partikelgröße lassen sich Stoffe schwieriger zerkleinern und schwerer abscheiden

    mit abnehmender Partikelgröße lassen sich Stoffe schneller verdampfen

    Abb. 1.1 Eigenschaftsfunktionen

    c01.image001.jpg

    Die Prozesse lassen sich nach dem in Tabelle 1.1 gezeigten Schema ordnen, je nachdem, ob mit ihnen eine Änderung des Dispersitätszustandes, der Zusammensetzung bzw. des Mischungszustandes oder des Ordnungszustandes verbunden ist [1.2].

    Beim Trennen, Mischen und insbesondere beim Fördern treten häufig ungewollt Veränderungen durch Abrieb oder Agglomeration auf. Zur Bestimmuung des Abriebs oder der Agglomeration werden die gleichen Messmethoden genutzt.

    Die Elemente einer dispersen Phase bestehen aus: festen (Suspensionen, Aerosole), flüssigen (Emulsionen) oder gasförmigen (Blasen, Schäume) Partikeln. Die Elemente können durch verschiedene Merkmale charakterisiert werden, z. B. Größe, Form, Festigkeit, Struktur, Farbe, Porosität oder Homogenität. Die Merkmale sind immer verteilt. Die Elemente können verschieden angeordnet sein, als Primärpartikel, Agglomerate, unregelmäßige Flockungsstrukturen oder geordnete Strukturen. Diese Merkmale sind für die Produkteigenschaften entscheidend.

    Ein Beispiel aus der Chemie soll die Bedeutung mechanischer Prozesse in der verfahrenstechnischen Industrie unterstreichen: Von den in der Chemie produzierten Produkten sind mehr als 50% disperser Natur. Von den übrigen durchlaufen viele während der Produktion einen dispersen Zustand.

    Neue Aspekte kommen im Bereich nanoskaliger Partikeln hinzu. Die unterschiedlichen Herstellverfahren nanoskaliger Produkte über Flammsynthese, Verdampfung und Kondensation, Fällung, Kristallisation, Sol-Gel-Verfahren oder Zerkleinerung erfordern neue Messtechniken, die der Schnelligkeit der Prozesse gerecht werden und besonders die Wechselwirkungskräfte mit erfassen. Diese Wechselwirkungskräfte bestimmen in diesem Größenbereich das Produktverhalten wesentlich. Dies gilt sowohl für die Herstellung der Partikeln als auch für ihre Handhabung.

    Die Besonderheit der mechanischen Verfahren ist darin begründet, dass die in den unterschiedlichsten Prozessen auftretenden Partikelgrößen acht Zehnerpotenzen umfassen können. Darüber hinaus bestehen die Feststoffpartikel häufig aus mehreren Komponenten, aus vielen Kristalliten einer Komponente oder es sind Agglomerate, die durch schwache Bindungskräfte (kapillare Haftkräfte, van-der-Waals-Kräfte, elektrostatische oder magnetische Kräfte) zusammengehalten werden. Eine derartige Heterogenität der Stoffsysteme liegt in anderen Bereichen der Verfahrenstechnik nicht vor.

    Tab. 1 Grundoperationen der mechanischen Verfahrenstechnik

    c01.image002.jpg

    Im Folgenden kann nur eine Einführung in die mechanische Verfahrenstechnik gegeben werden, für eine umfassende Darstellung siehe [1.2]–[1.5].

    2

    Charakterisierung disperser Systeme

    2.1 Eigenschaften disperser Systeme

    2.1.1 Ziel einer Charakterisierung

    Ziele der Charakterisierung disperser Systeme sind:

    – die Auswirkung mechanischer Prozesse zu beurteilen; d.h. die dispersen Eigenschaften der Ausgangs-, Zwischen- und Endprodukte sowie der Reststoffe in ihren jeweiligen Systemen zu erfassen.

    – Prozesse reproduzierbar zu führen, d.h. die für die Prozessführung relevanten Parameter zu identifizieren,

    – die Umfeldbedingungen (Prozessluft, Emissionen) zu erfassen,

    – Prozesse besser zu verstehen, d. h. zur Modellbildung beizutragen.

