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Berlin 1989 Rykestraße und andere Erinnerungen
Berlin 1989 Rykestraße und andere Erinnerungen
Berlin 1989 Rykestraße und andere Erinnerungen
Ebook261 pages2 hours

Berlin 1989 Rykestraße und andere Erinnerungen

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About this ebook

Neben den Geschichten von persönlich berührenden Begebenheiten,
von Kinderschicksalen und von einem Stück Leben in der DDR aus seinem ersten Werk, erzählt der Autor in seinem Buch „Berlin 1989 Rykestraße“ nun autobiographisch von dem Lebensgefühl und den persönlichen Ereignissen bis zu seiner Flucht im Sommer 1989 über Ungarn in den Westen.
Der Leser erfährt einzigartig, wie das war, dieses Gefühl der Ohnmacht, der Angst und der ständigen Bedrohung durch die Staatssicherheit.
Fast im Gegensatz dazu vermittelt der Autor aber auch sein eigenes unbeschreibliches Lebensgefühl des Aufbegehrens, der Freiheit und der Liebe.
Rückschauend stellt er dazu fest, dass diese Tage und Wochen im Sommer 1989 eine derartige Einmaligkeit in seinem Leben hatten, dass er noch heute dankbar ist, dies alles erlebt haben zu dürfen.
LanguageDeutsch
Release dateDec 1, 2014
ISBN9783738685077
Berlin 1989 Rykestraße und andere Erinnerungen
Author

Burkhard Pautz

Der Autor ist Jahrgang 1958 und verlebte seine Kinder- und Jugendjahre bis zum Abschluss des Abiturs in Lübben (Spreewald). Nach seinem 18-monatigen Wehrdienst wohnte er in Berlin und arbeitete bis zu seinem Studienbeginn als Bauarbeiter in Cottbus. Danach bis 1984 Studium an der Technischen Universität in Cottbus. Von 1983 bis zu seiner Flucht über Ungarn im Sommer 1989 wohnte er dann in Berlin-Prenzlauer Berg. Aus dem Lebensgefühl dieser Zeit entstehen seine ersten Geschichten. Tätig war er nach seinem Studium 1984 als Industriebauleiter in Berlin-Marzahn, als Objektleiter einer Sporthalle in Berlin-Lichtenberg, als Hausmeister (Berufsverbot) in der damaligen Seelenbinderhalle in Berlin-Friedrichshain und dann wieder als Bauleiter verschiedener Baumaßnahmen des Sportstättenbetriebes Berlin. Von September 1989 bis 1995 war er dann Bauleiter in Düsseldorf und bei der Hochtief AG in Berlin und Brandenburg. Seit 1995 ist er als Projektleiter Bau bei einer Dienststelle eines Bundesministeriums angestellt.

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    Berlin 1989 Rykestraße und andere Erinnerungen - Burkhard Pautz

    Autor

    Woher kommen diese Fragen – Gedicht

    EWALD - Kurzgeschichte

    Woher kommen diese Fragen

    Woher kommen denn diese Fragen?

    Woher kommt denn plötzlich dieses Licht?

    Lange, lange bist Du nicht mehr fort gegangen

    Weißt Du überhaupt noch, wie das ist,

    fortzulaufen ohne Ziel,

    sich in Träumen zu verlieren,

    Freiheit, grenzenlos zu spüren

    und auf dünnem Seil zu balancieren?

    Und auf einmal, ohne Hoffen, ohne Warten

    lockt Dich wieder dieser Traum mit List -

    und er wird Dir all die Wege zeigen,

    die Du einst so blind gegangen bist.

    Ja, Du sagst, Vernunft zwingt Dich zu bleiben,

    und das Lügen fällt Dir nicht mal schwer.

    Hast Dich auf den Alltag eingelassen.

    Ist das alles? Brauchst nicht mehr?

    Noch sehe ich Hoffnung da in Deinen Augen

    und die Tränen in der Nacht,

    wenn ein Stern von Dir verkündet,

    dass Du all das noch gemacht.

    EWALD

    Ja, hier war ich einmal zu Hause! Dort steht noch das Wohngebiet!

    Mein Gott, ist ja alles neu! Das blasse Gelb der Fassade ersetzt durch leuchtende Farben. Und dort, wo vor dem Haus alles zu betoniert war, auf der Fläche, wo wir immer Völkerball spielten, sind jetzt saubere und ordentliche Vorgärten angelegt. Alles sieht so schön und neu aus. Nur die fünfgeschossigen Wohnbauten aus den 60-iger Jahren erinnern noch an die gute, alte Zeit.

