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Hi-Männ von der S-Bahn: Ein Märchen aus Berlin
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Ebook101 pages1 hour

Hi-Männ von der S-Bahn: Ein Märchen aus Berlin

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LanguageDeutsch
Release dateAug 3, 2011
ISBN9783842393295
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    Hi-Männ von der S-Bahn - Monika Hover

    fragen.

    Das Geburtstagsgeschenk

    Es war an einem Samstag im Sommer in der großen Stadt Berlin. In dieser Stadt gibt es so viele Häuser, dass du ein Jahr brauchst, um sie zu zählen. In diesen Häusern wohnen Menschen und alle sind verschieden. Nun wirst du sagen: Das ist doch klar, kein Mensch ist wie der andere. Stimmt. Aber in Berlin sind sie besonders verschieden. Hier wohnen Türken und Inder, Berliner, Punker, Polen, Schwaben und Polizisten alle zusammen in einer Straße. Oft gibt es Streit. Sie beschimpfen sich, und manchmal bekämpfen sie sich sogar. Aber es gibt auch Momente, da verstehen sie sich alle, denn alle haben sie den gleichen Traum: Das Leben sollte wie ein großes Fest sein, das nie zu Ende geht.

    In dieser Stadt, in einem der vielen Häuser, wohnte ein kleiner Junge, der Fritz hieß. Er war sechs Jahre alt und ging in die erste Klasse. An dem Samstag, an dem unsere Geschichte beginnt, hatte er schulfrei.

    Fritz war aufgestanden und zu seinen Eltern ins Bett gekrabbelt, um ein wenig zu kuscheln. Er wollte gerade die Augen schließen und einschlafen, da fiel es ihm wieder ein: Sie wollten sich ja treffen bei Moritz und Eva Samstag um zwei, und er hatte noch nichts eingepackt. Vorsichtig stieg er aus dem Bett, um seine Eltern nicht aufzuwecken, denn bei dem, was er jetzt vorhatte, konnte er sie auf keinen Fall gebrauchen. Leider war er nicht vorsichtig genug. Er rutschte an der Bettkante ab und landete mit einem lauten Plumps auf dem Fußboden.

    Mist! murmelte er leise und versuchte sich unbemerkt davonzuschleichen, aber seine Mutter hatte ihn gehört. Sie öffnete die Augen und blinzelte ihn an. Was machst du denn da unten? fragte sie schläfrig. Ich bin aufgestanden, sagte Fritz verlegen, aber schlaf ruhig weiter. Ich gehe in mein Zimmer malen.

    Seine Mutter lächelte dankbar und machte ihre Augen wieder zu. Der Vater gab ein paar Grunztöne von sich, ohne wirklich aufzuwachen.

    Gott sei Dank, dachte Fritz, die schlafen erst mal. Leise ging er in sein Zimmer und zog die Rollos hoch. Draußen regnete es.

    Regen ist gut, dachte er, genau richtig für unser Treffen. Während er sich anzog, überlegte er, was er alles brauchte: auf jeden Fall eine Plastiktüte und Papier zum Einwickeln. Er ging in die Küche und öffnete die Tür zur Speisekammer. Sie quietschte wie immer. Fritz fuhr erschrocken zusammen. Wegen der quietschenden Tür war es ihm noch nie gelungen, die Speisekammer unbemerkt zu betreten. Er lauschte angestrengt, aber an diesem Morgen blieb alles ruhig. Schnell nahm er eine Plastiktüte vom Regal und flitzte hinaus. Die Speisekammertür ließ er vorsichtshalber offen. Auf Zehenspitzen schlich er über den Flur ins Zimmer seiner Mutter. Hier zog er aus dem großen Zeitungsstoß, der vor dem Sofa lag, eine Zeitung hervor und klemmte sie unter den Arm. Das wäre geschafft, und jetzt konnte es losgehen.

