Nachdenkliches für Führungskräfte
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About this ebook
Viele Unternehmen besinnen sich auf Werte und formulieren Leitlinien. Manager suchen nach Orientierungshilfen für Entscheidungen. Immer mehr kommen dabei zurück zu ihren jüdisch-christlichen Wurzeln.
In den kurzen, prägnanten Kapiteln stellen die Autoren verschiedene Persönlichkeiten vor - von Augustinus über Karl Barth bis hin zu Margot Käßmann - und zeigen, wie christliche Werte und Leitlinien den Maßstab für ihr Handeln bilden. Auch weisen sie auf Parallelen zum heutigen Unternehmensalltag hin.
Mit Zeichnungen des bekannten Illustrators Ivan Steiger (FAZ, SZ).
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Book preview
Nachdenkliches für Führungskräfte - Claudius Rosenthal
Von Karl Barth wird erzählt, dass er einmal einem jungen, ehrgeizigen Mann den Rat gegeben habe, seine Standhaftigkeit zwar beizubehalten – aber doch zu lernen, dass die Wahrheit nur dann wahr sei, wenn sie auch gut gesagt werde.
Damals gab es noch keine Handbücher für Manager. Hätte es sie gegeben und hätte Barth mit seiner Empfehlung darin Aufnahme finden wollen: Er hätte wahrscheinlich in den Zynismus flüchten müssen. Denn was wir heute in allen erdenklichen Schattierungen und Formulierungen als Empfehlung für junge Führungskräfte serviert bekommen, liest sich in aller Regel doch eher so: dass wahre Überzeugungskraft sich darin beweise, sein Gegenüber so schnell wie möglich über den Tisch zu ziehen – zumindest aber so schnell, dass die dabei entstehende Reibungswärme als Nestwärme empfunden werde.
Der Unterschied zwischen diesen zwei Sätzen,
die auf den ersten Blick vielleicht einiges gemeinsam haben oder doch entfernt verwandt erscheinen, könnte größer nicht sein. Gewiss, beide zielen darauf, wie Unangenehmes, Schweres sich vermitteln lässt. Und doch liegen Welten zwischen jenem Vorgesetzten, der allein am Erfolg orientiert bleibt. Der schnell fertig ist mit einer Sache. Und noch viel schneller mit dem Menschen gegenüber. Der nicht nach den menschlichen Kollateralschäden fragt.
Nichts verbindet eine solche Führungskraft mit jener, die gänzlich andere Maßstäbe anlegt. Die dem Streben nach Erfolg den Menschen zur Seite stellt – auf Augenhöhe. Der es nicht darum geht, nur ein Gefühl, einen Eindruck, einen Anschein zu vermitteln. Sondern die sicher sein möchte: Ihr Gegenüber weiß, dass das Gesagte auch das Gemeinte ist. Ihr Gegenüber weiß, dass es nicht ein überrumpeltes, hinter-gangenes Objekt der Anwendung scheinbar perfekt beherrschter Führungstechnik geworden ist.
Barth also geht es damit um die Haltung, mit der wir dem anderen begegnen: dass es Güte bedarf, um Verständnis zu bekommen. Dass Warmherzigkeit nötig ist, um eine Seele nicht zu drücken und zu knechten. Dass die Person, der Mensch in den Blick genommen werden muss – und nicht nur die Sache. Barth fordert eine zutiefst christliche Haltung ein. Er knüpft die Wahrheit daran, dass im Gegenüber kein Gegner gesehen wird – sondern immer auch und zuerst der Bruder oder die Schwester. Ein Geschöpf Gottes also, dessen es unwürdig ist, über den Tisch gezogen zu werden. Und dessen Würde missachtet, wer sich in keiner Weise Gedanken darüber macht, wie eine Botschaft bei ihm ankommen wird.
Franz Kamphaus, der Limburger Altbischof,
hat Barths Rat in unsere Zeit gesprochen – und dabei keine Anleihen in der Management-Literatur unserer Tage machen müssen. Kamphaus hat seine Worte in ein Gebet gekleidet: „Herr, lehre mich ein Nein sagen, das wie ein Ja schmeckt."
