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Die Macht der Wünsche und andere Geschichten
Die Macht der Wünsche und andere Geschichten
Die Macht der Wünsche und andere Geschichten
Ebook313 pages4 hours

Die Macht der Wünsche und andere Geschichten

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About this ebook

Liebevoll, pädagogisch unkonventionell
und so gar nicht schulmeisterlich geht Horst Schultze
im seinen Geschichten auf die Sehnsucht der Kinder ein.
Bei allem Phantatischen und Fabulösen, die die von ihm
gezeichnete Welt so liebevoll macht, halten sich aber auch
Vernunft und Glauben an den gesunden Menschenverstand
die Waage.
Das Buch beinhaltet 19 Geschichten für Kinder im Alter von
sieben bis zwölf Jahren. Die Geschichten haben abenteuerlichen
Charakter und handeln teilweise in der Heimat des Autors.
Aber auch geschichtliche und wissenschaftliche Aspekte
werden beschrieben. Auf jeden Fall können Kinder aus den
gewaltfreien Geschichten lernen, ohne dass der pädagogisch
erhobene Zeigefinger im Vordergrund steht.
LanguageDeutsch
Release dateJul 8, 2015
ISBN9783739291444
Die Macht der Wünsche und andere Geschichten
Author

Horst Schultze

Horst Schultze, geboren 1951, lebt in Brandenburg an der Havel, hat bereits 5 Kinderbücher veröffentlicht.

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    Die Macht der Wünsche und andere Geschichten - Horst Schultze

    Inhaltsverzeichnis

    Die Macht der Wünsche

    Der Fischbringer

    Die Kummerrose

    Was Heli erlebte

    Die alte Stadt

    Die blaue Blume

    Die Geschichte der Prinzessin Nora von der Burg Eisenhardt

    Die Geschichte von Habakuk Schmauch

    Die kleine Dampflok

    Eine Winterwunderweihnachtsgeschichte

    Nora und der Vogel mit den roten Beinen

    Nora und Heli auf Abenteuerreise

    Noras Abenteuer im Wald

    Prissi das kleine Gespenst

    Das Schneeglöckchen Nora

    Das Lindenblatt

    Der gelbe Stein

    Ein Diamantenabenteuer

    Wo wohnt die Sonne?

    Anhang

    FÜR NORA HELENA

    VERGISS DEN GLAUBEN

    AN DIE WUNDER DER KINDHEIT NICHT

    UND DIR WERDEN IM LEBEN

    VIELE WUNDER BEGEGNEN,

    AN DIE DU DANN GLAUBST

    Die Macht der Wünsche

    Als Annika erwachte, lag sie zu Hause in ihrem Bett und die Sonne schien schon hell durch das Fenster. Es würde bestimmt ein schöner Tag werden. Leider waren die Ferien fast vorüber. Aber Annika hatte so viel erlebt, dass ihr die Ferienwochen wie ein paar kurze Tage erschienen. Sie hatte gemeinsam mit ihren Eltern so manchen schönen Ausflug unternommen und dabei Dinge neu entdeckt und gelernt, die sie vorher noch nicht wusste oder kannte. Aber ganz besonders ihre Abenteuer mit Namo und Taso! Die waren phantastisch, einfach unglaublich, geheimnisvoll und unbeschreiblich schön. War es Wahrheit, war es Traum? Wer kann es wissen, wer will darüber entscheiden?

    „Annika, steh endlich auf! Es ist schon spät. Du hast nur noch ein paar Tage Ferien und musst dich so langsam auf das neue Schuljahr vorbereiten. Hefte und Bücher müssen vorbereitet werden, und es gibt noch allerhand zu tun. Vor allem musst du dein Zimmer noch aufräumen", rief ihre Mutter aus der Küche.

    „Ja Mutti, gleich", antwortete Annika und stöhnte. Sie stand aber doch noch nicht gleich auf. Sie dachte an Taso und Namo. Wie würde es den beiden gehen? Würde sie ihre besten Freunde aus der Kinderzeit jemals wiedersehen und...?