    Er hatte die Sachen gut versteckt, unter seinen Regalen, ganz hinten, verteilt auf mehrere Pappkartons. Er musste sich bücken und einen langen Arm machen, um an sie heranzukommen. Endlich hatte er es geschafft. Er zog einen alten Schuhkarton hervor und öffnete ihn vorsichtig. Es lagen zwei gelbe Kassetten darin ohne Schutzhülle und in einem ziemlich ramponierten Zustand. Die eine hatte er auf der Straße gefunden vor dem Haus vom Malermeister Geschke und die andere gegen eine Tigermuschel getauscht. Er nahm die Kassetten heraus und legte sie auf die Zeitung. ‘Der Verräter’ und ‘Die Höhle des Grauens’ stand darauf.

    Die werden Augen machen, wenn sie das hören, dachte er, vor allem ‘Die Höhle des Grauens’, die war einfach super. Er stellte sich vor, wie Moritz und Eva, die ältesten in der Gruppe, ihm auf die Schulter klopfen würden, und in Gedanken hörte er sie sagen: Das sind die besten Kassetten, die wir gehört haben. Fritz lächelte glücklich, dann bückte er sich, um den zweiten und dritten Karton hervorzuholen.

    Zuerst öffnete er den großen, flachen, der aussah wie eine Tortenschachtel. Er holte ein Heft und eine Packung Bilder hervor. Es waren die fehlenden Bilder zu der Geschichte ‘Die Invasion der Monster’. Er begann sie einzukleben, Nummer 124, 129, 147. Zum Schluss klebte er den fehlenden Teil des Viererbildes 139 ein. Ein tolles Bild. Er versuchte die Schrift an der Seite zu lesen, was ihm sehr schwer fiel. Er ka ka kann das Mon Mons Monster nicht mehr … Er gab es auf, Lesen war zu schwer, das sollten ihm Moritz oder Eva vorlesen, die waren in der fünften und vierten Klasse und mussten es können. Fritz konnte sich sowieso nicht vorstellen, jemals richtige Bücher zu lesen. Das liegt nur an der Übung, sagte seine Mutter immer, wer sich nur Comics ansieht, der lernt es nie. Fritz bezweifelte das.

    Er legte das Heft zu den Kassetten auf die Zeitung. Jetzt stellte er den dritten Karton vor sich hin. Er war mit einer Schnur umwickelt und sah sehr geheimnisvoll aus. Er versuchte den Knoten zu lösen, aber seine Hände waren zu ungeschickt, deshalb holte er aus seiner Krimskramskiste ein kleines, rotes Taschenmesser hervor. Das hatten ihm seine Eltern aus dem Urlaub mitgebracht. Es sah ganz unscheinbar aus, aber es hatte sechs verschiedene Teile. Er klappte die kleine Schere auf und durchschnitt die Schnur, dann öffnete er den Deckel. Da lag er mit seinem Brustpanzer und den wunderbaren Muskeln, Hi-Männ, der Held des Universums. Sein Lendenschurz saß wie angegossen. Fellunterhose, sagte seine Mutter dazu. So ein Quatsch, dachte Fritz und streichelte Hi-Männs lange blonde Haare, wie kann man dazu Fellunterhose sagen, die hat ja keine Ahnung.

    Sein Hi-Männ war der neueste von allen. Er hatte ihn von seiner Oma zum Geburtstag bekommen, weswegen es in der Familie einen gewaltigen Krach gegeben hatte, denn seine Eltern hassten Hi-Männ, sie hassten Muskeln, sie hassten Monster und sie hassten Kämpfe. Seine Oma wusste das nicht, und Fritz hatte es ihr natürlich nicht gesagt. Als die Eltern wegen des Geschenks zu meckern anfingen, war die Oma plötzlich wütend geworden und hatte den Vater angebrüllt, er solle sich nicht so anstellen, sein Tarzan früher wäre auch nicht besser gewesen. Der Vater war einen Moment ganz nachdenklich geworden, aber dann hat er wieder angefangen zu schimpfen, worauf die Oma ihren Mantel nahm, aus der Wohnung rauschte und sich drei Wochen nicht blicken ließ.

    Aber jetzt war sowieso Schluss mit dem ewigen Gezanke um Hi-Männ und die Giganten des Universums. Die Kinder hatten beschlossen, in Gegenwart der Eltern nicht mehr mit ihren Figuren zu spielen, keine Kassetten zu hören und keine Hefte zu lesen.

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