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Einer vom Jahrgang 1916
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Einer vom Jahrgang 1916

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About this ebook

Helmut Behnke beschreibt sein Leben nach dem 1.Weltkreg bis 1965. Er berichtet freimütig über sein Leben, das 1916 in Potsdam begann und, wie er meint, auch von dieser Stadt und dem preußischen Geist geprägt worden ist.
Nach seiner lebhaft geschilderten Kindheit und Schulzeit geht er zur Deutschen Wehrmacht, macht dort schnell Karriere bis zum Major im Generalstab. Er nimmt im 2. Weltkrieg am Polen-, am Frankreich- und schließlich am Russlandfeldzug teil. Er gerät in russische Kriegsgefangenschaft, wird in sibirische Arbeitslager verschleppt und gilt viele Jahre als verschollen. Besonders seine Jahre im 2. Weltkrieg und die Leiden während seiner 11jährigen Kriegsgefangenschaft beschreibt er sehr eingehend und mitreißend. Er bezeichnet seine Generation als eine geopferte Generation.
Erst 1955 kehrt er schließlich nach Adenauers Verhandlungen mit Chruschtschow in Moskau zu seiner Familie zurück und baut sich in eindrucksvoller Weise als Privatmann im sog. Wirtschaftwunder ein neues Leben auf und macht auch hier dank seiner "preußischen" Disziplin Karriere in der deutschen Wirtschaft.
LanguageDeutsch
Release dateApr 5, 2012
ISBN9783844868760
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    Einer vom Jahrgang 1916 - Helmut Behnke

    wurde.

    Kindheit

    Ich wurde also am 14. 09. 1916 in Potsdam geboren und in der Garnisonskirche von Potsdam auf den Namen Helmut Horst Günter getauft. Diese Kirche mit dem berühmten Glockenspiel „üb immer Treu und Redlichkeit" steht heute nicht mehr. Mein Vater Otto Behnke war damals bei der Garnisonsverwaltung in Potsdam beschäftigt. Meine Mutter war Hausfrau. Geboren wurde ich in der elterlichen Wohnung in Potsdam, Marienstraße 8. Sie liegt in der Nähe des Nauener Tores und führt geradezu auf den Park von Sanssouci hin.

    Mit meinen Eltern lebte ich nur wenige Monate in Potsdam, dann verzogen meine Eltern nach Spandau, welches damals noch eine selbstständige Stadt war und erst seit 1920 als Stadtteil von Berlin eingemeindet worden ist. Dort war mein Vater wieder als Zahlmeister in der Garnisonsverwaltung tätig. Wir wohnten am Nordende von Spandau, in Hakenfelde. Vor dem Kriege 1914/18 hatte mein Vater auch schon in Spandau gearbeitet und gewohnt.

    Meine Eltern, die stets auf ein eigenes Haus versessen waren, hatten in dem benachbarten Dorf Seegefeld, welches später ein Teil von Falkensee wurde, ein Haus gebaut und zwar in der Grusonstraße. Ich nehme an, daß meiner Mutter dazu ihr Erbteil aus dem elterlichen Hof ausbezahlt wurde.

    Nach Kriegsausbruch 1914 fühlte sich meine Mutter jedoch allein zu einsam, so daß das Haus wieder verkauft wurde, als mein Vater gesundheitlich als nicht frontverwendungsfähig nach Potsdam versetzt wurde, wo sein Bruder Wilhelm Chef der Verwaltung war.

    Als nach 1933 die Ahnenforschung sehr in den Vordergrund gestellt wurde, hat mein Vater eine Liste aufgestellt, die meist bis zum 30-jährigen Krieg zurückreichte. Leider sind bei Kriegsende 1945 alle Unterlagen verloren gegangen, so daß ich nur noch aus dem Gedächtnis bis zu meinen Großeltern berichten kann.

    Zunächst väterlicherseits: Mein Vater Otto Johann Felix Behnke wurde am 23. Juli 1878 als zweiter Sohn in Berlin geboren. Sein Vater Wilhelm Behnke wurde etwa 1848 in Berlinchen in der Neumark geboren. Die Neumark liegt noch weiter nordostwärts von Berlin, über seine Frau, meine Großmutter, weiß ich nichts. Ich habe sie nie kennengelernt. Mein Großvater war Maurer, später Maurermeister, zog nach Berlin und machte dort nach 1871 ein Baugeschäft auf, welches, wie so viele andere, nach dem Auslaufen des Booms in der Gründerzeit, etwa 1878, Pleite machte.