    Und hier, hier war ich Kind!

    Gibt´s denn das! Da sind ja noch die Wäschestangen!

    Verzinkt, aber es sind noch die Gleichen wie damals.

    Ja, so muss SIE da gestanden haben, damals vor über vierzig Jahren.

    Wohlgebaut und mit ihrer DEDERON - Kittelschürze.

    Im Westen hieß es NYLON und bei „uns" DEDERON.

    Da kommen wieder die alten Erinnerungen hoch, nicht wahr?

    Haben Sie noch eine DEDERON - Kittelschürze zu Hause?

    Also, Sie stand da, sehr blond, vorn und hinten wohl proportioniert, und jedes Mal, wenn SIE sich zu ihrem Wäschekorb bückte, sah man ihre Schlüpfer. Damals hießen sie noch Schlüpfer, heute sind es Slips, Tangas oder so was. Nein, nein bei ihr waren es auf jeden Fall Schlüpfer!

    Sie war nicht sehr groß, eben genau wie eine Frau so um die Dreißig sein muss. Vielleicht Eins fünfundsechzig und das Gesicht hübsch und rund, so wie die ganze ansehnliche Figur.

    Klar, man hatte damals noch nicht diesen Gesundheitswahn und vielleicht auch gut so. Für SIE auf jeden Fall. Sie war eben mehr Fleisch als Gemüse.

    So, nun schildere ich das alles so voyeuristisch, als wäre ich selbst der Beobachter gewesen.

    Aber das war nicht so!

    Ich muss das an dieser Stelle und vor allen Dingen richtig stellen, dass ich damals noch gar nicht reif für solche Betrachtungen war.

    Denn mit meinen zehn Jahren wusste ich noch nicht, wozu man die paar Nebensächlichkeiten an meinem Körper überhaupt verwenden konnte.

    Wie gesagt, dieses ganze Geschehen habe ich erst viel später so rekonstruiert. Später, ungefähr ab da, als mein Blick beim Schultreppe hinauf gehen, wie magisch an den kurzen Röckchen der Mädchen haften blieb und ein Blick darunter mich noch lange Schulstunden beschäftigen sollte.

    In meinem Kopf, im Kopf des Zehnjährigen war eigentlich damals nur dieses Bild, welches ich ja kannte:

    Die Frau Schmidt, die von Dem mit dem Motorrad, bei den Wäschestangen, mit ihrer Kittelschürze.

    Und überhaupt nicht in den Sinn wollte mir die ganze Aufregung eines Tages, diese ganze Geheimnistuerei.

    Ja, es gab nur noch ein Gesprächsthema im ganzen Haus.

    Und das Haus war groß, mit seinen fünf Aufgängen und jeweils auch fünf Geschossen. Das waren also (na rechnen sie mit?) fünf mal zwei und noch mal fünf; gleich 50 Familien!

    Also mindestens einhundert Erwachsene und weit über einhundert Kinder, die nur noch ein Thema kannten!

    Ja, ich weiß, sie haben mitgerechnet. Es gab zu diesen Zeiten eben noch mehr Kinder als heute. Und man bekam sie noch vor Dreißig, also noch bevor Arbeit, Wohnung und Ersparnisse gesichert waren.

    Also weiter.

    Auf einmal war alles anders. Keiner grüßte den anderen mehr.

    Überall nur Getuschel und böse Stimmen. Eine eigenartige Spannung lag in der Luft.

    Manchmal, so sind eben nur Männer, brüllten sie sich auf offener Straße an. Einer beschuldigte den anderen. Es war einfach unerträglich, sogar für uns Kinder.

    Meine Güte und das alles nur wegen dieses kleinen, etwas versauten Briefes!

    Irgendwelche Worte von „geil, „unter den Rock fassen und „Titten" standen darin.

    „Titten"!? Wir Kinder, also ich meine, wir kleinen Jungs, die wir waren, konnten zu der Zeit damit überhaupt nichts anfangen.

    Und trotzdem klingelten sie bei Ihnen.

    Zwei Polizisten standen bei Müllers vor der Tür und dann wurde der kleine Erwin von Ihnen verhört. E.M. soll als Absender drauf gestanden haben. E.M. - Erwin Müller?

    Das soll er geschrieben haben?

