Das Wesen der Seele: Eine psychologisch-naturwissenschaftliche Erörterung der Frage nach dem Wesen der Seele
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Kurt Theodor Oehler
Dr.rer.nat. Kurt Theodor Oehler wurde am 28.2.1942 in Aarau/Schweiz geboren. Nach verschiedenen Studiengnängen (Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dr. rer. nat.) bildete er sich in Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse aus. Heute lebt und arbeitet er als Psychotherapeut und Buchautor in Bern/Schweiz.
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Das Wesen der Seele - Kurt Theodor Oehler
Werksverzeichnis
I. Einleitung
Was bedeutet eigentlich Seele? Stellt der Begriff die Summe aller psychischen Prozesse dar, wie etwa DÖRNER (2002) meint, das Innerste des Menschen? Oder charakterisiert er etwa das Lebendige, den sogenannten Lebensfunken, die Dynamik des Bewegten beziehungsweise den eigentlichen Ursprung alles Lebendigen? Oder ist er gar ein Begriff für die Gefühle, die Summe aller Gefühle oder gar ein Sammelbegriff für unterschiedliche, nicht streng voneinander abgrenzbare Eigenschaften, die das typisch Menschliche bezeichnen? Oder ist damit nicht doch etwas Göttliches, göttlich Inspiriertes oder letztlich gar das ganz und gar Unsterbliche gemeint?
Ohne Zweifel ist die Seele etwas Wichtiges und erfüllt sie eine bedeutende Aufgabe. Damit stellt sich die entscheidende Frage sowohl nach Sinn, Ort und Funktion der Seele. Muss sie als mentales Organ vielleicht eine ebenso wichtige Aufgabe erfüllen wie zum Beispiel das Herz, die Lunge, die Niere oder ein anderes Organ? Welche Bedingungen während der Evolution des Lebens haben zwingend zur Entwicklung dieser Strukturen geführt?
Auf alle diese Fragen soll in diesem Buch eine Antwort gesucht werden. Aber warum soll gerade die Seele Forschungsgegenstand dieser Arbeit werden? Warum gerade die Seele, über die doch so widersprüchliche Auffassungen bestehen?
Anscheinend gibt es kein Wunder, kein kulturelles Gut, besonders heute, das dermaßen attraktiv ist wie die Seele. Warum diese Faszination?
Hinter dieser Faszination verbirgt sich möglicherweise ein außerordentlich hartnäckiges und sehr wohl begründetes Interesse an allem Lebendigen. Mit einer einigermaßen überzeugenden Antwort auf diese Frage würde sich das Verständnis für das Leben und für das Funktionieren des menschlichen Organismus entscheidend vertiefen.
Aus diesen Gründen ist es nur schwer zu begreifen, warum gerade die Seele in der modernen Psychologie fast gänzlich totgeschwiegen wird. Vielleicht liegt es daran, dass die Wissenschaftler nach wie vor die falschen Fragen stellen, oder, richtige Fragen falsch verstehen, oder, dass sich die Gelehrten durch falsche Fragen wie verhexen lassen, wie das Thomas METZINGER (2001), im Hinblick auf das Bewusstsein, so vielsagend formuliert.
Von der Beantwortung der Frage nach dem Wesen der Seele kann vieles abhängen. Wenn es tatsächlich eine streng abgegrenzte und einheitliche seelische Struktur gibt, kann man wahrscheinlich besser verstehen, warum die Beeinträchtigung oder Verletzung dieser Strukturen weitreichende Folgen haben kann. Jedermann weiß, meistens aus eigener Erfahrung, dass dieser mentale Apparat, oder die menschliche Psyche, oder die lebendige Seele, oder wie man dieses Phänomen auch immer nennen mag, sehr verletzlich ist.
Es gibt einen weiteren Grund, warum es dringend angezeigt ist, sich mit dem Wesen der Seele stärker zu befassen: Die Seele ist in Gefahr! Sei es, dass die Welt komplizierter geworden ist, dass sie zunehmend brutaler wird. Sei es, dass die Kleinfamilie zerfällt, die Kinder zunehmend überfordert sind. Sei es, dass uns die Technik Mittel in die Hand gibt, die uns selber zu beherrschen drohen, die uns gefährden oder zerstören können, – anstatt zu heilen. Sei es, dass wie aus dem Nichts heraus neue Krankheiten auftreten, dass uns die Kluft zwischen arm und reich aus dem Gleichgewicht zu werfen droht. Und sei es, dass uns die Hektik unseres Lebens endgültig überrollt.