    1

    Es war einmal ... Halt! So fangen ja immer die Märchen an. Aber das, was hier erzählt werden wird, ist ja kein Märchen, sondern es ist eine Geschichte. Eine Geschichte, die sich in längst vergangener Zeit ereignete, aber eben doch eine Geschichte und kein Märchen. Deshalb fange ich also noch einmal von vorne an. Und diesmal nun so:

    Das Folgende begab sich vor sehr, sehr langer Zeit als das Wünschen oftmals noch geholfen hat, und die guten sowie auch die bösen Geister, Feen und Hexen gemeinsam mit den Menschen zusammen auf der Erde lebten. Manchmal lebten sie im Verborgenen, manchmal aber auch einfach nur so inmitten aller anderen Menschen. Auf den ersten Blick waren sie nicht immer gleich zu erkennen und, besonders die Bösen, verstanden es, sich sehr gut zu verstellen. Das, mein liebes Kind, ist ja auch heute noch so.

    Mit den Guten aber hat es heute eine ganz besondere Bewandtnis: Davon gibt es leider nicht mehr viele, und weil die Bösen auf der Welt in der Mehrzahl sind, müssen sich die Guten in Acht nehmen und ständig auf der Lauer sein. Nur ganz selten gelingt es ihnen noch, den Menschen zu helfen und Gutes zu tun. Aber egal ob gut oder böse, es ist nie gut, wenn irgendjemand Macht und Einfluss auf andere Menschen hat. Irgendwann wird dann auch das Gute zum Bösen. Jeder Mensch muss aus sich selbst heraus Gutes tun und daran glauben.

    Und vor allem eines ist ganz wichtig. Bewahre dir dein Wissen und deinen Glauben an die Wunder und den Glauben daran, dass deine Wünsche in Erfüllung gehen; bewahre dir deine Hoffnungen. Denn nur mit Hoffnungen und Wünschen kann man sich auch seine Phantasie erhalten. Glaube an alles Gute in der Welt. Menschen ohne Hoffnungen, Wünsche, Liebe und Wissen sind sehr leicht zu beeinflussen und zu manipulieren. Diese Menschen können von Machtbesessenen sehr leicht beeinflusst werden und verlieren ihre eigene Persönlichkeit und damit ihr ganzes eigenes Ich und ihr eigenes Wollen und Sein. Strebe danach, alles zu erfragen und bilde dir dann deine eigene Meinung, die dein Wissen und Glauben beinhaltet. Bewahre dir deine Kindheit!

    Aber ich will ja von einer Zeit erzählen, als das Wünschen oftmals noch geholfen hat und die guten Feen den Kampf mit den bösen Hexen fast immer gewannen.

    Die Geschichte in dieser Zeit hat sich wirklich ereignet. Sie hat sich so zugetragen, wie ich sie dir hier erzähle. Ich war dabei. Du glaubst es nicht? Ja, ist es denn möglich? Du glaubst mir also nicht! Dann, mein Kind, setz dich einmal in deinen bequemsten Sessel oder leg dich an einem besonders warmen und hellen Sommertag ganz allein auf eine schöne grüne Wiese mit vielen bunten Blumen, schließe die Augen und sei ganz still. Denk an gar nicht und fühle dich einfach nur wohl. Glaube mir: Es wird nicht lange dauern und du wirst die Zeit, von der ich dir erzählen will, und die Menschen, die in der Geschichte vorkommen, sehr bald sehen und hören. Ja, du wirst sogar mit ihnen die Geschichte erleben und – wer weiß – vielleicht begegnen wir uns auch in dieser Geschichte, in dem Abenteuer, das sich vor langer, langer Zeit ereignete. Wünsche dir einfach, du wärst in diese Zeit, und du wirst den Menschen von damals begegnen. Den Menschen von damals mit all ihren Hoffnungen, Wünschen und Träumen. Aber auch mit ihren Sorgen, Ängsten und Nöten. Und vielleicht kannst du ja sogar mit ihnen das Abenteuer erleben, bestehen und ihnen helfen. Glaube ganz fest an all die schönen Dinge, und das Abenteuer kann beginnen.

