Rasputin: Der Dämon von St. Petersburg
Von Wolfgang Sander
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Die schillernde Gestalt des Gregorij Jefimowitsch Rasputin kann nicht eindeutig in die Legende eingeordnet werden, denn Dichtung und Wahrheit sind nicht immer scharf voneinander zu trennen. Fest steht nur eins: Der Mann war ein Phänomen, das mit normalen menschlichen Maßstäben nicht zu messen ist. Seine beinahe übersinnlichen Fähigkeiten sind dokumentiert und demzufolge kaum anzuzweifeln. Auch die von ihm ausgehende suggestive Wirkung auf seine Mitmenschen und Anhänger kann wohl nicht angezweifelt werden. Die menschliche Seite aber, sein Aussehen, seine Kleidung, sein Benehmen, seine Gier nach Alkohol, Frauen und Macht um jeden Preis lassen ihn jedoch als einen charakterlich minderwertigen Menschen erscheinen, der das "Maß aller Dinge" verloren hatte. Er war es, von dem Dostojewski einmal sagte, es werde ein einfacher Mensch, ein Muschik, kommen, der bis an den Zarenthron gelangen und Einfluss auf den Herrscher bekommen sollte.
Dieser Muschik war Rasputin!
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Rasputin - Wolfgang Sander
Sander
Der Mensch Rasputin
Herkunft und der Versuch einer persönlichen Analyse
Rasputin – was war das für ein Mann, wo kam er her, wie konnte es kommen, dass er solch starken Einfluss auf die Zarenfamilie, auf den gesamten Hofstaat hatte, und es ihm darüber hinaus gelang, die Regierungspolitik enorm zu beeinflussen?
Wie schon im Vorwort angedeutet, gestaltet es sich äußerst schwierig, eine auch nur annähernd genaue Analyse zu geben, denn vorliegende Quellen, gleich welcher Art sie auch sein mögen, ob Erzählungen, Berichte, Romane, Beschreibungen weisen in die verschiedensten Richtungen, da sie alle mehr oder weniger subjektiv zu sehen sind. Da tritt oft an Stelle der Vernunft das Gefühl oder es werden Eindrücke als Tatsachen wiedergegeben. In reißerischer Absicht und aus anderen Beweggründen kamen Verleumdungen auf, die nicht selten übertrieben wurden. Deshalb ist es nur allzu verständlich, wenn die Tochter Rasputins, Maria, sich gegen solche Unterstellungen in ihren Büchern wehrt. Es muss aber auch gesagt werden, dass die Ausführungen über ihren Vater an vielen Stellen romanhaft übertrieben erscheinen. Der Leser spürt, Maria Rasputin war bestrebt, ihrem Vater nur ein gutes Zeugnis auszustellen.
Versuchen wir eine vorsichtige Analyse des Menschen Rasputin.
Im Januar des Jahres 1869 [nach alter russischer Zeitrechnung] wurde Gregorij Jefimowitsch Rasputin in dem kleinen sibirischen Dorf Pokrowskoje am Rande des Ural geboren. Niemand vermutete bei seiner Geburt, dass der Bauernjunge in späteren Jahren einmal eine überaus einflussreiche Rolle spielen sollte in Russland, dass seine Ermordung den Sturz der Zarenfamilie beschleunigen und der Ausbruch der Revolution von 1917 zumindest in einer mittelbaren Beziehung zu seinem Tod stehen würde.
Das Dorf hatte zur damaligen Zeit weniger als eineinhalb tausend Einwohner, die nicht nur vom Fischfang, der Jagd und Landwirtschaft lebten, auch Pelz-und Lederverarbeitung wurden betrieben. Alle Produkte und Erzeugnisse verkauften die Bauern in der kleinen, hundert Kilometer entfernten Stadt Tjumen, wofür sie oft tagelang unterwegs waren.
Seine Eltern, Vater Jefim Jakowitsch, Mutter Anna Wassiljewna, waren Bauern mit etwas Land und einigen Kühen und Pferden. Zwei Geschwister hatte Rasputin noch: den Bruder Lawrentij, der ganz jung an einer Lungenentzündung starb, die er sich beim Spielen der beiden Jungen im Fluss Tura zuzog. Rasputin selbst überlebte nach einer lang andauernden Krankheitsphase mit hoher Fiebrigkeit, in der er Visionen hatte, Visionen von einer „schönen Dame, die ihm eine Aufgabe anvertraute. Eine Aufgabe, die ihn oft aus seinem Dorf hinaustrieb, um in seinen Wanderjahren zu lernen, der „schönen Dame
zu dienen und ein Starez zu werden. Von dieser Aufgabe hielt ihn auch seine Heirat mit einem Mädchen aus einem Nachbardorf nicht ab.
Seine Schwester Maria ertrank beim Wäschewaschen im Fluss Tura nach einem epileptischen Anfall.
