Mami 1771 – Familienroman: Ich will einen Papi – keinen Onkel
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"Simon!" rief Loni Stolten dem jungen Architekten über den Flur nach. "Simon! Nur einen Moment, bitte!" Simon Sodermann blieb stehen und sah der jungen Büroangestellten entgegen. Loni war appetitlich anzuschauen und immer gutgelaunt. Vor einer Woche, als man in der Firma Hagen den Geburtstag des Chefs feierte, hatte sie ihm fast eine Stunde lang Witze erzählt. Weil er keine Witze leiden konnte, hatte er keinen davon behalten. Dabei fehlte es ihm nicht an Humor, und sein Gedächtnis funktionierte tadellos. Aber er gehörte nun mal zu den guterzogenen, zurückhaltenden Männern, die mehr zur feinen Lebensart als zu prustendem Gelächter in angetrunkener Runde neigten. "Aber nur eine Minute, Loni. Der Chef will mich sprechen", warnte er vorsorglich, um ja nicht unhöflich zu erscheinen. Loni sah ihn aus ihren kecken veilchenblauen Augen an. "Letzte Woche hast du mir einen Kinoabend versprochen." Simon tat erstaunt, obwohl er sich ganz genau daran erinnerte. "Ich?" "Ja, du! Du hast es versprochen, wenn ich endlich aufhöre, Witze zu erzählen." "Stimmt. Und du hast dich daran gehalten." Er schmunzelte. "Also gut. Wann hast du Zeit?" "Heute?" Unter ihrem enganliegenden Pullover zeichneten sich ihre mädchenhaften Formen ab.
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Mami 1771 – Familienroman - Isabell Rohde
Mami -1771-
Ich will einen Papi - keinen Onkel
Isabell Rohde
»Simon!« rief Loni Stolten dem jungen Architekten über den Flur nach. »Simon! Nur einen Moment, bitte!«
Simon Sodermann blieb stehen und sah der jungen Büroangestellten entgegen. Loni war appetitlich anzuschauen und immer gutgelaunt. Vor einer Woche, als man in der Firma Hagen den Geburtstag des Chefs feierte, hatte sie ihm fast eine Stunde lang Witze erzählt. Weil er keine Witze leiden konnte, hatte er keinen davon behalten. Dabei fehlte es ihm nicht an Humor, und sein Gedächtnis funktionierte tadellos. Aber er gehörte nun mal zu den guterzogenen, zurückhaltenden Männern, die mehr zur feinen Lebensart als zu prustendem Gelächter in angetrunkener Runde neigten.
»Aber nur eine Minute, Loni. Der Chef will mich sprechen«, warnte er vorsorglich, um ja nicht unhöflich zu erscheinen.
Loni sah ihn aus ihren kecken veilchenblauen Augen an.
»Letzte Woche hast du mir einen Kinoabend versprochen.«
Simon tat erstaunt, obwohl er
sich ganz genau daran erinnerte. »Ich?«
»Ja, du! Du hast es versprochen, wenn ich endlich aufhöre, Witze zu erzählen.«
»Stimmt. Und du hast dich daran gehalten.« Er schmunzelte. »Also gut. Wann hast du Zeit?«
»Heute?« Unter ihrem enganliegenden Pullover zeichneten sich ihre mädchenhaften Formen ab. Der kurze Rock erlaubte einen Blick auf ihre schlanken Beine. Loni arbeitete erst seit zwei Monaten in der Firma, galt als flink und rührig und war bei allen Kollegen, ob Architekten oder Bürokräften, beliebt.
Simon, der als die rechte Hand des Chefs galt, konnte Georg Hagen keinesfalls warten lassen.
»Ich sag dir noch Bescheid. Jetzt muß ich erst mal zu unserem Boß«, meinte er. »Es geht um das Projekt am Stauwehr, du weißt doch, die Villenanlage mit den Atelierwohnungen.«
Loni nickte, ihr Lächeln schwankte zwischen Zweifel und Bewunderung für den Kollegen. Simon Sodermann war ein richtiges As im Architekturbüro Hagen und der tollste Mann, den sie bis jetzt kennengelernt hatte. Er sah phantastisch aus, war nie überheblich und strahlte doch so eine angenehme Selbstsicherheit aus. Darum verzieh sie ihm auch, wenn er nicht über ihre Witze lachte. Sie wußte ja, daß er sie trotzdem schätzte.
