Neues aus der Mühlenstraße
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About this ebook
Erneut erhält man einen satirischen Einblick in eine denkwürdige Epoche mit Huckepott, Tütenlampen, Elvis Presley und Konrad Adenauer.
Oma und Opa sind wieder die zentralen Figuren. Die „perfekte“ Aufklärung aus dem ersten Buch kann endlich „erfolgreich“ umgesetzt werden. Ganz nebenbei beginnt eine „unglaubliche“ Fußballerlaufbahn und die Liebe…..zum Peiner Freischießen. Es beginnt aber auch der Ernst des Lebens mit der Lehre bei der Kreissparkasse und dem Wehrdienst bei der Bundeswehr, aber ganz so ernst wird es dann doch nicht…
Gerolf Haubenreißer
Gerolf Haubenreißer, 1944 in Peine geboren, ist als „Unruheständler“ freier Mitarbeiter der Braunschweiger Zeitung/ Peiner Nachrichten, wo seine Kolumne „Haubenreißer“ in Versen zu lokalen Ereignissen erscheint.
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Book preview
Neues aus der Mühlenstraße - Gerolf Haubenreißer
Gerolf Haubenreißer
Neues aus der Mühlenstraße
Books on Demand
Über das Buch :
Die „Mühlenstraße zum Zweiten! Wieder hat Gerolf Haubenreißer seine Kindheit und Jugend in der „Wirtschaftswunderzeit
aufgegriffen. Erneut erhält der Leser einen satirischen Einblick in eine denkwürdige Epoche zwischen Huckepott, Tütenlampen und Konrad Adenauer. Opa und Oma sind wieder die zentralen Figuren. Allerdings kommt diesmal die „erste Liebe etwas dazwischen. Die „perfekte
Aufklärung aus Buch 1 kann endlich „erfolgreich umgesetzt werden. Ganz nebenbei beginnt eine „unglaubliche
Fußballerlaufbahn und die Liebe…zum Peiner Freischießen. Es beginnt aber auch der „Ernst des Lebens" mit der Lehre in einem Peiner Kreditinstitut und der Bundeswehr. Aber ganz so ernst wird es dann doch nicht…
Über den Autor :
Gerolf Haubenreißer, 1944 in Peine geboren, ist als Unruheständler
freier Mitarbeiter der Peiner Allgemeinen Zeitung, wo seine Kolumne Haubenreißers Verse
zu lokalen Ereignissen erscheint.
Weitere Untaten:
Im gleichen Verlag erschien bisher „Mühlenstraße 12 oder meine wilden Fünfziger Jahre in Peine". Ein liebenswerter Rückblick auf eine „bewegte" Kindheit. Zur Lektüre des vorliegenden Buches unbedingt ein Muss!
Außerdem „Gebrauchte Verse oder Verse, die keiner braucht". Eine satirische „Lebenshilfe" in Versen zu den kleinen Tücken des Alltags.
Inhaltsverzeichnis
Ein Vorwort
Also los, auf geht’s!
Sie hat mich wieder!
Abendbrot und Tischsitten
Bettgeschichten
Waldi und die Feuerbestattung
E-ri-ka
Onkel Gerd und ein übles Foul
Hühnerfreuden
Jungs und Mädchen
Huckepott und die Schlüpferfrage
Die Hühner picken!
Turngeräte
Gewitter
Unser Wilhelmsplatz und ein Stier aus Argentinien
Einmal Kurzschnitt bitte!
Knüppels Mühle
Adventskalender und Meister Hämmerle
Disziplin und Prügeleien
Gliesecken und Spinnenfußball
Sylvester
Else
Zeitungswesen in der Butze
Dias ohne Ende
Underberg
Thilo
Suchdienst, heile Schlagerwelt und Olympia
Spaghetti ? Gesundheit!
Adenauer
PSV 04
Weltmeister in der Mau Mau Siedlung
Feiern und Frieren in der „Mau Mau"
Marianne und Gold für Deutschland
Lesemappen und Soraya
Radio
Die Pise
Benehmen
Kennedy und alles aus Amerika ist gut!
Möbel und „Küchenhilfen"
Abschied von der Mau Mau
Das „Dauphinchen" und andere Autos
Omas Fernseher
Heute bleibt die Küche kalt
Unsere „Pauker"
Klassenmischmasch und ein Lloyd
Der HSV beim VfB
Fußball…und kein Ende
Die hoffnungsvolle Jugend und ein Sheriff
Ilse und das Hähnchen
Die Geschichte vom Ledersessel
Die Hollandsmühle
Um Acht bei Korbmacher… und eine Verfolgungsjagd
Die Losewurstparty
Auslandserfahrungen
Freischießenfieber?