    2.1.1.1 Eigenschaftsfunktion – Produktmodell

    Bei der Anwendung disperser Systeme werden bestimmte Produkteigenschaften erwartet. In den Prozessen der mechanischen Verfahrenstechnik werden die Dispersitätseigenschaften gezielt eingestellt, die dann die angestrebten Produkteigenschaften zur Folge haben (Eigenschaftsfunktion [2.24]).

    Die Ermittlung von Eigenschaftsfunktionen beinhaltet sowohl die Messung bestimmter Dispersitätseigenschaften, als auch die Erfassung von Produkteigenschaften, wie zum Beispiel die Messung der Bioverfügbarkeit und der Fließfähigkeit. Diese Produkteigenschaften werden von den einschlägigen Industriezweigen meist auf Basis empirischer Optimierung verarbeitungs- und anwendungsbezogen bestimmt. Im Folgenden werden einige Eigenschaftsfunktionen beispielhaft aufgeführt:

    Für die Beurteilung eines Zements beispielsweise wird die Druckfestigkeit eines Zementleimwürfels nach 2 beziehungsweise 28 Tagen Aushärtezeit gemessen. Als Maß für die Dispersitätseigenschaft hat sich neben der Partikelgrößenverteilung die spezifische Oberfläche etabliert.

    Mit zunehmender Feinheit des Zements nimmt die Endfestigkeit des Zementleimwürfels zu. Dabei spielt nicht nur die mittlere Partikelgröße eine Rolle, sondern auch die Verteilungsbreite: je enger die Verteilung, desto höher ist die Festigkeit. Da Zement ein Massenprodukt ist, ist diese Eigenschaftsfunktion bereits früh sehr intensiv untersucht worden [2.1].

    Für die verschiedenen Betongüteklassen sind unterschiedliche Kiesmischungen vorgeschrieben, eine Eigenschaftsfunktion im Grobdispersbereich, die an jeder Betonmischstation umgesetzt wird.

    Für die Messung der Bioverfügbarkeit von Vitaminen wird beispielsweise der Gehalt an Wirkstoff im Blut gemessen. Abbildung 2.1 zeigt die Bioverfügbarkeit von Provitamin A (β-Carotin), gemessen als Gehalt von β-Carotin im Blut von Kälbern, als Funktion der Zeit, nach einer einmaligen Darreichung. Erst Nanopartikeln erreichen die gewünschte Wirkung, wobei der Einfluss des amorphisierten Zustandes dem der Partikelgrößenverteilung in diesem Fall überlagert ist und möglicherweise dominiert.

    Für die optische Wirkung eines Farbpigmentes (Abb. 2.2), wird die Koloristik nach Dispergierung und Applizierung eines Lackes gemessen. Optimale Farbstärke und Deckkraft eines Pigmentes werden bei unterschiedlichen Partikelgrößen erreicht.

    Abb. 2.1 Bioverfügbarkeit von β-Carotin nach einer einmaligen Dosis von 6 mg kg−3 bei Kälbern [2.2]

    c02.image001.jpg

    Abb. 2.2 Partikelgröße und optische Wirkung von organischen Pigmenten (schematisch)

    c02.image002.jpg

    Entscheidend ist neben den Prozessen der Dispergierung, der Zerstäubung, der Trocknung und der Filmbildung beim Aushärten die Zusammensetzung der Lackkomponenten und deren Grenzflächenverträglichkeit mit dem Pigment. So kann ein Farbpigment, das in lösungsmittelhaltigen Lacken eine hohe Farbstärke und Brillianz ergibt, in Wasserbasislacken zu Entmischung oder Flockung führen und damit ohne Oberflächenmodifizierung für diese Anwendung untauglich sein.

    Das Beispiel der Farbpigmente macht deutlich, dass die Eigenschaftsfunktion keine einfache »Funktion« ist. Mehrere Produkteigenschaften sind einzustellen und sie werden nicht nur durch die Partikelgrößenverteilung beeinflusst, sondern auch durch die Verteilungen von Form, Festigkeit der Agglomerate, Modifikation oder der Grenzflächeneigenschaften.

