Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Die globale sexuelle Revolution: Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit
Die globale sexuelle Revolution: Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit
Die globale sexuelle Revolution: Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit
Ebook565 pages7 hours

Die globale sexuelle Revolution: Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit

Rating: 3 out of 5 stars

3/5

()

Read preview

About this ebook

Die globale sexuelle Revolution, vorangetrieben von UN und EU, hat sich zunächst hinter dem Rücken der Öffentlichkeit in Politik, Institutionen und Ausbildungseinrichtungen eingeschlichen. Inzwischen ist daraus längst ein gewaltiges gesellschaftliches Umerziehungsprogramm geworden, welches die Voraussetzungen einer freiheitlichen Gesellschaft zerstört und zunehmend totalitäre Züge annimmt.

In diesem Buch lesen Sie, was man heute nicht mehr sagen darf über
• UN und EU als Betreiber der sexuellen Revolution
• die große Umerziehung zum sexualisierten Gender-Menschen
• die politische Vergewaltigung der Sprache
• die Seuche der Pornografie
• die Homosexuellen-Bewegung
• Sex-Erziehung in Schule und Kindergarten
• die schiefe Ebene zum Totalitarismus im neuen Gewand

"Dass Gabriele Kuby den Mut hat, die Bedrohung unserer Freiheit durch eine antihumanistische Ideologie beim Namen zu nennen, bringt ihr möglicherweise Feindseligkeit, ja sogar Hetze ein. Sie hat stattdessen für ihre Aufklärungsarbeit unser aller Dank verdient. Möglichst viele Menschen sollten dieses Buch lesen, um aufmerksam zu werden, was auf sie zukommt, wenn sie sich nicht wehren". (Aus dem Geleitwort von Prof. Robert Spaemann)
LanguageDeutsch
Release dateMay 9, 2014
ISBN9783863570798
Die globale sexuelle Revolution: Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit

Read more from Gabriele Kuby

Related to Die globale sexuelle Revolution

Related ebooks

Christianity For You

View More

Related articles

Reviews for Die globale sexuelle Revolution

Rating: 3 out of 5 stars
3/5

2 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Die globale sexuelle Revolution - Gabriele Kuby

    Bibliografie

    Geleitwort

    Das Wort »Gender-Mainstreaming« ist den meisten Bürgern unseres Landes nicht bekannt. Es ist ihnen daher auch nicht bekannt, dass sie seit Jahren von Seiten der Regierungen, der europäischen Autoritäten und einem Teil der Medien einem Umerziehungsprogramm unterworfen sind, das bei den Insidern diesen Namen trägt. Was durch Re-Education aus den Köpfen eliminiert werden soll, ist eine jahrtausende­alte Gewohnheit der Menschheit: die Gewohnheit, Männer und Frauen zu unterscheiden; die gegenseitige sexuelle Anziehungskraft beider Geschlechter, auf der die Existenz und Fortexistenz der Menschheit beruht, zu unterscheiden von allen anderen Formen der Triebbefriedigung, sie diesen gegenüber durch Institutionalisierung zu privilegieren und sie bestimmten humanisierenden Regeln zu unterwerfen. Die Umerziehung betrifft letzten Endes die Beseitigung der im Unvordenklichen gründenden schönen Gewohnheit, die wir Menschsein und menschliche Natur nennen. Emanzipieren sollen wir uns erklärtermaßen von unserer Natur.

    Das Wort »Emanzipation« meinte einmal so etwas wie Befreiung. Emanzipation von unserer Natur kann nur heißen: Befreiung von uns selbst. Der Begriff der politischen Freiheit wurde im alten Griechenland geprägt und meinte anfänglich: auf gewohnte Weise leben dürfen. Der Tyrann war der, der die Menschen daran hindert, der sie umerziehen will. Von solcher Tyrannei handelt dieses Buch. Es ist ein Aufklärungsbuch. Es klärt uns auf über das, was zur Zeit mit uns geschieht, mit welchen Mitteln die Umerzieher arbeiten und mit welchen Repressalien diejenigen zu rechnen haben, die sich diesem Projekt widersetzen. Und zwar nicht nur diejenigen, die in der zur Diskussion stehenden Sache Partei ergreifen, sondern, wie dieses Buch zum Beispiel auf S. 385 und S. 387 zeigt, alle, die in diesem Zusammenhang irgendwann einmal eingetreten sind für die Freiheit, seine Meinung zu äußern in einer offenen Diskussion.

    Seit Jahren ist in unserem Land und europaweit eine wachsende Diskussionsverweigerung im Namen der »politischen Korrektheit« zu beobachten. Dem vom Mainstream Abweichenden wird nicht mit Argumenten erklärt, inwiefern er irrt, sondern es wird ihm gesagt: »Das hättest du nicht sagen dürfen.« Ich erinnere hier nur an den Fall Sarrazin. Er wird nicht widerlegt, sondern geächtet. Was dahinter steht, ist der sich ausbreitende Wahrheitsrelativismus. Wahrheit beanspruchen gilt als Intoleranz. Dabei ist das Gegenteil richtig. Wahrheitsansprüche erheben heißt, eine Meinung der diskursiven Prüfung aussetzen. Wenn es Wahrheit nicht gibt, dann kann es eine solche Prüfung gar nicht geben, dann sind Diskurse nur verschleierte Machtkämpfe, eine Meinung ist dann nicht wahr oder falsch, sondern herrschend oder abweichend und im letzteren Fall der Ächtung ausgesetzt. Natürlich entspringt das Wahre nicht erst dem Diskurs. Es wird durch ihn nur geprüft. Es ist auch vor dieser Prüfung wahr und intuitiv überzeugend. Wenn wir erfahren, dass in Londoner Kindergärten und in schwedischen, die als besonders fortschrittlich gelten, der Gebrauch der Worte »Vater« und »Mutter« durch die Betreuer verboten ist und durch geschlechtsneutrale Worte ersetzt wird – aus österreichischen Amtsstuben wird Ähnliches berichtet –, dann schwanken in der Regel die Gefühle zwischen Kopfschütteln und Empörung, vor allem weil das Volk seine Vertreter niemals dazu legitimiert hat, von ihnen umerzogen zu werden.

