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Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften
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Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften

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About this ebook

Seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts gibt es sie: Zeitschriften, die sich direkt an Kinder und Jugendliche wenden. Seither haben sie eine zentrale Rolle in der Kinderliteratur gespielt und das Leseverhalten und die kindliche Vorstellungswelt von Generationen beeinflusst.
Der Autor umreißt vor dem Hintergrund der wechselvollen Zeitläufe die Geschichte dieser speziellen Printmedien, stellt sie in den Gesamtkontext der Jugendliteratur und zeigt Entwicklungslinien und Problemstellungen auf, die nicht nur heute intensiv diskutiert werden, sondern schon vor Jahrhunderten erkannt wurden und schon damals Streitpunkte waren. Zahlreiche, teils farbige Abbildungen ergänzen den Text und machen das Thema anschaulich.

Das Institut für Jugendbuchforschung der Johann Wolfgang Goethe-Universität (Frankfurt am Main) urteilte im Jahrbuch der Kinder- und Jugendliteraturforschung 2011/2012:
(...) Obwohl sich das Werk nicht ausschließlich an WissenschaftlerInnen wendet und auch nicht die gesamte Fachliteratur berücksichtigt wurde, stellt es dennoch eine wertvolle Basis für weitere wissenschaftliche Arbeiten auf diesem Gebiet dar. (Susanne Blumesberger)
LanguageDeutsch
Release dateDec 3, 2014
ISBN9783732223718
Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften
Author

Peter Lukasch

Peter Lukasch wurde 1942 in Wien geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft trat er in den Staatsdienst ein, wo er bis zu seiner Pensionierung im Bereich der Strafjustiz tätig war. Seinem Interesse für Geschichte und Kriminalistik folgt der Autor in einem Zyklus historischer Kriminalromane. Dabei werden historische Ereignisse mit aktuellen Kriminalfällen verknüpft, die der teils zu Depressionen, teils zu Wutanfällen neigende Chefinspektor Hagenberg zu lösen hat. Bisher sind erschienen: ,Zu Hainburg verblieb man über Nacht' (auf der Suche nach dem Schatz der Nibelungen), ,Teufels-Liebchen' (aus der Zeit der Hexenverfolgungen), ,Aschenspuren' (ein Kriminalfall um den Brand des Ringtheaters in Wien) und ,Der Spion von Hainburg' (aus der Zeit der Türkenkriege).

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    Book preview

    Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften - Peter Lukasch

    Inhalten.

    Kapitel 1

    Die Jugendzeitschriften des 18. Jahrhunderts

    Es wurde bereits darauf hingewiesen: Bis ins 18. Jahrhundert galten Kinder, sobald sie der pflegenden mütterlichen Fürsorge entwachsen waren, als kleine Erwachsene, die soweit es möglich war, auch als solche behandelt wurden.

    Erst die späte Aufklärung begriff die Kindheit in der Entwicklung des Individuums als eigenen Lebensabschnitt, der besonderer Zuwendung bedurfte. Man kann sagen, die Entdeckung der Kindheit und damit auch eine spezielle Kinderliteratur sind Schöpfungen der Aufklärung¹⁵.

    Nun hatte es auch schon davor Bücher gegeben, die sich an Kinder und Jugendliche gerichtet haben. Meist waren das ABC – Büchlein oder geistliche Traktate. Aber gegenüber dem ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich absteckbaren Begriff der deutschen Jugendliteratur kann bei diesen vereinzelten, über einen Zeitraum von Jahrhunderten verstreuten Schriften von einer speziellen Jugendliteratur noch nicht die Rede sein¹⁶, mangelt es doch nicht nur an einem, wenn auch wandelbaren, so doch verbindenden Konzept, sondern auch an einer nach modernem Verständnis erforderlichen Breitenwirkung, um von einer speziellen Literaturgattung sprechen zu können. Abgesehen von solchen vereinzelten Elaboraten waren Kinder aber auf dieselbe Literatur verwiesen, die auch Erwachsene lasen und die sie entsprechend ihrem Verständnis für sich entdecken konnten. Selbstverständlich galt das nur für Kinder gehobener Stände. Denn das Analphabetentum war durch Jahrhunderte der Regelfall für die Masse der Bevölkerung. Erst ab dem 18. Jahrhundert setzte eine zunehmende Alphabetisierung der Bevölkerung ein, die freilich zunächst nur langsam vorankam.

    Die Aufklärung näherte sich dem Thema Jugendliteratur im Umweg über pädagogische Erörterungen, die sich an Erwachsene richteten. Vehikel waren dabei diverse periodische Schriften. ¹⁷

    Bereits ab Anfang des 18. Jahrhunderts waren Journale mit wissenschaftlichen, religiösen oder politischen Themenschwerpunkten weit verbreitet. Als sich die Medienlandschaft zu entfalten begann, entstanden Wochenschriften, die sich an ein breiteres Publikum wandten und dementsprechend Beiträge wie: Theater, Reisen, Literatur, Familienleben usw. boten. In diesen Schriften wurden gelegentlich auch Erziehungsfragen behandelt. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts finden wir dann bereits Periodika, die sich ausschließlich Erziehungsfragen widmen¹⁸.

    Die ab 1771 erscheinende, von Christian Gottfried Böckh herausgegebene Wochenschrift Zum Besten der Erziehung der Jugend enthielt schon einen für die zu erziehende Jugend selbst bestimmten Anhang.

