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Schlank durch OP: Chancen und Risiken der Übergewichtschirurgie
Schlank durch OP: Chancen und Risiken der Übergewichtschirurgie
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Schlank durch OP: Chancen und Risiken der Übergewichtschirurgie

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About this ebook

Anfangs belächelt und nur von wenigen Chirurgen in Deutschland praktiziert, hat sich die Adipositaschirurgie heute etabliert. Stetig verbesserte Operationsmethoden trugen dazu bei, dass sich immer mehr Menschen mit dem Gedanken beschäftigen, ihr Gewicht operativ in den Griff zu bekommen. Aber für wen kommt solch ein Eingriff überhaupt in Frage? Was für unterschiedliche Verfahren gibt es? Welche Chancen und Risiken sind mit einer Operation verbunden? Diese und viele weitere Fragen werden in der 2. aktualisierten Ausgabe des Ratgebers umfassend beantwortet. So liefern anerkannte Spezialisten aus den Bereichen Adipositastherapie und metabolische Chirurgie interessante Fachbeiträge sowie Interviews. Und auch Rechtsanwälte und Versicherungsexperten gehen ausführlich auf Kostenübernahme und Antragsstellung ein. Auf über 220 Seiten erhalten Sie wertvolle Informationen, die Ihnen helfen, den für Sie richtigen Weg einzuschlagen: den Weg in ein neues, leichteres Leben!

Um Sie auf der Suche nach einer geeigneten Klinik in Ihrer Umgebung zu unterstützen, beinhaltet der Ratgeber einen Link zu einer kostenlosen PDF-Datei mit bundesweiten Top-Adressen, die in Wort und Bild Vorstellung finden.
LanguageDeutsch
Release dateJul 3, 2015
ISBN9783939990093
Schlank durch OP: Chancen und Risiken der Übergewichtschirurgie

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    Book preview

    Schlank durch OP - Faris Abu-Naaj

    »viszeral«.