    Ein Modell der Zusammenhänge, d. h. eine möglichst genaue Vorstellung oder ein durch Messungen belegter Zusammenhang, mit welchem Dispersitätszustand die gewünschten Produkteigenschaften erreicht werden, sollte stets am Beginn verfahrenstechnischer Aktivitäten stehen.

    Aus experimentellen Ergebnissen, aber auch aufgrund theoretischer Abschätzungen – z. B. einer Berechnung der Intensitätsverteilung des an Partikeln gestreuten Lichtes – kennt man bei konstanter Konzentration die Zunahme der Farbstärke mit abnehmender Partikelgröße. Das Streuvermögen – und damit verbunden das Deckvermögen eines Pigmentes – hat, wie in Abbildung 2.2 gezeigt, ein ausgeprägtes Maximum bei mittleren Partikelgrößen: Die Viskosität, die wichtig ist für die Tropfenbildung beim Lackieren und für den Verlauf bei der Filmbildung, steigt für Partikelgrößen unterhalb von 100 nm drastisch an.

    Die Partikelform beeinflusst bei dichroitischen Kristallen den Farbton. Die Form wirkt sich auch auf die Dispergierhärte und die Rheologie aus, weniger stark auf andere Eigenschaften. Die Modifikation des Pigmentes beeinflußt vornehmlich den Farbton.

    Die Anordnung der Pigmentpartikeln in einem Lack zueinander (Abstandsverteilung) – vereinzelt und gleichmäßig verteilt oder agglomeriert und geflockt (siehe Abb. 2.3) z.B. als Folge der Grenzflächeneigenschaften kann Produkteigenschaften wie Farbstärke oder Transparenz entscheidend beeinflussen.

    Die Staubexpiosivität als wichtige sicherheitsrelevante Partikeleigenschaft [2.3] wird in einem Rohr (HARTMANN-Rohr) oder in Kugelautoklaven ermittelt. Das Pulver wird aufgewirbelt und mittels einer Zündquelle zur Explosion gebracht. Der Druck im Behälter wird über der Zeit erfaßt. Die Geschwindigkeit des Druckanstieges in einem Autoklaven von 1 m³ Volumen ist eine charakteristische Größe für das Explosionsverhalten. Die Druckanstiegsgeschwindigkeit nimmt mit abnehmender Partikelgröße sehr stark zu.

    Je feiner die Partikeln werden, desto größer ist daher das Risiko und die Heftigkeit einer Explosion. Eine meist offene Frage ist der vorliegende Dispergierzustand während der Explosionsmessung (vgl. Abschnitt 2.4.1). Die Fähigkeit zur Explosion verschwindet dagegen bei Partikeln oberhalb von 400 bis 500 μm. Neben diesem »physikalischen« Einfluß auf das Explosionsverhalten ist selbstverständlich der Stoffeinfluß selbst wichtig.

    Abb. 2.3 Anordnung, Abstandsverteilung und Ausrichtung der Pigmentteilchen in einem Lack entscheiden über die Qualitätseigenschaften

    c02.image003.jpg

    Weitere Beispiele von Eigenschaftsfunktionen und des Einflusses von Partikelgrößenverteilungen auf Produkteigenschaften [2.4]:

    Bei Pulverlacken hängt der Abscheidegrad, der Verlauf und das Aussehen der Lackoberfläche von der Partikelgrößenverteilung der Lackpartikeln ab

    Bei der Polypropylen-Synthese ist die Ausbeute an Polypropylen abhängig von der Partikelgröße der Katalysatoren

    Aktivität und Selektivität eines Katalysators hängen von seiner Porenradienverteilung ab

    Geschmack von Schokolade wird von der Größenverteilung der Kakaopartikeln mitbestimmt

    Rauschen und Frequenzgang von magnetischen Datenträgern sind von den Abmessungen und den Anordnungen der Magnetpigmente abhängig

    Die Auflösungsgeschwindigkeit von Partikeln ist umso höher, je feiner die Partikeln sind

    Beim Filtrieren nimmt der Durchsatz von Partikeln mit zunehmender Feinheit ab

    Das Haftverhalten von Partikeln steigt mit zunehmender Feinheit

    Die Fließfähigkeit von Pulvern und Suspensionen verschlechtert sich, wenn die Partikelgröße abnimmt