    2

    In dem Land, von dem ich erzählen will, lebten ein Junge und ein Mädchen. Dieses Land war gar nicht so weit weg, sondern es war genau hier, wo du heute lebst. Und natürlich lebten sie in dem Land nicht allein, sondern mit vielen anderen Menschen zusammen. Sie hatten auch Mutter und Vater, mit denen sie zusammen lebten. Aber hier beginnen schon die Besonderheiten. Diese beiden Kinder kannten sich zu der Zeit, in der meine Geschichte beginnt, noch nicht. Das Land war klein, und der Junge lebte an einem Ende des Landes und das Mädchen am anderen. Aber ihre Eltern, die kannten sich ganz genau und wussten so manches von einander. Denn die Mutter des Mädchens war die weise Fee des Tages und der Vater des Jungen der hinterlistige Zauberer der Nacht.

    Die weise Fee war vom ersten Sonnenstrahl am Morgen bis zum letzten Abendrot unablässig und fleißig unterwegs und half den Menschen, wo immer sie nur konnte und es ihr möglich war. Waren Menschen erkrankt, so halfen ihr ihre Kenntnisse in der Natur und sie suchte für sie heilsame Kräuter im Wald und auf dem Feld. Diese brachte sie den Kranken und kochte Tee oder legte ihnen Umschläge an. Mit einem weisen, aber geheimen Spruch, den nur sie kannte, unterstützte und verstärkte sie noch die heilsame Wirkung, und es dauerte manchmal gar nicht lange, so wurden die Kranken wieder gesund. Anderen Menschen, die durch die Habgier und Gewinnsucht von Wucherern und Ausbeutern in Not und Elend geraten waren, half sie, indem sie sich ihren besonderen und wundersamen Blick zu Nutze machte und verborgene und geheime Schätze suchte und fand. Davon gab sie den Bedürftigen, so dass die armen Menschen bald wieder ohne Sorge leben konnten. Ebenso half sie wiederum den Menschen, die unbedingt eine ganz besondere Arbeit erledigen mussten, es aber nicht gut verstanden. Da die weise Fee in allen Dingen sehr gut Bescheid wusste, schickte sie ihnen des Nachts Träume, in denen ihnen die Lösung des Problems gezeigt wurde. Und am nächsten Morgen wussten sie, wie sie die Arbeit gut erledigen konnten. Natürlich half sie auch den Tieren und Pflanzen immer dann, wenn es ihr möglich war.

    Aber eines konnte sie nicht. Es war ihr nicht möglich, die bösen, habgierigen und ungerechten Menschen zu bestrafen. Sie konnte keinem Menschen ein Leid zufügen und so natürlich auch den bösen nicht. Und das freute den hinterlistigen Zauberer der Nacht ganz besonders. Das nutzte er aus und suchte seine Vorteile darin. Immer dann, wenn er die Möglichkeit sah, einem Menschen zu schaden, suchte er sich einen habgierigen oder ungerechten Menschen aus und zeigte ihm, wie er noch habgieriger oder ungerechter sein konnte und dadurch anderen Menschen noch mehr schaden konnte. Er zeigte ihnen, wie er einen in Not geratenen Bauern auch noch das letzte Stückchen Land wegnehmen konnte, so dass dieser, seine Frau und seine Kinder nun gänzlich verhungern mussten. Besonders habgierigen Menschen zeigte er Mittel und Wege, wie sie aus den armen Menschen noch mehr Steuern und Abgaben herauspressen konnten und diese dadurch jeglicher Lebensfreude berauben konnten. Vom ersten Schatten der Finsternis am Abend bis kurz vor dem ersten Morgengrau des Tages war er ständig unterwegs, um den bösen Menschen zu helfen und dadurch den anderen noch mehr zu schaden.