Alles muss schneller, besser und differenzierter gehen. Dabei verlieren die Dinge ihren Halt. Der Wesenskern rinnt uns durch die Finger wie trockener Sand. Wo früher noch einem trauten Zusammengehörigkeitsgefühl gehuldigt wurde, herrscht schiere Einsamkeit. Und wo man sich wenigstens im Rahmen eines gemeinsamen Glaubens oder einer einheitlichen Überzeugung in Übereinstimmung mit seinen Mitmenschen und der Gemeinschaft wähnte, herrschen Unverständnis und Widerspruch. Immer mehr geht es um die Unversehrtheit unserer Seele, um die Seele des einzelnen Menschen, um die Seele einer Gruppe oder um die Seele ganzer Völker.
Ist die immense Steigerung der Selbstmordraten und Gewaltanwendungen nicht drauf zurückzuführen, dass irgend etwas Wesentliches im Menschen mit der äußeren Beschleunigung nicht mehr Schritt halten kann? Ein altes indianisches Sprichwort sagt es deutlich: „Wenn Du weit gelaufen bist, setz Dich hin, damit Deine Seele wieder nachkommen kann".
Aber wie soll man eine Seele hegen, die man noch gar nicht kennt, die fremd und geheimnisvoll bleibt? Was bedeutet eigentlich Seele? Was ist damit gemeint? Wie ist sie zusammengesetzt, aufgebaut und wie funktioniert sie im besonderen? Es sind doch gerade diese Fragen, die es zwingend nahe legen, sich um das Wesen der Seele intensiver zu kümmern und sie in ihrer Bedeutung für den Menschen zu erforschen.
Diese Arbeit wird sich deshalb mit einem sehr anspruchsvollen Inhalt beschäftigen, der seit jeher ebenso intensiv wie auch recht stiefmütterlich behandelt wurde. Warum wird den körperlichen Krankheiten mit größtem technischen oder finanziellen Aufwand begegnet, und den seelischen kaum? Und warum werden körperliche Vorgänge so eingehend und akribisch untersucht, und die psychischen, – im Vergleich dazu –, relativ wenig? Warum werden für die körperliche Gesundheit Milliarden aufgewendet, und für die psychische nur Bruchteile davon?
Vielleicht haftet dem Seelischen nach wie vor etwas Geheimnisvolles, Dunkles, Zwiespältiges oder gar Negatives an. Vielleicht trägt die Seele nach wie vor den Nimbus von etwas Obskurem und Unkontrollierbarem, das die Menschen verängstigt, weil sie mit den unterschiedlichsten Gefühlen assoziiert wird. Vielleicht sind deshalb im Hinblick auf ihre Seele so viele Menschen unsicher, weil sie in ihrem Innern sowohl das Gute als auch einen Hort des Bösen, oder gar tiefste Abgründe vermuten. Nicht ohne Grund redet man hin und wieder von der Seele als einem „inneren Afrika". Und es klingt nicht weniger grotesk, dass der panzerdurchschlagende Hartmetallkern einer Panzergranate, der tödliche Kern einer vernichtenden Waffe, als deren Seele bezeichnet wird! Vielleicht ist das der Grund, warum das Seelische, vor allem in repressiven Gesellschaften, tendenziell verdrängt beziehungsweise streng tabuisiert wird.
Noch immer wird geduldet, dass die menschliche Seele prinzipiell gedemütigt wird, zum Beispiel die weibliche in islamischen Staaten, und immer noch finden in der Regel Vergewaltiger zu milde Urteile, weil diese in erster Linie „nur" die Seele verletzen. Noch immer wird bedenkenlos hingenommen, zum Beispiel von Regierungen, dass die Seelen während Kriegswirren millionenfach verletzt und/oder vernichtet werden.
