Irrlicht 14 – Mystikroman: Gefährliche Liebe
By Violet Dark
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Juliette stapfte in ihren Gummistiefeln durch den Regen. Es regnete seit dem frühen Morgen. Mit einem Nieselregen hatte es angefangen – jetzt goß es wie aus Kübeln. Auch der große Regenschirm konnte nicht all die Wassermassen abhalten. Gut, daß ich meinen schwarzen Lackmantel angezogen habe, dachte Juliette, sonst wäre ich jetzt ziemlich durchnäßt. Sie sah auf ihre Uhr und beschleunigte das Tempo. Herr Carlsen würde sicher schon ungeduldig auf sie warten. Sie hatte ihm versprochen, die Mittagspause nicht über Gebühr auszudehnen, denn er mußte am Nachmittag einen wichtigen Termin wahrnehmen. Ansonsten nahm er es mit ihren Pausen nicht so genau; er war ein nachsichtiger Mensch, und außerdem mochte der ältere Buchhändler seine einzige Angestellte überaus gern. Als Juliette die Eingangstür zu ihrer Buchhandlung aufmachte, empfing sie eine wohlige Wärme. Und das vertraute Glöckchen schlug an. Sie lief schnell zu der gemütlichen Küche im hinteren Teil des Ladens, wo sie den Lackmantel auszog und die Gummistiefel gegen ein paar halbhohe Pumps tauschte. Ja, sie betrachtete die Buchhandlung als ihren Laden, obwohl er ja Herrn Carlsen gehörte. Sie arbeitete hier sehr gerne und betrachtete ihre Arbeitsstätte als ein zweites Zuhause. Die Buchhandlung befand sich in einem alten Flensburger Haus in der Einkaufsstraße. Nicht nur von außen erinnerte der Laden an längst vergangene Zeiten, auch im Inneren fühlte man sich augenblicklich in einer anderen Welt: Kein Zentimeter Wand war ohne ein massives Holzregal, überall standen, lagen oder stapelten sich Bücher. Sie waren nicht immer ordentlich eingereiht, doch das kunterbunte Durcheinander verlieh dem Raum einen lebendigen Charme. Und wenn sich ein Kunde für ein Buch interessierte, konnte er es sich damit auf einem altrosa Plüschsofa gemütlich machen. An der Decke hing ein Kronleuchter, und neben das Sofa hatte Herr Carlsen eine antike Stehlampe mit einem großen güldenen Schirm gestellt. Wer hier in den Laden kam, sollte von einer anheimelnden Atmosphäre eingehüllt werden.
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Irrlicht 14 – Mystikroman - Violet Dark
Irrlicht
– 14 –
Gefährliche Liebe
Juliette im Sog einer magischen Kraft
Violet Dark
Juliette stapfte in ihren Gummistiefeln durch den Regen. Es regnete seit dem frühen Morgen. Mit einem Nieselregen hatte es angefangen – jetzt goß es wie aus Kübeln. Auch der große Regenschirm konnte nicht all die Wassermassen abhalten. Gut, daß ich meinen schwarzen Lackmantel angezogen habe, dachte Juliette, sonst wäre ich jetzt ziemlich durchnäßt. Sie sah auf ihre Uhr und beschleunigte das Tempo. Herr Carlsen würde sicher schon ungeduldig auf sie warten. Sie hatte ihm versprochen, die Mittagspause nicht über Gebühr auszudehnen, denn er mußte am Nachmittag einen wichtigen Termin wahrnehmen. Ansonsten nahm er es mit ihren Pausen nicht so genau; er war ein nachsichtiger Mensch, und außerdem mochte der ältere Buchhändler seine einzige Angestellte überaus gern. Als Juliette die Eingangstür zu ihrer Buchhandlung aufmachte, empfing sie eine wohlige Wärme. Und das vertraute Glöckchen schlug an. Sie lief schnell zu der gemütlichen Küche im hinteren Teil des Ladens, wo sie den Lackmantel auszog und die Gummistiefel gegen ein paar halbhohe Pumps tauschte. Ja, sie betrachtete die Buchhandlung als ihren Laden, obwohl er ja Herrn Carlsen gehörte. Sie arbeitete hier sehr gerne und betrachtete ihre Arbeitsstätte als ein zweites Zuhause. Die Buchhandlung befand sich in einem alten Flensburger Haus in der Einkaufsstraße. Nicht nur von außen erinnerte der Laden an längst vergangene Zeiten, auch im Inneren fühlte man sich augenblicklich in einer anderen Welt: Kein Zentimeter Wand war ohne ein massives Holzregal, überall standen, lagen oder stapelten sich Bücher. Sie waren nicht immer ordentlich eingereiht, doch das kunterbunte Durcheinander verlieh dem Raum einen lebendigen Charme. Und wenn sich ein Kunde für ein Buch interessierte, konnte er es sich damit auf einem altrosa Plüschsofa gemütlich machen. An der Decke hing ein Kronleuchter, und neben das Sofa hatte Herr Carlsen eine antike Stehlampe mit einem großen güldenen Schirm gestellt. Wer hier in den Laden kam, sollte von einer anheimelnden Atmosphäre eingehüllt werden.