    Tasos Mutter und Namos Vater waren zwei völlig unterschiedliche Gestalten

    Denn hier lagen die wesentlichen Unterschiede der beiden Wesen: Die weise Fee konnte nur am Tage bei Sonnenlicht unterwegs sein. Würde sie die schwarze und lichtlose Nacht überraschen, so würde sie zu Staub zerfallen. Selbst Mond- und Sternenlicht konnten da nicht helfen. Der hinterlistige Zauberer der Nacht aber musste den Tag und das Sonnenlicht unbedingt meiden. Schon ein einziger Sonnenstrahl würde seine Macht brechen und auch ihn zu Staub zerfallen lassen. Beide leben also im gleichen Land, waren sich aber noch nie persönlich begegnet, wussten aber dennoch von einander Bescheid, da sie ja mit ihren Taten gegeneinander kämpften.

    Jeder von ihnen hatte, wie ich vorhin schon einmal erwähnte, ein Kind. Die weise Fee ein Mädchen, der hinterlistige Zauberer einen Jungen. Sie waren beide im gleichen Alter und lebten mit Vater und Mutter wohl behütet zusammen. Auch sie waren sich noch nie begegnet, ja sie wussten von einander nicht einmal etwas. Denn beide, Fee und Zauberer, vermieden es streng, dass sich die beiden begegnen konnten. Denn dann wäre es mit ihrer eigenen Macht vorbei gewesen. Sie brauchten die Kinder, um auch später weiter ihren Einfluss auf die Menschen haben zu können. Die Kinder waren noch jung, und die magischen Kräfte und Eigenschaften ihrer Eltern waren bei ihnen noch nicht voll ausgeprägt. Auch kannten sie noch nicht allzu viel von der Welt. Dass das eine nur des Tages draußen sein durfte, und noch nie den guten alten Mond oder die lieben Sterne gesehen hatte, und das andere nur des Nachts, und noch nie die helle und warme Sonne gesehen hatte, nahmen beide als ganz normal hin. Das Mädchen hieß Taso, weil sie immer nur am Tage, wenn die Sonne scheint, draußen sein konnte. Noch nie hatte sie den Mond, die Sterne oder die Tiere der Nacht gesehen. Der Junge hieß Namo, weil er immer nur des Nachts, wenn der Mond scheint, draußen sein konnte. Er hatte noch nie die helle Sonne oder eine wunderschöne Blume im Sonnenlicht gesehen. Beide kannten nichts anderes als das, was Mutter oder Vater ihnen gezeigt oder gesagt hatten. Und für sie war es ganz normal. Sie lebten ganz einfach so, wie es ihnen gesagt wurde und waren glücklich so, wie es eben war. Sie kümmerten sich auch nicht sonderlich um die Dinge, die Vater oder Mutter taten. Hatten sie Fragen, so fragten sie ihren Vater oder die Mutter und diese erklärten ihnen die Dinge so, wie sie es aus ihrer Sicht für richtig hielten. So wurde Taso also in dem Bewusstsein groß, dass nur der Tag und die Sonne gut sind, die Nacht aber vom Bösen beherrscht wurde und deshalb gemieden werden musste, und bei Namo war es genau umgekehrt. So lebten sie also seit vielen Jahren und wurden mit der Zeit größer und älter. Und mit der Zeit stellten sie sich auch immer öfter die Frage, warum es so war, wie Vater oder Mutter es ihnen immer wieder sagten. Eine für die beiden ausreichende oder gar erschöpfende Antwort gaben sie ihnen aber nicht. Es war eben so und damit hatte es sich. Zunächst nahmen es Taso und Namo auch so hin, aber im Laufe der Zeit gaben sie sich damit nicht mehr zufrieden und im Geheimen beschlossen sie, ihren Fragen selber auf den Grund gehen zu wollen.