    Diese Vermengung des Zielpublikums wurde jedoch nicht unkritisch gesehen: Die Allgemeine deutsche Bibliothek¹⁹ merkte dazu an: Sonst müssen wir noch bemerken, dass ein und dieselbe Schrift nicht für Lehrer und Eltern und für die Jugend bestimmt sein sollte. Was für erstere geschrieben wird, muss die Jugend bei weitem nicht immer lesen.

    Der Gedanke, nicht nur den Eltern Ratschläge zu erteilen, sondern sich direkt an die Kinder zu wenden, wurde in Deutschland erstmals in dem von dem Sprachwissenschaftler Johann Christoph Adelung (1732 bis 1806) ab 1772 herausgegebenen Leipziger Wochenblatt für Kinder²⁰ konsequent verwirklicht.

    Das Leipziger Wochenblatt für Kinder erschien von 1772 bis 1774 bei Crusius in Leipzig, hatte einen Umfang von acht Seiten, nur ganz wenige Bilder und kostete 6 Pfennige. Die Auflagenhöhe dürfte nicht mehr als einige wenige hundert Stück betragen haben. Es hat sich auch um kein kommerzielles Produkt im eigentlichen Sinn gehandelt, sondern mehr um ein Wohltätigkeitsprojekt. Mit dem Erlös sollte in Werdau im Erzgebirge ein Waisenhaus unterstützt werden.

    Das Leipziger Wochenblatt für Kinder bestand aus Fabeln, Erzählungen, Briefen, Rätseln, Gedichten, kurzen Schauspielen und Sachartikeln, kurzum dem gesamten für Kinder geeigneten Lesegut, das in den verschiedensten Publikationsformen bereits vorhanden war, hier aber zusammengestellt und erstmals so strukturiert wurde, dass es in Form wöchentlicher Häppchen dargeboten und durch stets wiederkehrende Personen (mehrere Kinder mit verschiedenen Charaktereigenschaften und einen Lehrer) zusammengehalten wurde. Damit waren bereits alle jene Elemente vorgegeben, die eine Kinderzeitschrift ausmachten und die sich auch in allen späteren erfolgreichen Publikationen dieser Art finden²¹.

    Das Potential, das in diesem neuen Medienformat lag, aber auch die Probleme, die bei der Darbietung kindergerechter Inhalte auftraten, wurden schon seinerzeit deutlich erkannt und in einer ausführlichen und weitgehend wohlwollenden Rezension des Leipziger Wochenblattes für Kinder, die 1774 in der Allgemeinen Bibliothek für das Schul- und Erziehungswesen Teutschlands²² erschien, erörtert:

    „Ein glücklicher Einfall die Lektüre unter Kinder zu reißen und zu unterhalten. Wenn man den Kindern ein gutes Buch, es sei auch noch so geschmeidig, unter die Hände gibt, so werden sie desselben gar bald überdrüssig. Aber alle Wochen ein Blatt von einem halben Bogen werden sie mit viel Begierde erwarten, und inzwischen das Stück, das sie schon haben, mehr als einmal durchlesen, bis das neue kommt. ... es ist daher einem jeden Vater und auch den Lehrern auf Schulen anzuraten, mit ihren Kindern und Schülern die Zeitung fleißig zu lesen ... Ein besonderer und ganz neuer Kunstgriff die Begierde der Kinder von einem Stück auf das andere nicht nur zu reizen, sondern sie indessen gewissermaßen zu beschäftigen und ihre Scharfsinnigkeit zu prüfen und zu üben, ist diesem Wochenblatt eigen, der uns ungemein wohl gefallen hat, nämlich die aufgegebenen Rätsel, deren Auflösung allzeit in dem nächsten Blatt folgt ... Freilich möchten einige Stücke für den Begriff junger Kinder noch zu schwer scheinen; sonderlich die allegorischen manchen zu fabelhaft vorkommen ... wo Kinder, die schon etwas von dem wahren Gott als dem Schöpfer und Beherrscher der Welt gehört haben, nicht recht wissen werden, was sie von Jupiter, der die Regierung der Welt antrat, denken sollen ... „

    Dem Leipziger Wochenblatt für Kinder war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Es wurde 1774 eingestellt. Es hat den Anschein, als ob der Rezensent der Allgemeinen Bibliothek für das Schul- und Erziehungswesen schon Informationen oder zumindest eine konkrete Vorstellung davon hatte, wie es weitergehen sollte. Denn ganz nebenbei wirft er die Frage auf:

    „Wie wäre es, wenn ein Mann wie Weise (Weiße), der mit den Kindern reden und sie unterhalten kann, eine Zeitung für Kinder schreibe?"

    Das bald darauf von besagtem Christian Felix Weiße²³ gleichfalls bei Crusius ab 1775 herausgegebene Wochenblatt Der Kinderfreund²⁴ war überaus erfolgreich. Weiße wird als einer der Begründer der deutschen Kinderliteratur bezeichnet und Der Kinderfreund als erste bedeutende Jugendzeitschrift an den Beginn dieser Literaturgattung gesetzt.