    Die Familie zog danach nach Niederlehme bei Königswusterhausen, südostwärts von Berlin. Mein Vater besuchte dort eine Zwergschule, d. h. alle Schuljahrgänge wurden in einem Raum von einem Lehrer unterrichtet. Da mein Vater offensichtlich sehr begabt war, unterrichtete er im letzten Jahr die Jüngsten. Er selbst ging dann auf die Unteroffiziervorschule und auf die Unteroffizierschule in Biebrich (jetzt Wiesbaden-Biebrich). Dann diente er beim Infanterieregiment in Prenzlau und wurde nach Ablauf seiner Dienstzeit Zahlmeister.

    Meine Mutter Hedwig Klara Mathilde Behnke war Tochter des Bauern Wilhelm Jahn aus Drossen. Dieser war zunächst Handwerker gewesen. Als er meine Großmutter heiratete, mußte er den Hof mit etwa 20 ha übernehmen, da kein männlicher Erbe vorhanden war. Als meine Mutter mit mir etwa 1920 ihre Eltern in Drossen besuchte, lernte ich diese kennen. Ich habe aber nur in Erinnerung, daß mich meine schwarz gekleidete Großmutter wegen irgendeiner Unart furchtbar ausschimpfte. In der Familie waren etwa 7 Kinder, dazu kamen noch etliche Totgeborene.

    Meine Mutter hatte meinen Vater auf der Verlobung ihrer Schwester Anna mit dem älteren Bruder meines Vaters, Wilhelm Behnke, kennengelernt. Sie waren lange verlobt und heirateten am 24. Mai 1909 in Drossen. Aus der Ehe gingen 3 Kinder hervor, wobei die ersten beiden, Karl und Otto, kurz nach der Geburt starben. Ich blieb also als einziger übrig und wuchs als Einzelkind auf, was mir aber nach meiner Ansicht nicht geschadet hatte. Ich hatte immer Verbindung mit der Umwelt und viele Freunde.

    Aus meiner Jugend erinnere ich mich, daß ich ein ziemlicher Lausbub war. Schon als kleiner Junge, als wir noch in Hakenfelde wohnten, habe ich mit Steinen nach den Kindern geworfen, die mich wegen meines roten Spielanzuges hänselten. Einmal schickte mich meine Mutter zum Brot holen. Ich kam und kam nicht wieder. Sie suchte mich überall und kam mir völlig aufgelöst entgegen, denn ich war, statt zum Bäcker, zum Johannesstift gelaufen, einer Anstalt der evangelischen Kirche, die heute noch existiert und die ungefähr eine halbe Stunde von unserem Haus entfernt lag. Auch heute werden dort noch oft Tagungen abgehalten. Einmal ging ich in die nächste Kneipe mit einer Tasse in der Hand und wollte Bier haben. Alles lachte lauthals und der Wirt verlangte Geld von mir, was ich natürlich nicht hatte. Er schenkte mir daraufhin etwas Malzbier ein, womit ich dann stolz nach Hause zurückkehrte. In späterem Alter erfolgten weitere Streiche, die ich nicht alle erzählen will, um nicht zur Nachahmung anzureizen.

    Als kleiner Junge litt ich an Skrophulose, in Erinnerung an die englische Hungerblockade im l. Weltkrieg auch englische Krankheit genannt. Dagegen erhielt ich Lebertran, der damals noch scheußlich schmeckte. Aber ich war so gierig danach, daß meine Mutter die Flasche stets vor mir verstecken mußte. Das Mittel hat geholfen: Ich wurde ein kräftiger Kerl.

    Nachdem die Militärverwaltung Spandau aufgelöst war, übernahm mein Vater die Leitung der Militärwaschanstalt in Spandau.

    Wir zogen um in die Neuendorfer Straße - ich weiß nicht mehr, ob sie so hieß. Sie lag jedenfalls gegenüber der Garnisonkirche. Es war ein Riesenhaus und wir hatten eine Wohnung mit ungefähr 10 Zimmern. Es war natürlich herrlich zu toben, vor allem auf dem etwa 15m langen Flur. Hier bekam ich auch ein großes Schaukelpferd mit richtigem Fell und vollständigem Sattel und Zaumzeug. Es wurde aber dennoch nie ein Reiter aus mir, so sehr mir das Spielzeug auch Freude machte.