    2.1.1.2 Prozessfunktion – Prozessmodell

    Wenn bekannt ist, mit welchen Dispersitätsgrößen sich die gewünschten Produkteigenschaften ergeben, ist zu klären, wie diese im Prozess bzw. im Gesamtverfahren einzustellen sind. Im verfahrenstechnischen Prozess werden die Dispersitätsgrößen zum Beispiel bei der Fällung oder Mahlung gezielt eingestellt, aber auch gewollt bei der Formulierung verändert. Beim Transport können Produkte abgerieben werden oder bei der Trocknung verbacken. Die Veränderungen des dispersen Zustands im Verlaufe eines Verfahrens zeigt Abbildung 2.4.

    Abb. 2.4 Produktveränderungen im Verlaufe eines typischen Feststoffverfahrens [2.5], [2.6]

    c02.image004.jpg

    Zustand und Verhalten eines Produktes sind a priori nicht bekannt und vorhersehbar. Die Partikelmesstechnik befindet sich heute (2003) bereits auf einem hohen Niveau, aber sie wird niemals eine vollständige Beschreibung ermöglichen. Die Auswirkungen von Maschinen, Apparaten und Prozessparametern auf die Dispersitätseigenschaften, die Prozessfunktion [2.7], müssen experimentell für jedes Produkt ermittelt werden. Um bei der Vielzahl von Parametern den Überblick zu bewahren, kommt der Modellbildung eine dominante Rolle zu (siehe Abschnitte 2.1.2 und 2.4.1).

    Die Dispersitätseigenschaften bilden über die Eigenschafts- und Prozessfunktion das Bindeglied zwischen Ausgangsstoffen, Zwischenprodukten und angestrebten Produkteigenschaften (siehe Abb. 2.5). Heute würde man eher von Produktmodell bzw. von Prozessmodell anstatt von Eigenschafts- bzw. Prozessfunktion sprechen.

    Nach Auswahl einer geeigneten Maschine sind die Auswirkungen der Prozessparameter auf die Dispersitätseigenschaften (Sensibilitätsanalyse) zu ermitteln. Dabei wird festgestellt, welche Prozessparameter besonders »sensibel« für die Erzielung der angestrebten Dispersitätsgrößen sind. Diese Kenntnis ist sowohl für das Scale-up als auch für die reproduzierbare Produktion erforderlich. Sie ist die Basisinformation für Mess- und Regelkonzepte.

    Am Beispiel der Zerkleinerung sollen die Schritte zur Gewinnung einer Prozessfunktion erläutert werden [2.8]. Aus den dabei erkennbaren Anforderungen wird auch die Bedeutung der Messtechnik deutlich.

    Auswahl einer Zerkleinerungsmaschine

    Nach der Definition des Zieles genügen dem Zerkleinerungsexperten wenige Daten zur Charakterisierung des Ausgangsproduktes und zur Mengenangabe, um die Auswahl der möglichen Zerkleinerungsmaschinen auf wenige einzugrenzen:

    – ist das Produkt trocken, feucht oder nass,

    – ist das Produkt hart, spröde oder plastisch,

    – wie groß ist die Ausgangs-Partikelgröße,

    – welche Feinheit soll erreicht werden

    – welcher Produktdurchsatz soll erreicht werden, etc.

    Sind die Ausgangspartikeln zu groß, kann eine Vorzerkleinerung erforderlich sein.

    Abb. 2.5 Dispersitätseigenschaften – Bindeglied zwischen Ausgangsprodukten und Endprodukteigenschaften

    c02.image005.jpg

    Nach der Auswahl einer geeigneten Mühle muss die Prozessfunktion ermittelt werden, da weder das Zerkleinerungsverhalten eindeutig charakterisiert noch die Auswirkungen von Prozessparametern auf die Partikeleigenschaften vorhersagbar sind: Wie sensibel beeinflussen Durchsatz, Drehzahl bzw. spezifische Energie oder geometrische Parameter der Mühle die Dispersitätseigenschaften? Ebenso muss geprüft werden, wie sensibel Produkteigenschaften des Ausgangsmaterials das Zerkleinerungsergebnis beeinflussen. Für die Durchführung dieser Sensibilitätsanalyse gelten auch wirtschaftliche Gesichtspunkte: geringer Aufwand, geringe Produktmengen, aber zuverlässige Aussagen für die Auswahl und Auslegung eines Verfahrensschrittes.

