Protokoll eines Heimkindes
Beschreibung
Arbeit ohne Entgelt: Heute nennt man das
„schwarze Pädagogik“.
Erlitten haben sie viele Heimkinder in den
1950er- bis 1980-Jahren.
Auch Hans-Bert wird in ein Heim gesteckt.
Er ist ein uneheliches Kind.
Das reicht in jenen Jahren für eine Heimeinweisung.
Heute gehört Hans-Bert zum Heimkinder-
verband Deutschland, der sich für die
Rechte ehemaliger Heimkinder einsetzt.
Auch das ist nicht immer leicht.
Über den Autor
Als Feldwebel der Luftwaffe und staatlich geprüfter Elektrotechniker schreibt der heutige Frührentner über die Verbrechen der Heimerziehung und deren Folgen.
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Buchvorschau
Protokoll eines Heimkindes - Johann Lambert Beckers
Inhaltsverzeichnis
Protokoll eines Heimkindes
Impressum
Protokoll eines Heimkindes
von
Johann Lambert Beckers (Hans-Bert) geb. Oktober 1956
Kinderdorf, 41844 Dalheim Rödgen, Hessenfeld
Die ersten Jahre
Hans-Bert ist gerade acht Tage alt, als er von seiner Mutter Oktober 1956 in der Wöchnerinnenstation zurückgelassen wird. „Gebt gut auf mein Kind acht", sagt sie zu den Nonnen der Celentinerinnen und fährt nach Wuppertal zurück, um weiter zu arbeiten. Das Kind darf sie nicht behalten, hat das Jugendamt bestimmt.
Die Entbindungsstation ist ein alter umgebauter Bauernhof, in dem furchtbare Zustände herrschten. Alt und marode stand der Hof am Rande des Dorfes in Dalheim-Rödgen bei Wegberg unweit der holländischen Grenze. Die Nonnen hatten sich eine kleine Kapelle gebaut. Es war ein Anbau ans Haupthaus. Dort lebten die Nonnen ihren Glauben.
Bild: Altes Kinderheim St. Josef ≈1955
Im Wirtschaftswunderland Deutschland gab es zu jener Zeit viele uneheliche Kinder, die jedoch nicht bei ihren Müttern bleiben durften, sondern von den Behörden in Heime eingewiesen worden sind.
In den ersten Lebensjahren von Hans-Bert kommt die Mutter noch gelegentlich zu Wochenendbesuchen, einmal nimmt sie den Kleinen sogar zu einem Familienfest mit. Dafür muss sie einen Antrag stellen. Doch zum 3. Geburtstag von Hans-Bert erscheint sie schon nicht mehr. Sie vergisst ihren Jungen. Der Bruder von Hans-Bert ist 18 Monate alt, als er ins gleiche Heim kommt. Vorher ist Raymund in einem Kinderheim in Löwenich gewesen. Dort wird er nach wenigen Tagen seiner Mutter entrissen. Das gleiche Schicksal erleiden sieben weitere Frauen.
Der alte Bauerhof drohte zu jener Zeit aus allen Nähten zu platzen und die Nonnen (Cellitinnen) wussten nicht mehr, wohin mit den Kindern. Ein Kinderbettchen stand neben dem anderen und die Versorgung lief wie am Fließband. Obwohl der Raum überfüllt ist, herrscht Totenstille. Schon nach drei Tagen schreien die Babys nicht mehr. Ausreichend Zeit für die Säuglinge hat niemand. Da manchmal die Fenster und Türen Tag und Nacht offen gestanden haben, bekommen viele Kinder eine Lungenentzündung. Auch Hans-Bert wird krank, er wird in Wegberg ins Sankt-Antonius-Krankenhaus gebracht und bekommt starke Antibiotika.
Der Junge starrt im Heim oft an die Decke, beobachtet die dicken Spinnen und ist froh, wenn er gelegentlich im Garten spielen darf. Fünf Jahre verbringt er bei den Nonnen, das Spielgerät hinter dem Haus verrottet immer mehr, doch das handbetriebene Karussell funktioniert.
Bild: Hans-Bert 3 Jahre
Der Dorfpfarrer ist oft unterwegs, um eine Lösung für die unhaltbaren Zustände im Heim zu suchen. Schließlich gibt die Caritas ein neues Kinderdorf in Auftrag.