    Hier passierte einmal beinahe ein Unglück: Das Grundstück, auf dem die Wäsche getrocknet wurde, grenzte an die Havel. Es führte eine Pforte zu einem Weg, der an der Havel entlang ging, und gerade hinter dieser Pforte führte eine Treppe hinunter ans Wasser. Es war dort ein Bootssteg. Ich fiel ins Wasser, und unser Mädchen rettete mich noch in letzter Minute. Wie ich überhaupt immer sehr vorwitzig und neugierig war und alles wissen wollte und in allen Sachen rumstöberte. Ich erinnere mich noch an die Unruhen vom Kapp-Putsch 1920 in Berlin; teilweise wurde auch in unserer Gegend geschossen. Wir bekamen Gott sei Dank aber nichts ab.

    Wie schon gesagt, legten meine Eltern großen Wert auf ein eigenes Grundstück, und so haben sie 1920 in Falkensee ein großes Grundstück gekauft, es hatte so ungefähr 1250 qm. Auf diesem Grundstück stand ein kleines Wochenendhaus, in dem wir den Sommer über wohnten. Für mich war das natürlich herrlich zum Spielen. Ich baute mir z. B. in einem Hangteil Kanäle und lenkte das Wasser mal hierhin, mal dorthin. Auch errichtete ich mir ein Indianerzelt. Meine Mutter hatte mir ein entsprechendes Kostüm geschneidert. Den Federschmuck bastelte ich mir selbst. Besonderen Spaß machte es, das Obst zu klauen, wenn es reif war. Meine bevorzugten Früchte waren die Mirabellen, die Pfirsiche und vor allem die Aprikosen.

    1926 bekam ich ein Fahrrad, und es war aufregend für mich, durch die Gegend zu sausen; denn Falkensee war eine große Gemeinde, an Grundfläche größer als die Stadt Halle. Ganz in der Nähe war der Ort Finkenkrug, der zu Falkensee gehörte, und dort begann ein großer, riesengroßer Forst, der bis Brieselang und beinahe bis Fehrbellin reichte. Dort im Wald herumzujuckeln war stets eine große Freude, es ging ja bergauf und bergab. Natürlich keine Berge wie die Alpen, aber immerhin die Hügel der Mark Brandenburg.

    Schulzeit

    1922 kam ich in die Volksschule in Spandau. Nun mußte ich, da wir, wie gesagt, im Sommer über in unserem Wochenendhaus lebten, in diesen Monaten stets von Falkensee nach Spandau fahren. Aber das war für mich kleinen Knirps kein Problem, da mein Vater, morgens jedenfalls, ebenfalls zur Arbeit nach Spandau fuhr. Mittags allerdings mußte ich alleine fahren.

    Und da gab es einmal eine unangenehme Überraschung. Auf dem Rathausvorplatz, einem riesigen Freigelände, das ehemaliges Festungsgelände war, waren immer wieder Zirkusse aufgeschlagen. Eines Tages, als ich aus der Schule kam, sah ich da, wie ein Zirkus aufgebaut wurde. Das war natürlich für mich als kleiner Steppke spannend, da zuzusehen, wie die Masten aufgerichtet wurden, wie die Tiere von einem Käfig zum anderen geführt wurden und das ganze Leben und Treiben überhaupt zu beobachten. Es war ein riesengroßes Dreimasterzelt, vom Zirkus Krone, soviel ich mich erinnere. Beim Betrachten und neugierigem Rumstehen in der Gegend verging die Zeit, so daß ich meinen Zug längst verpaßte, denn mittags fuhr ich ja alleine nach Hause. Meine Eltern haben sich furchtbar aufgeregt. Meine Mutter hat meinen Vater angerufen, mein Vater hat die Polizei verständigt, und es wurde nach mir gesucht. Schließlich hat mein Vater mich auf dem Zirkusplatz gefunden. Es war so gegen 17.00 Uhr, als sie mich da wieder ergriffen und nach Hause brachten. Mit einem fürchterlichen Geschimpfe natürlich, was ja auch nicht ganz unberechtigt war.