    Neben der Messtechnik für den sicheren Betrieb der Mühle (zum Beispiel Explosionsschutz oder zur Sicherung der Gleitringdichtungen) werden alle möglicherweise prozessrelevanten Größen erfasst.

    Die fundamentale Zielgröße bei der Zerkleinerung ist die Partikelgrößenverteilung. So werden z.B. bei Rührwerkskugelmühlen der Einfluss der Umfangsgeschwindigkeit des Rotors, des Durchsatzes, der Fahrweise (Passagen-, Kaskaden-, Pendel- oder Kreisfahrweise), der Mahlkörperdichte und -größe auf die resultierende Partikelgrößenverteilung experimentell ermittelt.

    Scale-up

    Bei der Auswahl der Zerkleinerungsmaschine für die Sensibilitätsanalyse muss sichergestellt sein, dass die Ergebnisse (z.B. über die spezifische Mahlenergie) auf den Betriebsmaßstab übertragbar sind. Modellunterstützte Auswertungen (siehe Abschnitt 2.1.2) der Ergebnisse können den Aufwand erheblich reduzieren; sie erfordern aber gleichzeitig eine hohe Qualität der Charakterisierung.

    Sonstige Einflussgrößen

    Üblicherweise werden in Zerkleinerungsmaschinen mit zunehmender spezifischer Mahlenergie die Partikeln feiner. Häufig wird jedoch eine Agglomeratbildung beobachtet, deren Ursachen und deren Kinetik bislang weitgehend ungeklärt sind [2.112].

    Ergänzende Charakterisierungen (z. B. pH-Wert, Zetapotenzial, Leitfähigkeit) sind erforderlich, um in Verbindung mit den einschlägigen theoretischen Kenntnissen die Zuverlässigkeit von Prozessfunktionen zu gewährleisten.

    Die am Beispiel der Zerkleinerung erläuterte Prozessfunktion muss für alle Stufen der Prozesskette ermittelt werden.

    Bei der Gestaltung eines Verfahrens ist zu beachten, dass einerseits mehrere Zielgrößen für das Endprodukt zu erreichen sind, die in unterschiedlichen Verfahrensschritten eingestellt werden, andererseits für Folgeschritte Produktzustände erforderlich sind, um diese Schritte effizient zu ermöglichen (zum Beispiel Flockung von Feinstpartikeln für die Filtration). Darüber hinaus können in Folgeschritten ungewollte Produktzustände (zum Beispiel durch Agglomeration bei der Trocknung) verändert werden.

    Bislang ist bei den Eigenschaftsfunktionen nur die Partikelgröße als physikalische Größe berücksichtigt worden. Andere Dispersitätsgrößen können von ebensolcher Wichtigkeit sein.

    Darüber hinaus muss jeder Prozessschritt im Gesamtverfahren möglichst optimal integriert werden. Am Beispiel einer Tablettenherstellung (Abb. 2.6) wird dies ersichtlich; die großen Kreise kennzeichnen die Prozessschritte mit der stärksten Auswirkung:

    – Die Wirkung (bei schlecht löslichen Substanzen) wird bei der Kristallisation bzw.

    Fällung über Partikelgröße und Modifikation eingestellt. Insbesondere bei der Trocknung bilden sich mehr oder minder feste Agglomerate, die erst zerkleinert werden müssen.

    – Die Zielgröße Reinheit wird im Verfahrensschritt Filtration/Waschung erreicht.

    – Für die Mischung mit den Hilfsmitteln sollte eine einheitliche Agglomeratgröße eingestellt sein, um Entmischungen zu vermeiden.

    – Um gute Fließeigenschaften für die Tablettiermaschine zu erreichen, wird häufig eine Agglomeration zwischengeschaltet.

    – Die Zielgröße der Homogenität wird durch Mischen erreicht.

    – Die Festigkeit und damit auch der Zerfall – als erste Stufe der Wirkstoff-Freigabe

    – der Tablette werden sowohl bei der Agglomeration als auch bei der Tablettierung selbst eingestellt.