    Der Inhalt war für mich völlig unwichtig, aber das er all diese Worte kannte? Und das mit seinen neun Jahren...?

    Er war ein Jahr jünger als ich. Also alle Achtung!

    Er wiederum fand das alles nicht so beachtlich und wenn er nicht gerade wieder weinend vor uns davon lief, dann war er tagelang nicht zu sehen. Er musste zu Hause bleiben, damit sich nicht der „Volkszorn" auf Ihn entladen konnte.

    Langsam kehrte dann irgendwann wieder Ruhe im Hause ein. Man hatte ja nun den Schuldigen gefunden.

    Doch so richtig glaubte die Polizei wohl selbst nicht daran, dass ein kleiner neunjähriger Junge so ein Zeug geschrieben haben soll.

    Von vielen unbemerkt gingen die polizeilichen Ermittlungen weiter.

    Zwei Männer in Zivil, von der Kripo vermutete man, kamen ab und zu und wurden mal in diese und mal in jene Wohnung eingelassen.

    Eines Tages, ich weiß es noch wie heute, an einem Samstagnachmittag passierte es.

    Samstagnachmittag war immer Hochbetrieb im Haus. Alle waren dann von der Arbeit zurück. Manche unterhielten sich aus den Fenstern heraus. Einige Frauen standen auch immer Draußen und quatschten dort laut miteinander. Die Kinder spielten auf der Wiese oder am Klettergerüst beim Sandkasten.

    Also, es war jedenfalls dieser Samstagnachmittag als man Ewald in Handschellen die Treppen hinunter führte und er zwischen den beiden Kripo-Beamten bis zu diesem grünen Barkas ging.

    Alle Stimmen waren verebbt. Alle Blicke hatten nur ein Ziel!

    Manche schüttelten verständnislos den Kopf.

    Aber es musste wohl so sein!

    Es passte nun auch zusammen, E.M. – Ewald Müller.

    Dann stiegen alle Drei in das Auto und fuhren los.

    Ewald sah ich da das letzte Mal.

    Das war der Hammer! Ewald, ausgerechnet Ewald war es!

    Ewald, der sogar die Kinder im Hausflur so freundlich grüßte.

    Der mit fast vierzig Jahren noch immer bei seiner Mutter wohnte und den sie sicherheitshalber beim über die Straße gehen an die Hand nahm. Ewald, der nur einen Gemütszustand zu kennen schien.

    Zu dem nur dieses ewige, freundliche Lächeln passte!

    Er war rund und groß und alles, aber wirklich alles an ihm erinnerte nur an einen großen gutmütigen Teddy.

    Na gut, eine Leuchte schien er ja wirklich nicht zu sein.

    Die Meisten waren erstaunt, dass er überhaupt schreiben konnte.

    Aber das war vielleicht das Einzige, was man hätte Schlechtes über ihn sagen können.

    Und doch, kaum war das Auto aus unserem Blickwinkel verschwunden, da waren sie wieder da, all diese hässlichen Worte, diese gemeinen Sprüche, diese Rufe nach Vergeltung.

    Mein Gott Ewald und das alles nur wegen ein bisschen heimlich Onanieren hinter den geschlossenen Gardinen!

    Für ein paar so menschliche Ferkeleien, die wir alle doch manchmal so dringend brauchen!

    „Die Hände muss man ihm abhacken!", habe ich noch heute seine Stimme im Ohr!

    Ewald, er wollte Dir tatsächlich die Hände abhacken!

    Er, dieses Schwein, dieser Güllefahrer, der immer stockbesoffen Samstagnacht aus der Sportlerklause wankte und zu Hause angekommen, seine Frau grün und blau schlug.

    Weißt Du Ewald, ich meine diese Frau mit dem schiefen Gesicht und der platten Nase, an der eigentlich nichts mehr war, was man noch hätte kaputt machen können!

    Also dieses Tier wollte Dir die Hände abhacken!

    Diese Hände, die nur in deinen unschuldigen Träumen so gern die Schlüpfer dieser Frau berührt hätten.

    Er wollte (und die anderen wollten es auch!), dass diese, deine Hände, nie wieder deinen eigenen Körper berühren sollten, nie wieder diese Lust und dieses einzige Glücksgefühl auslösen können.

    Das Einzige, was Dir neben deiner alten Mutter und denen dich stets für blöd verkaufenden Nachbarn noch geblieben war.

    Sag mal, Ewald, dort, wo Du hinkamst, in diesem großen psychiatrischen Krankenhaus der Stadt, hat man dich da verstanden?