    Es gibt Vermutungen²⁵, dass Weiße bereits am Leipziger Wochenblatt für Kinder mitgearbeitet hatte, eindeutig belegt ist das aber nicht. Auffallend ist aber, dass auch Der Kinderfreund bei Crusius verlegt wurde, einleitend auf das (zum Bedauern der Leser) eingestellte Wochenblatt für Kinder Bezug genommen wurde und die Konzeption des Kinderfreundes jener des Wochenblattes folgte, sie aber breiter anlegte und perfektionierte.

    Der Kinderfreund Weißes erschien von 1775 bis 1782 in 24 Bänden. Denn wie es bei manchen Zeitschriften nicht unüblich war, sollten die einzelnen Lieferungen später zu einem Buch gebunden werden können und wurden daher von vornherein buchgerecht eingeteilt. Die einzelne Wochenausgabe hatte einen Umfang von 16 Seiten und war kleinformatig (etwa 8,5 x 15,5 cm). Illustrationen²⁶ waren nur in geringem Umfang enthalten.

    Werfen wir an dieser Stelle einen kurzen Blick auf die Zeit, in welcher die Kinder lebten, die diese Heftchen lasen: In Frankreich regierte Ludwig der XVI. Die französische Revolution lag noch in der Zukunft, warf aber schon ihre Schatten voraus. Der Krieg zwischen Großbritannien und seinen nach Unabhängigkeit strebenden Kolonisten begann und sollte mit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika enden. James Watt gelang es, die Dampfmaschine so weit zu verbessern, dass sie wirtschaftlich genutzt werden konnte: Das Industriezeitalter dämmerte herauf. Deutscher Kaiser war Josef II., der im Geiste der Aufklärung in den österreichischen Erblanden umfassende Reformen durchführen wollte, letztlich aber oft am Widerstand nicht nur der etablierten Eliten, sondern auch des einfachen Volkes scheiterte.

    Der Kinderfreund folgte auch dem Vorbild der moralischen Wochenschriften²⁷ für Erwachsene und ist nach heutigem Verständnis nur bedingt als Kinderzeitschrift zu begreifen. Freilich, er richtete sich an Kinder und war für deren Lektüre bestimmt. Das war in diesem Umfang eine Novität und rechtfertigt seine Zuordnung zu den Kinderzeitschriften. Er war aber ebenso ganz deutlich als Unterrichtswerk für den häuslichen Gebrauch angelegt und richtete sich insoweit auch an die Erziehenden.²⁸

    Der Rahmen, in dem sich alles abspielt, ist eine Familie des gehobenen Bürgertums, in welchem immer wieder die gleichen handelnden Personen auftreten und meist der Vater (Mentor) den Part der erzählenden Person übernimmt. Zu Beginn eines Abschnittes wird an Hand einer konkreten Situation im Leben der Kinder ein bestimmtes Thema aufgeworfen, wie beispielsweise: „Die Einsamkeit und die Vorteile der Geselligkeit, „Das Glänzende des Soldatenstandes und eine genaue Untersuchung der Vorteile und Beschwerden jeden Standes, oder aber auch: „Eine kurze Naturgeschichte der Fledermaus" und dergleichen mehr. Diese Themen werden an Hand von Gesprächen, Geschichten, Fabeln, Versen und kurzen Theaterstücken unter allen möglichen Aspekten, meist über mehrere Folgen der Zeitschrift abgehandelt. Als eigentliche Lehrer dienen dabei fiktive Freunde der Familie, denen bestimmte Wissensgebiete zugewiesen waren: Herr Spirit weiß in der Mythologie Bescheid und erzählt gerne Fabeln. Herr Papillon ist in allen Fragen der Naturkunde eine Quelle des Wissens und Doktor Chronikel hat den geschichtlichen Überblick.

    Die Kinder, denen alle diese Belehrungen zu Teil werden, Lottchen, Fritze und Karl heißen sie, verhalten sich überaus verständig und einsichtig. Sie beteiligen sich an den Gesprächen in einer Weise, die man auch als altklug bezeichnen könnte, und entsprechen völlig dem, was sich ein Pädagoge der Aufklärung unter einem durch verstandesmäßige Argumente formbaren Kind vorstellte.

    Illustration zu dem Thema „Die jungen Spieler" (Der Kinderfreund, 23. Teil, 1781)

    An einem Beispiel soll gezeigt werden, wie der Kinderfreund die Behandlung einzelner Themen anlegte. Die Kinder kommen aus einer Gesellschaft Gleichaltriger, und man merkt ihnen an, dass sie betrübt sind. Schließlich erzählen sie, was geschehen war:

    „Nun wussten wir es. Man hatte nämlich in dieser kleinen Gesellschaft ein Kartenspiel gespielt, wo alle drei so unglücklich gewesen waren, ihr ganzes monatliches – freilich sehr kleines Taschengeld auf einmal zu verlieren. Lottchen jammerte, weil sie sich durch diesen Verlust außer Stande gesetzt sah, ein Band, oder Blümchen, oder sonst eine kleine Galanterie zu kaufen. Karl ärgerte sich mehr, weil er dadurch in seinem kleinen Stolz gekränkt zu sein glaubte, selbst im Spiel überwunden zu werden, da er gern überall Sieger sein möchte, und Fritzen dauerte das Geld, als Geld, weil er es als das Mittel, Alles in der Welt zu haben, ansieht ..."