Vielleicht ist es an der Zeit, sich diesem Thema entschlossener zuzuwenden, die Seele oder das Psychische aus der weltumspannenden Tabuisierung herauszulösen und die Sinne für die Wahrnehmung dieser rätselhaften Zusammenhänge entsprechend zu schärfen.
II. Bemerkungen zum methodischen Vorgehen und zur konkreten Fragestellung
Zu Beginn des Schreibens dieses Textes war es noch völlig offen, wohin die Reise gehen würde. Es gab nur das eine Thema: Das besondere Rätsel, das große Geheimnis der menschlichen Seele. Es ging aber von Anfang an nicht nur um deren Definition, sondern gleichzeitig auch darum, einen zentralen Aspekt des menschlichen Lebens besser zu verstehen. Alle Fragen, die für den Menschen wichtig sind, haben auf irgend eine Weise mit dem Seelischen zu tun, zum Beispiel der Lebenssinn, die Lebensziele, die Gefühle, die Liebe und die Arbeit. Aus diesen Gründen sind, wenn es um die Seele geht, viele Faktoren zu berücksichtigen, die Menschen in ihrem Innersten als wichtig und wesentlich erachten. Will man die Seele anhand ihrer Funktionen besser verstehen, so wird bald ersichtlich, dass sie auch ein äußerst sensibles und wertvolles Gut darstellt, das es mit Hingabe zu bewahren, zu behüten und mit größter Vorsicht zu beschützen gilt.
Die Frage nach der Seele beinhaltet grundsätzlich drei Aspekte:
• In der Regel steht am Anfang die Frage nach dem biologischen Korrelat, um das physiologische Funktionieren der seelischen Prozesse. Wie ist das seelische Organ neuronal geschaltet? Welche der uns bekannten und noch nicht bekannten neurologischen Elemente sind an diesem Prozess beteiligt? Mit welchen verwegenen Tricks, die uns immer wieder überraschen, arbeitet das Gehirn, um die Aufgaben dieses Organs zu erfüllen? Diese und weitere Fragen dieser Art beziehen sich, etwas salopp gesagt, auf das Hardware-Problem der Seele.
• Der zweite Fragenkreis dreht sich eher um die Funktion, nach der spezifischen Rolle, die die Seele im komplexen „System Mensch" spielen könnte. Welche Rolle kam ihr in der Evolution zu? Was trug sie möglicherweise zum Überleben des Menschen bei? Warum gibt es überhaupt eine Seele? Wozu ist sie da? Welche spezifischen Aufgaben muss sie erfüllen, damit sich der Mensch in seiner konkreten Umwelt behaupten kann? Diese Fragen betreffen eher das Software-Problem der Seele.
• Die dritte Frage ist grundsätzlicherer Natur: Lässt sich die Seele überhaupt als naturwissenschaftliches Phänomen begreifen, oder ist sie möglicherweise übernatürlicher Natur? Gibt es für den begrenzten, menschlichen Verstand eine Möglichkeit, das Wesen der Seele zu erfassen? Kann ein menschliches Organ die erkenntnistheoretischen Grenzen sprengen und sich selber erkennen? Diese Frage ist eher eine philosophische oder gar eine theologische Frage.
Die Aufgabe, das Wesen der Seele zu ergründen, stellt sich seit jeher sowohl dem wissenschaftlich Interessierten als auch dem interessierten Laien als eine fast unüberwindlich erscheinende Herausforderung dar. Wie sollen die Probleme angegangen werden?
Meistens ist es die schrittweise Methode, die schneller zum Erfolg führt, indem man die großen Ziele in eher erreichbare, kleinere Zwischenziele zerlegt.
Aus diesen Gründen wird in diesem Buch versucht, die Funktionen der menschlichen Psyche anhand des augenblicklichen Wissensstandes schrittweise zu erörtern und Schritt für Schritt die Zwischenaufgaben zu lösen. Dabei wird der Schlaf am Anfang stehen:
Beim langsamen, schlaftrunkenen Aufwachen aus dem Tiefschlaf, die Augen erstmals öffnend, wird man plötzlich Licht und schwache Konturen sehen. Langsam bündelt sich die Aufmerksamkeit und fokussiert auf einen Gegenstand. Noch gelingt es nicht, sich zeitlich und räumlich zu orientieren. Erst nach und nach wird sich der Erwachende seiner eigenen Situation bewusst. Er merkt, dass er es ist, der eben dem Schlaf entronnen ist. Das Ich erwacht! Die Sinne richten sich mehr und mehr auf die Gegenstände, auf die nahe Umgebung, und die Gedanken beginnen zu kreisen. Sie fügen sich zu einem Ganzen zusammen, und deutlich kristallisiert sich der Tagesplan heraus. Es tauchen Erinnerungen an gestern auf, die ersten Gedanken an heute, an Schwierigkeiten und Probleme von morgen. Schließlich wird man aufstehen, sich waschen, frühstücken und das Tagwerk beginnen.