    Was ist das Motiv dieser Absurditäten? Man spricht es klar aus. Kinder, denen man zuerst die Adoption durch ein gleichgeschlechtliches Elternpaar zugemutet hat, sollen nun nicht das Gefühl haben, dass andere etwas haben, was ihnen fehlt. Damit es keine Anomalität mehr gibt, wird der Begriff des Normalen tabuisiert und unter Ideologieverdacht gestellt. Dabei ist Normalität für alles Lebendige konstitutiv. Im Bereich der unbelebten Natur, also im Bereich der Physik, gibt es keine Normalität, sondern nur strenge Gesetzmäßigkeit. Überall dagegen, wo es Leben gibt, gibt es so etwas wie ein artspezifisches »Aus-sein-auf-etwas«. Und dieses, worauf die Natur aus ist, kann auch durch eben dieselbe Natur verfehlt werden. Es gibt, wie Aristoteles schreibt, »Fehler der Natur«. Der Instinkt, den jungen Löwen das Jagen beizubringen, gehört zur Natur der Löwenmutter, ohne ihn werden die Jungen nicht lebensfähig und ohne ihn gäbe es gar keine Löwen. Das Fehlen dieses Instinkts ist daher eine Anomalie.

    Der Begriff einer normativen Normalität ist unverzichtbar, wenn es um den Umgang mit Lebensvorgängen geht. Irrtümer auf diesem Feld sind lebensgefährlich für die Menschheitsfamilie. Dass Gabriele Kuby den Mut hat, die Bedrohung unserer Freiheit durch eine antihumanistische Ideologie beim Namen zu nennen, bringt ihr möglicherweise Feindseligkeit, ja sogar Hetze ein. Sie hat stattdessen für ihre Aufklärungsarbeit unser aller Dank verdient. Möglichst viele Menschen sollten dieses Buch lesen, um aufmerksam zu werden, was auf sie zukommt, wenn sie sich nicht wehren.

    Prof. Dr. Robert Spaemann, im August 2012

    Lieber Leser, liebe Leserin,

    Sie halten ein Buch in Händen, das Sie nicht ohne emotionale Reaktionen werden lesen können. Die globale sexuelle Revolution betrifft jeden: Mann und Frau, Jung und Alt, unsere persönliche Existenz und die Zukunft der Gesellschaft.

    Da der Mensch, anders als das Tier, kaum durch Instinkte programmiert ist, besitzt er Freiheit und muss sich entscheiden, ob er rechts oder links gehen will. Dafür brauchen wir einen Maßstab für richtig und falsch. Der Maßstab, der im Bereich der Sexualität über Jahrhunderte verbindlich war, wird zerbrochen und soll zerbrochen werden, wo dies noch nicht geschehen ist.

    Dies gilt als ein erstrebenswerter Fortschritt an Freiheit, so als wäre die subjektive Freiheit des Individuums, alles tun zu dürfen, was ihm Spaß und Lust bereitet, ein Königsweg zum Glück. Aber ist das so?

    Schauen wir nüchtern auf den Zustand unserer Gesellschaft, auf die zerbrochenen Familien, auf die alleinerziehenden Mütter und Väter und ihre Kinder, auf die Jugendlichen mit tiefen seelischen Wunden, auf die Millionen Pornografiesüchtigen, auf die Millionen sexuell missbrauchter Kinder, auf die Millionen abgetriebener Kinder und auf unseren eigenen Lebensweg, fragen wir Lehrer, Ärzte, Psychiater, Therapeuten, Sozialarbeiter, Jugendämter, so scheint sich das Glück von dieser Art von Freiheit erschrocken abzuwenden. Wir beschwören die Jugend als Garant des Glücks, aber wir schaffen eine Gesellschaft, in der es immer weniger lachende Kinder gibt und immer mehr traurige Alte.

    All das liegt offen zu Tage. Über die Ursachen wird geforscht und diskutiert, aber eine Ursache, vielleicht die wichtigste, ist hinter einem Tabu verborgen: die Deregulierung der sexuellen Normen, die zu einer Sexualisierung der Gesellschaft führt. Weil diese Normen zum »Betriebssystem« der Gesellschaft gehören, werden sexuelle Normen in jeder Gesellschaft durch soziale und juristische Sanktionen geschützt. Galt bisher Monogamie als Maßstab, sind es heute die permissiven Normen des Hedonismus und der sexuellen Promiskuität, deren Durchsetzung unter dem Banner der Gleichheit und Antidiskriminierung sozial und gesetzlich erzwungen wird.

    Das Märchen »Des Kaisers neue Kleider« ist eine geniale Metapher für das Tabu, die Wirklichkeit so wahrzunehmen, wie sie ist. Das Tabu besteht, weil das Aussprechen der Wahrheit Herrschaftsstrukturen gefährden würde, die allerdings durch die Verleugnung der Wahrheit früher oder später doch zusammenbrechen müssen.