    In den folgenden Kapiteln wird die Sache umfassend abgehandelt:

    Mentors Kinder Unzufriedenheit über einen Verlust im Kartenspiel.

    Wie leicht man zur Spielsucht verführt werden könne.

    Spielsucht, die Quelle vielen Unglücks und vieler Laster.

    Der Spieler, Inhalt eines englischen Theaterstückes.

    Verführung zum Spiel.

    Der Verlust, den man dadurch leidet.

    Eine Schilderung von Spielern.

    Verwahrung gegen die Spielsucht; eine kleine Geschichte.

    Behutsamkeit bei dem Spiele.

    Die jungen Spieler, oder: Böse Gesellschaften verderben gute Sitten, ein Schauspiel ...

    Eines fällt beim Studium dieser Texte auf: Sie sind flüssig und leicht lesbar geschrieben und gliedern den Stoff in Gespräche, Diskussionen, kleine Geschichten und Schauspiele auf. Der Autor ist sichtlich bemüht, dem Postulat Campes, „die jungen Leser auf eine so angenehme Weise zu unterhalten, als es möglich wäre", zu folgen. Aber eben nur, so weit es möglich ist. An keiner Stelle opfert der Autor sein Anliegen, zu erziehen, der bloßen Unterhaltung seiner jungen Leser oder erliegt der Versuchung, gefühlsbetonten oder phantastischen Darstellungen den Vorzug zu geben.²⁹

    Kinderzeitschriften trugen wesentlich zum Verständnis der Kinder- und Jugendliteratur als eigenen Literaturzweig bei. Denn anders als bisherige Jugendschriften, die durch ihren Zweck – nämlich jenem der Unterrichtung – definiert waren, sammelten sie alles zusammen, was für Kinder und Jugendliche geeignet schien und definierten sich über den Adressatenkreis, nämlich jenem der Kinder.

    Kaum war die Vorstellung von einer Kinder- und Jugendliteratur als eigenständige Literaturgattung entstanden, ging man daran festzulegen, wie kindergerechte Literatur beschaffen sein sollte.

    Dies geschah nicht selten in den Vorreden zu den entsprechenden literarischen Werken, so beispielhaft durch Joachim Heinrich Campe in seinem 1777 erschienenen Roman Robinson der Jüngere, das als erstes bedeutendes Buch der deutschen Jugendliteratur gilt.

    Campe ging es dabei darum, in unterhaltsamer Weise erzieherische Gedanken zu transportieren und nicht sosehr darum, ein eigenständiges literarisches Werk zu verfassen. Auf der Suche nach einem geeigneten Stoff stieß Campe auf Daniel Defoe's „Robinson Crusoe" und er variierte das Thema, um die von ihm angestrebte erzieherische Wirkung optimal zu erzielen. Dabei bekannte er sich uneingeschränkt – wie schon der Titel zeigt – zu seinem literarischen Vorbild.

    Anders als im Original wird Robinson bei Campe nach seiner Ankunft auf der Insel jeglicher Hilfsmittel beraubt. Denn er soll sich ganz allein, ohne alle Werkzeuge, bloß mit seinem Verstand und mit seinen Händen helfen, um zu zeigen, wie hilflos der einsame Mensch ist, und wie viel Nachdenken und Strebsamkeit notwendig ist, um in einer solcher Situation die eigene Lage zu verbessern. Das Zusammenleben mit dem Eingeborenen Freitag, der später zu Robinson stößt, soll zeigen, wie sehr schon die bloße Geselligkeit den Zustand des Menschen verbessern kann. Das Werk, das Rousseausche Vorstellungen mit zeitgemäßen pädagogischen Gedanken verknüpfte, fand ungeheuren Widerhall, erlebte weit mehr als 100 Auflagen und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.

    Campe selbst legt im Vorwort zu Robinson der Jüngere seine programmatischen Zielsetzungen fest, die ich sinngemäß verkürzt wiedergebe:

    „Erstlich wollte ich meine jungen Leser auf eine so angenehme Weise unterhalten, als es mir möglich wäre ...

    Dann nahm ich mir zweitens vor, an den Faden der Erzählung ... so viele elementarische Kenntnisse aller Art zu schürzen, als es ... nur immer geschehen könnte.

    Nebenbei wollte ich freilich auch drittens manche nicht unerhebliche ... Vorkenntnis ... aus der Naturgeschichte mitnehmen ...

    Meine vierte und wichtigste Absicht war, die Umstände und Begebenheiten so zu stellen, dass recht viel Gelegenheiten zu moralischen dem Verstande und dem Herzen der Kinder angemessenen Anmerkungen und recht viele natürliche Anlässe zu frommen, gottesfürchtigen Empfindungen daraus erwüchsen.

    Meine fünfte Absicht ... ein Buch, welches die Kinderseelen aus der fantastischen Schäferwelt, welche nirgends ist ... in diejenige wirkliche Welt, in der wir uns dermalen selbst befinden ... zurückführt ..."

