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Praktische Mobbing-Prävention: Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz!
Praktische Mobbing-Prävention: Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz!
Praktische Mobbing-Prävention: Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz!
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Praktische Mobbing-Prävention: Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz!

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About this ebook

Das Problem Mobbing begreiflich machen und Lösungswege aufzeigen. So lautet kurz gesagt das Ziel dieses Buches. Mobbing hat viele Facetten und ist in seiner Komplexität nicht einfach zu erfassen. Deshalb beschäftigen wir uns im Buch mit den auslösenden Faktoren und den Mobbinghandlungen an sich. Was sind das für Menschen, die sich unliebsamer Kollegen entledigen wollen und wie tun sie es? Dass die Folgen für Betroffene schwerwiegend sind und Lebensqualität verloren geht, wird
ebenfalls zum Ausdruck kommen. Den Kernpunkt des Buches bildet jedoch die Mobbing-Prävention. Mobbing vorbeugen, geht das? Ja! Arndt Hermans und ich sind bestrebt, praktische Hinweise zu geben, die jedem Einzelnen aber vor allem den Unternehmen helfen können, Mobbing erfolgreich vorzubeugen oder bereits im Frühstadium zu beseitigen. Denn wenn das gelingt, erübrigt sich jede Diskussion über Motive des Mobbers oder Leiden der Opfer. Unsere Ziele sind hochgesteckt, aber wir sind zuversichtlich, mit diesem Buch einen sinnvollen Beitrag für die Mobbingbekämpfung zu leisten.
LanguageDeutsch
Release dateJan 16, 2015
ISBN9783732252398
Praktische Mobbing-Prävention: Stopp dem Psychoterror am Arbeitsplatz!

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    Book preview

    Praktische Mobbing-Prävention - Arndt Hermans

    Mobbing-Tagebuch

    1. Einleitung

    „Mobbing – was verbirgt sich eigentlich dahinter? Die am häufigsten zu lesende Variante lautet „Psychoterror am Arbeitsplatz, wobei darauf hinzuweisen ist, dass es Mobbing nicht nur im Beruf, sondern auch in anderen Lebensbereichen gibt. Das Vereinswesen und Schulen sind davon sicher nicht gänzlich frei. Dieses Buch beschäftigt sich allerdings ausschließlich mit Mobbing am Arbeitsplatz, der wohl bekanntesten und schwerwiegendsten Art der Schikane.

    Die Mobbing-Thematik ist inzwischen vielen bekannt, und trotz oder gerade wegen ihrer Popularität und Bedeutsamkeit gibt es sehr konträre Standpunkte. Für Kritiker ist die Bezeichnung Mobbing nicht mehr als ein überflüssiges Schlagwort oder die unzureichende Neubeschreibung eines alten Problems. Auch der Vorwurf, Initiativen zum Thema seien nicht mehr als eine „Spielwiese" für Mediziner, Journalisten, Arbeitsrechtler, Soziologen oder Psychologen, die sich auf dem Gebiet einen Namen und die schnelle Mark machen wollen, ist bisweilen zu vernehmen.

    Andere hingegen sehen in dieser Wortschöpfung die notwendige Präzisierung eines gesellschaftlichen Phänomens.¹ Fakt ist, die Umgangsformen am Arbeitsplatz werden rücksichtsloser, der Konkurrenzkampf um die beruflichen „Rosinen" wird mit immer härteren Bandagen geführt. Dass da die Hemmschwelle sinkt und man einen Konkurrenten nicht immer mit legalen Mitteln ausschalten will, bestreiten einige Arbeitnehmer auch längst nicht mehr.

    Angaben des Thüringer Gesundheitsministeriums zufolge sind schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen von Psychoterror am Arbeitsplatz betroffen.² Aktuelle Zahlen im Internet belegen diese Statistik. Detaillierte Werte zu nennen, fällt jedoch schwer. Nahezu jede Quelle ermittelt ein anderes „Betroffenen-Profil" und kommt daher zu höchst unterschiedlichen Resultaten. Außerdem ist die Dunkelziffer sehr hoch, da viele Opfer sich nicht öffentlich zu ihrem Problem bekennen. So gibt es Schätzungen, die auf bis zu 5 Millionen Betroffene verweisen. Dies ist objektiv betrachtet jedoch unrealistisch. Unbestritten ist hingegen die Tatsache, dass Mobbing-Tendenzen bei einer angespannten Arbeitsmarktlage verstärkt auftreten und überdurchschnittlich viel gemobbt wird.