    Abb. 2.6 Kundenanforderungen, am Beispiel von Pharmatabletten, werden an verschiedenen Prozessstufen eingestellt, an Folgestufen gewollt oder ungewollt verändert

    c02.image006.jpg

    Produktbeziehungsweise Dispersitätseigenschaften der verschiedenen Stoffe sind für die Prozessfunktion der Formulierung eines Arzneimittels maßgeblich. Alle Größen müssen in ihrer Relevanz erkannt und entsprechend genau in ihren Dispersitätseigenschaften charakterisiert werden.

    2.1.1.3 Kontrolledes Prozessumfeldes

    Bei vielen Fertigungsprozessen (z.B. Chipherstellung), bei Prozessen der Lebenswissenschaften (z. B. Lebensmittelverfahrenstechnik, Bioverfahrenstechnik, Wasseraufbereitung), und in der Energieverfahrenstechnik müssen Umgebungsbedingungen, Prozessgas und Prozessflüssigkeiten möglichst partikelfrei sein; Schadstoffemissionen sind zu vermeiden. Die sich beim Abscheiden ergebenden Probleme sind eine Herausforderung für den Verfahrensingenieur. Beispiele der Anforderungen aus diesen Bereichen mögen dies verdeutlichen:

    – in der Energieverfahrenstechnik ist man bestrebt, das Rauchgas unmittelbar auf eine Gasturbine zu leiten. Neben der Reinigung materialschädlicher Dämpfe gilt es die Partikeln abzuscheiden, so dass weniger als 3 mg m−3 i. N. Partikeln <3 µm im Prozessgas verbleiben. Die entsprechenden Anzahlkonzentrationen im Bereich 10 Partikeln pro Kubikzentimeter müssen bei einem Druck von 16 bar und einer Temperatur von 1400 °C erreicht und kontrolliert werden [2.9].

    – Verdichterstationen für Erdgas erfordern weniger als 250 µg Partikeln pro Kubikmeter zur Vermeidung zu großer Erosion.

    Reinraumbedingungen z. B. für die Chipherstellung erfordern eine Messtechnik, die in der Lage ist, weniger als 1 Partikel pro Kubikzentimeter zu detektieren, um die Ausschussquote bei der Waferfertigung zu minimieren. Die aktuellen Emissionsgrenzen liegen für inerte Stäube in Deutschland bei 20 mg m−3 i. N., was eine Messtechnik für Partikelgrößen auch unterhalb von 10 µm erfordert, da solche Partikeln bei diesen Grenzwerten signifikant zur Gesamtemission beitragen.

    Die Anforderungen an die Partikelmesstechnik orientieren sich an den erforderlichen Grenzen und Rahmenbedingungen.

    2.1.1.4 Modellbildung

    Zur Verbesserung der Beschreibung verfahrenstechnischer Prozesse ist es notwendig, die Mikroprozesse zu betrachten. Die Einführung der Populationsbilanzen erwies sich als ein wichtiges Werkzeug für die Behandlung der komplexen Wechselwirkungen bei dispersen Systemen. Die Fortschritte in der Computertechnik und in der Softwareentwicklung ermöglichen bereits heute eine effektive Modellierung und Simulation von Prozessschritten [2.10].

    Reale Prozesse sind in aller Regel zu komplex, um Eigenschaftsprofile und Prozessbedingungen in ihren wechselseitigen Beziehungen behandeln zu können. Der reale Prozess wird als Modell abgebildet [2.11]–[2.14]. Die Qualität der Modelle kann dabei sehr unterschiedlich sein: von ersten qualitativen Vorstellungen eines einzelnen Prozessschritts bis zur algorithmischen Beschreibung eines Gesamtverfahrens. Zu diesen Modellen gelangt man über bekannte und hypothetische Zusammenhänge und über die Erfassung der prozessrelevanten Prozess- und Produkteigenschaften mit der Partikelmesstechnik.