    Einführung

    Prolog

    Grußwort

    Über dieses Buch

    Meine eigene Story

    Kompetenz im Team

    Prolog

    »Der Dicke« blickte in den Spiegel und musterte sich gründlich. In der Vergangenheit hatte er diese Situation häufig gemieden und betrachtete – wenn überhaupt – nur dann sein Spiegelbild, wenn er bekleidet war und vor einer Verabredung noch einmal prüfen wollte, ob das gewählte Outfit auch wirklich alle Problemstellen kaschierte, die ihm zu schaffen machten. Aber seit Jahren hatte er immer weniger private und berufliche Verabredungen. Auch das Kaschieren gelang ihm schon seit vielen Jahren nicht mehr. Wie auch? Schließlich wurde aus seinen anfangs »ein paar Kilogramm mehr auf der Waage« eine lebensbedrohende Krankheit, eine Krankheit, der Mediziner den treffenden Namen »Fettsucht« geben – oder »Adipositas«, wenn es nicht ganz so schlimm klingen sollte. Allgemein war er immer wieder davon fasziniert, mit welchen Wortschöpfungen die Mediziner ihn nicht zu kränken versuchten. So wurde aus »fett korpulent«, aus »träge bewegungsarm« und aus »maßlosen Fressattacken« eine »zu reichhaltige Ernährungsweise«. Wie sie es auch beschrieben, von Jahr zu Jahr spürte er die Konsequenzen seines Fehlverhaltens deutlicher. Es fiel ihm immer schwerer, seinen massigen Körper zur Bewegung zu motivieren. Dem Argument seiner Eltern und der wenigen noch zu ihm haltenden Freunde: »Unternehme endlich etwas!«, begegnete er mit einer Mischung aus Ignoranz und Fatalismus. Wenn jemand zu hartnäckig Kritik übte, wurde er gemieden. So gelang es ihm, sein Umfeld zu konditionieren, und er schaffte sich eine Welt, die ihn – zumindest solange er sich innerhalb ihrer »Mauern« bewegte – vor starker Kritik und unbequemen Fragen bewahrte. Draußen in der realen Welt schaffte er dies nicht. Denn er spürte sowohl die abschätzigen Blicke als auch die teils fassungslosen Gesichtszüge der Passanten, die ihn meist erst dann musterten, wenn sie glaubten, er würde es nicht bemerken. Aber wie gesagt, wenn er es selbst nicht sah, so spürte er es. Noch schlimmer war, dass jeder dieser Blicke, jedes Getuschel und jedes Gelächter ihm einen Stich ins Herz versetzte. Also ging er diesen Situationen immer öfter aus dem Weg und verkroch sich in seinem Büro oder zu Hause. Früher war er im Schwimmverein und spielte regelmäßig Tennis. Als er damit aufhörte, weil der Stress in der Schule immer größer wurde, legte er an Gewicht zu. Anfangs setzte er sich immer neue Grenzen, die er nicht überschreiten wollte: »Nicht über 80 Kilo!«, »Nicht über 90 Kilo!«, »Bei 100 Kilogramm ist Schluss!« Leider war aber nie Schluss. Hatte er anfangs mit Diäten und einer sechswöchigen Kur kurzfristig Erfolge erzielen können, so gelang ihm dies schon lange nicht mehr. Vielmehr hatten diese Maßnahmen eher dazu beigetragen, dass er sich nach ersten Erfolgserlebnissen immer noch schlechter fühlte, wenn er erkannte, dass seine »Diätkarriere« immer gleich verlief: Motivation – Aktion – Stagnation – Depression. Er hatte diesen Kampf aufgegeben und war dabei zu ertrinken. Seine Eltern erkannten dies anscheinend auch. Denn anders war es nicht zu erklären, dass sie in der vergangenen Woche gemeinsam mit ihm bei einem Professor saßen, der mit einer Operation sein Leben retten wollte. Anfangs kam er sich vor wie ein Vieh, das seinem Schlachter begegnete. Er hatte bereits von diesen Methoden gehört, jedoch verhielten sich einerseits die Medien diesen Maßnahmen gegenüber sehr zurückhaltend, andererseits wurden sie auch von der Gesellschaft eher als Schönheitsoperationen abgetan. »Wenn du zu dick bist, musst du einfach weniger essen!«, hatte er schon oft gehört und daraus geschlossen, dass derjenige, der es sagte, dieses permanente Hungergefühl, diese Heißhungerattacken – gerade dann, wenn es ihm besonders schlecht ging – nicht kannte und wohl auch nie kennenlernen würde. Natürlich waren seine wenigen verbliebenen Freunde skeptisch und führten eine Vielzahl von Gründen an, warum sie sich selbst niemals für einen solchen Eingriff entscheiden würden. Aber um sie ging es hier auch nicht, sondern einzig und allein um ihn und um sein besseres Leben. Er war 30 Jahre alt, wog mittlerweile 208 Kilogramm, bekam schlecht Luft und schwitzte bei jeder körperlichen Aktivität. Sein Selbstwertgefühl war auf dem Nullpunkt, und jetzt würde er verdammt noch einmal handeln. Dazu war er mehr denn je entschlossen, als er sich jetzt so im Spiegel betrachtete und ihm ein Klopfen an der Badezimmertür signalisierte, dass er sich für seine Operation zurechtmachen solle.

    Grußwort

    Liebe Leser,

    Wohlstand und Industrialisierung haben die Lebens- und Essgewohnheiten grundlegend verändert. Als unerwünschte Begleiterscheinung hat sich die Fettsucht, auch Adipositas genannt, epidemisch ausgebreitet. Wendet man die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an, gelten weltweit eine halbe Milliarde Menschen als massiv übergewichtig. So zeigen Erhebungen in Mitteleuropa, dass jeder Vierte an Adipositas erkrankt ist. Adipositas zählt in Industrienationen zu den wichtigsten Ursachen von Invalidität und vorzeitigem Tod. Betroffene Menschen kämpfen nicht nur mit den gesundheitlichen Folgen ihres extremen Übergewichtes, sondern auch mit der daraus resultierenden gesellschaftlichen Ablehnung. In den Kommentaren, die die gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Kosten der Adipositas behandeln, finden sich häufig abschätzige Bemerkungen, wie »Friss die Hälfte!« oder »Geh zu Fuß!«. Aber auch in der Ärzteschaft fehlte lange Zeit das Interesse, das dieses bedeutende Gesundheitsproblem verdient. Die American Medical Association (AMA), die größte ärztliche Standesvertretung der USA, erkennt die Adipositas erst seit 2013 als Krankheit an. Angesichts der weltweit circa 2,6 Millionen Todesfälle pro Jahr, die auf das Konto der Fettleibigkeit gehen, erstaunt es sehr, dass der Adipositas so lange kein Krankheitswert beigemessen worden ist.