    Es treten Betrüger auf, die dem Kaiser weismachen, sie könnten »das schönste Zeug« weben mit der wunderbaren Eigenschaft, dass die daraus gefertigten Kleider für jeden Menschen unsichtbar seien, »der nicht für sein Amt taugt oder der unverzeihlich dumm ist«. Zu sagen, dass etwas, das nicht da ist, nicht da ist, hat also empfindliche Folgen. Deswegen geht der Kaiser, der sein Amt nicht verlieren und seine Dummheit verbergen möchte, den Betrügern auf den Leim.

    Alle verstricken sich in ein Gespinst der Lüge und bestätigen sich gegenseitig, etwas zu sehen, was nicht existiert. Der Kaiser gerät in eine Zwangslage, in der jeder erkennt, dass er mit Lüge und nicht mit Wahrheit bekleidet ist. Aber nur ein Kind wagt zu rufen: »Der Kaiser hat ja gar nichts an.« Es hat kein Amt zu verlieren und keinen Ruf.

    In diesem Buch nehme ich die Haltung des Kindes ein, wenn ich die Demoralisierung durch politische Macht beschreibe – Demoralisierung im doppelten Wortsinn: Das Gute wird böse und das Böse gut genannt, sodass den Menschen Orientierung und Mut genommen werden, um der Berufung zur Liebe zu folgen.

    Ich beschreibe die globale sexuelle Revolution, welche im Begriff ist, die überlieferten Wertsysteme aller Kulturen und Religionen zu zerschlagen; die ideellen Wegbereiter seit der Französischen Revolution bis hin zur postmodernen Gender-Ideologie einer Judith Butler; die Förderung der revolutionären Agenda durch die internationalen politischen Eliten; die totalitären Bestrebungen, wie sie in dem programmatischen Dokument der Yogyakarta-Prinzipien sichtbar werden; die konkrete Durchsetzung der Gender-Ideologie in der Gesellschaft bis hin zur politisch motivierten Veränderung der Sprache; die Seuche der Pornografie, vor der Kinder und Jugendliche nicht mehr geschützt werden können; die Homosexuellen-Bewegung als aktivistischen Motor dieser Revolution.

    Auch wenn der Diskurs über wesentliche Aspekte dieser Bewegung nicht mehr geführt werden kann, ohne persönlich unter Druck gesetzt zu werden, sind in diesem ausführlichen Kapitel Fakten, wissenschaftliche Forschungen und innere Widersprüche dargestellt; ein gesondertes Kapitel untersucht die christliche Position zur Homosexualität und den Umgang der Kirchen mit den Ansprüchen der Bewegung; das Kapitel »Sexerziehung in Schule und Kindergarten« zeigt detailliert auf, dass die obligatorische, schulische Sexualpädagogik Kinder und Jugendliche aktiv in hedonistische Sexualität initiiert, sodass Werthaltungen, die Ehe und Elternschaft ermöglichen, nicht ausgebildet werden; im Kapitel »Intoleranz und Diskriminierung« zeige ich an exemplarischen Fällen, dass sich die sexuelle Revolution politisch mit einem Angriff auf demokratische Grundfreiheiten vollzieht, der insbesondere gegen Christen gerichtet ist. Was vorher in verschiedenen Kapiteln berichtet wurde, ist nun im Kapitel »Wachsender Widerstand« zusammengefasst und ergänzt. Seit 2013 sind in zahlreichen Ländern Widerstandsbewegungen entstanden, eine Massenbewegung gegen die »Homo-Ehe« in Frankreich (La Manif pour tous), Verfassungsänderungen zum Schutz der Ehe in zahlreichen osteuropäischen Saaten, Widerstand von Eltern gegen die Zwangssexualisierung der Kinder im staatlichen Schulunterricht u. a. in Polen, Litauen und Deutschland. All dies führt im letzten Kapitel zum eigentlichen Anliegen des Buches: die Warnung vor einem neuen Totalitarismus, der im Namen der Freiheit die Freiheit zerstört.

    Die vorliegende sechste Auflage wurde sorgfältig überarbeitet und aktualisiert. Seit dem Ersterscheinen im Herbst 2012 wurde das Buch, das Sie in Händen halten, in sechs osteuropäische Sprachen übersetzt; Ende 2015 erscheint es in den USA beim Verlag Angelico Press. Eine kleine Aufklärungsbroschüre der Autorin (Gender – eine neue Ideologie zerstört die Familie) hat seit März 2014 eine Auflage von über 100.000. Sie haben als Leser Anspruch darauf zu wissen, auf welchem Standpunkt die Autorin steht. Als Soziologin beobachte ich die Entwicklungstendenzen der Gesellschaft; als Mutter von drei Kindern engagiere ich mich für die Zukunft der nächsten Generation; als Katholikin (seit 1997) bemühe ich mich zu leben, was ich glaube. Dazu gehört Wohlwollen gegenüber jedem Menschen, auch wenn ich seine Überzeugungen nicht teile und er nicht die meinen. Ich danke allen, die sichtbar und unsichtbar mitgeholfen haben, dass dieses Buch entstehen konnte. Allen, die erkennen, was die Stunde geschlagen hat, und bereit sind zu handeln, fühle ich mich verbunden.

    Gabriele Kuby, im September 2015

    I. Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit

    Die übergroße Freiheit schlägt offenbar in nichts anderes um als in übergroße Knechtschaft, sowohl für den Einzelnen als auch für die Stadt. Es ist also wahrscheinlich, dass die Tyrannis aus keiner anderen Verfassung hervorgeht als aus der Demokratie, aus der höchsten Freiheit die größte und härteste Knechtschaft.