    2.1.2 Definition der Messaufgaben und Nutzung der Messdaten

    Die Messaufgaben ergeben sich aus verschiedenen Aspekten der Verfahrenstechnik und sind nur in Bezug auf die verfahrenstechnische Fragestellung definiert:

    Produkt- und Prozessgestaltung mit Hilfe von Eigenschafts- und Prozessfunktion

    Verfahrenstechnische Systemanalyse

    Ursachenanalyse bei Abweichungen bezüglich der Qualität oder des Prozesszustands

    Prozesskontrolle sowie -führung und

    Daten für die Prozessmodellierung

    Bei der Produkt- bzw. Prozessgestaltung und zur Absicherung von Produkteigenschaften und Prozessstabilität müssen Eigenschaftsfunktionen und in Sensibilitätsanalysen Prozessfunktionen ermittelt werden. Die für Prozesse relevanten Parameter müssen identifiziert und in ihren Sollwerten und Toleranzgrenzen festgelegt werden: Mit welchem Messeffekt werden die als relevant erkannten Größen am besten bestimmt, mit welcher Genauigkeit müssen sie gemessen werden? Die Sensibilitätsanalysen bilden die Grundlage des Mess- und Regelkonzeptes.

    Bei einer verfahrenstechnischen Systemanalyse oder bei einer Ursachenanalyse von Abweichungen sind die Produktzustände und das Produktverhalten im gesamten Prozess möglichst vollständig zu beschreiben. Simultane Messungen mehrerer Größen sind zur Interpretation meist unumgänglich, um möglichst quantitative Vorstellungen von Produkt- und Prozesseigenschaften, Effekten und Zusammenhängen zu gewinnen.

    Messaufgaben zur Prozessführung können auf der Basis von Erfahrungen bei der Verfahrensausarbeitung beziehungsweise der Systemanalyse realisiert werden. Während für die Verfahrensausarbeitung (Prozess-Design) und Systemanalyse möglichst vollständige Informationen über das System vorliegen sollten, können für die Prozessführung Integralwerte, Mittelwerte, gewichtete Werte oder Indikatoren hinreichend sein. Mit zunehmendem Prozessverständnis können darüber hinaus modellgestützte Messverfahren mit einfach zu messenden Hilfsgrößen zur Prozessführung genutzt werden. Wie schnell und wie häufig gemessen werden muss, ergibt sich aus der Dynamik des Prozesses, aus Sicherheits- und Umweltaspekten und aus den Qualitätsanforderungen. Ob eine online-Analytik sinnvoll oder notwendig ist, hängt von der Schnelligkeit der Zustandsveränderungen im Prozess ab.

    Bei der Modellierung von Prozessen [2.14] stehen physikalisch begründete Modelle im Vordergrund. Aber auch erste Vorstellungen über die Zusammenhänge sind hilfreich. Messwerte zur Produkt- und Prozessbeschreibung bilden in jedem Fall die solide Basis. Dementsprechend vollständig und präzise sollte die Beschreibung des dispersen Systems sein. Die Messung einer Dispersitätsgröße ist für die Beschreibung eines komplexen Partikelsystems meist nicht hinreichend. Durch die Kombination verschiedener Messmethoden lässt sich die Charakterisierung wesentlich verbessern.

    Nach der Analyse der verfahrenstechnischen Situation in Bezug auf Produkteigenschaften und Prozesse wird die Messaufgabe definiert. Eine erste Beurteilung des dispersen Systems kann optisch, zum Beispiel mit Hilfe eines Mikroskops, erfolgen. Die physikalischen Messgrößen, die für die Beschreibung der verfahrenstechnischen Fragestellung am besten geeignet sind, werden identifiziert. Der Einfluß der Präparation wird untersucht und die geeignete Messverfahrenstechnik gewählt. Eine sinnvolle Interpretation der Ergebnisse und Bewertung der Konsequenzen für Produkt bzw. Verfahren ist nur unter Einbeziehung der speziellen Produktkenntnisse möglich.

    In [2.15]–[2.35] sind zusammenfassende Darstellungen zur mechanischen Verfahrenstechnik und zur Partikelmesstechnik zu finden. Dort finden sich auch Hinweise auf zusätzliche, weiterführende Literatur.

    2.1.3 Eigenschaften von Einzelpartikeln

    Partikeleigenschaften und ihre Verteilungen

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