Wie ein Wanderer, der mit seiner Reise in dieser Weise ganz unten beginnt, um in höhere Regionen vorzudringen, so wird der Leser dieses Buches erst an das „Rätsel des Bewusstseins herangeführt werden. Erst später wird sich das Interesse, teilweise anhand eigener testpsychologischer Untersuchungen, sowohl den Funktionen des Ichs als auch dem „Geheimnis unserer Seele
zuwenden.
III. Auf der beschwerlichen Suche nach einer Antwort
Diese Abhandlung über das Wesen der Seele soll an einem konkreten Beispiel ansetzen:
Antonio C.* war groß gewachsen, engagiert und immer originell. Alles was er anfasste, geriet zu Bedeutendem. Wenigstens fast alles. Er verabscheute Bedeutungslosigkeit und hasste Mittelmass. Er war reich mit Talenten beschenkt. Er spielte virtuos und stundenlang Klavier, meisterhaft das Vibraphon, exzellent sowohl die Klarinette als auch das Saxophon, schrieb schon als Gymnasiast Gedichte, Aufsätze, Kurzgeschichten, malte talentiert mit Tusche, mit Wasserfarben und mit Öl. Und obwohl er den Turnunterricht mit Abscheu vermied, trat er den Ball nicht ohne Geschick.
Antonio C. schrieb in seinem letzten Lebensjahr einen bemerkenswerten Text:
„Es ist gespenstisch, seit 1992 wird mir jedes Jahr ein Preis zugesprochen, obwohl ich seit jener Zeit nichts Brauchbares mehr produziert habe und nur noch als Ruine auf meine innere Öffentlichkeit starre, Krater, so weit das Auge reicht."
Dieser Satz dokumentiert, als Gegenstück zum äußeren Erfolg, das grenzenlose, innere Unglück von Antonio C.:
Trotz mehrjähriger psychiatrischer Behandlung mit Unmengen von Medikamenten und unregelmäßigen therapeutischen Gesprächen verschlimmerte sich sein Zustand zusehends. Mehr und mehr wurde er von tiefen Depressionen und unvorhersehbaren manischen Zuständen geplagt, die mehrmals zwingend Internierungen in psychiatrischen Kliniken notwendig machten.
Aber was meinte Antonio C., wenn er schrieb, dass er sich innerlich wie eine „Ruine" fühle? Er wies auf seinen Gefühlszustand hin, den er in folgenden Charakterisierungen weiter akzentuierte:
„Eigentlich war ich schon lange beeinträchtigt, scheintot, oder besser eher scheinlebendig. „Der Scheintote wird während der Dauer seines Scheintodes für tot gehalten, lebt aber. Der Scheinlebendige wird äußerlich zu den Lebendigen gezählt, während er innerlich gestorben ist.
„Der Scheinlebendige stirbt (also) keinen Tod, denn ein Leben, das nie ein wirkliches war, kann nicht gestorben werden. „Genaugenommen stirbt er zu einem unbestimmten Zeitpunkt einen inneren Tod, der an Endgültigkeit dem medizinischen Tod in keiner Weise nachsteht.
Das sind Zitate aus der Feder von Antonio C.. Anscheinend hatte er seit langem schon das Gefühl, innerlich nicht mehr zu leben, nicht mehr lebendig zu sein. Etwas schien tot oder abgestorben zu sein. Etwas, was existenziell wichtig und für eine glückliche Lebensführung unerlässlich ist. Was bedeutete aber dieser „innere Tod? Und warum war C. der Meinung, dass dieser „innere Tod
einem „medizinischen Tod" in keiner Weise nachstehe?