    Platon ¹

    Die Deregulierung der Sexualität

    Wir befinden uns in einem erstaunlichen Prozess: Fundamentale Normen menschlichen Verhaltens, welche noch vor wenigen Jahrzehnten allgemeine Gültigkeit hatten, wurden außer Kraft gesetzt. Was damals als gut galt, gilt heute als schlecht. Diese Normen betreffen die Fortpflanzung des Menschen und die universale Institution, in der sie sich vollzieht: die Familie. 1948 formulierten die vom Zweiten Weltkrieg erschütterten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Darin heißt es: »Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat« (Art. 16). Familie entsteht durch die Ehe von Mann und Frau, welche sich verpflichten, ihr Leben mitei­nander zu teilen, und bereit sind, Kinder zu zeugen und diese aufzuziehen. Familie bedarf der Monogamie, nämlich der sexuellen Treue zwischen den Ehepartnern. Wird Monogamie als sittliche Orientierung aufgegeben, geht die Familie kaputt. Leitende Wertvorstellungen, Gebräuche und Gesetze verankerten diese hohe moralische Norm in der Lebenspraxis der Bevölkerung.

    Diese Wertvorstellungen, Gebräuche und Gesetze wurden in den letzten vierzig Jahren demontiert. In den westlichen Wohlstandskulturen geschah dies zunächst durch rebellierende Studenten. Heute ist es die kulturrevolutionäre Agenda der Machteliten dieser Erde. Eine mächtige Lobby kämpft mit Hilfe der Vereinten Nationen (UN), der Europäischen Union (EU) und der Medien seit Anfang der Siebzigerjahre um eine Änderung der Wertordnung. Ziel ist die absolute, von jeder natürlichen und moralischen Grenze losgelöste Freiheit, die den Menschen als bloßes »nacktes« Individuum versteht. Für eine solche absolute Freiheit, die sich auch von der »Diktatur der Natur« befreien will, ist jede natürliche Vorgabe ein Hindernis, das beseitigt werden muss. Folglich gibt es für eine so verstandene Freiheit kein »gut« und kein »böse«, keine Normativität. Konkrete Mittel dieses Kampfes sind die Dekonstruktion der bipolaren Geschlechtlichkeit, die Veränderung von sozialen Normen und Einstellungen der Bevölkerung, insbesondere der Jugend, die vollständige juristische Gleichsetzung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe bis hin zu sozialer Ächtung und gesetzlicher Kriminalisierung von Widerstand.

    Erstaunlich ist der Prozess deswegen, weil dieser »neue Mensch« und die damit einhergehende Auflösung jeder Normativität einen prioritären Rang im Handeln der UN, der EU und zahlreicher Einzelstaaten hat, obwohl diese kulturrevolutionäre Strategie keinerlei Beitrag zur Lösung der großen Probleme unserer Zeit leistet. Im Gegenteil! Die demografische Epochenwende wird das soziale Gefüge nicht nur Europas aus den Angeln heben. Die Geburtenraten sanken in den meisten europäischen Ländern in den letzten vier Jahrzehnten weit unter das Erhaltungsniveau. In dem Maß, in dem sie das Defizit durch Migration auszugleichen versuchen, geben sie die eigene Kultur preis. Eine am Gemeinwohl orientierte Politik müsste der Stärkung der Familie Priorität in der Gesellschaftspolitik einräumen. Stattdessen wird im Dienst von kleinen Minderheiten die Deregulierung der Sexualnormen betrieben und so die Familie ihres Wertefundaments beraubt.

    Erstaunlich ist dieser Prozess auch deswegen, weil er die Voraussetzungen zerstört, welche die europäische Hochkultur hervorgebracht haben – ein Erfolgsmodell für die ganze Welt. Diese Kultur hatte bis vor wenigen Jahrzehnten ein christliches Fundament. Das Christentum schuf die moralischen Grundlagen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Die Substanz dieser Kultur sind die Entscheidungen unserer Vorfahren für das Gute und das Wahre, Entscheidungen, die dem Einzelnen zu allen Zeiten Verzicht und Opfer abverlangt haben. Machtgierige, gewalttätige Herrscher, Kriege, korrupte Kirchenführer, nicht einmal die entsetzlichen atheistischen Terrorsysteme des zwanzigsten Jahrhunderts konnten die christliche Kultur ausmerzen. Es waren die Familien, welche in der Not nicht nur das Überleben möglich machten ², sondern diese Kultur unter den widrigsten Umständen weitergaben. Nach jeder Katastrophe schlug das christliche Grün wieder aus, zuletzt durch die Einigung Europas auf dem Fundament der hohen Werte ihrer christlichen Gründer.

    Was jetzt geschieht, geht tiefer. Es geht nicht um die Diktatur des Proletariats oder die Diktatur einer Herrenrasse. Die Terrorregime waren als Unterdrücker erkennbar und konnten nach siebzig bzw. zwölf Jahren besiegt werden. Heute richtet sich der Angriff auf die innerste moralische Struktur des Menschen, die ihn zur Freiheit befähigt. Die Axt wird an die Wurzel gelegt.