In der Buchhandlung gab es eine besondere Ecke für ganz spezielle Kunden. Eine Wendeltreppe führte zu einer Empore. Auf der umlaufenden Galerie hatte Herr Carlsen seine kleinen Schätze untergebracht: seltene antiquarische Bücher. In der dunkelsten Nische versteckte sich eine kleine erlesene Sammlung, die durch ein Messingschildchen gekennzeichnet war. In das Schildchen war nur ein Wort eingraviert: »Okkultes«. Diese Nische war Juliettes Lieblingsecke, und dort im obersten Regal befand sich ihr Lieblingsbuch: ein sehr altes Buch mit goldenen Lettern auf dem Einband von einem unbekannten Autor namens A.A.A. Der Titel lautete: »Wünsch dir was!«
Schlug man das Buch auf, stand auf der ersten Seite noch einmal der Titel, versehen mit dem Untertitel »Wie man der Wirklichkeit einen Zauber entlockt«. Blätterte man noch eine Seite weiter, las man ein Zitat des romantischen Dichters Joseph Friedrich von Eichendorff:
Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.
»Juliette, kommen Sie bitte?« rief Herr Carlsen, »ich muß jetzt leider los.«
Juliette ging nach vorne in den Laden und lächelte Herrn Carlsen an. Er sah gar nicht wie ein typischer Buchhändler aus, eher wie ein Seebär. Er hatte ein wettergegerbtes Gesicht. Herr Carlsen hatte zwei Leidenschaften: Bücher und sein Segelboot. Es hatte aber einmal vor vielen, vielen Jahren auch eine ganz große Liebe zu einer Frau gegeben. Darüber sprach er nicht gern. Diese Frau war verheiratet gewesen, sie hatte einem anderen gehört, den sie nie geliebt hatte, konnte ihn aber nicht verlassen. Und dann war diese Frau bei einem Autounfall gestorben. Sie war damals schwanger gewesen, jedoch nicht von ihrem Ehemann, sondern von Herrn Carlsen. Juliette fragte sich manchmal, ob es tatsächlich ein Unfall gewesen war, oder vielleicht Selbstmord, oder vielleicht hatte der Ehemann dieser Frau bei dem Unfall etwas nachgeholfen. Wie dem auch sei, Herr Carlsen hatte keine Kinder und betrachtete Juliette als so etwas wie seine eigene Tochter.
»Sie sehen heute wieder entzückend aus. Wenn Sie Ihr Haar hochstecken, kommt Ihr hübsches Gesicht noch besser zur Geltung.« Herr Carlsen machte seiner einzigen Angestellten oft Komplimente. »Irgendwann kommt ein Mann und schnappt Sie mir weg. Hoffentlich nicht so bald«, seufzte er, »Sie sind weit mehr als meine rechte Hand. So eine Tochter wie Sie hätte ich gerne gehabt. Eine Schönheit mit tiefschwarzen Haaren und blauen Augen. Also mein liebes Schneewittchen«, scherzte er, »passen Sie gut auf den Laden auf, und bleiben Sie mir erhalten. Ich komme heute nachmittag nicht mehr zurück. Sie machen dann auch die Kasse und schließen ab, ja?«
»Natürlich, Herr Carlsen. Sie wissen doch, daß Sie sich auf mich verlassen können.«
Kaum war Herr Carlsen aus der Tür, stieg Juliette die Wendeltreppe hoch zur Empore. Sie zog ihr Lieblingsbuch aus dem Regal, schlug einfach irgendeine Seite auf und las:
Das Glück ist wie ein Schmetterling. Es fliegt durch die Lüfte und läßt hier und dort nieder. Wer es festhalten will, verjagt es, wer es frei fliegen läßt, behält es. Suche nicht das Glück, das Glück kommt zu dir, wenn du dafür bereit bist. Das wahre Glück dringt in dein Herz ein und verwandelt sich dort in eine tiefe Zufriedenheit.
Ja, das Glück, sinnierte Juliette. Eigentlich konnte sie mit ihrem Leben ganz zufrieden sein. Sie hatte eine hübsche kleine Wohnung, einen Beruf, der ihr Spaß machte, einen großzügigen und liebenswürdigen Chef, eine nette Schwester, die mit ihrem Mann und zwei Kindern nicht allzu weit entfernt an der Küste wohnte. Und sie konnte jederzeit bei ihren Eltern in der Provence Urlaub machen. Ihr Vater war Franzose, ihre Mutter Deutsche, und ihre Eltern waren vor fünf Jahren in das milde Klima nach Südfrankreich gezogen. Aber konnte man denn wirklich glücklich sein ohne Liebe? War nicht das höchste Glück auf Erden die Liebe?