Jetzt geht`s los!
Veränderungen
Freischießen bis zum Ende
Am Kanal
Stederdorf
Willy Kipar und das Talent
Gadenstedt
Die Kreidler und andere „Unfälle"
Lieben – aber wie?
Ein freudiges Ereignis
Krumm – und sonstige Finger
Ladeschalenbodenstückverbindungsbolzen
Todendorf
Wieder mal Hühner!
Unser Spieß
Hochzeit und ein neuer Erdenbürger
Das Ende
Ein Nachwort
Ein Vorwort
Sind Sie auch schon mit dem Gefühl aus dem Supermarkt gekommen, mit Sicherheit mal wieder was vergessen zu haben? Sie wissen nur nicht genau was, aber nach und nach dämmert es. Genauso ging es mir mit meinem Buch „Mühlenstraße 12", das seit drei Jahren die Peiner mehr oder weniger bei Laune hält.
Vieles fiel mir danach noch ein. Sehr viele Erinnerungen kamen aber auch bei Lesungen und den anschließenden Diskussionen mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Denkanstöße und Anregungen ohne Ende, für die ich Ihnen sehr dankbar bin. Dazu immer wieder die Frage nach einer Fortsetzung. Es gibt sie hiermit!
Vorher muss ich aber noch ein paar Dinge aus der „Mühlenstraße 12" korrigieren. Sie merken aber auch Alles!
So hieß der Fischladen an der Bahn damals nicht „Nordsee sondern „Weserländer Fischhalle
und die berühmte Kneipe daneben hieß nicht Stadtschänke, sondern Stadtklause. Marlies Pöttke in der Mühlenstraße war nicht die Tochter, sondern die jüngere Schwester von Frau Pöttke und Frau Wiechert hieß richtig Wiegert. Die Kloake längs der Horstkippe ist nicht mein geliebter alter Bach an unserem Garten. Der lag ein Stück davor und ist inzwischen ganz einfach verschwunden. Man möge mir verzeihen!
Es gab bei den Lesungen aber auch denkwürdige Begegnungen. Frau Wiegert von → entpuppte sich als Oma von Marianne Müller, Ehefrau von Werner Müller aus dem Kollegium des VJP. Peterlein, der „schmucklose Knabe von → hatte sich bei einer Lesung in einen netten älteren Herren verwandelt, mit dem ich mich auf Anhieb prächtig verstand. Mit meiner Tanzstundenpartnerin vom Abschlussball schmeckte nach vielen Fußtritten vor 50 Jahren heute sogar ein Gläschen Sekt. Von meiner ersten Liebe „Tante Inge
von → bekam ich durch eine Mitschülerin, die auch in Braunlage gewesen war, das angesprochene Bild im Bikini. Lisa, mein „erster Kuss" auf → war die ältere Schwester unseres letzten ersten Vorsitzenden im MTV und gleichzeitig Cousine von Hans Walter Glanz, meinem alten Fußballkumpel. Nach und nach meldeten sich fast alle Personen aus dem Buch und das Schöne: Es war niemand beleidigt! Auch das hat mich zu dem vorliegenden zweiten Buch zur Mühlenstraße ermutigt.
Einiges aus dem ersten Band der Mühlenstraße musste ich zum besseren Verständnis dieses Buches kurz wiederholen oder nochmals ansprechen. Ich hoffe, das macht nichts.
Die Mühlenstraße verfolgt mich nun schon 3 Jahre. Lesungen über Lesungen. Seniorenkreise, Sportvereine, Kleinkunstbühnen, Geburtstage, Seniorenheime, Landfrauen aller Art, Heimatvereine, Sozialverbände und, und, und. Schließlich landete das Büchlein, das eigentlich für Kinder und Enkelkinder gedacht war, sogar mit Erfolg auf der Frankfurter Buchmesse. Die Mühlenstraße wurde nachträglich wieder ein Stück von mir.
Also los, auf geht’s!
Sie hat mich wieder!
So habe ich mich immer wieder dabei ertappt, mit dem Auto öfter als nötig in die Theodor Heuss Straße (so heißt das heute) zu fahren. Wie ein Kater streiche ich um das alte Haus, um Erinnerungen aufzusaugen. Die Hausnummer ist kaum noch zu lesen. Leere Fenster blicken mich an.
