Dr. Norden Bestseller 96 – Arztroman: Der Tag, an dem er von ihr ging
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An einem naßkalten, stürmischen Novembermorgen verließ der Abteilungsleiter Kurt Jacobs, pünktlich wie immer, sein Haus. "Mit dieser Erkältung solltest du besser zu Hause bleiben, Heidi", sagte er zu seiner jungen Frau. "Es sind eh' schon einige krank", erwiderte sie. "Ich kann Dr. Behnisch nicht sitzenlassen." Er betrachtete sie mit einem langen Blick. "Nächstes Jahr wirst du nicht mehr arbeiten", sagte er. "Bereite Dr. Behnisch lieber schon jetzt darauf vor." "Aber was soll ich denn den ganzen Tag anfangen?" widersprach sie. "Ich möchte doch auch dazu beitragen, daß die Wohnung schnell abbezahlt wird." "Ich will es nicht", sagte er. "Unsere Ehe leidet darunter." Mehr sagte er nicht, und Heidi hatte den Eindruck, daß er in gereizter Stimmung war. Kurt Jacobs holte seinen Wagen aus der Tiefgarage. Es war ein roter Mittelklassewagen älteren Baujahrs. Zu Heidis Überraschung stieg er wieder aus und kam zurück. Sie sah es vom Fenster aus und lief zur Tür. "Ist etwas mit dem Wagen?" fragte sie. "Nein, du kannst ihn haben. Ich fahre heute mit dem Taxi, weil ich nachher lieber den Geschäftswagen nehme. Es ist mir gerade eingefallen. Du mußt dann nicht mit der S-Bahn fahren und dich noch mehr erkälten." "Das ist aber nett von dir", sagte Heidi, momentan ziemlich verblüfft, denn ein Kavalier war ihr Mann sonst nicht gerade.
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Familie Dr. Norden
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Dr. Norden Bestseller 96 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Bestseller -96-
Der Tag, an dem er von ihr ging
Roman von Patricia Vandenberg
Heidi Jacobs, die junge Assistentin bei Dr. Behnisch, führt eine sehr unglückliche Ehe mit ihrem Mann Kurt. Dessen furchtbares Doppelleben entdeckt Heidi erst, als er eines Tages spurlos verschwindet. Anwalt Dr. Eggers warnt Heidi vor der großen Gefahr, in der sie jetzt schwebt, denn irgend jemand schmiedet offensichtlich einen grausamen Plan…
*
An einem naßkalten, stürmischen Novembermorgen verließ der Abteilungsleiter Kurt Jacobs, pünktlich wie immer, sein Haus.
»Mit dieser Erkältung solltest du besser zu Hause bleiben, Heidi«, sagte er zu seiner jungen Frau.
»Es sind eh’ schon einige krank«, erwiderte sie. »Ich kann Dr. Behnisch nicht sitzenlassen.«
Er betrachtete sie mit einem langen Blick. »Nächstes Jahr wirst du nicht mehr arbeiten«, sagte er. »Bereite Dr. Behnisch lieber schon jetzt darauf vor.«
»Aber was soll ich denn den ganzen Tag anfangen?« widersprach sie. »Ich möchte doch auch dazu beitragen, daß die Wohnung schnell abbezahlt wird.«
»Ich will es nicht«, sagte er. »Unsere Ehe leidet darunter.« Mehr sagte er nicht, und Heidi hatte den Eindruck, daß er in gereizter Stimmung war.
Kurt Jacobs holte seinen Wagen aus der Tiefgarage. Es war ein roter Mittelklassewagen älteren Baujahrs. Zu Heidis Überraschung stieg er wieder aus und kam zurück. Sie sah es vom Fenster aus und lief zur Tür.
»Ist etwas mit dem Wagen?« fragte sie.
»Nein, du kannst ihn haben. Ich fahre heute mit dem Taxi, weil ich nachher lieber den Geschäftswagen nehme. Es ist mir gerade eingefallen. Du mußt dann nicht mit der S-Bahn fahren und dich noch mehr erkälten.«
»Das ist aber nett von dir«, sagte Heidi, momentan ziemlich verblüfft, denn ein Kavalier war ihr Mann sonst nicht gerade. Er eilte nun davon, auf den Taxistand an der Ecke zu. Heidi trank noch eine Tasse Kaffee.
Seit sechs Jahren war sie verheiratet, und vor drei Tagen hatte sie ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Nun ja, gefeiert konnte man eigentlich nicht sagen, denn Kurt hatte sich erst am Abend daran erinnert, als er den großen Blumenstrauß sah, den sie von Dr. Behnisch und seiner Frau Jenny bekommen hatte.