    Unabhängig davon, wie viele Opfer es tatsächlich gibt, steht fest, dass Mobbing jeden treffen kann, unabhängig von Geschlecht und Bildungsgrad. Dies wurde zu allererst von Professor Heinz Leymann, dem wohl bekanntesten Mobbingforscher, erkannt und zum Gegenstand seiner Forschungsarbeit gemacht.

    Die alarmierenden Entwicklungen und Informationen verdeutlichen, dass Mobbing mehr als nur eine vorübergehende Modeerscheinung ist, dass ein System der psychischen (und physischen) Demontage existiert. Dies zu verdeutlichen und vor allem wie man dem vorbeugen kann, wird Inhalt des Buches sein. Die Fragestellung nach den Möglichkeiten der Prävention ist hierbei zentral, um den Virus Mobbing gar nicht erst heranreifen zu lassen, denn einmal in Gang gesetzt, ist eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung kaum noch möglich.

    Zu Beginn des Buches erfolgt eine Begriffsbestimmung und Definition von Mobbing, bevor wir die geschichtlichen Hintergründe der Mobbingentstehung und erste Forschungsprojekte vorstellen. Anschließend werden die Resultate einer schwedischen und deutschen Studie gegenübergestellt und miteinander verglichen.

    Der nächste Themenblock behandelt die Dimensionen des Phänomens, indem auf Mobbing-Ursachen und Handlungsmodelle von Mobbern bzw. Opfern näher eingegangen wird. Anschließend dokumentieren zwei Verlaufsmodelle, wie dramatisch Konflikte im schlimmsten Fall eskalieren können. Eine Betrachtung der mitunter schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen und der Hinweis auf die durch Mobbing verursachten Kosten schließen den zweiten Themenkomplex ab.

    Der dritte Themenschwerpunkt (Kapitel 4) bildet den Kern dieses Buches. Es werden Möglichkeiten einer erfolgreichen betrieblichen Mobbing-Prävention skizziert. Ist die Prävention misslungen, wird im nächsten Kapitel intervenierend eine Konfliktlösung angestrebt.

    Kapitel 6 beleuchtet einige spezielle Aspekte des Mobbing-Phänomens, unter anderem Erfahrungsberichte von Betroffenen, bevor der Hinweis auf rechtliche Aspekte der Mobbing-Thematik und Hilfsangebote für Opfer den Abschluss des Buches bilden.

    Abschließend wird die Mobbing-Problematik reflektierend und perspektivisch beleuchtet. Hierbei soll nochmals die Bedeutsamkeit präventiver Maßnahmen hervorgehoben werden.


    ¹ Vgl. Diergarten, Eckhard, Mobbing - Wenn der Arbeitsalltag zum Alptraum wird, Köln 1994, S. 9 f

    ² Vgl. RP-Online (Hg.), Psychoterror am Arbeitsplatz: 200 Selbstmorde jährlich wegen Mobbings, 2001. Abrufbar unter: http://www.rp-online.de/news/wissenschaft/2001-1122/mobbing.html (Zugriff am 8.2.2003)

    2. Hintergrundinformationen und Einführung in die wissenschaftliche Forschungsarbeit zum Thema Mobbing

    2.1 Begriffsbestimmung von Mobbing

    Der Begriff Mobbing ist dem englischen Verb „to mob" (über jemanden herfallen, anpöbeln, angreifen, attackieren) entnommen. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz bezeichnete damit Gruppenangriffe von unterlegenen Tieren, die sich zusammentaten, um einen stärkeren Gegner zu vertreiben.³

    In Großbritannien wird schikanöses Vorgesetztenverhalten mit „bullying (tyrannisieren, drangsalieren, piesacken) tituliert. Mobbing, das ausschließlich vom Vorgesetzten ausgeht, wird in Deutschland „bossing genannt.

    2.2 Definition von Mobbing

    Um sich ernsthaft mit dem Thema Mobbing auseinandersetzen zu können, benötigt man eine Definition, die den Einstieg erleichtert und die entscheidenden Aspekte auf den Punkt bringt. Eine solche Benennung ist darüber hinaus wichtig, um die Abgrenzung zwischen Mobbing und anderen alltäglichen Konflikten sicherzustellen. Ansonsten ist zu befürchten, dass der Begriff Mobbing rasch zum Modewort für Auseinandersetzungen jeglicher Art verkommen wird.⁵ Diesbezüglich sind alle Experten einer Meinung. Allerdings endet die Einigkeit bereits hier, denn jeder hat für seine theoretische Fundierung ein spezielles Konzept entworfen.