    1923 fingen wir an, in Falkensee ein eigenes Haus zu bauen, ein richtiges großes Wohnhaus. Mein Großvater, der ja, wie gesagt, Maurer gelernt hatte, half uns dabei und so haben wir das ganze Haus allein fertiggemacht, bis auf die Installationsarbeiten, von denen wir nichts verstanden, und die sicherheitshalber vom Elektriker und Installateur ausgeführt wurden. Auch das Dachdecken haben wir nicht selbst gemacht. Die Fenster wurden damals billig gekauft. Es war ja Inflationszeit, und mein Vater ging sofort, Geld gab´s ja damals täglich, wenn er sein Geld bekommen hatte, los und kaufte das Notwendigste ein, denn am nächsten Tag war ja das Geld allenfalls nur noch die Hälfte wert. Die Werte gingen ja schließlich bis in die Billionen, B i l l i o n e n, mit neun Nullen. Gott sei Dank beruhigte sich die Lage der Deutschen Mark kurze Zeit später.

    Denn 1923 wurde die Rentenmark eingeführt, und wir hatten wieder eine feste Währung, so daß meine Eltern in Ruhe das Haus 1924 fertig stellen konnten. Die Steine haben wir selbst hochgezogen und gepackt. Ich selbst war als 7-jähriger Stift daran beteiligt, und ich entsinne mich daran, daß ich an einem Tage 700 Mauersteine, Ziegelsteine, von dem Lift abgenommen und gepackt habe. Einmal war die Rüstung nicht richtig gelegt, und ich bin in ein Loch gefallen in die untere Etage. Gott sei Dank stand dort ein Behälter mit Mörtel, so daß ich mir nichts getan habe. Mit einem Schlauch war das Unglück schnell beseitigt, denn groß angezogen war ich im Sommer natürlich auch nicht.

    Außerdem mußte ich viel im Garten arbeiten. Ich hatte selbst ein eigenes Stück Garten, was ich nach eigenem Gutdünken bepflanzen konnte. Darauf habe ich kleine Bäumchen gezüchtet und dann auch veredelt. Ich beteiligte mich auch am Veredeln von großen Bäumen im Garten mit Okulieren und Pfropfen, alles Sachen, die einem Fachmann sicher bekannt sein werden. Außerdem war mein Vater darauf aus, den ganzen Garten wieder in Ordnung zu bringen, denn er war ziemlich verwahrlost, und vor allen Dingen die vielen Reihen Obstbäume richtig zu ziehen. Wir setzten dazu Pfosten, spannten Drähte und zogen an diesen Drähten in rechten Winkeln oder im Zickzack die Zweige hoch. Damit diese dann nicht brachen, wurden sie leicht angesägt an der Biegestelle und dann gebogen. Die ganze Sache wurde dann mit Baumwachs verstrichen, damit sich kein Ungeziefer festsetzen konnte.

    Mein Vater war ein großer Hobbygärtner und zog außer Obst und Beeren auch noch viel Gemüse, wie Bohnen, Möhren, Kohlrabi, Weiß- und Wirsingkohl und Rotkohl und viele Gewürze. Das von uns nicht frisch gegessene Obst verarbeitete er dann zu Obstwein und später zu Obstsaft. Ich durfte ihm viel dabei helfen, während sonst hauptsächlich Beerenpflücken und Unkrautzupfen meine Aufgabe im Garten war.

    Der Winter 1929/30 war sehr hart. Die Kälte ging so tief in den Erdboden, daß die Gasleitungen zufroren. In jedem Winter ging ich oft zur Festung Spandau zum Schlittschuh laufen. Es war dort auf dem Festungsgraben eine große Bahn eingerichtet. Oft spielte eine Militärkapelle oder die Polizeikapelle und es war ein vergnügtes Treiben. Ich konnte mittlerweile ganz gut laufen und bin dann noch weiter rausgelaufen auf die Havel, die ja großenteils zugefroren war. Der Festungsgraben umschloß übrigens die Festung, in der bis Sommer 1987 Rudolf Heß seit 1948 oder 49 bis zu seinem Tode am 20.8.87 einsaß.

    Ostern 1925 kam ich als Ausnahme nach einer Prüfung schon nach 3 Grundschuljahren auf die Oberrealschule. Norm waren 4 Jahre.

    Im Herbst 1927 kam ich von der Oberrealschule auf das Kant-Gymnasium, weil meine Eltern diese Schulart auf Anraten meines Französischlehrers Kowalski, für die bessere hielten, da sie eine umfassendere Allgemeinbildung vermittelte.