In sehr jungen Jahren verlor er seine Mutter, weshalb er auch keine große Erinnerung an sie besaß. Seine Schulbildung kann nur als äußerst begrenzt bezeichnet werden, ein Pope erteilte den Dorfkindern Unterricht, der im Auswendiglernen von frommen Sprüchen und Bibeltexten bestand.
Erst viel später lernte Rasputin ein wenig Lesen und Schreiben, und das hauptsächlich von seinen eigenen Kindern. Er war ein Einzelgänger, der keine Freunde hatte. An körperlicher Arbeit zeigte der Heranwachsende nur geringes Interesse. Dafür besaß er aber seit frühester Kindheit eine Fähigkeit, die als das „zweite Gesicht" bezeichnet wird: Er konnte bestimmte Dinge vorhersehen.
Folgende Begebenheit ist überliefert: Einem Nachbarn wird ein Pferd gestohlen. Um die Lage zu besprechen, versammeln sich einige Dorfbewohner in seinem Vaterhaus. Mitten in die hitzige Debatte betritt Rasputin den Raum, zeigt auf einen Bauern und bezichtigt ihn des Diebstahls. Verwirrung herrscht unter den Anwesenden. Als er auch noch das Versteck des Pferdes vorhersagt und das Pferd dort tatsächlich gefunden wird, ist das Erstaunen und Wundern über diese ungewöhnliche Eigenschaft groß. Manchen Dieb erkannte er mit seiner hellseherischen Fähigkeit, wurde aber auch selbst beim Stehlen oft erwischt. Mit diesen Gegensätzen entzweite er schon als Junge die Einwohner seines Dorfes. Wer nicht für ihn war, war gegen ihn.
Rasputin wuchs in der weiten sibirischen Landschaft auf, diese Örtlichkeit und das in jeder echten russischen Seele Schlummernde des Geheimnisvollen, Urwüchsigen formte von Kindheit an seine Seele: gutmütig und fromm, grübelnd, grausam und zu allen möglichen Untaten bereit. Diese Merkmale des russischen Charakters waren bei ihm besonders ausgeprägt und kamen immer wieder zum Vorschein. Er versuchte auch gar nicht, diese in ihm angelegte Urwüchsigkeit zu verbergen und redete sich bei gegebenen Anlässen nicht immer zur Zufriedenheit seiner Mitmenschen heraus: „Wir sind ja alle nur sündige Menschen. Die Sünde ist über mich gekommen."
Wenig schmeichelhaft, ja sogar herablassend, nannten ihn Dorfbewohner „Grischa, eine abwertende Form von Grigorij Jefimowitsch. Rasputins Wesen zeichnete sich durch einen zwiespältigen Charakter aus: Einerseits trank er wüst und stellte den Mädchen nach, mit siebzehn wurde er polizeibekannt. Mädchenschändung, Diebstahl und Trunksucht, so lauteten die Anzeigen. Andererseits hat er oft nächtelang „auf Knien gelegen und um Erleuchtung und Erkenntnis gebetet.
Er war ein Sonderling, der einerseits über Gott und die Welt nachdachte, den Drang hatte, diese ihm unbekannte Welt zu sehen und ihre Geheimnisse aufzuspüren, um gleich darauf wieder in Liederlichkeit und Faulheit zu verfallen. Dieser Zwiespältigkeit in seinem Wesen war er sein ganzes Leben lang unterworfen. Trotzdem: Rasputin entwickelte sich bis zu seinem 17. Lebensjahr zu einem kräftigen jungen Mann, der selbstbewusster war als die anderen „Muschiks" seines Standes.
Es gibt Auffassungen, die ihm unterstellen, er sei immer bestrebt gewesen, ein besserer Mensch zu werden. Noch als Jugendlicher verließ er sein Dorf, nachdem ihm angeblich Maria, die „schöne Dame, erschienen sei und ihn ersucht habe, den Christusglauben im Lande zu verbreiten. Die „Erleuchtung
nahm er an und begab sich auf Wanderschaft.
Schon in Jugendjahren an Nichtstun gewöhnt, trieb er sich lieber in Klöstern herum. Durch den Kontakt mit Pilgern und Mönchen, ihren Erzählungen und religiösen Einstellungen, gelangte er zu einer gewissen theologischen Bildung, die er dem praktischen Leben gleichzusetzen versuchte. Der Kontakt zu den Mönchen vermittelte ihm auch eine nicht unbedeutende Menschenkenntnis, die es ihm ermöglichte, die Schwächen und Eigenarten der Menschen weitgehend zu erkennen und sie für seine Ziele auszunutzen.