    Hattest Du eine Freundin, eine Frau?

    Oder hast Du wieder nur heimlich unter deiner Bettdecke oder auf der Toilette onanieren können?

    Ewald, war es tatsächlich so, wie man erzählt hat, dass ihr nie raus konntet und man Euch auch Tabletten gab, wenn ihr gar nicht wolltet?

    Ewald, was hast Du die ganzen Jahre da gemacht?

    Man erzählte mir, aber ich kann es gar nicht glauben, doch vielleicht war es wirklich so, dass man Ewald im Jahre 1990 nach einer Untersuchung für völlig gesund befand und ihn aus dem Krankenhaus entließ.

    Seine Mutter war schon Jahre vorher gestorben.

    Kurz nach dieser ganzen Geschichte damals, war sie (oder musste sie?)in eine andere Stadt gezogen.

    Keiner wusste wohin, auch Ewald nicht.

    Deshalb ging er erst mal dorthin zurück, wo er zuletzt gewohnt hat.

    Zu diesen Menschen, die er kannte und von denen er ja nicht wusste, dass sie ihm einmal die Hände abhacken wollten.

    Aber es waren nicht mehr dieselben Menschen, die gleichen Nachbarn.

    Einige waren schon vorher weggezogen, andere gingen mit der Wende in den Westen und so fügte es sich, dass sogar Ewald eine Wohnung bekam. Und kurioser Weise konnte er in die gleiche Wohnung einziehen, in der er bereits die vielen Jahre allein mit seiner Mutter lebte.

    Irgendwann Ende 1990, der Frust über das DDR-System saß bei allen noch tief, rehabilitierte man Ewald.

    Endlich schien alles noch gut für ihn zu werden!

    Eines Tages dann, die neuen Parteien schossen wie Unkraut aus dem Boden, entdeckte man in Ewald einen ehemaligen Regimegegner.

    Sozusagen als Ersatz in Ermangelung der Helden, deren es nicht so viele gab in dieser kleinen Stadt. Jedenfalls nicht so viele, um den Bedarf an neuen Parteigängern stillen zu können.

    Ewald mit seinen nun weit über sechzig Jahren machte also noch mal richtig Karriere!

    Er wurde Stadtverordneter und blieb trotzdem der immer lächelnde, gutmütige Teddy. Es machte nichts, dass Ewald oft gar nicht wusste, worum es eigentlich ging.

    Na ja, manchmal schon mussten sie etwas eindringlicher mit ihm reden, wenn er wieder mal seine Hand hob, weil die vielen anderen sie auch hoben. Die vielen anderen, die nicht zu seiner Partei gehörten. Aber im Großen und Ganzen klappte es ganz gut mit seiner Parteidisziplin.

    So gesehen konnte er nun all das endlich nachholen, was ihm zu DDRZeiten verwehrt war. Nämlich das Hände-heben und Ja-sagen. Und wenn seine Partei es will, hebt er vielleicht auch heute noch seine Hand.

    Mein Gott, warum, ist Ewald doch egal!

    Nur ich sage Euch, das, was sie heute mit Ewald machen, ist auch nicht in Ordnung!

    Hat er das nötig?

    Pass auf Ewald! Wenn irgendein Mensch doch ein Buch von mir kauft, dann lade ich Dich ein!

    Wir Beide, Du und Ich, fahren dann in die große Stadt!

    Dorthin, wo Du noch nie gewesen bist!

    Und ich sage Dir…, ich zeige Dir Etwas...!

    Dort in der Nähe vom großen Bahnhof. Dort, wo die Leuchtreklamen sind und diese Bilder!

    Ewald, so etwas hast Du noch nicht gesehen!!!

    Ewald, Du brauchst dann nicht mehr warten bis Mitternacht, bis endlich diese Sexfilme beginnen!

    Dort laufen die Filme ununterbrochen und keinen stört es!

    Ewald, und danach zeige ich Dir noch etwas…!

    Pssst ...!!!

    Du versprichst mir, dass Du Niemanden etwas davon erzählst?!

    Dann zeige ich Dir nämlich die echten Mädchen!

    Ja, wirklich, ganz echt!

    Kein Film oder so etwas!

    Und Du wirst etwas erleben, was Dich endlich für dein ganzes entsetzliches Leben entschädigen wird!

    Eines dieser Mädchen aus deinem Lieblingsfilm wird da sein!