    Im Laufe der Zeit kristallisiert sich eine Person heraus, die sozial stigmatisiert und aus dem Arbeitsleben ausgestoßen wird. Dieser Vorgang, der das Opfer immer mehr in die Enge treibt und immer weniger am Arbeitsleben teilhaben lässt, wird als Mobbing bezeichnet.

    Deshalb ist Mobbing kein Synonym für Konflikt, sondern vielmehr die Zustandsbeschreibung eines langfristigen Verlaufs, der in der Wissenschaft bislang nicht als solcher erkannt wurde.

    „Mit Mobbing wird ein Prozeß bezeichnet, der mit einem Konflikt anfängt, der aber in der Folge in typischer Form eskaliert und sich verselbständigt."

    So lautet Leymanns Kurzanalyse der Problematik.

    Die allgemeine Definition charakterisiert Mobbing wie folgt:

    „Der Begriff Mobbing beschreibt negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen."

    Leymann zufolge enthält diese allgemeine Definition die wesentlichen Grundelemente des Mobbings. Hierzu gehört der Hinweis auf Formen negativer Kommunikation (dies impliziert für ihn Handlungen der Konfrontation und Belästigung bzw. die Nichtachtung der Persönlichkeit) ebenso wie die Betonung, dass die Mobbingaktivitäten häufig und über einen längeren Zeitraum erfolgen müssen. Eine einmal ausgesprochene Unverschämtheit wird nicht als Mobbing gewertet. Erst wenn sie sich regelmäßig wiederholt, spricht man von Mobbing. Diergarten erläutert diesbezüglich:

    Wird die Mitarbeiterin von ihrem Chef einmal als „dusselige Kuh tituliert, hat sie noch keine Chance, in die Statistik der Mobbing-Opfer einzugehen. Sie muß schon regelmäßig und über einen längeren Zeitraum geschmäht werden, um als Gemobbte „anerkannt zu werden.

    Die von Leymann mitgegründete „Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing e.V." brachte folgende Definition hervor:

    „Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist (1) und von einer oder einigen Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet."¹⁰

    Es ist auffällig, dass sowohl bei der allgemeinen Definition als auch bei dieser von Leymann erstellten Version eine inhaltliche und zeitliche Präzisierung fehlt. Eine solche Operationalisierung erfolgt bei Leymann, wenn er statistische Untersuchungen durchführt:

    „Mobbing ist dann gegeben, wenn eine oder mehrere von 45 genau beschriebenen Handlungen über ein halbes Jahr oder länger mindestens einmal pro Woche vorkommen."¹¹

    Neuberger hat eine eigenwillige Definition aufgestellt:

    „Jemand spielt einem übel mit und man spielt wohl oder übel mit."¹²

    Kernpunkt seiner Formulierung ist die Bereitschaft beider Akteure, sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen. Er vermeidet es, die Täter-/Opferrollen bereits definitorisch zu verteilen, was heftige Auseinandersetzungen zwischen Leymann und Neuberger nach sich zog.

    Desweiteren fordert Neuberger von Leymann die genauere Beschreibung des Übels. Eine konkretere inhaltliche Bestimmung ist aus seiner Sicht wichtiger als die penible Festlegung zeitlicher Größen (mindestens 1/2 Jahr, einmal wöchentlich). Mobbing überfordert die Bewältigungsfähigkeit eines Menschen; je nach psychischer und physischer Konstitution sind einige Personen womöglich bereits nach wenigen Wochen, andere erst nach mehreren Jahren mit ihren Kräften am Ende. Deshalb sei das von Leymann festgelegte zeitliche Kriterium unzureichend.¹³

    Das Bundesarbeitsgericht versteht unter Mobbing:

    „...das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch (Beschluss vom 15.1.1997, NZA 1997 S. 781 f).¹⁴

    Wie gesehen fällt eine konkrete Definition der Mobbing-Problematik schwer. Es wäre problemlos möglich, weitere Begriffsbestimmungen zu nennen. Leymann und Neuberger wurden exemplarisch genannt, weil sie im Folgenden noch häufiger zur Sprache kommen werden. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es eine Vielzahl von Definitionen gibt, die sich zum Teil nur um Nuancen, zum Teil aber auch extrem voneinander unterscheiden. Leymann selbst hat mehrere Varianten entwickelt, die er kontextorientiert wechselhaft verwendet.

    Für den weiteren Verlauf dieses Buches soll Leymanns ausführlichste Definition aus dem Jahr 1995 als Orientierungshilfe dienen, sie beinhaltet unserer Ansicht nach die wichtigsten Kriterien des Mobbinggeschehens.