    Damit waren gleichsam Standards deklariert, an denen sich in der Folge die gesamte Gattung des unterhaltsamen und gleichzeitig erzieherisch wertvollen Kinder- und Jugendbuches und natürlich auch die Jugendzeitschriften

    Der Erfolg, den Weiße mit seinem Kinderfreund hatte und die Entdeckung der Jugendliteratur als neuen literarischen Produktionszweig zog in Deutschland bis zur Jahrhundertwende (1800) zahlreiche Jugendzeitschriften nach sich, die oft nur kurzlebig waren und über die Ludwig Göhring ein vernichtendes Urteil fällt:

    „Alles in allem genommen und die wenigen besseren Erzeugnisse abgerechnet, muss die Mehrzahl der periodisch erscheinenden Jugendblätter als Fabriksarbeit bezeichnet werden ... Aber sie hatten ein unverschämtes Maul und wussten ein lockendes Schild auszuhängen: Moral, Tugend, Aufklärung und neue Erziehung ... Das Herabsickern der Schulbildung in die mittleren und unteren Bürgerklassen, das sich Genügenlassen an Mittelgut, das nirgends größer ist als auf den Grenzgebieten der Pädagogik und allgemeinen Literatur, und der leidige Umstand, dass man statt 1 Taler für ein gutes Buch auf einmal deren 10 nach und nach für schlechten Kolporteurschund ausgibt, sorgten für eine stetig wachsende Menge von Abnehmern."

    Blättert man in derartigen Zeitschriften³⁰, welche die Zeitläufe überstanden haben, kommt man, bei allem Wohlwollen für die Gattung der Kinderzeitschrift, schwerlich umhin, diesem Urteil beizupflichten.

    Diese Entwicklung blieb auch seinerzeit nicht unbemerkt. So schreibt die Jenaische Allgemeine Literaturzeitung³¹ 1806:

    „Die deutsche Jugend hat der Kinderfreunde zu viele. Man schmeichelt ihr zu sehr, behandelt sie zu milde, und macht ihr bei der Bildung alles zu leicht ... So zahlreich aber auch ihre sogenannten Freunde sind, so gibt es nur wenige unter ihnen, die für ihr geistiges und sittliches Wohl, als Schriftsteller, auf eine zweckmäßige Weise sorgen." ³²

    Die bereits Ende des 18. Jahrhunderts bestehende Diskussion über das „Nützliche, das „Wertvolle in der Literatur ganz allgemein und in der Kinderliteratur im Besonderen gewann durch das Anwachsen des Medienmarktes neuen Schwung. Ebenso wie Kinder- und Jugendliteratur nach dem Verständnis der Aufklärung einem Zweck, nämlich dem der Ausbildung und Erziehung zu dienen hatte, erwartete man von Literatur für Erwachsene, dass sie zur Information diente oder durch ihren künstlerischen Wert gerechtfertigt wurde. Lesen nur zum Zeitvertreib und nur zur Unterhaltung galt – primär für die arbeitende Masse der Bevölkerung, die zunehmend des Lesens kundig wurde – als nutzloser Müßiggang. Das sah auch die Obrigkeit so.

    In diesem Sinn verfügte Kaiser Franz I v. Österreich:³³

    „§ 1. Bey der Beurtheilung der Bücher und Handschriften muß vor Allem genau unterschieden werden zwischen Werken, welche ihr Inhalt und die Behandlung des Gegenstandes nur für Gelehrte und den Wissenschaften sich widmende Menschen bestimmt, und zwischen Broschüren, Volksschriften, Unterhaltungsbüchern, und den Erzeugnißen des Witzes ...

    § 6. Broschüren, Jugend- und Volksschriften, Unterhaltungsbücher, müßen nach der ganzen Strenge der bestehenden Censurgesetze behandelt werden ... Es soll daher allen Ernstes getrachtet werden, der so nachtheiligen Romanen-Lektüre ein Ende zu machen ...

    Dabey versteht sich von selbst, daß hier jene wenigen guten Romane, welche zur Aufklärung des Verstandes und zur Veredlung des Herzens dienen, nicht gemeint seyn können, wohl aber der endlose Wust von Romanen, welche einzig um Liebeleyen als ihre ewige Achse sich drehen, oder die Einbildungskraft mit Hirngespinnsten füllen."

    Hier wird die Kehrseite der aufklärerischen Bildungspolitik deutlich. Da sich die Aufklärer zur Volkserziehung berufen fühlten, nahmen sie auch sehr nachdrücklich das Recht für sich in Anspruch, darüber zu urteilen, welche Art von Literatur dazu geeignet und welche als abträglich einzustufen sei. Dabei wurden sie – gewollt oder ungewollt – von der staatlichen Zensur unterstützt, die nicht nur im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus der „so nachtheiligen Romanenliteratur" ablehnend gegenüberstand, sondern darüber hinaus auch alles unterdrückte, was als direkter oder indirekter Angriff auf die staatlichen und kirchlichen Machtstrukturen angesehen werden konnte.

    Kehren wir an dieser Stelle aber nochmals zu Weißes Kinderfreund zurück: Das dem Kinderfreund zugrundeliegende Konzept wurde wahrscheinlich auch durch die von Weiße 1773 vorgenommene Übersetzung der Bibliothek für Jünglinge aus dem Englischen beeinflusst. Das Original stammt aus dem Französischen (Conseils d’un Homme de Qualité à sa fille), wurde auch ins Englische übertragen und versucht in systematischer Form menschliche Verhaltensweisen unter dem Gesichtspunkt der Moral zu analysieren.