    Sie wird deine Hand nehmen und gemeinsam geht ihr in ein gemütliches Zimmer. Auf dem Nachttisch wird eine kleine rote Lampe das Zimmer spärlich beleuchten und dieses zauberhafte Mädchen wird dich umarmen und deine Hände, Gott sei Dank hast Du deine Hände noch, werden das erste Mal im Leben eine Frau spüren!

    Ich sage Dir, Ewald, Das wirst Du nie mehr vergessen!

    Und wenn sie dich dann wieder brauchen, um deine Hand zu heben, dann Ewald, sage Ihnen, Du hast keine Zeit!

    Sage Ihnen, Du hast ab heute keine Zeit mehr!

    Sage es einfach und sei ehrlich, dass Du in die große Stadt gehen wirst, um endlich für Dich eine richtige Frau zu finden!

    Glaube mir, auch dafür ist es nie zu spät!

    Unsere zwei Jahre – Gedicht

    Das Wort zum Tage – Kurzgeschichte

    Ausgezeichnet 1992 beim

    RIAS-Poetenwettbewerb

    UNSERE ZWEI JAHRE

    Erinnerst Du Dich noch?

    An jenen Abend, wo sich zum ersten Male behutsam unsere Hände streiften und unsere Lippen so zärtlich näherten...

    An jenen Frühling, da die Knospen die aller schönsten Blumen versprachen.

    Jener Frühling mit seinem ohnmächtig verlangenden Blühen.

    Der Sommer darauf ... . Du musst Dich doch an diesen Sommer erinnern!

    An diese heißen Abende mit dem wilden Verlangen nach der blutroten, aufgehenden Sonne.

    Weißt Du, dieser Sommer mit jenem weißen Strand und diesem glasklaren Wasser.

    Dieser Sommer mit seiner ohnmächtigen Hitze.

    Und dann ... Du weißt? ... Der Herbst danach ...

    Dieser rätselhafte Herbst mit der unüberschaubaren Fülle der Farben.

    Oh, diese vielen Farben ! ...

    Ja, das war jener Herbstwind mit seiner erfrischenden Kühle...

    Jener Herbst mit seiner ohnmächtigen Sehnsucht nach dem Sommer.

    Du hast Recht. Es folgte dieser kalte Winter.

    Weißt Du noch, als dieser Schneesturm so plötzlich kam?

    Diese bittere Kälte, der Frost.

    Jener Winter mit seiner ohnmächtigen, langen Dunkelheit.

    Ja ..., das Jahr darauf war einfach zu kurz.

    Weder dieser laue Frühling, noch dieser verregnete Sommer und auch nicht jener düstere Herbst vermochten, diesem misslungenen Jahr Gestalt zu geben.

    Aber der Winter ... . Du entsinnst Dich...?

    Dieser harte Winter ...

    mit dieser traumhaften Blume am Fenster ...

    Sie sollte uns an den Frühling erinnern...

    ... und tat es auch...

    Doch dieser laue Frühling darauf ...

    Jenes Jahr war einfach zu kurz.

    Dieses Jahr mit seiner ohnmächtigen Angst.

    (Irgendwann im September des Jahres 1984)

    Das Wort zum Tage

    Manchmal lebt man in einer kleinen Hoffnung.

    In einer kleinen Hoffnung auf ein Wiedersehen, auf eine Wiederbegegnung.

    Es sind jene Trostpflästerchen, von welchen wir eigentlich wissen, dass sie umsonst sind.

    Nach wenigen Tagen oder spätestens Wochen gerät eine, uns vielleicht einmal tief aufwühlende, Begebenheit ins Vergessen.

    Gedanken, die uns tagelang beschäftigten, haben dann nicht mehr die Spur einer Chance, sich abermals in unserem Kopf fest zu setzen.

    Sollte es dann doch unverhoffter Weise irgendwann und irgendwie zu einem Wiedersehen mit einem Menschen kommen, dessen Wesen uns einmal tief berührte; ja, vielleicht beansprucht uns dann unser Erinnerungsvermögen so lange, dass wir einen Moment lang unfähig sind, dieses an uns vorbei eilende Gesicht wieder einordnen zu können.

    Obwohl die Möglichkeit, einem prägnanten Menschen wieder zu begegnen, hierzulande nicht unwahrscheinlich ist, gibt es auf diese Weise erhoffte Wiedersehen, die sich jedoch nie als Wiederbegegnungen erfüllen werden.

    Täglich

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