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Das Licht: und andere Erzählungen
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Ebook130 pages1 hour

Das Licht: und andere Erzählungen

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In Band 3 der Bordesholmer Edition „Das Licht und andere Erzählungen“ schreiben vier ganz unterschiedliche Menschen aus Bordesholm und Umgebung in sehr persönlichem Stil über Themen und Geschehnisse, die ihnen lohnend erscheinen, aufgeschrieben und gelesen zu werden:

Jürgen Baasch erzählt von markanten Ereignissen aus der Geschichte Bordesholms,
Kirsten Frahm plaudert in gekonnt heiteren Worten in Plattdüütsch,
Viktor Vogt behandelt unter die Haut gehende Erlebnisse aus dem Weltkrieg in seinem Heimatland Russland,
Hartmut Wiedling führt die Leser hin zu berührenden Geschichten aus unterschiedlichen menschlichen Lebensabschnitten.
LanguageDeutsch
Release dateOct 16, 2012
ISBN9783848272389
Das Licht: und andere Erzählungen
Author

Jürgen Baasch

Jürgen Baasch, geb. 1945, war bis 2004 Bürgermeister in Bordesholm. Neben ehrenamtlichen Tätigkeiten leitet er seitdem Schreibseminare, Plattdeutschkurse und gibt Hilfen beim Schreiben der eigenen Biographie.

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    Das Licht - Jürgen Baasch

    Jürgen Baasch

    Das Licht

    Sonnenfetzen tanzten auf dem Waldboden. Unruhige Bilder aus Licht und Schatten huschten über die Gewänder der beiden Männer. Propst Albert Preen führte seinen Gast durch den alten Baumbestand des Wildhofes.

    „Ich höre, Meister Brüggemann, dass Ihr Euch nach Lübeck wenden werdet?"

    „Ja. Der Hohe Rat hat angefragt. So werde ich wohl für einige Zeit zu den Hanseaten ziehen. Ein schöner Auftrag, wie mir scheint. Mit vielen neuen Möglichkeiten. Die Pfeffersäcke haben wohl mehr im Beutel als unser Herzog."

    Sie waren auf der Vogelwiese angekommen und schritten die sanfte Neigung hinunter zum See. Hans Brüggemann hob den Blick. Wie aus dem grünlichen Wasser erhoben sich am gegenüber liegenden Ufer die Klostermauern. Darüber thronte die mächtige Kirche. In ihrem Chor stand sein Meisterwerk. Sieben Jahre lang hatte er an dem Altar geschnitzt. Seit einer Woche waren die Mönche aus ihrer Kirche ausgesperrt. Brüggemann und seine Handwerker hatten den zwölf Meter hohen und bei geöffneten Flügeln sieben Meter breiten Altar an seinem Bestimmungsort aufgestellt. Die Altarweihe war immer näher gerückt. Der Meister und seine Gesellen hatten sich in einen letzten Arbeitsrausch gesteigert. Propst Preen und Meister Brüggemann waren am heutigen Morgen die ersten gewesen, die das große Werk fertig und im ganzen Zusammenhang begutachtet hatten.

    „Ein Meisterstück, war es dem Propst schließlich entfahren. „Einmalig!

    Sie wanderten jetzt am Seeufer entlang einer Bucht zu dem kleinen Tor in der Mauer, das einen unterirdischen Gang in die Wirtschaftsräume der Brüder verschloss.

    „Lieber Meister Brüggemann, ich kann Euer Werk nur in höchsten Tönen loben. Sagt, wo liegt das Geheimnis Eurer Arbeit? Sind es die geschickten Hände? Ist es Euer Blick oder ein genialer Plan? Was ist es, das mein Herz ergreift?"

    Bei dem Tunnel, den Geheimnisse umgaben, angekommen, öffnete der Propst das Tor. In das Dunkel des Ganges hinein antwortete Meister Brüggemann:

    „Das Licht. Es ist das Licht."

    Vor dem Altar kniend erwartete der Propst des Augustiner Stiftes den Sonnenaufgang. Gemeinsam mit seinen Chorherren hatte er die Morgenandacht gehalten. Mit der Dämmerung waren seine Brüder zu ihren klösterlichen Pflichten geeilt. Auf Bitten Hans Brüggemanns hatte der Propst die langen samtenen Vorhänge von den Fenstern des Chores entfernen lassen, die für ein mildes, gedämpftes Licht gesorgt hatten. Die Umrisse des neuen Altars hoben sich vor den hellen Fensteröffnungen ab. Oben, durch den Giebelaufbau an der Spitze des Altars, in dem Adam, Eva und das Jüngste Gericht dargestellt wurden, zeigte sich der neue Tag. Da brach über dem See ein erster Sonnenstrahl durch die dünne Wolkendecke. Der Altar stand wie in fließendem Gold. Szenen und Figuren waren im Dunkel der Felder nur zu erahnen. Vom Spiel der Schatten ergriffen verharrte der Propst. Das mit dem aufgehenden Tag von rechts durch die Südfenster des Chores hereinflutende Hauptlicht hob zunächst die wichtigsten Figuren aus dem Dämmern. Preen blickte auf die Kreuzigungsszene direkt vor sich im Zentrum des Retabels. Christus und die beiden mit ihm Gekreuzigten erhoben sich aus der unter den Kreuzen wuselnden Schar. Die in Ohnmacht fallende Maria wurde sichtbar und Johannes, der sie wieder aufrichtete. Daneben gab der Schatten einen Reiter frei, mit langem Spieß, die Seite Christi zu öffnen. Nun erhellte der Tag die ganze Gruppe. Hinter Johannes stritten Kriegsknechte um die Kleider des Gekreuzigten. In den Gesichtern der Menschen wurden Schmerz und Qual sichtbar und Hohn und Spott wie bei einem Blutgericht, wirklich und wahr. Der Propst wechselte den Standort. Mit dem veränderten Blickwinkel taten sich bislang verdeckte Personen und Motive auf. War dort nicht, ganz im Hintergrund auf einer Anhöhe vor einer Siedlung Judas zu erkennen, der sich an einem Baum erhängt hatte?