    Unser Direktor war der bekannte Kantianer Professor Lorentz. Er wurde aber schon bald pensioniert. Sein Nachfolger war Studiendirektor Becker, ein Neffe des damaligen preußischen Kultusministers Becker (SPD). Das Kant-Gymnasium lag gegenüber der Nicolai-Kirche, in der Kurfürst Joachim II. von Brandenburg am 1.11.1539 zum evangelischen Glauben übertrat.

    Es brach eine schwere Zeit für mich an, denn ich mußte 1 ½ Jahre Latein nachlernen. Dazu kam noch das Pech, daß ich mir beim Spielen und Toben auf dem Schulhof den Knöchel eines Fußes brach und nicht mehr zur Schule gehen konnte. Meine Eltern aber halfen sich damit, daß sie einen Studenten als Hauslehrer für mich engagierten, der in einem Vierteljahr das ganze Pensum von 1 ½ Jahren mit mir nachholen mußte. Während dieser Zeit wurden die Lateinarbeiten und meine sonstigen Leistungen in Latein nicht gerechnet. Nach Weihnachten 1927, also auf 1928, rechnete jedenfalls alles wieder voll, und ich bekam im April 1928 im Schlußzeugnis, dem Versetzungszeugnis, bereits in Latein ein gut.

    Meine Hauptfreunde waren aus Falkensee Stefan Kloss und Gottfried Berger, die beide ebenfalls aufs Gymnasium in Spandau zur Schule gingen, und mit denen ich immer gemeinsam im Zug fuhr. Besonders befreundete ich mich mit Stefan Kloss, mit dem ich auch in der gleichen Klasse war, während Gottfried Berger eine Klasse höher war. Wir waren jetzt in der Untertertia und hatten nun bis zum Abitur als Klassenlehrer Studienrat Dr. Knaebel. Er war immer gerecht und verstand sein Fach.

    Wir trieben in der Schule viel Schabernack und beschäftigten uns vor allen Dingen mit Rangieren. Das heißt, wir haben in das Pult Rillen reingeritzt, und damit entstanden Gleise und Weichen. Dann haben wir mit Luftgewehrkugeln rangiert, als ob wir mit Zügen spielten. Das hielt uns aber sehr vom Unterricht ab. Ich hatte das schlechteste Zeugnis meiner gesamten Schulzeit, und Stefan Kloss wurde nicht versetzt und mußte von der Schule abgehen. Er ging dann in die Schreinerlehre, später auf eine Hochschule und wurde Architekt.

    Lehrer und Schüler des Kantgymnasiums Ostern 1928

    Verabschiedung des Direktors Prof. Lorentz

    Etwa in der Prima lernten Stefan und ich noch Udo Siegmund kennen. Wir waren oft bei seinem Vater eingeladen und lernten dort Skat spielen.

    In der Obertertia mußte ich zum Konfirmationsunterricht beim Pfarrer Neese. Es war nicht schwierig bei ihm, besonders nicht für die höheren Schüler, wie die Schüler vom Gymnasium und Oberrealschule damals noch genannt wurden. Denn wir hatten das Meiste bereits im Religionsunterricht gelernt.

    Ostern 1931 wurde ich dann konfirmiert mit der üblichen großen Feier mit Verwandten und Bekannten.

    Mit Stefan machte ich schon einmal als Tertianer eine Radfahrt in den Harz. Da wir wenig Geld hatten, übernachteten wir einmal in einem Kornfeld, einfach in unsere Decken gewickelt. Wir schliefen sehr gut, waren aber beim Aufwachen wie betrunken; das Getreide mußte irgendetwas ausströmen, was uns so benommen gemacht hat. Wir schoben die Räder schließlich bis zum Brocken empor und sahen uns natürlich auch den Bocksberg an, auf welchem am Hexensabbat die Hexen ihr Unwesen auf einem Besen reitend tun sollten.

    Eine weitere große Fahrt machte Gottfried mit mir mit dem Faltboot seines Bruders. Wir paddelten von Spandau die Havel aufwärts, dann ein Stück Finow-Kanal und landeten schließlich am Müritzsee. Wir übernachteten in einem Zelt und kochten auch selber auf dem Spirituskocher. Zurück fuhren wir den Rhein abwärts. An den Stauwehren mußten wir das Boot herumtragen, was eine große Plackerei für uns Buben bedeutete. Dabei kamen wir auch am Schloß Rheinsberg vorbei, welches uns sehr beeindruckte, über seine Geschichte hatten wir ja schon im Unterricht gehört.