»Du willst also wirklich einen Abend mit mir verbringen?«
»Ja, gern«, versicherte er. »Wenn ich nichts anderes vorhabe, spricht nichts dagegen.« Und schon verschwand er hinter der Tür des Chefzimmers.
»Uff!« ächzte Loni verärgert. »Wenn ich nichts anderes vorhabe!« ahmte sie ihn enttäuscht nach und stapfte davon in Richtung ihres Arbeitszimmers.
Georg Hagen bat den jungen Kollegen auf den Sessel vor seinem Schreibtisch. Er sah ihn lange und forschend an, bis Simon seine Nervosität nicht mehr verbergen konnte.
»Ist irgendwas schiefgelaufen?« fragte er vorsichtig.
Da lachte der Fünfundsechzig-jährige. »Im Gegenteil. Alles läuft nach Plan. Und wenn es weiter so gutgeht, bin ich in acht Wochen Großvater.«
»Ach, so? Ja, dann… Ich gratuliere«, erwiderte Simon förmlich.
»Sie verstehen meine Freude wohl nicht?«
»Nun ja, ich bin noch nie Großvater geworden, Herr Hagen.«
»Aber Ihre verehrten Eltern wünschen sich gewiß einen Enkel?«
Simon hatte hellbraune Haare, die ihm manchmal ein wenig wirr in die Stirn hingen. Aber das war auch das einzige an ihm, das nicht ganz korrekt war. Nun strich er sich eine Strähne aus der Stirn.
»Das kann sein. Aber Vicki und ich wohnen noch zu Hause. Bis jetzt…«
»Ihre Schwester ist jünger als Sie?«
»Ja, zwei Jahre. Vicki ist achtundzwanzig.«
»Wie meine Tochter Melanie in Australien! Ja, Melanie erwartet jetzt endlich ein Baby. Meine Frau und ich haben uns entschlossen, im nächsten Monat hinzufliegen, um ihr und dem jungen Vater beizustehen. Melanies Mann Rick ist Känguruh-Forscher. Meine Frau fürchtet, er lehne sein Kind, wenn es ohne Beutel zur Welt kommt, ab. Haha!« lachte Hagen über seinen Witz.
»Hoffentlich kommt es nicht soweit«, entgegnete Simon höflich.
»Wir werden drei Monate bleiben.«
»Das ist eine lange Zeit, Herr Hagen.«
»Ich weiß. Aber ich trage mich sowieso mit dem Gedanken, die Geschicke der Firma Ende des Jahres ganz in junge Hände zu legen.«
Simon drückte seinen Rücken gegen die Lehne und streckte seine Arme mit einer leichten Bewegung nach vorn, um sie dann wieder zur Seite sinken zu lassen. So versuchte er, seine Anspannung zu verbergen. Ob es »dem Alten« mit dem Rückzug ernst war? In wessen Hände wollte er die Geschicke der Firma dann legen? Doch nicht etwa in die von Guido Schilskys oder Bruno Schneiders? Guido Schilsky war etwas über vierzig und ein sehr zuverlässiger Mann. Aber als Architekt war kein Blumentopf mit ihm zu gewinnen. Und Bruno Schneider war ein hervorragender Statiker, benahm sich aber im Umgang mit den Auftraggebern wie ein Gorilla.
»Die jungen Hände, denen ich mein größtes Vertrauen schenke, gehören meiner Tochter Sophie, meiner Ältesten. Ich erzählte Ihnen schon von ihr, Simon. Sie hat in Amerika studiert und arbeitet seit Jahrenn in Boston. Jetzt wird sie zurückkommen und ihr Näschen in unseren Betrieb stecken.«
Herr Hagen war stolz auf seine beiden Töchter, das war seinem Lächeln anzusehen. »Sophie ist der gleiche Jahrgang wie Sie. Sie wird Anfang März eintreffen. Mir bleiben dann nur noch zwei Wochen, um sie einzuarbeiten. Das ist knapp. Darum wollte ich Sie bitten, danach für mich einzuspringen.«
»Sie meinen, ich soll Ihrer Tochter auf die Finger schauen?« fragte Simon verblüfft.
»O nein. So wollen wir es nicht nennen. Sie wird ja Ihre Chefin sein. Ich wünsche mir nur, daß Sie ihr beim Kontakt mit unseren Auftraggebern zur Seite stehen. Sie kennen sich mit unseren Baugesetzen und Vorschriften aus, gelten als weltgewandter und umgänglicher Mensch und verfügen immer über eine gute Idee. Für Ihr Alter sind Sie schon ungewöhnlich erfahren.«
»Hm!«
»Besonders spricht für Sie, daß Sie aus einer guten Familie kommen und ein ungetrübtes Verhältnis zu Ihren Eltern und Ihrer Schwester pflegen. So etwas ist nicht zu unterschätzen. Es beweist Kompromißfähigkeit und menschliche Reife.«
»Ja, wir halten zusammen«, versicherte Simon nicht ohne Stolz.