    Diesem erfolgreichen Buch folgte bald (ab 1776) eine deutsche Zeitschrift, die zumindest den Titel zitiert, sich inhaltlich aber deutlich unterschied: Bibliothek für Jünglinge und Mädchen, eine Monatsschrift von Christian Gotthilf Salzmann, Direktor der Erziehungsanstalt zu Schnapfenthal und angesehener Autor von Kinder- und Jugendbüchern. Der buntgemischte Inhalt bestand aus „Idyllen, Fabeln, Romanzen, Lyrischen Gedichten, Epigrammen und Theaterstücken ... " Schlimmer noch als die fehlende konsequente Gliederung in moralische Themengruppen war der Umstand, dass manche Lesestücke den aufklärerischen Ernst vermissen ließen und all zu gefühlsbetont ausfielen, was zu der Zeit in der erzieherischen Literatur verpönt war.

    Dementsprechend griesgrämig fiel auch eine Rezension der Allgemeinen Literatur-Zeitung (Juni 1788) aus: „ ... So werden Bücher leicht gemacht. Und in pädagogischer Rücksicht sollte man wohl manches, besonders bei den Romanzen zu tadeln finden. Liebe, grause (krause) und abergläubische Vorstellungen in komischem Styl (Stil). Was das für ein Gemisch für Kinder ist!"

    Nicht ganz so streng, aber ebenso kritisch ging ein anderer Rezensent der Allgemeinen Literatur-Zeitung (Februar 1788) mit Salzmann ins Gericht:

    „In der Tat hat der Rec., der alle diese Stücke durchgelesen hat, manches nützliche, nichts verwerfliches, und hin und wieder etwas unterhaltendes, besonders in den komischen Stücken gefunden. Es scheint ihm aber, dass es der zärtlichen Situationen und Erzählungen zu viele gibt, und dass diese etwas zu jugendlich mit Floskeln, Malereien und Hyperbeln prangen.; sie grenzen manchmal an Empfindelei ..." ³⁴

    Der Kinderfreund von Weiße, an dem sich alle anderen periodischen Kinderzeitschriften dieser Zeit messen lassen mussten, erschien – wie bereits erwähnt – ursprünglich bei Siegfried Leb(e)recht Crusius³⁵ in Leipzig, wurde mehrfach nachgedruckt, teilweise plagiiert³⁶ und konsenslos bearbeitet. Wir finden gebundene Nachdrucke des Kinderfreundes bei den verschiedensten Verlegern und Buchhändlern, teilweise in billigen Pappeinbänden und ohne Illustrationen.

    Weiße selbst knüpfte an den Erfolg des Kinderfreundes an und veröffentlichte zwischen 1784 und 1792 den Briefwechsel der Familie des Kinderfreundes, eine Zeitschrift, die man heute als Jugendmagazin bezeichnen würde. Denn die Kinder des Kinderfreundes sind der kindergerechten Belehrung entwachsen. Sie sind junge Erwachsene geworden:

    „Zum allgemeinen Vergnügen schließt sich nun dieser Briefwechsel an (an den Kinderfreund), dessen Form dem Verfasser Gelegenheit gibt, der erwachsenen Jugend beiderlei Geschlechts eine der nützlichsten und angenehmsten Unterhaltungen zu gewähren. Da er seine Briefe teils von Jünglingen und Mädchen, teils von älteren Personen schreiben lässt, so entsteht daraus eine so große Mannigfaltigkeit des Stoffs, als der Manier ihn zu behandeln." (Allgemeine Literatur-Zeitung, November 1785).

    Der Kinderfreund von Weiße fand auch im Ausland Beachtung. Ab 1782 veröffentlichte der französische Erzieher A. Berquin die erste Nummer der periodischen Kinderschrift L’Ami des Enfans (Der Kinderfreund), die in monatlichen Teillieferung erschien und darauf ausgelegt war, zu zwei Jahresbänden gebunden zu werden. L’Ami des Enfans ahmte den Aufbau von Weißes Kinderfreund nach, ist aber weit stärker moralisierend als dieser und von einer ausgeprägten, realitätsfremden Rührseligkeit. Märchen und phantastische Erzählungen werden jedoch im Sinne der verstandesbetonten Weltsicht der Aufklärung vermieden.

    Wen wundert es, dass es von der Erfolgsgeschichte des Kinderfreundes auch in Deutschland nicht nur Raubdrucke des Originals gab, sondern auch deklarierte Epigonen:

    Engelhardt und Merkel veröffentlichten ab 1794 bei Ambrosius Barth in Leipzig die Zeitschrift Neuer Kinderfreund, über welchen die Allgemeine Literatur-Zeitung vermerkte:

    „Lässt sich gleich dieser neue Kinderfreund nicht von allen Seiten dem alten unseres vortrefflichen Weiße an die Seite stellen, sieht man es ihm, was besonders die Einleitung betrifft, auch ein wenig zuviel an, dass jener dazu das Original abgegeben hat: So muss man doch den Verfassern das Zeugnis erteilen, dass sie ihrem Muster rühmlich nachgeeifert haben, und kann das Buch heranwachsenden, schon einiger anhaltenderen und ernsthafteren Lektüre fähigen Kindern im Ganzen genommen mit gutem Gewissen empfehlen. Es finden sich darin Aufsätze über Gegenstände aus der Moral, Geschichte, Naturlehre, Naturgeschichte, Technologie, Völker und Länderkunde, Altertümern, Mythologie u.s.w...."