    2.3 Die Anfänge des Mobbings

    Es ist nicht möglich, den genauen Zeitpunkt zu nennen, an dem zum ersten Mal im wissenschaftlichen Sinne „gemobbt" wurde. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass man dieses Phänomen in Schweden erstmals ernsthaft diskutierte.

    In Schweden ist der Gleichheitsgedanke in der Bevölkerung traditionell sehr stark ausgeprägt. Daher reagieren schwedische Arbeitnehmer äußerst sensibel, wenn es um ihre Gleichheits- und Persönlichkeitsrechte geht. Umso folgenschwerer sind Veränderungen der politischen Verhältnisse und des politischen Klimas. Wie viele andere Länder musste auch der schwedische Wohlfahrtsstaat Ausgaben reduzieren und daraus resultierende Einschränkungen hinnehmen. Zwar stellte das bisherige System die arbeitenden Menschen weitgehend zufrieden, dies ging aber auf Kosten der Staatskasse. Deshalb, so die unpopuläre aber aus Sicht der politisch Verantwortlichen notwendige Entscheidung, sei eine rigide Sparpolitik vonnöten. Zielgerichtetes Sparen und Sozialabbau waren häufig genannte Schlagworte. So wurden unter anderem Urlaubstage gestrichen und Arbeitslosengelder sowie Kinderbeihilfen gekürzt. Infolge dessen waren Unmut und Frust der schwedischen Arbeitnehmer deutlich zu vernehmen. Nichts, so klagten sie, war mehr so, wie sie es bislang kannten und schätzten.

    Lange Zeit galt Schweden im europäischen Vergleich sozial- und arbeitsmarktpolitisch als lobenswerte Ausnahme für eine bürgerorientierte Politik. Diese Zeiten gehören inzwischen jedoch längst der Vergangenheit an. Zwischenzeitlich stieg die Arbeitslosenquote als Folge einer tiefgreifenden Rezession landesweit auf elf Prozent an. Es gab kaum mehr freie Arbeitsplätze, Schulabsolventen fanden keine Lehrstelle. Zwar wurde das Ziel der Vollbeschäftigung nach wie vor angestrebt, doch es zeigte sich, dass dieses Vorhaben zunehmend zum Scheitern verurteilt war, da Beschäftigungsprogramme nicht wie erhofft anschlugen. Die Folge war ein verändertes politisches Umfeld, das in Schweden bis dato niemand kannte und bei der arbeitenden Bevölkerung zunehmend für Missstimmung sorgte. Mit der Aufhebung des „Gleichheitsprinzips" konnten sich viele nicht abfinden. Um den veränderten Gegebenheiten Rechnung zu tragen, wurden zunehmend härtere Bandagen eingesetzt. Intrigen am Arbeitsplatz, bislang eher die Ausnahme, waren immer häufiger zu beobachten.

    Ob diese in Schweden ergriffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der tatsächliche Auslöser von Mobbing in seiner heute bekannten Form waren, ist nicht eindeutig belegt. Allerdings steht fest, dass diese Ereignisse erste wissenschaftliche Untersuchungen zu dieser Thematik nach sich zogen.¹⁵

    2.4 Die Entwicklung der Mobbingforschung

    Die Auseinandersetzung mit und wissenschaftliche Untersuchung von systematischen Feindseligkeiten am Arbeitsplatz ist noch recht jung. Brodsky war der erste, der sich dieses Themas in seinem 1976 erschienen Werk „The harassed worker" annahm. In seinen Tätigkeitsfeldern als Schlichter und psychiatrischer Gutachter traf er häufig auf Arbeiter, die behaupteten, aufgrund von zu hohem Leistungsdruck und vor allem durch schikanöses Verhalten von Arbeitgeber-, Kollegen- oder Kundenseite krank geworden zu sein.¹⁶

    Im Anschluss daran wurde der wohl renommierteste Mobbingforscher – einige sprechen hochachtungsvoll vom „Mobbingpapst" – Heinz Leymann aktiv. Der 1999 verstorbene (Deutsch-)Schwede erlebte im Rahmen seiner primär arbeitspsychologisch ausgerichteten Arbeit, dass Personen an ihren Arbeitsplätzen regelmäßig attackiert und systematisch ausgegrenzt wurden. Diese Erkenntnis motivierte ihn Ende der 70er Jahre zu ersten Forschungen. Zur gleichen Zeit verabschiedete das schwedische Parlament neue Arbeitsgesetze, die die Bedeutsamkeit des psychischen Wohlbefindens dem der physischen Unversehrtheit gleichsetzten.¹⁷

