Guten Morgen Afrika: Die bezaubernde Geschichte eines kleinen Massai-Mädchens
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Wir begegnen Löwen und Ziegen, stolzen Massai-Kriegern und einem Zaunkönig mit seiner Sehnsucht, einmal in Afrika gewesen zu sein, egal auf welchem Weg. Und wir begegnen vielleicht auch uns selbst, wenn wir glauben, dass wir uns in ein Leben hinein verirrt haben wie in einen dunklen Wald, aus dem es keinen Ausweg gibt. Sind wir nicht alle einmal unzufrieden mit unserer Existenz, aber nicht mutig genug, unseren Träumen zu folgen?
Behutsam vorgehend wird hier von einem märchenhaften Ausflug in eine phantastische Freiheit erzählt. Aber das Herausragende an diesem Märchen ist seine berührende Innigkeit, der poetische Charakter der Handlungen und die zärtliche Poesie seiner Sprache.
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Guten Morgen Afrika - Wolf R. Günzel
Afrika
1
Als kleines Kind habe ich mir unsere Erde ziemlich imposant, geheimnisumwittert und voller Wunder vorgestellt. Man bekommt rasch Ehrfurcht vor Dingen, die einem die Erwachsenen erzählen. Vor allem, wenn sie diese Dinge selbst nur vom Hörensagen kennen. In ihrer Phantasie schrecken sie dann nicht davor zurück, den Dschungel mit Menschenfressern zu bevölkern. Sie erzählen einem, die Pyramiden seien aus purem Gold erbaut und daß es in den Ozeanen Jungfrauen mit glitzernden Fischleibern und Haaren aus grünen Meeresalgen gibt.
Im Laufe meines Lebens habe ich mich dann selbst auf unserer Erde gründlich umgeschaut. Wie schon vermutet, habe ich weder goldene Pyramiden gesehen, noch eine Meerjungfrau mit glitzerndem Schuppenkleid, und die gefürchteten Wilden, denen ich begegnete, sind nicht auf die Idee gekommen, mich in ihren Kochtopf zu stecken.
Warum ich mir die Erde im Laufe meines Lebens so gründlich angeschaut habe, hat etwas mit meinem Beruf zu tun. Ich bin nämlich das, was man einen Reiseschriftsteller nennt. Obwohl dieser Begriff eigentlich nicht ganz zutreffend ist. Ich berichte von den Ländern, die ich bereise, nämlich nicht ganz wahrheitsgemäß. Ich benutze sie nur als Rahmen für meine eigenen Geschichten. Ich verfahre in der Regel so, daß ich ein paar Figuren erfinde, die mir interessant erscheinen. Mit diesen Figuren im Kopf gehe ich dann auf Reisen. Ich suche mir solche Ziele für meine Figuren aus, in die sie mit ihren Charaktereigenschaften, die ich ihnen angedichtet habe, passen könnten. Nachdem ich sie also an einen geeigneten Ort verfrachtet habe, überlege ich mir, was ihnen nun passieren könnte. Ich bringe sie in Gefahren und hole sie dort wieder raus. Ich sorge dafür, daß sie sich verlieben und wenn es mir ratsam erscheint, lasse ich sie sterben.
Mit dieser Art zu schreiben, habe ich es zu einigem Erfolg gebracht, und weil ich die Leute auf eine humane Art belüge, bereitet es mir kein schlechtes Gewissen. Bevor ich humane Lügengeschichten zu schreiben begann, habe ich es schon einmal mit der Wahrheit versucht. Ich habe meine eigene Lebensgeschichte verfaßt und das gewichtige Manuskript an einen Verleger geschickt. Er schickte mir das Manuskript zurück und schrieb: Wollen Sie meinen Verlag ruinieren? Ihr Leben ist viel zu langweilig. Sie müssen schon etwas Großes und Aufregendes vollbringen, wenn es die Leute interessieren soll.
Nach diesem Genickschlag schrieb ich eine Weile überhaupt nichts mehr. Dann erwachte allmählich mein Trotz und der Wille, es diesem Bürschchen, das mich derart gedemütigt hatte, zu zeigen. Ich erfand meine erste humane Lügengeschichte. Und siehe da, ich hatte Erfolg.
Mit einer meiner humanen Lügengeschichten im Kopf stieg ich vor ein paar Jahren zum Gipfel des Kilimandscharo hinauf. Ich richte es nämlich immer so ein, daß meine Figuren vor einer großen Kulisse leben, leiden, sich lieben und womöglich auch sterben.
Beim Aufstieg wurde ich von zwei schwarzen Trägern begleitet. Und als sich die Vegetationszone langsam in die Schneezone verwandelte, sagte ich zu meinen schwarzen Begleitern: „Wartet bitte an dieser Stelle. Ich gehe das nächste Stück allein."
Meine beiden Träger waren helle Burschen. Sie waren froh, daß sie mich samt meinem Gepäck los waren. Sie luden die schweren Rucksäcke ab. Dann setzten sich auf zwei Steine und stellten keine Frage. Das machte alles sehr einfach. Ich hatte beileibe nicht die Absicht, allein zum Gipfel zu stürmen. Ich wollte nur einfach wieder einen klaren Kopf bekommen, weil mir ihr unablässiges Geschwätz seit Stunden auf die Nerven ging.
Nachdem ich eine Weile allein hinaufgestiegen war, setzte ein leichter Schneefall ein. Meine Brille beschlug im Nu, und ich war inzwischen ordentlich außer Puste gekommen. Der Zustand, in dem ich mich befand, inspirierte mich zu einer Notiz. Ich wollte sie in meiner humanen Lügengeschichte, die ich im Kopfe hatte, später einmal verwenden. Wenn ich eine Lügengeschichte erfinde, achte ich immer streng darauf, daß der Rahmen, in dem sich meine Phantasiefiguren bewegen, authentisch ist. Deshalb mache ich diese anstrengenden Reisen. Ich will mich einfühlen in ihre Welt und wenigstens darüber wahrheitsgemäß berichten. Ich setzte