Allerdings konnte er seine ausschweifende sexuelle Gier in den Klöstern nicht ausleben, dazu engten ihn die Klostermauern zu stark ein. Aus dieser Erkenntnis heraus verlegte er sich auf eine naiv-göttliche Besessenheit, die die Leidenschaft aus den Menschen heraustreiben sollte. Er wollte zum Beispiel absichtlich ungepflegt sein, um damit den einfachen Bauern herauszukehren, Haar und Bart ungekämmt und verzottelt, um damit den Naturmenschen zu betonen, der sich um äußere Formen überhaupt nicht kümmerte. Er kehrte sein Ungebildetsein heraus, konnte jedoch andererseits in schönen Bildern sprechen. „Er war Pharisäer und Fanatiker zugleich, Heiliger und Sünder, Asket und Frauenjäger." Durch sein theatralisches Getue erweckte er Neugier, die er geschickt in Einflussnahme und Erfolge umsetzte.
Als unruhiger Geist hielt er es niemals lange in seinem Dorf aus, ständig war er auf Wanderschaft, und wenn er zurückkam, erschien er den Dorfbewohnern noch frommer als vorher. Oft betete er in der Dorfkirche so intensiv inbrünstig, dass er wie in Trance mit der Stirn auf die Steinfliesen der Kirche schlug, bis seine Haut platzte und sie zu bluten begann. Er sprach dann nicht mehr in zusammenhängenden Sätzen, sondern nur in Sentenzen, rätselhaft, abgebrochen: Sie ähnelten dann Aussprüchen von Propheten.
Nach Monaten des Ausbleibens und erster Kontakte zu Klöstern und Mönchen kam er nach Pokrowskoje zurück, heiratete im Februar 1887 ein Mädchen aus einem Nachbardorf, ging dann aber wieder auf Wanderschaft, die ihn weit im Lande herumführte. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, „neue religiöse Erkenntnisse" zu suchen, seine Heilkräfte zu intensivieren und die telepathischen Fähigkeiten auszubauen.
Er versuchte, die Vertreibung seiner Leidenschaften auf seine Weise und mit seinen Mitteln „anzugehen. Dazu versammelte er Leute um sich, das waren insbesondere infolge ihrer Sensibilität Frauen und junge Mädchen. Er schlüpfte in die Rolle eines Einsiedlers, ging in die Wälder, kletterte auf Bäume und steckte Kreuze in die Baumkronen und Baumspitzen. Durch die Intensität seiner „Bemühungen
glaubten die jungen Bauernmädchen an ihn und seine falschen Gebete, die er in aller Eindringlichkeit so lange ausdehnte, bis die Mädchen hingebungsvoll seine leidenschaftlichen Umarmungen verzückt duldeten und alles über sich ergehen ließen.
Sehr bald liefen Klagen bei den Behörden über den „Mädchenverführer ein und darüber, dass nicht wenige Mädchen Kinder von ihm zur Welt brachten. Erstaunlicherweise schmälerte das sein Ansehen nicht, es steigerte im Gegenteil seinen „Ruhm
noch.
Zwischendurch kam er immer wieder in sein Heimatdorf zurück. Er zeugte zwei Kinder, der Sohn Dimitrij wurde 1895 geboren, die Tochter Maria 1897. Einige Jahre später kam noch das Nesthäkchen Warwara dazu. Ständig jedoch trieb ihn die Unrast weiter, nie hielt er es lange bei seiner Familie aus.
Allerdings stimmen alle ernsthaften Autoren, die über Rasputin geschrieben haben, darin überein, dass er ein liebevoller Familienvater war. Seine Töchter ließ er – als er zu Ansehen und „Ruhm" gekommen war - nach Petersburg kommen, mietete eine große Wohnung, war fürsorglich und rücksichtsvoll zu ihnen und bestrebt, vor ihnen seine dunklen Seiten möglichst verborgen zu halten. Er ermöglichte seinen Töchtern, das Gymnasium zu besuchen.
Auch seine Ehe schien durchaus harmonisch gewesen zu sein, wenn auch seine Frau einiges schlucken musste, was seine amourösen Abenteuer anlangte. Die schienen sie jedoch absolut nicht zu stören, denn darüber äußerte sie sich einmal mit echt russischer Schicksalsergebenheit: „Er kann tun, was er will. Es reicht bei ihm für alle hin."
Seine Wanderjahre führten ihn weit herum, er war monatelang unterwegs, manchmal sogar jahrelang. In dem Kloster Werchoturje begegnete ihm der Mönchspriester Makarij, der ihn äußerst stark beeinflusste und ihm empfahl, noch das Kloster Athos aufzusuchen. Rasputin nahm den Rat an, und seine ausgedehnten Wanderungen brachten ihn auch zum heiligen Berg Athos in Griechenland, wo er zahlreiche Gespräche mit den Mönchen in den Klöstern, mit Popen und anderen Geistlichen führte, über religiöse Fragen diskutierte und dadurch sein Wissen bereicherte.