Hier wohnt schon lange keiner mehr, doch plötzlich meine ich zu hören, wie ganz oben im Erker ein Fenster auffliegt und die markige Stimme meiner Oma dröhnt in breitem Sächsisch durch die ganze Straße: „Gääääärolf!!!!!"
Wahrscheinlich ist der Tisch zum Abendbrot fertig! In Gedanken fliege ich die zwei Treppen rauf. Da sitzen sie alle um den alten weißen Küchentisch. Opa hat eben noch seinen Hannemann – Priem (Kautabak) in das Loch bugsiert, wo eigentlich der Auszug reingehört. Den wird er nachher wieder genussvoll weiterkauen oder vergessen, bis jemand schwarze Finger davon bekommt.
Abendbrot und Tischsitten
Omas mächtiger Busen liegt schon halb auf dem Tisch. Auf dem Kittel hat sie die Speisekarte der ganzen Woche, wie Opa immer sagt. Man sieht genau, was es die letzten Tage zu essen gab. Etwas Grüne-Bohnen-Eintopf, ein Klacks Steckrüben und eine Prise Magermilch prangen auf dem komischen Muster mit den verschlungenen Ornamenten. Eine Hausfrau ohne einen solchen Kittel war damals fast undenkbar. Majestätisch sitzt sie da am Tisch, schließlich hat sie ja hier das Sagen!
Mit dem Zeigefinger wird die Restfamilie eingewiesen: Da ist Margarine, da Käse, da ist Leberwurst, da ist der Fleischsalat von letzter Woche, der muss zuerst weg! Wie immer, bleibt der Zeigefinger kurz darin hängen und wird genüsslich abgeschleckt. Ein ganz kleiner Spritzer landet auch am Busen, direkt neben den Steckrüben.
Ich darf neben Mutti sitzen. Ich hänge sehr an ihr, mit ihrem blassen, ungeschminkten Gesicht und der schlichten Nachkriegsfrisur. Wasserwelle – was immer das war. Wasserwellen kannte ich eigentlich nur aus der Badeanstalt.
Immer wieder hatte mir Mutti erzählt, dass wir sehr dankbar sein müssten, weil Oma und Opa uns aufgenommen hatten. Bei Vati in Greiz habe es kräftig Prügel gesetzt, mein Nasenbein hat immer noch einen leichten Knick nach links.
Schräg gegenüber sitzt Werner, der jüngere Bruder meiner Mutter. Wir drei lagen alle 10 Jahre auseinander, wodurch man sich die Geburtsjahre leicht merken kann. Werners Mähne wird durch eine Haarspange gehalten. Ansonsten sieht er fast aus wie ich, auf Fotos wird man sich später streiten, wer von uns beiden da abgelichtet ist. Dunkle Haare, dunkle Augen, Oma drohte mir immer mit der Abschiebung an die Zigeuner, wenn ich was ausgefressen hatte. Am Zigeunerplatz mussten wir immer vorbei, wenn wir zu unserem Garten an der Rosenthaler Chaussee wollten.
Werner hat sich mal wieder die Hände nicht gewaschen, was ihm einen Klaps von Oma an den Hinterkopf einbringt. Laut Opa wird dadurch das Denkvermögen erhöht. Bei mir hat das aber nichts gebracht.
Ich erhielt bei solchen Gelegenheiten meist Prügel mit der Rückseite des Handfegers. Oma war die Erfinderin des heutigen Rap – Gesanges. Im gleichen Rhythmus kam: „Musst – du – eigentlich – immer – alles – kaputt - machen?!" Zum Glück schluckte das meiste später meine Lederhose. Man gewöhnt sich an alles!
Opa hat das Brot wie immer zentimetergenau mit dem Messer geschnitten, eine Brotmaschine brauchten wir nicht, das war Opa. Von seinen Scheiben schneidet er sich die Rinde ab, weil er Probleme mit den Zähnen hat. Darauf darf ich mir etwas Margarine schmieren. Ein Genuss!!
Ich frage, nachdem ich ausgekaut habe, ob ich mir noch eine Scheibe Brot mit Leberwurst machen könne. „Aber nicht so dick, die muss noch die Woche reichen!"