»Darum glaube ich auch, daß Sie mit einer so erfolgreichen jungen Frau wie meiner ältesten Tochter zu einer zufriedenstellenden Zusammenarbeit fähig sind. Damit wir uns verstehen, Simon – sie wird mich vertreten, also Ihre Chefin sein«, betonte Georg Hagen noch einmal.
»Äh, für immer?«
»Solange Sie in unserer Firma bleiben wollen.«
»Hm«, machte Simon wieder und versuchte damit, seine Enttäuschung zu verbergen.
»Wie Sie mir erzählten, ist Ihre Schwester als Steuerberaterin erfolgreich. Ich nehme deshalb an, Sie finden den richtigen Ton im Umgang mit tüchtigen Frauen.«
»Vicki ist meine Schwester, Herr Hagen«, gab Simon zu bedenken. »Wir wohnen noch beide bei unseren Eltern und sehen uns täglich. Beruflich gehen wir völlig getrennte Wege.«
»Sie bringen Ihrer Schwester aber Respekt entgegen?«
»Sicher. Ich liebe sie doch, solange ich denken kann.« Simon schmunzelte, weil er verschwieg, wie oft es zwischen der verwöhnten Vicki und ihm zu geschwisterlichen Streitereien oder heißen Debatten kam.
»Aber?« fragte Georg Hagen, als er das Schmunzeln bemerkte.
»Nun ja, Vicki hat ihren Dickkopf«, gab Simon zu. »Wie viele junge Frauen, die wissen, was sie wollen. Sie war immer der Sonnenschein meiner Eltern und ist ein wenig verwöhnt. In wenigen Monaten wird sie aber heiraten und zu Hause ausziehen.« Er tat einen tiefen Atemzug. »Mich an diesen Gedanken zu gewöhnen, fällt mir trotz unserer gelegentlichen Meinungsverschiedenheiten gar nicht leicht.«
Der Chef nickte amüsiert. »Sophie läßt sich auch nicht viel sagen. Aber wenn einer der jungen Architektin mit ihr zurechtkommt, dann sind Sie es. Davon bin ich überzeugt.« Da Simon dieses Lob schweigend hinnahm, fügte Georg Hagen noch hinzu: »Ich vertraue Ihnen hiermit einen Teil der Verantwortung für unsere Firma an, denn ich weiß, daß meine Tochter sich ganz auf Sie verlassen kann.«
»Kann sie«, murmelte Simon ohne große Begeisterung. Da klingelte das Handy an seinem Gürtel. Mit einem entschuldigenden Blick nahm er das Gespräch an.
»Vicki?« Er war zweifellos überrascht, um diese Zeit von seiner Schwester angerufen zu werden und wiederholte mehrmals: »Ja, wenn’s sein muß«, bevor er ihr versprach, sich gleich nach Büroschluß mit ihr in einem nahegelegenen Bistro zu treffen.
»Sehr erfreulich, wie Sie zu Ihrer Schwester stehen, wenn Sie gebraucht werden, Simon. Und weil wir Männer schöne Frauen nicht warten lassen dürfen, ist unser Gespräch hiermit beendet. Ihre Schwester ist doch eine Schönheit?« fragte der Chef noch scherzend.
»Das kann man sagen.« Simon erhob sich. »Es hat mich sehr gefreut, Herr Hagen«, dankte er mit einem geraden Blick in die Augen des Älteren. »Ja, Sie können mit mir rechnen.«
Kurz darauf eilte er durch den Korridor, band sich in seinem Büro schnell eine Krawatte um und huschte dann in die Abteilung der Buchhaltung. Loni sah ihm mit glänzenden Augen entgegen.
»Jetzt schon ins Kino? Es ist noch nicht sechs Uhr, Simon«, flüsterte sie. »Ich hab’ noch keinen Feierabend.«
»Ich kann sowieso nicht, Loni. Es tut mir sehr leid. Meine Schwester muß mich dringend sprechen. Verzeihst du mir? Unser Kinoabend ist damit nicht verloren.«
Sie starrte ihn an. »Deine Schwester? Die Steuerberaterin? Ich dachte, die ist so eine