    Die Grundannahme, von der dieses Buch ausgeht, ist, dass die wunderbare Gabe der Sexualität der Kultivierung bedarf, um dem Menschen gelungene Beziehungen und ein gelungenes Leben zu ermöglichen. Das Gegenteil, das triebhafte Ausleben aller Begierden, zerstört die Person und die Kultur. Ein von Kindheit an sexualisierter Mensch lernt: »Es ist gut, wenn du alle deine Triebe unreflektiert auslebst. Es ist schlecht, wenn du ihnen Grenzen setzt.« Er benutzt den eigenen Körper und den Körper anderer Menschen zur Befriedigung seines Sexualtriebes anstatt zum Ausdruck personaler Liebe. Dieser Trieb ist mächtig, denn er hat die Aufgabe, den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Wer nicht lernt, ihn zu kultivieren, auf dass er Ausdruck der Liebe werde, offen für neues Leben, wird von ihm beherrscht. Ein so Getriebener verliert seine Freiheit. Er hört die Stimme des Gewissens nicht mehr. Er verliert die Fähigkeit zu lieben, er verliert die Fähigkeit sich zu binden. Er verliert den Wunsch, Kindern das Leben zu schenken. Er wird unfähig zu kulturellen Leistungen. Er wird psychisch und körperlich krank. Er verliert den Wunsch und die Fähigkeit, die eigene Kultur zu erhalten, und schafft so die Voraussetzungen, dass sie von einer vitaleren Kultur übernommen wird.

    Die christliche Auffassung, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist, begründete die unantastbare Würde jeder Person und führte zur freiheitlichen Verfassung von Staat und Gesellschaft. Die einzigartige wissenschaftliche und technologische Entwicklung verdankt die christlich geprägte Hochkultur der Verpflichtung auf Vernunft und Wahrheit, welche die vorurteilsfreie Erforschung der Wirklichkeit zuließ.

    Aber die Anerkennung des Schöpfergottes, die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, die Geltung universaler moralischer Werte und die ideologiefreie Wahrheitssuche sind in Bedrängnis geraten.

    Die Folgen sind dramatisch: Viele Menschen wollen das Leben, das sie empfangen haben, nicht mehr weitergeben; die Familien zerfallen; das Leistungsniveau der nächsten Generation sinkt, zwanzig Prozent der 15-Jährigen können nicht sinnverstehend lesen; immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter psychischen Störungen ³; das Lebensrecht von Kindern im Mutterschoß, Behinderten und Alten ist nicht mehr geschützt; die Freiheit der Religion, der Meinungsäußerung, der Erziehung, der Wissenschaft wird ausgehöhlt.

    Dies alles geschieht im Namen einer Ideologie, welche leugnet, dass der Mensch als Mann oder als Frau existiert, dass diese Polarität seine Identität prägt und Bedingung der Fortpflanzung des Menschengeschlechts ist. (Psychische und physische Anomalien ändern an dieser Tatsache nichts.) Nie zuvor hat es eine Ideologie gegeben, welche die Geschlechts­identität von Mann und Frau und jede ethische Normierung des sexuellen Verhaltens zerstören wollte. Die Ideologie heißt Gender-Mainstreaming.

    Es gibt viele andere Faktoren dramatischer Veränderung in unserer Zeit, ökologische, wirtschaftliche, technisch-wissenschaftliche, aber keiner dieser Faktoren zielt strategisch auf die Wurzel des Menschen, seine Identität als Mann und Frau und die Auslieferung des Einzelnen an die von allen sittlichen Normen befreiten Forderungen des Sexualtriebs.

    Bisher war es Männern vorbehalten, ideologische Systeme zu entwickeln, welche ungeheure Zerstörung nach sich zogen und Abermillionen Menschen das Leben kosteten. Die Gender-Ideologie wurde von radikalfeministischen Frauen erdacht und ihre Durchsetzung erkämpft – mit unabsehbaren Folgen. Viele Kulturen sind an moralischer Degeneration zugrunde gegangen. Dass aber die moralische Degeneration politisch und kulturell erzwungen wird, das ist neu.

    Hochkultur durch Hochmoral

    Jede Kultur bestraft die Überschreitung ihrer sexuellen Normen. Hielt man früher Tabus, welche durch soziale Ächtung bis hin zur Todesstrafe geschützt waren, für ein Zeichen primitiver Gesellschaften, so stellen wir fest, dass heute neue Tabus gelten, welchen durch soziale Ausgrenzung und schrittweise Kriminalisierung Geltung verschafft wird, und zwar genau in dem Bereich, den alle Kulturen durch strenge Normen schützen: den Bereich der Sexualität. Allerdings hat eine Verkehrung stattgefunden: Heute wird die Auflösung der moralischen Normen erzwungen und Widerstand mit Ausgrenzung und juristischen Sanktionen geahndet.

    Der englische Anthropologe J. D. Unwin hat in einer großen wissenschaftlichen Untersuchung das Verhältnis von Sexualität und Kultur erforscht. ⁴ Er wollte Anfang 1930 die These Sigmund Freuds, Kultur beruhe auf der »Sublimierung des Sexualtriebs«, überprüfen. Im Vorwort schreibt Unwin: »Hätte ich erkennen müssen, wie sehr ich meine persönliche Philosophie als Ergebnis dieser Studie ändern musste, dann hätte ich vielleicht gar nicht begonnen.« ⁵

    Unwin untersuchte achtzig »unzivilisierte Gesellschaften« und die Hochkulturen der Babylonier, Sumerer, Athener, Römer, Angelsachsen und Engländer, um die Frage zu klären: Welchen Einfluss haben die sexuellen Normen einer Gesellschaft auf die Höhe der Kultur?

    Das Ergebnis in einem Satz: Je größer die sexuelle Beschränkung, umso höher das kulturelle Niveau, je geringer die sexuelle Beschränkung, umso niedriger das kulturelle Niveau. »Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme. Kulturen treten dann auf die Bühne der Geschichte, wenn sie die Möglichkeit zur sexuellen Triebbefriedigung stark begrenzen, und sie treten von der Bühne der Geschichte ab, wenn sie die Sexualität auf das tierische Niveau der ungezügelten Triebbefriedigung absinken lassen … In den Annalen der Geschichte gibt es kein Beispiel einer Gesellschaft, die über einen gewissen Zeitraum hohe soziale Energie hatte, außer sie war absolut monogam.«

    Schaut man auf die Entwicklung unserer Gesellschaft, so scheinen sich diese Gesetzmäßigkeiten ein weiteres Mal zu bestätigen.