    Obwohl Namo die Eigenschaften seines Vaters noch nicht hatte, so folgte er doch bisher immer seinen Anweisungen, das Tageslicht zu meiden. Er hatte die Menschen schon oft von der Sonne sprechen hören. Sie erzählten sich von wunderschönen Blumen und grünen Wiesen, von der warmen Luft, die im Sonnenschein flimmerte und von winzigen Staubkörnchen, die in der warmen und hellen Luft schwebten und zu spielen schienen. Ebenso erzählten sie sich von wunderschönen Sonnenauf- und -untergängen, in der die Luft besonders klar war. Sie sprachen von der hellen Wintersonne, die den Schnee wie Millionen Diamanten funkeln ließ und von wunderbaren Wolkengebilden, die am blauen Himmel zogen und manchmal wie Schäfchen aussahen.

    Aber gesehen hatte Namo all dies noch nie. Er konnte sich das alles gar nicht vorstellen und staunte immer wieder, wenn die Erwachsenen oder auch die Kinder sich am Abend, nach Sonnenuntergang, über die wunderbaren Dinge des Tages unterhielten. Wie gerne hätte er all die Wunder selbst einmal gesehen, aber sein Vater verbot ihm auch nur einen Schritt am Tage ins Freie zu tun. So konnte er sich die bunten Bilder des Tages nur in seiner Phantasie am Tage, wenn er oft tatenlos in seinem Bett lag, vorstellen. Am liebsten hätte er alle Verbote und Mahnungen seines Vaters in den Wind geschlagen und wäre in den hellen Sonnenschein gegangen, um alle diese Wunder einmal selbst sehen zu können. Doch er traute sich nicht entgegen den Weisungen seines Vaters zu handeln.

    Und ebenso erging es Taso. Ihre Mutter hatte es ihr streng verboten in die dunkle Nacht zu gehen. Mit offenem Mund lauschte sie den Erzählungen der Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, wenn sie sich am Tage bei einer Arbeitspause oder beim Spielen über die Nacht unterhielten. Sie sprachen vom glänzenden Mond, der des Nachts am Himmel stand und sein silbernes Licht über die Erde ergoss, so dass viele Dinge sehr geheimnisvoll erschienen. Die alte Weide am kleinen Fluss, der eine grüne Wiese durchschnitt, sollte demnach wie ein alter Mann mit einem Korb auf dem Rücken aussehen. Die bunten Blumen sollten ihre Blüten geschlossen haben und so aussehen, als ob sie schliefen. Und selbst die Fische im klaren Bach sollten wie Silberfäden schimmern. Sie erzählten sich auch von den vielen Sternen, die nachts am dunklen Himmel zu sehen sind. Wie sie funkeln, glänzen und schimmern! Manche erscheinen sogar wie richtige Bilder, wie ein Wagen, ein Bär oder gar wie eine Schlange. Und in einer klaren und kalten Winternacht soll es ganz besonders schön sein. Dann nämlich glänzt der Schnee im hellen Mondschein besonders schön, und wenn es sehr kalt ist, knirscht er bei jedem Schritt. Sogar fliegende Sterne mit einem Feuerschweif soll es schon gegeben haben.

    Das alles hätte Taso so sehr gerne selber mal gesehen. Sie konnte es sich nicht vorstellen. Ihre Mutter sprach nie über diese Dinge. Fragen der Tochter wich sie immer aus. Und so träumte Taso nachts oft von der schönen Nacht, vom Mond und den funkelnden Sternen. Auch sie traute sich nicht, entgegen den Verboten der Mutter zu handeln. So viel sie auch bitten und betteln mochte, die Mutter verbot ihr streng den Aufenthalt in der Nacht im Freien. Und so blieben ihr nur ihre Traumbilder- und Vorstellungen.

    So verging die Zeit.