Sie hatte schon ein paar Männer, Freunde, Liebhaber – wie immer man sie nennen mochte – gehabt, doch nie war es der Richtige gewesen. Sie wünschte sich so sehnlichst die ganz große Liebe. Sie wollte die alles überwindende Kraft dieser Himmelsmacht erfahren, eine Liebe, die Grenzen sprengt, Raum und Zeit überwindet und etwas Magisches hat. Nur zu gerne würde sie mit der Macht der Gedanken diese Liebe herbeizaubern. Juliette drückte ihr Lieblingsbuch an die Brust und flüsterte dem Buch zu: »Vielleicht kommt eines Tages ein Mann hier in das Geschäft, der dich in die Hand nimmt und in dir liest. Wenn er dich haben will, dann wäre es ein Zeichen, vielleicht sogar ein Zeichen des Himmels. Denn dieser Mann hätte die gleichen Gedanken wie ich, und seine Seele würde meine suchen, und wir würden zueinander finden.«
Am Nachmittag hörte es auf zu regnen, dennoch hielt sich draußen die düstere Stimmung. Kein einziger Sonnenstrahl suchte seinen Weg durch die dicke graue Wolkendecke. Juliette schaute aus dem Fenster. Die Eiche im Innenhof gegenüber trug noch ein grünbraunes Laubkleid, ansonsten hatten Bäume und Sträucher ihre Blätter abgeworfen. Es war ein typischer Novembertag, an dem viele Menschen dazu neigten, melancholisch zu werden.
Es kamen kaum Kunden an diesem Nachmittag, und so sah Juliette die Neuerscheinungen der Verlage durch, um mit Herrn Carlsen gemeinsam entscheiden zu können, welche Bücher sie bestellen wollten. Ich könnte das Schaufenster neu dekorieren, überlegte sie, es sah so gar nicht weihnachtlich und festlich aus. Was wollte sie eigentlich Weihnachten machen? Wahrscheinlich würde sie wieder gemeinsam mit ihrer Schwester, ihrem Schwager und ihren beiden kleinen Nichten feiern. Für die Kinder war das Weihnachtsfest noch sehr aufregend, sie konnten den Heiligabend kaum erwarten. Und was sollte sie allen schenken? Oder sollte sie vielleicht doch zu ihren Eltern in die Provence fliegen? Sie würden sich bestimmt freuen.
Kurz vor Ladenschluß hörte Juliette das Türglöckchen. Sie stand vor einem Regal und ordnete ein paar neue Taschenbücher ein. Ohne Eile drehte sie sich um und sah einen Mann auf sich zukommen. Sie hatte ihn hier noch nie gesehen, er war also kein Stammkunde.
Es waren nur sie und der Mann in der Buchhandlung, doch sie hatte das Gefühl, das Geschäft sei voll. Dieser Mann in seinem schwarzen Ledermantel strahlte eine raumfüllende Präsenz aus. Er lächelte nicht, sein Gesichtsausdruck war ernst. Er fixierte Juliette, seine dunklen Augen schienen ihren Körper zu durchbohren. Sie lächelte ihn an, woraufhin auch er die Mundwinkel ein wenig nach oben verzog. »Guten Abend«, sagte er nun mit einer seltsam sanften Stimme, »ich habe gehört, daß Sie hier auch ein Antiquariat haben.«
»Ja, das stimmt«, antwortete sie, »es ist oben auf der Empore. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.« Und Juliette stieg leichten Schrittes die Wendeltreppe nach oben. Die Absätze ihrer Pumps klackten auf den Holzstufen. Sie wußte nicht, ob er hinter ihr war, sie drehte sich nicht um, aber sie spürte seine Gegenwart, obwohl seine Schritte nicht zu hören waren. Juliette meinte seinen Blick in ihrem Nacken zu fühlen. Sie trug heute ein weinrotes Kleid aus Angorawolle, das ihre schlanke Figur sehr vorteilhaft betonte. Jeder Mann hätte seine Augen auf sie geheftet, doch die Augen dieses Mannes hier schienen Laserblitze auf sie abzuschießen. Ihr Nacken wurde warm, dann sogar brennend heiß. Sie faßte sich mit einer Hand an den Hals, aber der war kühl. Oben angekommen, drehte sie ein wenig den Kopf und nahm ihn aus den Augenwinkeln wahr. Er stand dicht hinter ihr, der Abstand zwischen ihnen beiden betrug weniger als einen Meter. Sie ging zu der antiquarischen Ecke. Er stellte sich neben sie und studierte die Titel auf den Buchrücken. »Interessant«, murmelte er fast selbstvergessen, »Sie haben auch Bücher aus dem Bereich der Magie. Und sehr alte Bücher sind dabei. Ich suche solche Bücher.« Er schaute sie von der Seite an. »Was würden Sie mir denn empfehlen? Haben Sie vielleicht ein besonders interessantes Werk?«
Juliette wollte schon sagen: »Ja,