    Den ganzen Tag hatte Propst Albert Preen vor dem Altar verbracht. Immer wieder war Neues aufgetaucht. Schließlich versank alles im abendlichen Dämmern. Noch einmal überflutete die Abendsonne, von tiefen Wolken blutrot reflektiert, den Altar. Dann waren nur noch seine Konturen in tiefer Finsternis zu erahnen.

    „Einmalig, flüsterte der Propst. „Das kann nur einer hierzulande. Einmalig!

    Fast wäre er von einem eilig vor dem Portal der Kirche in den Klosterhof einfahrenden Fuhrwerk erfasst worden. Fluchend brachte der Kutscher die vier Rappen zu einem schnellen Halt. Ein Abgesandter des Herzogs verlangte laut den Propst des Klosters zu sprechen.

    „Herzog Friedrich hält das Retabel Meister Brüggemanns für sehr gelungen und seiner Grablege würdig. Es überragt alles in unserem Herzogtum. Besser noch ist der Altar als der von Claus Berg für den Dänenkönig in Odense auf Fünen geschaffene."

    Die Kerzen im Amtszimmer des Propstes warfen einen flackernden, gelben Schein auf das hagere Gesicht des Gesandten. Mit Nachdruck fügt dieser hinzu:

    „Dem Herzog gebührt das Beste im Land!"

    „Einzig soll der Altar in seiner Grabeskirche sein und unerreicht, sagt ihr?"

    Der Propst hatte Bruder Rudolf zu dem Gespräch gebeten, der vom Papst aus Rom zu der Altarweihe entsandt war.

    „Wie ich höre hat der Hohe Rat in der Hansestadt Meister Brüggemann beauftragt, einen größeren Altar zu schnitzen. Brüggemann sprüht schon voller Pläne..."

    Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt...

    Propst Preen sprach laut und bestimmt. „Dem Herzog und seiner Gemahlin gebührt das höchste Lob. Und nach Bordesholm sollen die Gläubigen in Mengen pilgern, vor unserem Altar sollen sie demütig in die Knie fallen."

    Es läutete zum Nachtgebet. Die Männer gingen auseinander.

    Ein langer Tag lag hinter Meister Brüggemann. In zwei Gottesdiensten war sein Altar geweiht worden. Der Herzog hatte zu einem Fest geladen. Die Klosterküche hatte für ausgezeichnetes Essen gesorgt, und auch der Wein war reichlich geflossen. Ein hagerer Mönch, den Brüggemann nicht kannte, hatte ihn nach seinen Plänen gefragt, jetzt, wo das große Werk vollendet sei. Bereitwillig hatte er Auskunft gegeben, begeistert beschrieben, wie er das Lübecker Projekt angehen wollte. Zwei Ratsherren aus Lübeck würden ihm morgen den Auftrag unterbreiten.

    All dies ging dem Meister durch den Kopf, als er sich in der Schlafkammer seines kleinen Hauses nahe der Klosterinsel zur Ruhe begab. Schnell übermannte ihn der Schlaf, traumlos und tief.

    Spät in der Nacht schreckte er auf. War da nicht ein Geräusch?

    „Ist da jemand?"

    Schimmerte nicht Licht durch die Türritze? Zum Äußersten gespannt starrte Brüggemann in die Dunkelheit. Da! Ein Rascheln und Schleichen. Das gedämpfte Licht einer Laterne.

    „Wer ist da?!"

    Plötzlich sah Hans Brüggemann einen gewaltigen weißen Blitz vor Augen. Er bäumte sich auf. Ein schreckliches Donnern füllte seinen Schädel, hallte wieder und wieder. Unwirsch schüttelte er den Kopf, das Dröhnen abzuwerfen, dann sank er ohnmächtig zurück in die Kissen.

    Wochen später. Meister Brüggemann saß in der Abendsonne auf der Bank vor seinem Haus. Er hielt die Schnitzerei eines seiner Gesellen in der Hand, ertastete Unebenheiten, fühlte die klare Messerführung.

    Verzweifelt richtete er das Gesicht zum Himmel:

    „Licht, oh mein Gott, gib meinen Augen Licht!", flehte er.

    Zur gleichen Zeit kniete Propst Albert Preen vor dem von Hans Brüggemann Altar.

    „Einmalig!"

    Er begann zu beten: „Pater Noster, qui es in caelis, dimitte nobis debita nostra."

    Jürgen Baasch

    Hoher Besuch in Bordesholm

    „Er hat zugesagt!"

    Nie hatte der Bürgermeister das Gesicht seiner Sekretärin strahlender gesehen. Sie schwenkte einen weißen Briefbogen in der Luft. Er erkannte einen schwarzen Adler im Kopf des Schreibens.

    „Haben Sie etwas anderes erwartet?"

    In seiner

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