    Das war ein eminent wichtiger Schritt auf dem Weg zur Mobbingbekämpfung. Mit dieser Gesetzesgrundlage war es nunmehr möglich, auch Attacken auf die Psyche eines Menschen strafrechtlich zu verfolgen. In vielen anderen Ländern wurden bis dahin und werden leider nach wie vor nahezu ausschließlich physische Beeinträchtigungen und Verletzungen als mögliche Arbeitsschäden anerkannt. Dass Mobbing allerdings in erster Linie die Psyche eines Menschen angreift und im Extremfall dauerhaft beeinträchtigt, liegt auf der Hand. Daraus erwachsen unweigerlich körperliches Unwohlsein und womöglich irreparable physische Folgeschäden, doch die Ursache liegt meistens in der durch regelmäßige gezielte Angriffe labil gewordenen mentalen Verfassung der Betroffenen begründet. Wie schwierig es grundsätzlich ist, psychische Verletzungen nachzuweisen, wird später noch thematisiert.

    Die Neugestaltung der Gesetzeslage ermöglichte Leymann, seine Forschungsarbeit zu intensivieren, da von staatlicher Seite weitere finanzielle Mittel für die Erforschung der Verhältnisse am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wurden. So begann er, sich auf eine neue Art der Konflikteskalation am Arbeitsplatz zu konzentrieren - eine Form der Eskalation, die so bislang nicht erkannt wurde.¹⁸ Um seinen Forschungsarbeiten einen Namen zu geben, prägte er den Begriff Mobbing.

    In Deutschland war Moebius 1988 die erste Autorin, die das Thema einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machte, indem sie über Leymanns wissenschaftliche Arbeiten berichtete. Leymann selbst nennt das Jahr 1991, wenn es um die Frage geht, wann das Thema Mobbing in Deutschland erstmals konkret in den Blickpunkt einer größeren Öffentlichkeit gerückt ist. Zu diesem Zeitpunkt fand der Weltkongress des Arbeitsschutzes in Hamburg statt, in dessen Rahmen ihm und anderen Autoren und Forschern die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Erfahrungsberichte vorzustellen.¹⁹

    Das Erscheinen Leymanns erster deutschsprachiger Publikation im Jahr 1993 löste eine rege Debatte über das Phänomen Mobbing aus. So stellten einige Forscherkollegen seine Methodik, die angeblich in Teilbereichen zu verfälschten Resultaten führe, in Frage. In diesem Zusammenhang ist allen voran Neuberger zu nennen, der sich zwar in den Grundzügen Leymanns Modell bediente, dieses jedoch punktuell überarbeitete und umgestaltete, was zu einem teils harschen Umgangston zwischen den beiden Autoren führte.

    Andere untersuchten, ob skandinavische Forschungsergebnisse auf die Verhältnisse im deutschsprachigen Raum übertragbar sind. Dies wird in Kürze näher beleuchtet.

    Insgesamt sollte man trotz stellenweise berechtigter Kritik festhalten, dass es Leymann durch seine Forschungsarbeit gelungen ist, nicht nur dem eigenen Mobbingkonzept zu enormer Popularität zu verhelfen, sondern darüber hinaus ein Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen. Man darf es in erster Linie seinem Engagement verdanken, dass Mobbing inzwischen auch in Deutschland auf große Resonanz stößt. In akribischer Kleinarbeit hat er die gewonnenen Erkenntnisse systematisiert und veröffentlicht. Außerdem setzte er sich stets für Maßnahmen gegen Mobbing ein. Die strukturelle Einfachheit seiner Darstellungen ermöglichte Betroffenen, ihren eigenen Leidensweg nachzuvollziehen. Leymann betonte stets, seine Bücher richteten sich in erster Linie an Betroffene, nicht an Mediziner oder Autorenkollegen.²⁰

    Die Erkenntnis, mit ihrem Problem nicht alleine zu sein, spornte etliche Opfer an, sich in Selbsthilfegruppen auszutauschen. Leymanns Ausführungen bezüglich der Verbreitung und Folgen (insbesondere Kosten) des Mobbings weckten auch bei verantwortlichen Führungskräften die Bereitschaft, über präventive Kontrollmaßnahmen nachzudenken.²¹

    In der Folgezeit wurde die Forschungsarbeit intensiviert, und die Gründung von Initiativen schritt merklich voran. Hier machten sich insbesondere die Deutsche Angestellten- Gewerkschaft (DAG) und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA)

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