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Unwirkliche Bewohner
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eBook284 Seiten4 Stunden

Unwirkliche Bewohner

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Über dieses E-Book

Paulo Scott erzählt die Geschichte einer unmöglichen Liebe zwischen den Kulturen, die dennoch bleibende Spuren hinterlässt - und er beschwört das Erbe der indianischen Ahnen, der unwirklichen Bewohner Brasiliens:
Als der Jurastudent Paulo in seinem VW- Käfer die 14- jährige Autostopperin Maína mitnimmt, verändert sich das Leben der beiden. Das Mädchen aus dem Indianercamp an der Ausfallstraße von Porto Alegre und der politisch engagierte Sohn aus gutem Hause kommen sich schnell näher - und doch nie wirklich nahe; zu unterschiedlich sind die beiden Welten, die hier aufeinanderprallen.

Erst Donato, ihrem gemeinsamen Kind, gelingt es, das Unvereinbare zusammenzubringen. Alleingelassen von Vater und Mutter, wächst er zu einem jungen Mann heran, der unwissentlich in die Fußstapfen seiner Eltern tritt: Die Stimme seiner Mutter im Ohr - auf einer Tonbandkassette mit Guaraní-Legenden -, entlarvt Donato die Selbstzufriedenheit einer ganzen Gesellschaft.

Paulo Scotts Roman hat in Brasilien viel Aufmerksamkeit erhalten. Seine Figuren stehen sinnbildlich für die brasilianische Geschichte der vergangenen 25 Jahre, und gehen mit der portugiesisch-indianischen Begegnung von Paulo und Maína an die Ursprünge der brasilianischen Literatur zurück.

Ein beeindruckender, dichter Roman, der den Preis der Brasilianischen Nationalbibliothek für den besten Roman 2012 erhielt und hervorragend ins Deutsche übertragen wurde von der Saramago Übersetzerin Marianne Gareis.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum13. Aug. 2013
ISBN9783803141408
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    Buchvorschau

    Unwirkliche Bewohner - Paulo Scott

    soll

    von allem, was passiert, bleibt immer etwas

    übrig, das noch einmal passiert

    neunzehnhundertneunundachtzig*

    * Müsste Paulo ein Resümee ziehen über seine Zeit als politischer Aktivist, würde er sagen, dass sie den Übergang von einer absoluten Idealisierung zu einem unvergleichlichen Zynismus darstellt und schließlich in den letzten Monaten zur Flucht in die Melancholie geführt hat. Eigentlich sollte es anders sein, schließlich hat die PT, die brasilianische Arbeiterpartei, gerade die Kommunalwahlen in Porto Alegre gewonnen, und er ist zu einer der wichtigsten Figuren der nationalen Studentenbewegung geworden, eine Position, die es ihm in drei Jahren ermöglichen wird, sich um einen Posten beim Stadtparlament zu bewerben, er, der gerade mal einundzwanzig ist, der Ende des Jahres seinen Abschluss in Rechtswissenschaften an der Bundesuniversität von Rio Grande do Sul machen wird und dem im Laufe des vergangenen Jahres eines klar geworden ist: Trotz seines ganzen Potentials wird er doch immer nur ein kleines Licht bleiben, ein Bauer unter den anderen Schachfiguren, ihm fehlt einfach der Ehrgeiz, sich auf Augenhöhe mit den fragwürdigen Vorgehensweisen der zweiten politischen Garde auseinanderzusetzen, dieser Bande von Halunken, die er bereits vor seinem Parteieintritt im Jahr neunzehnhundertvierundachtzig gehasst hat. Wenn er jetzt schon solche Schwierigkeiten hat, sich ganz und gar auf die Politik einzulassen, darin Karriere zu machen und für diese Karriere zu kämpfen, kann am Ende nur körperliche Abhängigkeit dabei herauskommen, ein Preis, der ihm jetzt schon zu hoch erscheint; und er weiß, wenn er sich nicht durchsetzt, sondern den schier unvermeidlichen Aufstieg der Partei einfach so mitmacht, besteht die Gefahr, dass er irgendwann beschämt einem dieser verhassten Halunken in den Arsch kriechen muss, um eine Stelle im Verwaltungsapparat zu ergattern und sein finanzielles Überleben zu sichern. Ähnlich wie diese Hunderte von Genossen, die sich gerade in den Kampf um die Posten gestürzt haben, die in Sekretariaten, im Büro des Bürgermeisters, des stellvertretenden Bürgermeisters, den Stiftungen, den staatlichen und halbstaatlichen Betrieben ausgeschrieben wurden; Leute, die sich vor Kurzem noch, und insbesondere nach ein paar Bierchen, auf die Brust geklopft und behauptet haben, sie würden einzig und allein deswegen mitmachen, um Brasilien vor der Ausbeutung durch das Kapital zu retten. In gewisser Weise kann er sie verstehen: Er selbst fordert sich zu viel ab und schafft es nicht, die sich nun endlich bietende Chance gelassen zu ergreifen, eine Chance, auf die er in den letzten vier Jahren all seine körperliche, geistige und emotionale Energie gerichtet hat. Doch wie dem auch sei, er hat sich von Anfang an, seit er neunzehnhundertdreiundachtzig an seiner ersten Parteiversammlung in Glória teilgenommen hat, geschworen, niemals zuzulassen, dass sein Mangel an theoretischem Wissen und seine komplette Naivität in Bezug auf Politik sich je in Mittelmäßigkeit verwandeln. Inzwischen betrachtet er die meisten der politischen Anführer nur noch als Verbündete einer machiavellistischen, ränkeschmiedenden Schmarotzer-Clique, deren einziger Plan darin besteht, an die Macht zu gelangen und schnellstmöglich zu Geld zu kommen. Er hat die Fähigkeit verloren, diese Widersprüche hinzunehmen. Sein Glaube ist weg. Deshalb kann er sich auch nicht mehr auf das konzentrieren, was getan werden muss, und hat die aus diesem Glauben resultierende Ruhe verloren. Geblieben ist ein Unbehagen. Vor knapp einem Monat hat Dr. Geraldo, Hausarzt seiner Familie seit drei Generationen, ihm bei einer Untersuchung gesagt: »Paulo, du lässt diese ganze Spannung zu sehr an dich ran, sie schlägt dir regelrecht auf den Magen. Es ist nicht normal, dass ein junger Kerl wie du eine chronische Gastritis in so fortgeschrittenem Stadium hat.« Der Arzt hat in seinem schleppenden südbrasilianischen Tonfall gesprochen und Paulo lange angeblickt, bis dieser sagte, Ich weiß, Herr Doktor, ich werde versuchen, besser auf mich aufzupassen. Er verließ die Praxis mit einem Rezept für einen noch stärkeren Säureblocker als das Cimetidin, das er bereits nahm, und dem absoluten, mindestens vierzehntägigen Verbot, Alkohol oder gewürzte Speisen zu sich zu nehmen. Paulo fühlt sich unwohl. Und obwohl e