    Ein neuer weicher Totalitarismus?

    Es scheint, dass unsere heutigen Verhältnisse sternenweit von nationalsozialistischen und kommunistischen Terrorsystemen entfernt sind. Dennoch stellen wir fest, dass der Freiheitsraum immer enger wird. Jene merken dies zuerst, deren Werte den Strategien der Mächtigen im Wege stehen – das sind heute in erster Linie die Christen. Der italienische Schriftsteller Ignazio Silone, Exkommunist, brachte es auf den Punkt: »Der Neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus; er wird sagen, ich bin der Antifaschismus.«

    Es gibt kein identifizierbares, staatliches Herrschaftssystem, das sichtbar die Weltherrschaft anstrebt, aber es gibt globale Netzwerke, die eine einheitliche Agenda verfolgen.

    Es scheint keine staatliche Ideologie zu geben, deren Geltung staatlich erzwungen wird, aber im Verborgenen wird die neue Gender-Ideologie auf allen Ebenen der Gesellschaft implementiert. Obwohl das Volk nicht einmal den Begriff kennt, wird die gesamte Gesellschaft »gendert«. Wie jede utopische Ideologie will sie einen neuen Menschen schaffen, einen, der sich selbst nach Belieben entwirft.

    Bevölkerungsgruppen werden in Europa derzeit nicht ausgerottet, aber jährlich werden weltweit mehr als 40 Millionen Kinder vor ihrer Geburt im Mutterleib getötet.

    Es gibt zwar eine demokratische Grundordnung, aber es gibt unkontrollierbare Mächte, die Macht über die Wähler und die gewählten Politiker ausüben: die Medien und die Finanzoligarchie.

    Es gibt keine Einheitspartei, aber ein wachsender Teil der Bevölkerung fühlt sich von den herrschenden Parteien nicht mehr vertreten, was sich in Politikverdrossenheit und einem kontinuierlichen Sinken der Wahlbeteiligung zeigt.

    Es gibt kein Propagandaministerium, aber es gibt eine zunehmende Gleichschaltung der Medien, welche die Deregulierung der sexuellen Normen betreiben.

    Es gibt keine staatliche Zensurbehörde, aber es gibt staatliche und akademische Sprachpolitik, welche Neusprech-Regeln durchsetzt mit dem Ziel, den neuen Gender-Menschen zu schaffen.

    Es gibt kein Terror ausübendes Polizei- und Geheimdienstsystem, aber wir werden durch die digitale Datenspeicherung zu gläsernen Menschen, für die es keine Nische der Privatheit mehr gibt – eine Voraussetzung für völlig neue Formen totalitärer Überwachung und Kontrolle.

    Es gibt keine von einem Führer manipulierte, fanatisierte Massenbewegung, aber es gibt atomisierte, wurzellose Massen, die derzeit noch durch staatliche Transferleistungen ruhig gehalten werden, deren Radikalisierungspotenzial bei wirtschaftlicher Not aber unberechenbar ist.

    Es gibt kein Verbot der Religionsausübung, aber die Religionsfreiheit wird im Namen von Antidiskriminierung schleichend beschnitten und die sozialen Voraussetzungen der Glaubensweitergabe an die nächste Generation unterminiert.

    Das Totalitäre hat sein Kostüm gewechselt und erscheint heute im Gewand der Freiheit, der Toleranz, der Gerechtigkeit, der Gleichheit, der Antidiskriminierung und der Vielfalt – ideologische Versatzstücke, die sich bei näherem Hinsehen als amputierte und pervertierte Begriffe erweisen.

    Diese Prozesse sind global und werden durch einflussreiche Lobbys in den internationalen Institutionen vorangetrieben. Der Kern dieser globalen Kulturrevolution ist die Deregulierung der sexuellen Normen. Wie die Deregulierung der Finanzmärkte diese der unersättlichen Gier der Reichen nach noch mehr Geld und Macht ausliefert, so liefert die Deregulierung der sexuellen Normen den Menschen der unersättlichen Gier nach sexueller Befriedigung aus. Die Aufhebung moralischer Begrenzungen der Sexualität erscheint als ein Zuwachs an Freiheit, führt aber in die Bindungs- und Beziehungsunfähigkeit und somit zur Auflösung der tragenden sozialen Strukturen.

    Wer heute im politischen, akademischen, medialen und sogar im kirchlichen Raum Gründe dafür vorbringt, dass der sexuelle Akt ausschließlich in die eheliche Beziehung von Mann und Frau gehört und für die Empfängnis von Kindern offen sein sollte, wer die Frage der Entstehung, der Risiken und der Folgen nicht-heterosexuellen Verhaltens wissenschaftlich diskutiert oder sich gar den Strategien der sexuellen Deregulierung widersetzt, läuft Gefahr, aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt zu werden, mit Schimpfworten stigmatisiert zu werden, seine berufliche Stellung zu verlieren, von Interessengruppen in vielfältiger Weise gemobbt und diskriminiert zu werden. Die Kriminalisierung durch neue Straftatbestände wie »Homophobie«, »Hassrede« und Antidiskriminierungsgesetze ist in einigen Ländern bereits Realität und wird global vorangetrieben.