    3

    Aber hallo, wer ist denn da? Wer liegt denn da im grünen Gras und hat die Augen fest geschlossen? Ist das nicht das Kind, dem ich schon einmal begegnet bin? Ja, ich bin ihm schon einmal begegnet! Hier in dieser Gegend, aber in einer anderen Zeit. Jetzt sind wir ja in einer Zeit, die schon sehr lange her ist. In einer Zeit, da das Wünschen oftmals noch geholfen hat. Da liegt das Kind und schläft. Oder tut es nur so? Hat es die Augen zwar fest geschlossen, schläft aber trotzdem nicht? Es sieht ganz so aus! Ja, genau, es ist das Kind, welchem ich meine Geschichte erzählen wollte! Es hat tatsächlich meinen Rat befolgt und sich hier auf die Wiese gelegt, die Augen fest geschlossen und sich in die vergangene Zeit gewünscht.

    In die vergangene und ferne Zeit, als das Wünschen oftmals noch geholfen hat. Also ist das mit dem Wünschen doch so eine Sache und die Zeit, in der es oftmals noch geholfen hat, ist noch gar nicht so lange her. Denn wenn das Kind es sich gewünscht hat in diese Zeit zu kommen, so hilft das Wünschen ja auch heute noch. Man muss wahrscheinlich wirklich nur ganz fest daran glauben. Und, wie ich sehe, hilft es heute noch genau so wie damals.

    Also, mein liebes Kind, du hast es wirklich geschafft. Du hast dir gewünscht, in meiner Geschichte zu erscheinen, und bist nun tatsächlich in meiner Geschichte durch dein Wünschen gelandet. Du glaubst also doch an die Wunder und wunderbaren Dinge dieser schönen Welt. Das ist schön, und ich wünschte mir, dass das noch viel mehr Menschen tun würden. Dann nämlich wäre unsere Welt noch schöner, und die Menschen würden friedlicher und liebenswürdiger miteinander umgehen.

    Nun wird es aber Zeit, dass du die Augen öffnest und dich in dieser für dich völlig neuen und ungewohnten Zeit umsiehst.

    „Hallo, Annika! Du kannst deine Augen aufmachen. Dein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, und du bist in der Zeit, in der meine Geschichte, die ich dir erzählen wollte, spielt. Mach die Augen auf und sieh dich in der für dich neuen und unbekannten Zeit um. Ich werde dir helfen, dass du dich zurechtfindest. Hier gibt es für dich Dinge zu sehen und zu entdecken, die du noch nie gesehen hast. Schöne, aber auch weniger schöne Dinge. Das alles wollen wir uns gemeinsam ansehen, und ich werde dir alles für dich Unverständliche erklären. Vor allem aber wirst du ein Abenteuer bestehen müssen, welches vielleicht nicht ganz ungefährlich ist: Du wirst mit Namo und Taso, die du ja aus meinen Erzählungen schon kennst, zusammentreffen und mit ihnen gemeinsam ihre Abenteuer erleben. Aber keine Angst, kleine Annika, ich werde immer bei dir sein und versuchen, dir zu helfen, wenn du mal nicht weiterweißt. Öffne nun also deine Augen und sieh dich in der Zeit und der Welt um. Frage nach dir unbekannten Dingen, und du wirst begreifen und verstehen."

    „Wo bin ich?" Annika öffnete ihre Augen und sah sich um. Sie hatte schon viel über die vergangenen Zeiten gelesen und in der Schule gelernt. Immer schon hatte sie sich gewünscht, einmal in einer längst vergangenen Zeit zu sein und die Menschen, die damals lebten, kennen zu lernen. Als sie sich heute auf die grüne Wiese legte, hatte sie es sich diesmal ganz fest gewünscht und auch daran geglaubt. Und es hatte geklappt. Sie war tatsächlich in einer längst vergangenen Zeit. Traum, Wunsch und Wirklichkeit hatten sich miteinander vermischt, und sie war plötzlich in einer Zeit, in der alles Wirklichkeit war, aber auch die alten Sagen und Märchen noch wirklich sein konnten. Es war alles so seltsam und doch wunderbar.

    „Wo bin ich? fragte sie noch einmal und betrachtete alles ganz genau. „Ich kenne dich doch. Du bist doch der Geschichtenerzähler. Ich habe schon so manches von dir gelesen. In einer Geschichte kam auch ein Munk vor. Gibt es den wirklich auch hier?