    An Ratschlägen, wie dem Übergewicht beizukommen sei, fehlt es nicht. Von A wie »Atkins-Diät« bis Z wie »Zero Size-Konzept« gibt es eine Unzahl von Abmagerungskuren, die einen nachhaltigen Gewichtsverlust versprechen. Während einige Diäten die Kalorienzufuhr gleichmäßig begrenzen, setzen andere auf die Reduktion oder gar den Verzicht einzelner Nährstoffgruppen. Je nach Diät heißt es dann: »Keine Kohlenhydrate!«, »Kein Fett!« oder aber »Viel Eiweiß!«. Andere Programme setzen vor allem beim Lifestyle an und animieren zu mehr sportlicher Aktivität und Bewegung im Alltag. Natürlich ist auch die Pharmaindustrie daran interessiert, der Adipositas als großes volkswirtschaftliches Problem medikamentös beizukommen. Dabei werden pharmakologisch ganz unterschiedliche Strategien verfolgt. Einige medikamentöse Wirkstoffe setzen im Magen-Darm-Trakt an, indem sie die Spaltung von Fetten durch Enzyme der Bauchspeicheldrüse hemmen und damit deren Aufnahme im Dünndarm verhindern. Andere hingegen beeinflussen die Signalübermittlung von Nervenzellen, die im Gehirn das Gefühl von Sättigung vermitteln sollen.

    Trotz kurzfristiger Erfolge bei vielen dieser herkömmlichen Therapien sind die langfristigen Ergebnisse bisher enttäuschend. So konnte keine dieser konservativen Therapien einen anhaltenden Gewichtsverlust nachweisen. Ganz anders sehen die Langzeitergebnisse von chirurgischen Maßnahmen aus. In Langzeitstudien mit großen Patientenzahlen ließ sich feststellen, dass sich die Übergewichtschirurgie günstig auf die Lebensqualität und -erwartung schwer übergewichtiger Patienten auswirkt.

    Interessanterweise führen chirurgische Eingriffe, wie der Magenbypass oder der Schlauchmagen, nicht nur zu einem deutlichen und nachhaltigen Gewichtsverlust, sondern korrigieren häufig auch Begleiterkrankungen, wie Bluthochdruck oder -zuckerkrankheit. Da Magenbypass-Operationen, neben einer Gewichtsreduktion, zu einer tiefgreifenden Veränderung und Erholung des Stoffwechsels führen, spricht man heute zunehmend von metabolischer und nicht mehr von bariatrischer Chirurgie.

    Obwohl der Magenbypass in verschiedenen Variationen bereits seit beinahe 50 Jahren erfolgreich zur Gewichtsreduktion angewendet wird, beginnen Forscher und Ärzte erst jetzt zu verstehen, welche Wirkungsmechanismen für den nachhaltigen Erfolg verantwortlich sind.

    In der Annahme, dass allein die Verkleinerung des Magenvolumens (Restriktion) und die Verkürzung der Verdauungsstrecke im Dünndarm (Malabsorption) den Gewichtsverlust nach einem Magenbypass bewirken, wurden weitere operative Methoden entwickelt, die sich in restriktive oder malabsorptive Verfahren unterteilen lassen.

    Die Grundlagenforschung in der metabolischen Chirurgie konnte jedoch nachweisen, dass den rein mechanistischen Konzepten von Restriktion und Malabsorption allenfalls eine untergeordnete Bedeutung für den Langzeiterfolg zukommt. Viel wichtiger scheint heute die tiefgreifende Veränderung des gastrointestinalen Hormonhaushaltes, der Hunger, Sättigung und Geschmack reguliert und damit das Essverhalten der Patienten bestimmt. Wie vielschichtig die Wirkungsmechanismen sind, zeigen die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre. Diese zeigen, dass auch eine veränderte Darmflora und ein veränderter Gallenstoffwechsel zur Erholung des Stoffwechsels nach Übergewichtschirurgie beitragen.