Ich muss mich heute noch zurückhalten, wenn sich meine Kinder und Enkel die Wurst doppelt aufs Brot legen. Tomaten ohne Brot zu essen, bekomme ich immer noch nicht ohne schlechtes Gewissen hin. Man hat das halt so drin. Eine Scheibe Wurst ohne alles hätte ich nur in Verbindung mit dem Handfeger bekommen.
Die rechte Hand hält das Brot, die linke liegt direkt neben dem Abendbrotbrett. Andernfalls wird das Denkvermögen erhöht (Hinterkopf). Oma selbst nimmt das nicht so genau, schon tropft wieder etwas Fleischsalat Richtung Busen. Ich muss lachen, worauf sich ihre Hand bedrohlich dem Hinterkopf nähert. Nochmal Glück gehabt!
Werner kaut schon länger auf seiner Scheibe rum. Schon geht Omas Hand in die andere Richtung. „Da waren die Augen wieder größer als der Magen, meint Opa. Werner würgt etwas und schielt dabei nach Omas Pranke. „Kau jetzt mal linksrum
, rät Opa. Das hilft tatsächlich, Omas Hand landet wieder auf dem Tisch. Bei Mutti ist sie zum Glück etwas großzügiger.
Tischgespräche gibt es nicht, bei Tisch wird nicht geredet. Einzige Ausnahme ist ab und zu Oma selbst. Schließlich sind alle fertig, eher darf keiner aufstehen, auch Mutti nicht. Das Denkvermögen wurde zum Glück nicht gefördert. Wie auf Kommando reden nun alle durcheinander, man war ja auch so lange still. Schließlich hat Oma wieder die Oberhand.
Aber Opa kontert diesmal. Ich beobachte noch wie er das Gewicht auf eine Seite legt und schon knattert es, dass die Gardinen flattern. „Williiiiiee! tönt Oma. Opas Gesicht wirkt entspannt „Watt mutt. dat mutt
, ist sein Kommentar.
Gemeinsam wird der Tisch abgeräumt und endlich das Fenster geöffnet. Das wurde aber auch höchste Zeit, sonst hätten die Lebensmittel gelitten. Jeder hat beim Abräumen seine feste Aufgabe und so geht das Ruckzuck.
Ich bewunderte Opa sehr. Er hatte zwar nicht viel zu melden, aber wir beide verstanden uns blind. Vielleicht war es auch die Verbundenheit der Unterdrückten.
Bettgeschichten
So war ich also damals nach einer kurzfristig gescheiterten Ehe meiner Mutter wieder in Peine gelandet, in der Wohnung, wo ich 3 Jahre zuvor auch auf der Durchreise geboren wurde. Schon komisch.
Für den Übergang, der dann aber fast ein ganzes Jahr dauern sollte, brachte man mich auf der hölzernen Ritze des Ehebetts meiner Großeltern unter, die man mit einigen Decken ausgepolstert hatte. Meist bekam ich es mit, wenn sie das Nachtlager aufsuchten. Opa pladderte dann ziemlich lange noch in einen ollen Zinkeimer, Oma setzte sich drauf und es zischte mächtig. Den Eimer durfte ich dann morgens im Plumpsklo auf dem Hof entsorgen.
Meist begannen sie noch auf dem Eimer das abendliche Gespräch. Oma setzte sich auf ihre Bettseite. Ich blinzelte und sah auf ihren mächtigen Busen, den das Nachthemd kaum in den Griff bekam.
Oma hatte schwarze Haare, die an den Enden schon etwas grau wurden. Links und rechts vom Mundwinkel sprossen Borsten. Die wuchsen als Inselchen wie winzige Tuschpinsel.
Ihren Dutt auf dem Kopf hatte sie aufgelöst und zu einem langen Indianerzopf geflochten, der fast bis zu ihren gewaltigen Hinterteil reichte. Auf dem Kopf hatte sie eine Nachthaube aus Spitze und sah irgendwie aus, wie eine Braut beim sechsten Fehlversuch.
Daneben lag auf einem Stuhl ihre Unterwäsche. Ein in sich gemusterter Hüftpanzer und oben drauf ein Stoffstück, das ich lange für eine doppelte Einkaufstasche hielt, das aber dazu diente, ihre gewaltigen Brüste zu verstauen, wie ich durch Blinzeln gesehen hatte.
Opa saß auf der anderen Seite ebenfalls in einem wallenden Nachthemd, das oben tatsächlich einen rot bestickten Kragen hatte. Das hat er mir viele Jahre später dann mal nach langem hin und her zu einer Faschingsfeier geliehen. Aber das nur nebenbei.
