Mythor 34: Drachenflug
By W. K. Giesa
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Damit halten Tod und Verderben ihren Einzug auch in solchen Ländern, die bisher vom Krieg verschont geblieben sind. Massen von Menschen, unter ihnen die demoralisierten Besiegten der Schlacht, streben in heilloser Flucht nach Süden, die Herzen von Trauer und Hass erfüllt.
Auch Mythor zieht südwärts. Der junge Held der Lichtwelt wird verfolgt und gehetzt, und sein Schicksal scheint besiegelt zu sein, als er es mit einem Stein der Dämonen zu tun bekommt und in Todesstarre versinkt.
Doch Vierfaust, der Stumme Große, hofft, eine Möglichkeit zu finden, Mythor wieder ins Leben zurückzurufen. Er zieht deshalb nach Yarman-Rash, der Speicherburg der Schurketen. Yarman-Rash ist auch der Ausgangsort für den DRACHENFLUG ...
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Book preview
Mythor 34 - W. K. Giesa
Nr. 34
Drachenflug
von W. K. Giesa
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Seit dem Tag der Wintersonnenwende, dem Tag der entscheidenden Schlacht, die auf dem Hochmoor von Dhuannin zwischen den Streitern der Lichtwelt und den Kräften des Dunkels ausgetragen wurde, sind Wochen vergangen. Mit der Unterstützung Drudins, des obersten Dämonenpriesters, der die Kräfte der Finsternis mobilisierte, haben die eroberungssüchtigen Caer über die Kämpfer der Lichtwelt triumphiert und die große Schlacht für sich entschieden.
Damit halten Tod und Verderben ihren Einzug auch in solchen Ländern, die bisher vom Krieg verschont geblieben sind. Massen von Menschen, unter ihnen die demoralisierten Besiegten der Schlacht, streben in heilloser Flucht nach Süden, die Herzen von Trauer und Hass erfüllt.
Auch Mythor zieht südwärts. Der junge Held der Lichtwelt wird verfolgt und gehetzt, und sein Schicksal scheint besiegelt zu sein, als er es mit einem Stein der Dämonen zu tun bekommt und in Todesstarre versinkt.
Doch Vierfaust, der Stumme Große, hofft, eine Möglichkeit zu finden, Mythor wieder ins Leben zurückzurufen. Er zieht deshalb nach Yarman-Rash, der Speicherburg der Schurketen. Yarman-Rash ist auch der Ausgangsort für den DRACHENFLUG ...
Die Hauptpersonen des Romans
Mythor – Der Sohn des Kometen im Bann eines Schattens.
Dreifingerauge – Ein Weiser Großer.
Mistra – Ein Mädchen opfert sich.
Coerl O'Marn, Oburus und Krude – Drudins Todesreiter.
Achad – Herr der Schurketen.
Moushart – Ein Räuberhauptmann.
1.
Sie kamen aus jener Richtung, in der die Straße des Bösen zu finden war. Nur langsam wichen die Nebelschleier des frühen Morgens, aus denen die Reiter, die die eigenartige Kolonne bildeten, wie Geister hervorkamen. Hufschlag klang auf, und aus der Luft kamen klagende Schreie eines Vogels. Der Schneefalke zog mit langsamen, traurigen Flügelschlägen seine Kreise.
Ein Schimmelreiter in goldenem Burnus und mit verhülltem Gesicht führte den Trupp an, der sich langsam voranbewegte und dem Osten zustrebte. Der Stumme Große wandte sich nicht um. Starr sah er geradeaus in die Ferne. Zehn seiner Männer folgten ihm, dazu ein knabenhaft schlankes Mädchen mit langem, rotbraunen Haar. Auf ihren Pferden schlossen sie einen Kreis um ein schwarzes Einhorn mit einem prunkvollen Sattel auf seinem Rücken. Doch er war leer. Für jenen, der sonst darauf zu reiten pflegte, hatten sie eine Schleife konstruiert, eine Trage, deren Längsstangen am Kopfende an den Steigbügeln des Sattels befestigt waren und mit den Fußenden über den Boden scharrten. Mythor lag auf der Schleife wie tot. Blass war sein Gesicht, kein Muskel regte sich, kein Zucken war zu sehen, wenn die Schleife über eine Bodenunebenheit glitt. Neben ihm trottete mit gesenktem Kopf der Bitterwolf, und immer wieder kam der Schneefalke herab und gab einen seltsamen Schrei von sich. Es sah aus, als gäben die Tiere aus dem verwunschenen Tal ihrem Freund das letzte Geleit.
Ein Trupp von zwanzig Schurketen hatte sich dem seltsamen Zug angeschlossen; ihr Ziel war dasselbe, dem auch der Stumme Große entgegenstrebte.
Die eigenartige Gefolgschaft zog vorüber, verschwand in den sich langsam auflösenden Morgennebeln. Der Hufschlag verhallte.
Keiner der Reiter hatte den Mann in der nebelgrauen Kleidung gesehen, der sich jetzt hastig zurückzog, zu seinem Pferd eilte und sich in den Sattel warf. Er trieb das Pferd an, als sei ein Dämon hinter ihm her ...
*
Weit vor ihnen erhob sich Yarman-Rash, die Speicherburg der Schurketen, auf einem so gut wie unzugänglichen und deshalb uneinnehmbaren Tafelberg. Nur über einen schmalen Eselpfad, der sich an den Felsen emporwand, war die Burg zu erreichen, in der die Schurketen ihr Winterquartier besaßen.