    Die Texte, insbesondere die Dialoge sind langatmig und lassen die leicht lesbare Flüssigkeit, die bei Weiße so imponiert hat, vermissen. Trotzdem wird versucht, die Didaktik des Originals nachzuahmen. Ein Beispiel:

    Die Geschwister haben Eduard einen Streich gespielt, wodurch der Junge Sand in die Augen bekommen hat. Die Inhaltsangabe illustriert, wie sich die Autoren an die Behandlung dieses Vorfalls machten:

    „Was für einen Plan seine Geschwister sich deshalb entworfen, und wie sie ihn ausgeführt

    Was dabei höchst tadelnswürdig, ja strafbar war

    Wie sie sich deshalb entschuldigten

    Erste Regel beim Spaßmachen, oder was man zu bedenken habe, ehe man Neckereien vornimmt

    Üble Folgen, die der Spaß der Geschwister bei Eduard hätte nach sich ziehen können

    Unterschied zwischen Possen und Neckereien

    Traurige Folgen, die Neckereien oft nach sich gezogen, in einigen Beispielen den Kindern dargestellt

    Beispiel. Die Vorstellung eines Totentanzes wirkt den Tod eines gelehrten jungen Mannes

    Beispiel. Versteckte und unschuldige Neckerei eines Kaufmannes mit einer Banknote

    Folgen davon

    Zweite Regel, die man bei Neckereien zu beobachten hat

    Beispiele dazu, oder wie man sich durch Nichtbeobachtung derselben schadet, usw. ... „

    Dennoch oder vielleicht auch deswegen: Der Neue Kinderfreund wurde ein Erfolg und erlebte in seiner gebundenen Form mehrere Auflagen. Ein Rezensent der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung vermerkt im Mai 1806 wohlwollend, dass der Neue Kinderfreund im Gegensatz zu manch anderen Kinderschriften nicht geeignet sei, die Fantasie der Kinder anzufachen:

    „Die Nachahmung eines in der pädagogischen Literatur so ehrwürdigen Titels berechtigt zu großen Erwartungen ... fand (ich) aber mit angenehmer Überraschung, dass derselbe nicht bloß neu, sondern auch wahrhaftig sei. In den neueren Kinderbüchern liegt leider! die schädliche Alternative, dass sie entweder auf eine läppische Art langweilig ... oder gar mit den verderbten Romanenfehlern behaftet sind. Zu letzteren rechnet Rec. (der Rezensent) vorzüglich die Anfachung der Imagination (Vorstellungskraft), oder solcher Gefühle, welche zum Besten der physischen und moralischen Gesundheit des Kindes unaufgeregt bleiben müssen ..."

    Durch das Lob der Kritiker bestärkt, wandelten die Verfasser des Neuen Kinderfreundes weiterhin unverdrossen auf den Spuren von Weiße und brachten, ebenso wie dieser zu seinem „Originalkinderfreund", ab 1799 den Briefwechsel der Familie des neuen Kinderfreundes heraus, zu dem die Allgemeine Literatur-Zeitung schrieb: „Die gute Aufnahme des neuen Kinderfreundes veranlasste diesen Briefwechsel ... sucht der Verfasser seinen jungen Lesern und Leserinnen besonders die häuslichen Tugenden der Ordnung, der Fügsamkeit usw. liebenswürdig zu machen, und durch anschauliche Schilderungen der entgegengesetzten Fehler, Abscheu gegen dieselben in den jungen Gemütern zu wecken."

    Zeitgleich mit dem Jugendfreund von Weiße in Leipzig erschien in den Jahren 1777 bis 1778 bei Trattnern in Wien das Wochenblatt für die österreichische Jugend, das als erste bedeutende Jugendzeitschrift Österreichs gilt. Verfasst wurde sie von dem katholischen Geistlichen Franz von Paula Rosalino (1736 – 1793). Rosalino wurde durch eine in mehreren Auflagen erscheinende Bibelübersetzung bekannt. 1782 wurde er von Kaiser Josef II zum theologischen Bücherzensor ernannt, ein Amt, das er im Sinne aufklärerischer Bestrebungen verwaltete. Seine Einstellungen gegenüber der Amtskirche und deren konservativ-dogmatischen Haltung scheint nicht unkritisch gewesen zu sein. Jedenfalls konstatiert ein zeitgenössischer Rezensent in der Allgemeinen deutschen Bibliothek, mehr erstaunt, als kritisch: „ ... auch drückt sich der Verfasser über die in diesem Zeitpunkt einschlagende Religionstrennung (im Rahmen einer geschichtlichen Darstellung der Reformation) ziemlich gemäßigt aus." ³⁷ Im Übrigen wird der Inhalt des Wochenblattes für die österreichische Jugend so beschrieben: „Die Fächer worüber sich dasselbe verbreitet, sind: Religion, oder eigentlich biblische Geschichte, von Mose an bis auf das Leben Jesu und Darstellung seiner Lehre, Ökonomie, Geschichte des Erzhauses Österreich, Völkergeschichte ... Die geographischen Artikel liefern sehr wenig Beiträge zur Berichtigung unserer geographischen Kenntnisse von Österreich ... Die österreichische Geschichte ist am besten geschrieben ... An den Gedichten ist größtenteils nicht viel ..."