    „Du bist genau dort, wo du dir gewünscht hast zu sein. Hier gibt es alles Mögliche. Alles, was du dir wünschst und vorstellst, gibt es hier. Aber nicht nur hier. Auch in der Welt, in der du sonst lebst. Du musst eben nur daran glauben und es dir wünschen. Dann kannst du immer und überall Wunder erleben. Als Kind und auch als Erwachsener. Du bist ein wunderbares Kind und ganz sicher auch gut und lieb, antwortete der Geschichtenerzähler und half ihr beim Aufstehen. Sie war, wohl durch die schnelle Traumreise, noch etwas wackelig auf den Beinen, und so musste er sie etwas stützen. „Alles ist so, wie du es dir gewünscht hast. Durch deinen starken Glauben an all die Wunder deines Lebens ist es so gekommen: Du bist in einer längst vergangenen Zeit. In einer Zeit, wo noch die Träume und Wünsche der Menschen in Erfüllung gehen können. Du wirst dies alles selbst erleben. Was aber das Wichtigste ist: Vergiss all diese Dinge nie. Selbst wenn du einmal alt geworden bist, sollst du dich an alles erinnern und immer den Glauben an das Gute und die Erinnerung an das Erlebte in dir bewahren. Dann wirst du glücklich sein können und auch andere Menschen glücklich machen. Das, was du als Kind geglaubt und gefühlt hast, das vergiss nie, Annika. Nun lass uns aber aufbrechen. Uns erwartet viel Neues, Interessantes und Wissenswertes.

    Das Mädchen stand nun wieder sicher auf ihren Beinen. und sie machten sich auf in die Traumwunderwirklichkeitswelt. Die Abenteuer erwarteten sie.

    4

    Es war schon seltsam für Annika: Sie hatte sich von ihrem Zuhause nicht so sehr weit fortbewegt, es war alles so, wie es sein musste. Die Häuser standen an ihren bekannten Plätzen, Bäume und Wiesen waren auch dort, wo sie vorher waren, und auch die Straßen und Wege waren da, wo sie immer waren. Und doch war alles anders. Denn wo immer sie auch hinsah, war mit einem Mal alles verändert. Eigentlich doch nicht, aber alles, was sie als modern kannte, war verschwunden. Es gab plötzlich keine Antennen mehr auf den Hausdächern, die Straßen waren nicht mehr asphaltiert, und die Landschaft sah verändert aus. Alles wurde beim Hinsehen irgendwie anders. Sie machte sich mit ihrem Geschichtenerzähler auf den Weg.

    So kamen die beiden nach kurzer Zeit an die Straße. Diese hatte aber nicht mehr eine schöne glatte Asphaltdecke, sondern war mit Feldsteinen gepflastert. Streckenweise war sie sogar unbefestigt. Schwere und hoch beladene Wagen, die von zwei oder manchmal auch vier Pferden gezogen wurden, rollten langsam auf ihr dahin. Einige waren mit Feldfrüchten wie Rüben oder Kartoffeln beladen, auf anderen war Heu oder Stroh hoch aufgeschichtet. Wieder andere Wagen waren mit Planen verdeckt, und Annika konnte nicht sehen, was sie geladen hatten. Die Kutscher waren seltsam gekleidet. Eigentlich gar nicht seltsam: die Bekleidung der Fuhrleute in ihren langen Jacken, Hosen, Stiefeln und Mützen war für das Mädchen nur ein ungewohnter Anblick. Aber daran hatte sie sich schnell gewöhnt. Und noch etwas Besonderes fiel dem Mädchen auf: einige der Fuhrwerke rollten einsam dahin, andere wiederum wurden von schwer bewaffneten Reitern begleitet. Sie fragte ihren Begleiter, was das zu bedeuten hätte.

    „Ja siehst du", antwortete dieser. „Das ist einer der Unterschiede zwischen arm und reich. Genau so, wie es in unserer Zeit noch ist. Die reichen Kaufleute und Händler können sich einen

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