Der Einsiedler Makarij in Werchoturje beruhigte Rasputin, als der vom Kloster Athos zurückkam und über bestimmte Vorfälle dort äußerst ungehalten und empört war. Makarij erteilte ihm den Rat, er solle sein Seelenheil, wenn nicht im Kloster, so doch in der Welt suchen, auch wenn damit viel Unduldsamkeit und Leid verbunden seien. Und Rasputin hielt sich an diesen Rat.
Rasputin mit seinen Kindern Maria, Warwara und
Dimitrij (v.l.n.r.) auf seinem bäuerlichen Anwesen in
Pokrowskoje
Auf seinen Wanderfahrten machte Rasputin sich seine auf Frauen anziehende Wirkung zunutze, und fast alle unterwarfen sich seiner Dominanz in jeglicher Hinsicht. Begehrte er eine Frau, redete er ihr ein, die körperlichen Begierden „seien ein Dämon", dem man mit erfüllter Liebe beikommen müsse.
Er bekam die Frauen, die er haben wollte, und sprach zu ihnen von einer „seelischen Reinigung. Er nahm sie mit in die Sauna, um sich „von ihnen seinen Körper waschen zu lassen.
Das hielt ihn aber nicht davon ab, sie alle dumm zu nennen, denn sie waren wie besessen von ihm, weil sie „von ihrem Dämon" befreit werden wollten.
Äußerlich und innerlich verändert kam Rasputin nach Pokrowskoje zurück, seine Pilgerfahrten hatten sein weltliches und religiöses Bild geformt. Er wagte es sogar, die Kirche im Allgemeinen und die geistige Kompetenz der Mönche und Priester im Besonderen anzugreifen.
Dieses Wissen und seine zweifelsohne stark ausgeprägte Erzählweise ließen Rasputin zunächst in seinem Dorf Pokrowskoje, dann aber darüber hinaus in einem weiten Umkreis bekannt werden. Er besaß immerhin einen gewissen Scharfsinn und die Fähigkeit, die Gemüts- und Seelenlage der Menschen zu erfassen und sie zu deuten. Dieser Tatsache hatte er es zu verdanken, dass es nicht lange dauerte, bis er in den Augen vieler Menschen als Hellseher galt. Beflügelt durch den Erfolg, verließ er seine Familie wieder und ging quer durch Russland auf Wanderschaft.
Bei einem seiner längeren Aufenthalte in seinem Dorf gewann er durch seine geschickten Predigten und kleinere Wunderheilungen etliche Anhänger, die ihn in seinem Bestreben unterstützten, in „seinem Haus einen kleinen unterirdischen Andachtsraum zu bauen" und darin zu predigen.
Nach der Fertigstellung einer winzigen Kapelle unter der Scheune hielt Rasputin zunächst allein nur mit seiner Familie seine Andachten ab, denn der Dorfpope hatte ihm mit kirchlichen Konsequenzen gedroht. Erst durch das „Heilen" eines wild gewordenen Hengstes konnte er andere Dorfbewohner davon überzeugen, ein Starez mit heilender Wirkung auf andere zu sein. Nach und nach kamen nun die Bauern, um mit ihm ihre Andachten abzuhalten, religiöse Fragen zu besprechen oder sich einfach nur von seinen Pilgerfahrten erzählen zu lassen.
Und wie „heilte Rasputin die Menschen? Seine Tochter Maria schildert es so: „(…)Vater kniete auf dem staubigen Boden nieder, legte dem Kranken seine linke Hand auf den Nacken und umspannte vorsichtig sein rechtes Handgelenk mit der eigenen Rechten. Eine Weile sprach er dann von Gottes Liebe zu Seinen Kindern und wie sehr Er es braucht, daß sie auf Seinen Äckern und in Seinen Weingärten arbeiten.
Dabei spielten seine Augen und Stimme eine wichtige Rolle. Die Stimme „(…) war warm und voll wie eine Orgel oder wie weicher schwarzer Sammet", schwärmt Maria. Die Patienten waren zumindest getröstet, fühlten sich wohler. Sie kamen mehrere Male in die unterirdische Kapelle, beteten intensiv und wurden schließlich geheilt.
Maria sagt aber nicht, mit welchen Krankheiten die Bauern der Umgebung zu ihrem Vater kamen. Es werden wohl mehr seelische und geistige Verwirrungen gewesen sein. Seit sich die „Erfolge der „Geistheilung
herumgesprochen hatten, wurde Rasputin mit Lebensmitteln aller Art überschüttet. Geld nahm er nicht. Trotzdem ermöglichten die Spenden ihm und seiner Familie ein für damalige Verhältnisse gutes Leben.
Allein schon die Tatsache, einen von der Umwelt möglichst fernen, abgeschnittenen Bet-Raum einzurichten legt die Vermutung nahe, dass Rasputin Anhänger einer Sekte war, die