    Trotz seiner Kurzlebigkeit kann das Wochenblatt für die österreichische Jugend als frühes und herausragendes Beispiel einer theologisch motivierten Jugendzeitschrift gelten, die sich dadurch auszeichnet, dass sie nicht nur Glaubensinhalte vermittelte, sondern ihre Inhalte in sachlicher Weise auf die verschiedensten Wissensgebiete ausdehnte.

    Eine Hinwendung nicht nur zu charakterbildenden Themen sondern zur konkreten Wissensvermittlung, auch auf naturwissenschaftlichem Gebiet, findet sich verstärkt in den Jugendschriften ab der Jahrhundertwende. Zu erwähnen ist hier vor allem Gerhard Ulrich Anton Vieths³⁸ Physikalischer Kinderfreund, der ab 1798 mit insgesamt mehr als 2000 Seiten in zehn Bändchen veröffentlicht wurde und insoweit, wenn er auch keine typische Zeitschrift war, so doch zu den Periodika gezählt werden kann. Die Jenaische Allgemeine Literaturzeitung gab folgendes Urteil ab:

    „Dieses Buch ist als eine Fortsetzung des Kinderfreundes von Engelhart und Merkel anzusehen. Materien aus der Natur, dem gemeinsamen Leben, der Sphäre der Kinder, fasslich und sinnlich erklären und in kleinen Portionen in Form von Gesprächen, Erzählungen, Kunststücken, Briefen vorzutragen, war die Absicht des Verfassers und er hat sie nach Rec. Urteil völlig erreicht."

    Schriften, wie der Physikalische Kinderfreund richteten sich primär an Knaben. Für Mädchen galten solche Bücher und Zeitschriften als wenig geeignet. Damals entstanden neben zahlreichen Frauenzeitschriften auch solche, die für heranwachsende Mädchen bestimmt waren.

    Die weibliche Erziehung wurde erstmals in der Aufklärung als spezielles bildungspolitisches Konzept diskutiert. Bis dahin hatten sich Bildungsangebote primär an Knaben gewandt. Für ein Mädchen genügte es, jene Fähigkeiten zu erlernen, die zur einfachen Haushaltsführung reichten. Das selbstbewusste Bildungsbürgertum, das in der Aufklärung entstand, erwartete von Frauen, dass sie auch im gesellschaftlichen Rahmen eine Gefährtin ihres Mannes und im häuslichen Bereich Lehrerin ihrer kleineren Kinder sein konnte. Das setzte eine gewisse Bildung voraus, die allerdings – noch lange³⁹ – rollenspezifisch limitiert war, wenngleich auch schon damals „Über die Bestimmung des Weibes zur höheren Geistesbildung" (Amalia Holst⁴⁰) diskutiert wurde.

    Dennoch ging die allgemeine Auffassung dahin, dass die Frau dem Manne untergeordnet sei und sich auf den häuslichen Bereich und auf ihre sich aus der Position ihres Ehemannes ergebenden gesellschaftlichen Verpflichtungen zu beschränken habe. Dieser Zustand wurde nicht mehr religiös, sondern wissenschaftlich mit der unterschiedlichen Natur der Geschlechter begründet⁴¹.

    Die Wochenschrift Für deutsche Mädchen ist eine ganz typische, frühe Vertreterin jener Jugendzeitschriften, die in rollenspezifischer Weise für Mädchen konzipiert waren. Sie wurde 1781 und 1782 von Paul Friedrich Achat Nitsch (Theologe, Historiker und Autor) in Dresden herausgegeben und enthielt Erzählungen, Lieder, Gedichte und moralisch belehrende Stücke (z.B.: „Über die Liebe, „Über das Glück der Ehe, „Über die Schönheit", usw.)

    Nicht nur die moralische und wissenschaftliche Bildung (hauptsächlich für Knaben), sondern auch Zeitgeschichte und politische Bildung – in dem durch die Zensur begrenzten Rahmen – war den aufklärerischen Jugendschriften ein Anliegen.

    Ein gutes Beispiel dafür ist die – wohl auch von den damals verbreiteten Intelligenzblättern⁴² beeinflusste – Dessauische Zeitung für die Jugend und ihre Freunde, die von Rudolph Zacharias Becker⁴³ (1752 – 1822) ab 1782 in Dessau und ab 1783 unter dem Titel Deutsche Zeitung für die Jugend und ihre Freunde in Gotha herausgegeben wurde. Von einem Jugendblatt wandelte sich die Zeitung allerdings mehr und mehr zu einem für Erwachsene bestimmten Blatt mit politischen Intentionen. 1796 wurde der Titel in Nationalzeitung der Deutschen geändert. Seinen von aufklärerischen, volksbildnerischen Idealen bestimmten Tendenzen blieb das Blatt aber treu. 1811 wurde es verboten und Becker in französische Haft⁴⁴ genommen. Man warf ihm vor „dass er in Verbindung mit mehreren geheimen Gesellschaften oder gar an deren Spitze stehen solle, welche zur Absicht hätten, bei dem bevorstehenden Ausbruch des Krieges gegen Russland ganz Deutschland aufzuwiegeln und den französischen Armeen mit gewaffneter Hand in den Rücken zu fallen." I war ein in der Nationalzeitung der Deutschen erschienener Artikel über eine fiktive politische Gesellschaft: „Der deutsche Bund, eine geheime Gesellschaft". Nach 17monatiger Haft wurde

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