Es war ihm sichtlich peinlich gewesen, und als Ausgleich hatte er sie zum Essen in ein französisches Restaurant geführt. Mit Geschenken war Heidi von ihm nie überschüttet worden. Er verstand nicht zu schenken, denn er war in einem sehr nüchternen Elternhaus aufgewachsen. Als Heidi sich in den gutaussehenden Mann verliebt hatte, ahnte sie nicht, daß auch ihre Ehe sehr nüchtern verlaufen würde. Sie hatte gemeint, daß es sich ändern würde, wenn sie Kinder bekämen, aber sie bekam keines. Er zeigte sich darüber erfreut, während sie deprimiert war.
Sie war zu Dr. Leitner gegangen, dem Gynäkologen, der ihr von Dr. Daniel Norden empfohlen worden war, und da hatte sie erfahren, daß es nicht an ihr lag. Das hatte sie ihrem Mann diplomatisch beigebracht, aber er hatte abweisend darauf reagiert und erklärt, daß er an Kindersegen überhaupt nicht interessiert sei. Er wolle im Beruf vorwärtskommen, schöne Urlaubsreisen machen, und sich Vermögen schaffen.
Heidi hatte von ihrem Vater, der in Kanada in zweiter Ehe verheiratet war, zur Hochzeit dreißigtausend Mark bekommen. Diese waren dann das Grundkapital zu dieser wunderschönen Maisonettewohnung geworden, die eigentlich viel zu luxuriös für ihre Verhältnisse war. Aber diesbezüglich hatte Kurt Jacobs Ambitionen. Heidi gefiel diese Wohnung dann so sehr, daß sie schnell bereit war, wieder eine Stellung anzunehmen, um die doch recht gewaltige finanzielle Belastung schneller zu verringern. Sie hatte noch im ersten Jahr ihrer Ehe ihre Ausbildung als medizinisch technische Assitentin, MTA, wie es gekürzt hieß, abgeschlossen, und während der ersten beiden Ehejahre auch als solche gearbeitet. Dann hatten sie Kurts Mutter, die durch einen Schlaganfall halbseitig gelähmt war, zu sich genommen, und Heidi hatte sie aufopfernd gepflegt. Es war ihr von der Kranken liebevoll gedankt worden. Heidi hatte erfahren, daß ihre Schwiegermutter sie mehr liebte als den eigenen Sohn. Es war eine schwere Leidenszeit gewesen, doch für Heidi eigentlich die beste Zeit ihrer Ehe, denn während dieser drei Jahre hatte sich Kurt sehr viel Mühe gegeben, als fürsorglicher Ehemann zu erscheinen.
Seine Mutter hatte ihnen dann auch noch einige Vermögenswerte hinterlassen, und dann war die Maisonettewohnung gekauft worden. Kurt hatte Heidi gar nicht gefragt und sie vor die vollendete Tatsache gestellt. Er hatte ihr erklärt, daß es eine Überraschung für sie sein solle und zugleich ein Dank dafür, daß sie seine Mutter so rührend gepflegt hätte.
Dann erst war er damit herausgerückt, welche monatliche Belastung auf ihnen ruhte. Heidi war es gleich ganz schlecht geworden, aber dann hatte ihr Dr. Norden, dem sie ihr Herz ausgeschüttet hatte, ihr die Stellung in der Behnisch-Klinik vermittelt. Sie wurde gut bezahlt, wurde geschätzt, und sie fühlte sich wohl, weil sie Kontakt zu Menschen hatte, denn mit ihrem Mann kam sie selten ins Gespräch. Er kam nach Hause, aß und setzte sich dann vor den Fernsehapparat. Manchmal kam er erst spät heim, manchmal war er auch tagelang auf Geschäftsreisen. Und längst war Heidi sich klar darüber, daß sie mehr nebeneinander als miteinander lebten. Liebe? Solchen Illusionen gab sie sich längst nicht mehr hin, aber es gab keinen Krach, keine Konflikte. Alles ging seinen Gang. Eifersüchtige Gedanken hegte Heidi nicht. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß ihr Mann an Frauen interessiert war. Er war korrekt, sehr auf sein Image bedacht.
Dies alles ging ihr durch den Sinn, als sie zur Klinik fuhr. Punkt neun Uhr war sie an ihrem Arbeitsplatz, und dann mußte sie sich so konzentrieren, daß sie nicht über Kurt und ihre versandete Ehe nachdenken konnte. Und sie dachte schon gar nicht daran, Dr. Behnisch zu sagen, daß ihr Mann ihr gesagt hatte, daß sie im neuen Jahr ihre Stellung kündigen solle. Das kam ihr erst am Ende dieses Tages wieder in den Sinn.