    Neben dem unmittelbaren therapeutischen Nutzen für die übergewichtigen Patienten brachte die metabolische Chirurgie auch neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel von Darm, Fettgewebe und Gehirn bei der Steuerung von Hunger und Sättigung mit sich. Das bessere Verständnis dieser grundsätzlichen Mechanismen könnte zu Therapien führen, welche die Chirurgie eines Tages ergänzen oder gar ersetzen werden. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.

    Metabolische Operationen als Lifestyle-Operationen zu disqualifizieren, ist keinesfalls angebracht, denn viel wichtiger, als die angestrebte Gewichtsreduktion, ist die tiefgreifende Erholung des Stoffwechsels, welche die Lebensqualität, -erwartung und das Selbstwertgefühl der Patienten verbessert.

    Dr. med. Marco Bueter

    Dr. med. Thomas Bächler

    UniversitätsSpital Zürich, März 2014

    Über dieses Buch

    Übergewicht hat viele Gesichter. Mal zeigt es sich dezent, wenn die Hose etwas spannt oder sich im Kleid ein kleiner Bauch abzeichnet und es deshalb in die hinterste Ecke des Kleiderschrankes verbannt wird; ein anderes Mal deutlicher, wenn man sich immer schlechter bewegen kann oder der Aufstieg in das dritte Stockwerk einem »Sportprogramm« gleichkommt, weil wir 20 Kilo zu viel auf den Hüften tragen. In diesen Fällen ist es jedoch noch nicht zu spät, seine Ernährung umzustellen, den etwas fülliger gewordenen »Hintern« häufiger ins Sportstudio zu bewegen und somit den Kampf gegen die Pfunde erfolgreich zu gewinnen. Aber was, wenn das Gewicht außer Kontrolle gerät – wenn die Genetik, ein falsches Essverhalten oder verschiedene Stoffwechselprozesse das Gewicht immer weiter ansteigen lassen und zudem noch Kreislauf, Herz und/oder Stoffwechselsystem zunehmend belastet werden?

    Wird eine gewisse Gewichtsgrenze überschritten, spricht der Volksmund von »Fettsucht«, die Medizin von »Adipositas«. Mittlerweile wissen wir, dass die Zahl der Menschen, die unter dieser Krankheit leiden, weltweit explodiert und konservative Behandlungsmethoden wie Diäten, Verhaltenstherapien und Medikamentengabe oft versagen, wenn sie für sich isoliert verordnet werden.

    Anfangs noch häufig belächelt oder als Schönheitsoperation abgetan, hat sich die Adipositaschirurgie heute etabliert. So müssen selbst frühere Kritiker jetzt einräumen, dass Erkrankte nach einer operativen Maßnahme, kombiniert mit einer professionellen Ernährungsberatung sowie Bewegungs- und Verhaltenstherapie, die besten Erfolgsaussichten haben, ihr Wunschgewicht zu erreichen und zu halten. Und dies, obwohl noch nicht vollständig geklärt ist, weshalb viele Menschen nach einem solchen operativen Eingriff zum einen sehr stark an Gewicht verlieren, zum anderen sich auch Stoffwechselprozesse und Blutwerte in der Regel deutlich verbessern. Genau das veranlasst die Kritiker (und davon gibt es noch einige), den bariatrischen Chirurgen vorzuwerfen, sie wüssten nicht, was sie tun. Diese Argumentation polarisiert und schafft Verunsicherung bei den Betroffenen.

    Im Rahmen meiner Recherche zu diesem Thema, die mich quer durch Deutschland und die Schweiz führte, habe ich Folgendes erkannt: In der Behandlung adipöser Menschen gibt es keine nur gute oder schlechte Therapie (was im Übrigen auf beinahe jede Krankheit zutrifft). Was es allerdings braucht, sind verantwortungsbewusste Experten, die gemeinsam mit ihren Patienten das Für und Wider ihres Behandlungskonzeptes abwägen, welche die individuelle Gewichts-, Gesundheits- und Lebenssituation des Einzelnen berücksichtigen und eine Operation ablehnen, wenn zu hohe Risiken oder andere fundierte Argumente dagegen sprechen. Zudem bedarf es der positiven Aspekte beider Therapieformen. So lassen sich die Adipositas und ihre Begleiterkrankungen nur dann effektiv behandeln, wenn konservative und chirurgische Maßnahmen eine Allianz bilden, also in ein sogenanntes multimodales Konzept integriert werden.