Handelt es sich bei diesem Gefühlten um die „Persönlichkeit, um das „Mentale
, etwa um das sogenannte Ich, oder gar um das „Innerste" des Menschen, um die eigentliche Seele? Oder kann man einfach sagen, dass nicht die Seele, sondern ganz einfach die Hoffnung, die Zuversicht und das Selbstvertrauen gestorben waren?
Wenn es aber die Seele war, die sterben konnte oder bereits gestorben war, dann könnte man daraus folgende Hypothesen ableiten:
• Die Seele erscheint uns neben dem Ich als ein relativ abgegrenztes mentales Organ.
• Die Seele ist ein sensibles und verletzliches Organ.
• Die Seele kann unter ganz bestimmten inneren oder äußeren Bedingungen Schaden nehmen oder sterben, auch wenn der Körper weiter lebt.
• Wenn die Seele stirbt, entfallen Lebenssinn und Lebensfreude.
Vielleicht gibt es mehrere Antworten von verschiedenen Menschen. Vielleicht gibt es mehrere Erklärungen für den Begriff der Seele. Vielleicht gibt es Definitionen, die Naturwissenschaftler akzeptieren, weitere, die Philosophen lieben, dritte, an die Theologen glauben und eine vierte für das „Volk".
Alle diese Fragen können an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Sie werden uns aber durch den ganzen Text hindurch begleiten. Es genügt, wenn wir an dieser Stelle festhalten, dass dieses „Innerste für den Menschen von grundsätzlicher Bedeutung ist. Wenn dieses „Innerste
fehlt, dann scheint das Leben sinnlos, nutzlos und vertan. Dann scheint sich das Leben nicht mehr zu lohnen. Tatsächlich nahm sich Antonio C. im Frühjahr 1989, trotz großer schriftstellerischer Erfolge und zunehmender gesellschaftlicher Beachtung, das Leben.
Die Frage, ob es mehrere Auffassungen zur Definition der Seele gebe, zwingt uns, bei verschiedenen Wissenschaftszweigen getrennt nachzuforschen. Möglicherweise kann man erst dann verstehen, wie diese Menschen denken und fühlen.
Die Antwort eines Philosophen
Der Anfang soll mit einem Philosophen, mit Colin McGINN, gemacht werden, weil die Fakultät der Philosophen immer schon die Mutter aller Wissenschaften war, und weil sich die Philosophen über Jahrhunderte hinweg mit dem menschlichen Geist, mit dem Geheimnis des Bewusstseins und mit dem Mysterium der Seele auseinandergesetzt haben.
Obwohl McGinn eine ausgesprochen akzentuierte und sehr persönliche Meinung vertritt und eigentlich für sich allein sprechen müsste, soll er am Anfang dieser Ausführungen stehen. Denn vor wenigen Monaten hatte er über das Thema „Bewusstsein" ein bemerkenswertes Buch geschrieben.
Der Zirkelschluss von Colin McGinn
Unter dem erwartungsvollen deutschsprachigen Titel „Wie kommt der Geist in die Materie?, und unter dem noch Hoffnung verheißenderen Untertitel „das Rätsel des Bewusstseins
legt uns der Philosoph Colin McGINN (2001) eine vielversprechende Abhandlung vor. Dabei vertritt und verteidigt er vehement die These, dass die Verknüpfung zwischen Geist und Gehirn ein tiefes Mysterium darstelle. Er meint, als Quintessenz seiner Überlegungen, dass man das Wesen des Bewusstseins mit dem Instrument des menschlichen Verstandes niemals begreifen könne, weil letzterer, von seiner inneren Logik her, nie in der Lage sei, sein eigenes Wesen zu erkennen. Er meint, eine logische Barriere, eine sachlogische, letzte und unüberwindbare Grenze entdeckt zu haben, die ein für alle Male verhindere, dass das Rätsel der Seele gelöst werden könnte. Deshalb würde sich eine weitergehende Diskussion zu diesem großen Thema grundsätzlich erübrigen.
Aber einen einzigen wichtigen Gedankenblitz wagt McGINN noch zu denken, wenn er schreibt, dass wenigstens „die Gene