Opa war von hagerer Gestalt und hatte auf dem Kopf nur noch wenige Haare, die aber immer ordentlich gekämmt waren. „Opa hat keine Haare, er hat Federn", meinte ich immer.
Ich wusste, was nun kam. Es knatterte noch mal kräftig und ich bekam einen deftigen Landgeruch in die Nase. Opa ließ seinen Blähungen stets freien Lauf.
„Williiiiee! kam es vorwurfsvoll von Oma.
Watt mutt, datt mutt!" kam es zurück. Krampfhaft hielt ich die Augen geschlossen, auch wenn das jetzt sehr schwer fiel.
Nun rollte man sich wie auf Kommando in die Molle, was für mich mit einigen Erschütterungen verbunden war. Jetzt bloß nicht die Augen aufmachen. Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt.
Endlich war es so weit: Über mich hinweg grabschte er Oma nochmal an ihren Busen. Das Sexuelle stellten sie dann aber doch zurück, obwohl Opa da noch sehr aktiv war, wie ich sehr viel später von meiner Mutter einmal erfuhr.
Stattdessen gab es dann Krisengespräche, wobei es meist um Mutti und mich ging. Ich hörte gespannt zu. So erfuhr ich einiges über meine Mutter, was ich eigentlich nicht wissen sollte. Immerhin war von meinem Verkauf an die Zigeuner keine Rede mehr, man schien mir wirklich wohlgesonnen und ich baute die Erkenntnisse der Nacht in den nächsten Tageablauf ein. Oft wunderten sich Oma und Opa: „Woher weiß der das?!"
Waldi und die Feuerbestattung
Mein einziges Spielzeug, das die Flucht aus Greiz überstanden hatte, waren mein Teddy Brummel, meine Puppe Christel und mein Holzdackel Waldi.
Brummel war wohl mal von orangener Farbe gewesen, nun aber ziemlich abgenutzt, grau und glatt. Er brummte nur noch selten, aber ich vertraute ihm alles an. Er erzählte auch nichts weiter und war daher mein bester Kumpel.
Bei Christel war ich da schon vorsichtiger, schließlich war sie ein Mädchen. Sie war ganz aus Stoff, auch der Kopf, auf den man notdürftig ein Mondgesicht gemalt hatte. Dass sie überhaupt ein Mädchen war, konnte man nur wegen der Kleidung vermuten. Ich kannte mich da noch nicht weiter aus, was sich aber noch ändern sollte.
Waldi war nun ein absolut seltenes Stück. Der Holzdackel bestand aus drei Teilen, dem Kopf, dem Bauch und dem Schwanzstück. Die drei Holzteile waren durch Gummi verbunden. Er lief auf vier Holzrädern und hatte vorne eine lange Schnur, an der ich ihn hinter mir herziehen konnte. Durch das Gummi machte er nun schlangengleiche Bewegungen. Irgendwelche Gesichtszüge oder gar Farben waren schon längst nicht mehr zu erkennen. Nur Holz und Gummi! Er war wohl auch schon ein altes Erbstück. Ich zog ihn nun ständig auf der Straße hinter mir her, was mir bald den Namen „Der mit dem Dackel einbrachte (Nicht zu verwechseln mit „Der mit dem Wolf tanzt
).
Meist hatte ich dazu meine blaue Stoffhose an, die geliebte Lederhose kam erst später. Darunter trug ich tatsächlich ein Leibchen, an dem lange braune Strümpfe befestigt waren. Marlene Dietrich ließ grüßen. Ein Strumpf hing dabei meistens auf halb Acht. Zusammen mit Waldi gab das ein Bild, wie ich es später nur in Heinrich Zilles berühmten Berliner Skizzen gesehen habe.
Irgendwann meinte meine Regierung, dass ich nun schon zu alt wäre, immer mit einem Holzdackel rumzulaufen. Von den altertümlichen Strapsen sprach man nicht. „Die ganze Straße lacht schon über dich!" Ich hing aber am Althergebrachten, eine Neigung, die ich heute noch habe. Es gab nun abends ellenlange Gespräche, die absolut keine Einigung brachten. Ich wollte meinen Waldi und schlug vor, lieber die Strapse abzuschaffen.
Schließlich nahm ihn mir Oma einfach weg und Waldi bekam trotz lautstarkem Protest eine