    Haben jene, die sich sicher auf der Seite des Guten wähnen, wenn sie den staatlichen Terror des vergangenen Jahrhunderts heute so mutig bekämpfen, die gleiche Bereitschaft, sich der wachsenden Beschneidung der Freiheit in unserer Zeit zu widersetzen? Die Scheidelinie zwischen dem Einstehen für die Freiheit und dem Preisgeben der Freiheit liegt in der Bereitschaft, heute den Preis zu zahlen, den es kostet, nicht mit den Wölfen zu heulen.

    Schöne neue Welt

    Manchmal sehen Dichter über die Grenzen der Gegenwart hinaus. Aldous Huxley beschrieb 1932 die Schöne neue Welt ⁸, die entsteht, wenn Spaß zum Lebenssinn und Sex zum zentralen Alltagsvergnügen von Jung und Alt wird. Im Vorwort der Neuausgabe von 1949 schrieb er: »Die wirklich revolutionäre Revolution lässt sich nicht in der äußeren Welt bewirken, sondern nur in den Seelen und Körpern der Menschen.«

    In der Schönen neuen Welt ist jeder glücklich. Schmutz, Krankheit und Alterserscheinungen sind ausgemerzt. Die Erinnerung an das »Lebendgebären« früherer Zeiten erzeugt bei den in Flaschen gezogenen und entkorkten Zeitgenossen wieherndes Gelächter, wenn nicht Ekel. Embryonen werden auf Entartungen untersucht, selektiert und in Embryonendepots aufbewahrt. Mutter und Vater sind »unflätige Ausdrücke«. Man stelle sich vor, »damals sechshundert Jahre vor Ford dem Herrn, [säugte] die Mutter, diese Wahnwitzige, ihre Kinder, ihre eigenen Kinder, wie eine Katze ihre Jungen, aber eine Katze mit Redegabe, eine Katze, die ohne Unterlass: ›Mein Kleinchen, mein Süßes‹, sagen konnte.« – »Die Aufzucht und Erziehung der Kinder [lag] in den Händen ihrer Eltern und nicht der staatlichen Normzentrale.«

    Für Kinder gibt es die »Kleinkindbewahranstalten«, in denen ihnen in Schlafschulen mittels »Hypnopädie« unausrottbare Reflexe angenormt werden, etwa Merksätze wie diese: »Was dir heute Freude macht, das verschieb nicht über Nacht.«

    Die Kleinen tollen nackt auf der Wiese herum und spielen »Wie machen’s die Großen«. Kinder, die keine Freude an den infantilen Sexspielen haben, gelten als krank. Von unfassbaren Verhältnissen in früheren Zeiten wird berichtet: »Während langer Zeiten vor dem Erdenwallen Fords des Herrn wurden erotische Spiele bei Kindern für widernatürlich gehalten – (brüllendes Gelächter!) –, ja nicht nur das, sondern auch für unanständig – und daher rücksichtslos unterdrückt.«

    Die meisten Schülerinnen sind von der Flasche an empfängnisfrei, denn es gilt der Satz »je zivilisierter, desto sterilisierter«, und für den Rest der Unsterilisierten gibt es den Malthusgürtel und den Verhütungsdrill, sodass »vorschriftsmäßiger Empfängnisschutz fast zu einer unwillkürlichen, unvermeidlichen Reflexbewegung [wird], wie Blinzeln.«

    Die Menschen werden mittels Fernguck, Fühlfilmen, Duftorgeln, Synthetovox, Synthetofons und Sexofonen bei Laune und auf Linie gehalten. Dafür gibt es eine Hochschule für Emotionstechnik und Gefühlsingenieure. Teilnahme an der allwöchentlichen ekstatischen Gruppenverschmelzung ist Pflicht. Einsamkeit gilt als gefährlich. »Wir lehren sie den Hass gegen Einsamkeit und richten ihr ganzes Leben so ein, dass Einsamkeit für sie nahezu unmöglich ist.«

    Sollte trotz alledem eine Unpässlichkeit auftauchen, so ist das Somafläschchen griffbereit, das jederzeit chemischen, wohldosierten Urlaub von der Realität gewährt.

    So gelingt es in der Schönen neuen Welt, dass die Menschen wollen, was sie sollen, und sie ihre Versklavung für Freiheit halten.

    In seinem Vorwort von 1946 schreibt Aldous Huxley:

    »Je mehr sich politische und wirtschaftliche Freiheit verringern, desto mehr strebt, entschädigungsweise, die sexuelle Freiheit danach, sich zu vergrößern. Und der Diktator … wird gut daran tun, diese Freiheit zu fördern. In Verbindung mit der Freiheit des Tagträumens unter dem Einfluss von Rauschmitteln, Kino und Rundfunk wird die sexuelle Freiheit dazu beitragen, seine Untertanen mit der Sklaverei, die ihr Los ist, zu versöhnen.« Es sieht ganz danach aus, »dass uns Utopia viel näher sei, als irgendjemand es sich auch nur vor zwanzig Jahren hätte vorstellen können. Damals verlegte ich diese Utopie sechshundert Jahre in die Zukunft. Heute scheint es ganz gut möglich zu sein, dass uns ein solcher Schrecken binnen einem einzigen Jahrhundert auf den Hals kommt.«

    Aldous Huxley schrieb dies, als es noch keine künstliche Befruchtung, pränatale Selektion, Samen- und Eizellen-Banken, Leihmutterschaft, »Elter 1 und Elter 2«, Kinderkrippe, Anleitung zu Sexspielen in Kindergarten und Schule, schulischen Verhütungsunterricht, Gruppendynamik, Drogenkonsum, Pornografie als Massenvergnügen gab – als das Fernsehen noch nicht verbreitet und das Internet noch nicht erfunden war.