Gewissenhaft widmete sie sich ihrer Tätigkeit. Am Nachmittag kam Dr. Norden, um einen Patienten zu besuchen, der an der Galle operiert war. Heidi freute sich immer, wenn sie mit Dr. Norden sprechen konnte. Er war der Traummann schlechthin, wenngleich Heidi weit davon entfernt war, irgendwelche persönlichen Wünsche mit dieser Bezeichnung zu verknüpfen. Sie kannte Fee Norden und die Kinder dieses idealen Ehepaares. Sie wußte, wie glücklich sie waren, und insgeheim wünschte sie doch, auch so glücklich zu sein. Doch längst war sie zu der Erkenntnis gekommen, daß Kurt nicht der passende Mann dazu war.
Sie wünschte sich Kinder, aber sie dachte nicht daran, sich von ihrem Mann zu trennen, um sich mit einem andern diesen Wunsch zu erfüllen. Sie hatte ja gesagt zu dieser Ehe, und dabei blieb es, wenn auch so mancher Wunsch offen blieb, so manche Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen war.
Dr. Norden hatte sich seine Gedanken über diese hübsche und tüchtige junge Frau gemacht, diese aber für sich behalten. Heidi beschwerte sich ja nicht über ihren Mann, sie hatte Dr. Norden nur einmal ihr Herz ausgeschüttet, als sie wegen der teuren Wohnung in Panik geraten war.
Als sie sich an diesem Tage trafen, konnte Dr. Norden nur feststellen, daß Heidi besser aussah denn je. Sie bekam eine ganz persönliche Note. Sie war nicht einfach hübsch, ihr Gesicht hatte sich geprägt. Ein blaues Stirnband hielt ihr ziemlich langes blondes Haar aus dem schmalen Gesicht zurück. Die blauen Augen waren nicht kühl, sondern leuchteten warm und heiter.
»Alles in Ordnung, Frau Jacobs?« fragte Dr. Norden.
»Bestens«, erwiderte sie, »nur ein bißchen erkältet.«
»Ein bißcher sehr«, erwiderte er lächelnd.
»Es wird bald vorbei sein. Dr. Behnisch hat mich ärztlich versorgt. Nur die Stimme klingt noch verschnupft.«
»Ansehen kann man Ihnen ja nie etwas«, sagte er bedeutungsvoll.
»Was wollen Sie mir denn ansehen?« fragte sie schelmisch.
»Die drückenden Sorgen«, erwiderte er leichthin.
»Sind nicht mehr so schlimm«, erwiderte Heidi. »Wir sind ja Doppelverdiener, und kostspielige Hobbys haben wir nicht. Mein Mann ist ein kühler Rechner. Er geht kein Risiko ein.«
Ein kühler Rechner! So hatte Dr. Norden Kurt Jacobs auch immer eingeschätzt. Man sagte zwar im Volksmund, daß sich zu jedem Topf ein Deckelchen fände, aber bei Heidi schien das doch nicht ganz zu passen. Dr. Norden wußte, wie gern sie Kinder haben wollte. Und ganz bestimmt wäre sie eine zärtliche Mutter. Ihm tat es immer leid, wenn gerade solche Frauen auf Mutterglück verzichten mußten.
*
Heidi hatte viel zu tun an diesem Tag. Sie blieb länger als sonst, aber da sie den Wagen zur Verfügung hatte, kam sie doch recht pünktlich nach Hause. Sie wusch sich schnell und bereitete dann das Essen vor.
Punkt sechs Uhr, wie gewohnt, war der Tisch gedeckt. Kurt kam nicht. Heidi machte sich keine Gedanken, weil sie ja wußte, daß er nicht mit seinem Wagen unterwegs war. Aber sie war es gewöhnt, daß er anrief, wenn er länger aufgehalten wurde. Doch an diesem Tag blieb der Anruf aus. Es wurde sieben Uhr. Kurt kam nicht.
Vielleicht ist er in einer geschäftlichen Besprechung und kann nicht anrufen, dachte sie. Sie aß das Schnitzel, weil sie Hunger hatte. Dann stellte sie den Fernseher an. Zur Tagesschau war Kurt noch immer nicht da. Und noch immer rief er nicht an.
Angst hatte Heidi nicht. Sie war nur völlig aus sechsjähriger Gewohnheit gerissen und irritiert. Es wird ihm doch nichts passiert sein, dachte sie dann doch, und sie stellte das Radio an. Aber es kam keine Durchsage über einen Unfall oder eine Verkehrsbehinderung. Sie wußte allerdings auch gar nicht, wohin Kurt an diesem Tage gefahren sein könnte. Er hatte es ihr vorher nie gesagt, wenn er außerhalb sein mußte. Hinterher hatte er es dann erzählt.
Sie wartete bis Mitternacht, dann legte sie sich zu