Vierfaust, der Stumme Große, hatte beschlossen, Mythor dorthin zu bringen. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, ihm noch zu helfen, vielleicht wusste der Weise Große, wie man den Schatten besiegen konnte, der am Meteorstein in Mythor gefahren war und seither in ihm fraß. Vierfaust wusste nichts von dem, was wirklich geschehen war, doch manches konnte er sich denken.
Hinter ihm erklangen Stimmen. Einige der Schurketen wollten wissen, was es mit dem reglosen Mann auf der Schleife auf sich hatte, und Mistra, das Mädchen, gab Auskunft. Vierfaust war froh darüber, die zwanzig schurketischen Viehhirten in seiner Nähe zu wissen; das Land war unruhig und die Gefahr überall. Die Schurketen waren gut bewaffnet und verstanden zu kämpfen, oft genug mussten sie sich der Überfälle der Berker erwehren.
Unter dem Tuch, das sein Gesicht bis auf die Augen verhüllte, verzog Vierfaust das Gesicht zu der Andeutung eines bitteren Lächelns. Berker und Schurketen ... eine alte Feindschaft herrschte zwischen beiden Stämmen. Vor einer Generation waren die Herden der Berker von einer unbekannten Krankheit dahingerafft worden. Dieser Schicksalsschlag hatte ihnen die Grundlagen ihres Lebens genommen. Doch die Berker hatten sich zu helfen gewusst, sie raubten eine große Herde von Grommen von den Schurketen. Und obwohl viele der schurketischen Hirten ihre Tiere wiedererkannten, leugneten die Berker stets, und das Leugnen fiel ihnen leicht, mit der Hand am Schwert oder am gespannten Bogen. Auch hieß es, dass sie sich mit den Mächten der Finsternis verbunden hätten, und manch einer wusste zu erzählen, dass bei ihren Ritualen nicht nur Gromme auf den Altären der Dämonengötzen geopfert wurden.
Doch jene seltsame, unbesiegbare Krankheit, die ihre eigenen Herden ausgerottet hatte, war nicht der letzte Schicksalsschlag, der die Berker getroffen hatte. Siebzehn Sommer mochte es jetzt her sein, als eine neue Plage auftrat. Churkuuhl, das Wanderfort auf dem Rücken der unbeirrbar voranmarschierenden Yarls, zog durch ihr Land, und die Yarls ließen nur unfruchtbare Erde zurück. Nichts blieb den Berkern als öder Boden, der ihren Tieren keine Nahrung mehr bot. Armut kam über den Stamm, und der Stamm von Habenichtsen wurde endgültig zu einem Stamm von Plünderern und Wegelagerern, die das Land unsicher zu machen begannen. Längst konnte in ihrer Speicherburg Dhachar-Rash kein Steppengras mehr lagern, das den Grommen Futter für den Winter gewährte, längst konnte es keine Gromme mehr in ihrer Burg oder auf ihren Ländern geben. Doch vielleicht war die Speicherburg zu einem Hort der geraubten Schätze geworden, die dort »gespeichert« werden mochten.
Niemand wusste es genau. Doch jeder wusste, was er von den Berkern zu halten hatte. Und deshalb war Vierfaust nicht gerade unfroh darüber, dass er Verstärkung durch die zwanzig Hirten erhalten hatte, die in ihre Speicherburg Yarman-Rash zurückkehrten. Allein der kostbare Sattel war Anreiz genug für einen Überfall, ganz zu schweigen von den seltenen Tieren.
Unwillkürlich glitt Vierfausts Hand an den Knauf seines kostbar verzierten Krummschwerts. Sollten die Berker ruhig kommen. Sie würden eine böse Überraschung erleben ...
*
Dhachar-Rash mit seinen finsteren Schutzmauern erhob sich am Hang eines niedrigen Berges. Wie ein grauer Blitz jagte ein Reiter durch das Tor, das direkt hinter ihm wieder zugeworfen wurde. Der Mann in der grauen Kleidung, die sich kaum von Felsen und Geröll abhob, sprang aus dem Sattel des noch laufenden Pferdes. Ein Bursche griff nach den Zügeln, als das Tier anhielt.
Der Graugekleidete, der den Durchzug der Stummen Großen und der Schurketen-Hirten beobachtet hatte, setzte sich in Bewegung. Ein paar andere Berker kamen auf ihn zu. Der Graue machte eine abweisende Handbewegung. »Der Cran! Wo ist er?«
»In seinen Stiefeln, wo sonst?«, murmelte einer der anderen. Der Graue packte zu und riss den Mann an seinem Wams zu sich.
»Dumme Antworten kann ich mir selbst geben«, zischte er. »Wo ist der Cran? Er wird dich an den Füßen aufhängen, wenn die frohe Nachricht zu spät zu ihm kommt!«
Der andere verzog das Gesicht, als der Graue ihn wieder zurückstieß. »Beute?«
»Und was für welche!«
Ein zweiter Berker streckte den Arm aus. »Du findest den Cran in seinem Haus. Er frühstückt soeben.«
Der Graue hastete davon. Er lief über den Innenhof der Speicherburg auf das Haus des Cran zu. Wie bei allen Stämmen im südlichen Salamos war dies der Titel, der dem Verwalter einer Speicherburg gebührte. Doch ein Cran verwaltete nicht nur gespeichertes Steppengras und Grom-Herden, sondern war in Krisenzeiten auch so etwas wie ein Kriegshäuptling, dem die Verteidigung der jeweiligen Burg oblag.
Cran Moushart, der sich beim Eintreten des Grauen mit verärgertem Stirnrunzeln erhob,