    Da ich kein Taschengeld bekam, versuchte ich irgendwie zu Geld zu kommen, und fing bereits ab Obertertia an, Nachhilfestunden zu geben. Soviel ich weiß, war der Preis zunächst pro Stunde l Mark, später 2 Mark, also nicht allzu üppig. Aber wenn man die damaligen Preise vergleicht, mit den heutigen, so war das immerhin etwas Geld, was mir zur Verfügung stand. Mit der Zeit vermehrte sich auch die Zahl meiner Schüler, so daß ich, glaube ich, am Schluß 3 Schüler hatte, mit denen ich teilweise mehrere Stunden am Tag arbeitete. Ein Teil der Schüler wohnte in Spandau, so daß ich erst am Nachmittag, teilweise am späten Nachmittag nach Hause kam.

    Außerdem war ich seit Obersekunda in der Ruderriege des Gymnasiums, die ein eigenes Bootshaus an der Havel hatte. Alle freie Zeit im Sommer trainierte ich da als Schlagmann in einem Riemenvierer mit Steuermann. Im folgenden Jahr gewannen wir auf dem Tegeler See die Meisterschaft der Berliner Schul-Ruder-Mannschaften.

    Zu Boot machten wir auch Ausflugsfahrten in den Ferien. So einmal im Riemenzweier, unser Sportlehrer, Schinke und ich, in den Spreewald. Da waren die Kanäle oft so schmal, daß wir mit eingezogenem Riemen fahren, mußten. Eine andere Reise im Riemenvierer mit Steuermann, alles nur wir Primaner, ging nach Magdeburg. Da wir von der Havelmündung die Elbe aufwärtsfahren mußten, hatten wir schwer zu rudern und nutzten jede Buhne im Fluß aus, um in ruhigeres Wasser zu kommen.

    Wir hatten, damals in der Weimarer Republik, auch in der Schule schon eine gewissermaßen demokratische Verfassung. Jede Klasse hatte ihren Klassensprecher. Bei uns war das eigentlich die ganze Zeit Hermann Schinke, Sohn eines Postbaurates.

    Ab Obersekunda bildeten die Klassen die Schulgemeinschaft, ein Schulparlament, wenn man es so nennen will. Es wurde auch regelrecht gewählt: ein Vorsitzender, stellvertretender Vorsitzender und Kassenwart. Als ich in die Obersekunda kam, wurde ich auch als Vorsitzender vorgeschlagen, habe jedoch Hermann Schinke nominiert und wurde stellvertretender Vorsitzender und Kassenwart, was mir viel lieber war als der Ärger, den man dauernd als Vorsitzender hatte.

    Inzwischen war einiges geschehen: Wir hatten unser Haus in Falkensee 1930 verdoppelt und mit Zentralheizung versehen, waren in das oberste Stockwerk gezogen und hatten das Erdgeschoss vermietet. Zunächst an ein junges Referendar- oder Assessorehepaar, denen die Miete auf die Dauer allerdings zu teuer wurde. Außerdem war es der jungen Frau bei uns auf dem Dorfe zu einsam. Dann zog ein Pensionär ein, ein Herr Mühle mit seiner Frau und Tochter. Die Tochter arbeitete in Berlin als Sekretärin.

    Ich hatte mir als 13-jähriger im Dachgeschoss ein eigenes Zimmer gebaut, einschließlich der Fenster. Da es damals Steinwolle o. a. zum Isolieren nicht gab, nahm ich Torfmull dazu, den ich zwischen die Bretterwände und auf die Deckenbretter schüttete.

    Als 1924 der Rundfunk aufkam, baute mein Vater zunächst ein Detektorgerät. Etwa 1927 bastelte er nach einem Bauplan einen guten Röhrenempfänger. Und 1930 schafften meine Eltern einen „SABA-Empfänger an. Die Lage in Deutschland war damals nach dem Börsenkrach in der Wall-Street schlecht: über 5 Millionen Arbeitslose, schließlich sogar 6 ½ Millionen. Die Regierungen, samt dem als „Quasselbude beschimpften Reichstag, konnten der Lage nicht Herr werden. Die „Harzburger Front" aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen bildete sich. Und an meinem 14. Geburtstag, dem 14.09.1930,

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