    Die Menschen hatten gerade den Zweiten Weltkrieg überlebt und setzten ihre Hoffnung auf den neu gegründeten Völkerbund, der 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedete. Sie sollten ein Bollwerk sein gegen die unsagbaren Gräuel, durch welche Millionen und Abermillionen Menschen zu Tode gekommen waren, entwürdigt, entrechtet, enteignet, gequält, gefoltert und getötet von Menschen, die verblendet waren durch Ideologie und entmenschlicht durch die Korruption der Macht. Ein halbes Jahrhundert später ist es dieser selbe Völkerbund, der heute United Nations heißt, in dem darum gekämpft wird, dass die Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib zum Menschenrecht erhoben wird und die Völker dieser Erde die Verbindung gleichgeschlechtlicher Personen der Ehe gleichstellen.

    Wie Huxley voraussah, steht im Mittelpunkt des Angriffes auf das Wertefundament des Menschen die Sexualität. Der Kampf um die Aufhebung sexueller Normen hat einen epochalen Siegeszug angetreten. Gleichzeitig sind wir Zeugen eines epochalen kulturellen Niedergangs in der westlichen Welt. Das Wahre, Schöne, Gute, schon von Platon und Aristoteles gepriesen, ist in Verruf geraten. Es lässt sich mit Wahrheit, mit Schönheit, mit Güte kein großes Geld verdienen, aber mit Lüge, mit Hässlichkeit, mit Bosheit, mit Horror und Pornografie Milliarden.

    Wir werden mit dem Potenzial der Freiheit geboren, aber die Fähigkeit, uns in Freiheit für das Gute zu entscheiden, müssen wir uns erarbeiten. Sie ist die Bedingung von Kultur. Dazu müssen wir erzogen werden und uns selbst erziehen müssen die Kardinaltugenden lernen, die uns ermöglichen unser Menschsein zu entfalten: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Wenn eine Kultur aufhört, Tugenden hochzuschätzen und an die nächste Generation das Eigene, das Bewährte, das Kostbare durch Vorbild, Erziehung und Bildung weiterzugeben, dann gräbt sie sich ihr eigenes Grab. Noch gibt es Freiheit und es ist nicht zu spät, sie zu verteidigen. Doch muss man wissen, wer sie auf welche Weise zur Durchsetzung eigener Interessen beschneidet. Davon handelt dieses Buch.


    ¹ Platon, Der Staat. Achtes Buch, DTV, München 2007, S. 375.

    ² Frank Schirrmacher untersucht in seinem Buch Minimum, München 2006, reale Notsituationen und zeigt, dass nicht die Kräftigsten überlebten, sondern die Solidargemeinschaft Familie.

    ³ Vgl. Kiggs-Studie des Robert-Koch-Instituts: www.rki.de/kiggs

    ⁴ J. D. Unwin, Sex and Culture, Oxford University Press, Oxford 1934.

    ⁵ Ebd., Vorwort S. 7.

    ⁶ Unwin, ebd., S. 369. Unwin erklärt dies so: »Jede menschliche Gesellschaft besitzt potentielle soziale Energie. Aber sie verwirklicht sich nur dann und in dem Maß, indem auf Triebbefriedigung verzichtet wird. Die soziale Energie entsteht aus dem emotionalen Konflikt, der bei einem Verzicht auf Triebbefriedigung unausweichlich ist. Dieser Konflikt erzeugt neue Ideen und Gedanken, die zu neuen Handlungsweisen führen« (S. 317). »Die Menge der Energie und die Tiefe des Denkens hängen ab vom Maß der Einschränkung, die diese sozialen Normen auferlegen. Wenn die obligatorische Enthaltsamkeit groß ist, dann verfügt die Gesellschaft über große Energie; wenn sie klein ist, hat sie wenig Energie. Wenn es gar keine Einschränkung gibt, hat sie gar keine Energie; sie bleibt Potential« (S. 339). »Deswegen muss die Begrenzung der sexuellen Triebbefriedigung als die Ursache des kulturellen Fortschritts betrachtet werden« (S. 317).

    ⁷ Zitiert bei François Bondy, Pfade der Neugier, Zürich 1988.

    ⁸ Aldous Huxley, Schöne neue Welt, Frankfurt a. M. 1972 (Erstveröffentlichung: Brave New World, 1932).

    II. Die Wegbereiter der sexuellen Revolution von der Französischen Revolution bis heute

    Von dem, was man heute an den Universitäten denkt, hängt ab, was morgen auf den Plätzen und Straßen gelebt wird.

    José Ortega y Gasset

    Die Wegbereiter

    Die Französische Revolution hatte die autonome Vernunft zur Göttin erhoben, eine Emanze, die sich von Gott und seinen Geboten befreit hatte. Das Volk war mit schönen Worten geködert worden, die Sehnsüchte ansprachen, die jeder hegt: Liberté, égalité, fraternité – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Dabei bemerkte die Mehrheit des Volkes nicht, dass Freiheit nur auf Kosten von Gleichheit und Gleichheit nur auf Kosten von Freiheit gesteigert werden kann und die Brüderlichkeit auf der Strecke bleibt, wo Gerechtigkeit fehlt.

    Was Freiheit auf sexuellem Gebiet hieß, hatte der Marquis de Sade in einer komfortablen Zelle der Bastille zu Papier gebracht, wo er am Ende des Ancien Régime zehn Jahre lang gefangen war und Zeit hatte, jede denkbare Perversität in Worte zu fassen. Mit deren grausamer Variante, dem Sadomasochismus, bleibt sein Name für immer verbunden. Sein Roman Justine, erschienen 1791, hat wie kein anderer zur Politisierung von Sex und zur Sexualisierung der Politik beigetragen. Sade

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1