    Abschließend möchte ich anmerken, dass ich kein Mediziner bin, sondern nur ein Autor, der sich intensiv mit dem Thema »Adipositas« auseinandergesetzt hat, weil er sich, selbst einmal 208 Kilogramm auf die Waage bringend, einem solchen chirurgischen Eingriff unterzog. Auch wenn ich heute davon überzeugt bin, dass er für mich die richtige Entscheidung war, so ist ein solcher Entschluss von individuellen Faktoren abhängig, die gemeinsam mit einem kompetenten Chirurgen in einer Klinik oder einem Behandlungszentrum besprochen werden sollten. Dieses persönliche Gespräch kann und möchte dieses Buch nicht ersetzen. Vielmehr geht es darum, Sie ausführlich und fundiert zu informieren, so dass Sie aufgeklärt und vorbereitet Ihren weiteren Weg beschreiten können – einen Weg in ein hoffentlich gesünderes und leichteres Leben.

    Ihr

    Faris Abu-Naaj

    Meine eigene Story

    Als Arztsohn sollte man eigentlich über die Risiken und Gefahren eines zu hohen Körpergewichtes informiert sein. Selbstverständlich versuchte mir mein Vater auch ins Gewissen zu reden, scheiterte jedoch an meiner Dickköpfigkeit. So schritt der Zeiger der Waage ab meinem 14. Lebensjahr kontinuierlich voran. Verantwortliche hierfür fand ich schnell: Mal waren es die Gene, ein anderes Mal ein zu schwerer Knochenbau oder einfach eine gewisse Veranlagung. Rückblickend betrachtet muss ich zugeben, dass ich immer maßloser in meinem Essverhalten wurde und mit wachsendem Gewicht das Thema Sport und Bewegung immer mehr vernachlässigte. Als Jugendlicher sportlich noch sehr aktiv, stellte ich den Sport infolge zunehmender schulischer Belastung allmählich ein. Gewichtsgrenzen korrigierte ich von Jahr zu Jahr nach oben und der wachsenden Anzahl »gaffender« Passanten ging ich durch »Couchsitting« (Stubenhockerei) aus dem Weg. Die fachlichen Argumente meines Vaters und anderer Mediziner prallten an mir ab. Auch wenn ich nach außen hin Stärke durch Ignoranz vorspielte, war ich mit 32 Jahren und einem Körpergewicht von 208 Kilogramm ein körperliches und psychisches Wrack. Nicht, dass ich es bis dahin nicht mit unterschiedlichen Diäten oder Medikamenten versucht hätte, aber sämtliche Versuche führten lediglich dazu, dass ich nach kurzen Erfolgserlebnissen noch stärker an Gewicht zulegte. Auch hier war der Grund des Scheiterns wohl eine Mischung aus mangelnder Disziplin und einem unrealistischen Selbstbild. Heute weiß ich, dass wohl auch Stoffwechselprozesse und mein Insulinspiegel ab einer gewissen Gewichtssituation für diese negative Entwicklung mitverantwortlich waren. Ab 1999 befasste ich mich intensiv mit der Möglichkeit, mein Körpergewicht durch eine Operation in den Griff zu bekommen. Damals gab es nur einige Chirurgen in Deutschland, die sich mit diesem Thema beschäftigten. Meine Wahl fiel auf Professor Hans Troidl und die Universitätsklinik in Köln-Mehrheim. Der Professor machte mir klar, dass dieser Eingriff für mich mit hohen Risiken verbunden sein würde. Dazu sollte man wissen, dass man vor 15 Jahren fast alle Operationen mit nicht minimaler Verletzung (laparoskopisch) durchgeführte. Vielmehr wurde der Bauchraum mit einem großen Schnitt geöffnet und später wieder vernäht. So ergaben sich gleich zwei größere Risikobereiche: der Blutverlust während der Operation und die Gefahr einer Infektion oder Komplikationen bei der Wundheilung. Dennoch entschloss ich mich zu diesem Eingriff. Für mich ist es heute faszinierend zu sehen, wie sich die Adipositaschirugie in den vergangenen Jahren weiterentwickelt hat. Meine Magenbypass-Operation dauerte sechs Stunden. Obwohl der Eingriff gut verlief und keine Komplikationen auftraten, musste ich über zwei Wochen im Krankenhaus bleiben. In dieser – für mich schlimmsten – Zeit verlor ich zwar bereits acht Kilogramm Gewicht, fühlte mich jedoch »hundeelend«, da die etwa 40 Zentimeter lange Narbe zeitweise höllisch schmerzte und ich mich kaum bewegen konnte. Zudem konnte ich nichts essen und musste demzufolge künstlich ernährt werden. Mein Wohlbefinden besserte sich erst, als die Fäden gezogen worden und ich kleinere pürierte Mahlzeiten zu mir nehmen konnte. Innerhalb eines Monates nahm ich 12 Kilogramm ab. Es ging mir von Tag zu Tag besser. Wobei zu erwähnen ist, dass ich mich häufig übergeben musste, da ich sowohl meine Essgeschwindigkeit als auch die Nahrungsmenge häufig nicht der geänderten Magengröße anpasste – eine Erfahrung, die viele Operierte auch heutzutage noch mit mir teilen. Innerhalb von drei Jahren verlor ich durch den Magenbypass fast 65 Kilogramm Körpergewicht. Während dieser Phase hielten sich meine sportlichen Aktivitäten in Grenzen, und so muss ich heute erkennen, dass ein wesentlicher Teil meines damaligen Gewichtsverlustes aus der erzwungenen Umstellung auf kleinere Mahlzeiten resultierte. So änderten sich durch die Operation insgesamt folgende Faktoren:

    1.Nahrungsmenge

    Aufgrund des deutlich verringerten Magenvolumens konnte ich nur noch circa 20 Prozent der gewohnten Menge an Lebensmitteln zu mir nehmen. Überschritt ich diese Grenze, musste ich mich übergeben. Gerade kurz nach der Operation passierte dies sehr häufig, hatte ich mir doch in über 30 Jahren eine sehr schnelle und reichhaltige Nahrungsaufnahme angewöhnt, die ich nun schlagartig verändern musste. Dennoch konnte ich von Jahr zu Jahr immer etwas mehr essen, so dass für mich dieser Faktor mit der Zeit an Relevanz verlor.

    2.Nahrungsverwertung und Stoffwechsel

    Durch die Umgehung eines Teiles meines Dünndarmes konnte ich sowohl fettals auch zuckerhaltige Nahrungsmittel schlechter verdauen und damit auch die enthaltenen »Dickmacher« nur partiell verwerten. Zudem veränderten sich gewisse Stoffwechselprozesse, die das Hungergefühl reduzieren und die Darmflora beeinflussen. Diese und andere Begleiterscheinung werden in den medizinischen Fachbeiträgen ausführlich thematisiert.

    3.Nahrungsqualität

    Nach einem Magenbypass oder -ballon verursacht die Aufnahme von fett- und zuckerreicher Nahrung deutlich schneller Übelkeit als bei anderen Lebensmitteln. Meinem Selbstwertgefühl tat dies jedenfalls keinen Abbruch, denn dies war – bedingt durch den enormen Gewichtsverlust – auf einem Höhenflug. Von allen Seiten bekam ich Anerkennung und Respekt. Ich kaufte mir neue Kleidung und unternahm wieder viel mit Freunden. Bei all diesen positiven Einflüssen ignorierte ich, dass stetig weniger und später gar kein Gewichtsverlust mehr zu verzeichnen war – eine Entwicklung, die mich schockierte, als ich sie später wahrnahm. Sicher, ich hatte 65 Kilogramm abgenommen, war mit meinen 145 Kilogramm aber immer noch stark übergewichtig und musste meine Kleidung nach wie vor im Übergrößengeschäft kaufen. Zwar hatten sich mein Gesundheitszustand und meine Beweglichkeit schon deutlich verbessert, dennoch war mir bewusst, dass ich noch lange nicht am Ziel angekommen war. Also begann ich, meine Situation genau zu analysieren und erkannte schon bald die wesentlichen Gründe für meine Gewichtsstagnation:

    Zum einen bewegte ich mich nach wie vor nicht genug, trieb keinen Sport und fuhr beinahe jede Strecke mit dem Auto. Das musste sich einfach irgendwann rächen. Schließlich hatte sich mein Körper langsam an die verminderte Kalorienzufuhr gewöhnt. Ein gravierender Grund

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