Karl Barth (1886–1968)
Pfarrer und Theologe
Der Schweizer Karl Barth hat mit seinem Werk das Rückgrat der gegen den Nationalsozialismus aufstehenden Bekennenden Kirche formuliert. Er verband diese Theologie mit jenem politischen Anspruch, der Christengemeinde und Bürgergemeinde darin verbunden wusste, dass beide – bei aller Unterschiedenheit – den Menschen und das Leben in den Blick nehmen.
Barth war zeitlebens von einem tiefen und tiefsinnigen Humor geprägt. Auf die Frage beispielsweise, ob wir denn im Himmel unsere Lieben wiedersehen würden, soll er geantwortet haben: „Ja, gewiss! Und nach kurzem Überlegen fügte er dann augenzwinkernd hinzu: „Aber die anderen auch!
August Bebel wurde „Arbeiterkaiser genannt. Weil er mit Herz und Seele Sozialist war. Aber: Bebel leitete auch einen kleinen mittelständischen Betrieb, um sich – wie er freimütig zugab – die für die politische Arbeit notwendige Unabhängigkeit zu sichern. Bebel war also auch Unternehmer. Und als solcher soll er kurz vor der Jahrhundertwende auch einmal das preußische und das österreichische Rechtssystem verglichen haben. Mit einem beeindruckenden Ergebnis: „In Österreich hat man schlechte Gesetze, aber man wendet sie lau an. Bei uns sind sie besser – aber man wendet sie so an, dass sie schlechter werden als die schlechtesten in Österreich. Uns fehlt eben die österreichische Schlamperei.
In die Sprache des betrieblichen Alltags übersetzt:
Wie viele Unternehmen könnten auf eine zufriedenere Belegschaft blicken, würden vielleicht sogar bessere Bilanzen aufweisen, wenn sie den Mitarbeitern nicht nur nach Maßgabe von Recht und Gesetz begegneten – sondern es gelegentlich etwas „österreichischer" zugehen ließen? Wenn sie zur rechten Zeit mal ein Auge zudrückten. Fünfe gerade sein ließen. Etwas großzügiger, gelassener wären.
Und um wie viel besser könnte ein Gemeinwesen sein, das etwas weniger vermessen wäre. Das nicht meint, jeden noch so individuellen Fall in Paragrafen pressen zu müssen – in der trügerischen Hoffnung, damit einen menschlicheren Staat zu befördern. Um wie viel humaner könnte unser Miteinander sein, wenn der Verstaatlichung des Menschen Grenzen gezogen würden?
„Der Buchstabe tötet – der Geist aber macht lebendig, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth. Bebel wird den Völkerapostel wohl gekannt haben. Er wird ihm vielleicht sogar recht gegeben haben. Und es ist überaus interessant, sich Paulus und Bebel im Zwiegespräch vorzustellen: in dem der eine ein wenig „Schludrigkeit
einfordert, der andere Barmherzigkeit – und beide letztlich das Gleiche meinen. In dem der eine etwas mehr Gelassenheit und Gleichgültigkeit will, der andere von einer Idee redet, die beseelt – und beide letztlich gar nicht über Kreuz liegen. In dem der eine vom höheren Nutzen der Oberflächlichkeit spricht, der andere von Mitgefühl und Nächstenliebe – und beide allein den Menschen mit seinen Schwächen, mit seinen Bedürfnissen im Blick haben. Weil beide letztlich wissen, dass eine allzu orthodoxe Unternehmensführung nicht automatisch Erfolg bringt. Weil Großmut und Langmut sich in einer ganz anderen Art und Weise rentieren, ganz anders verzinst werden.
Papst Johannes XXIII.
hat diese Erkenntnis mit nur wenigen Worten auf den Begriff zu bringen vermocht, als er seinen eigenen Führungsstil einmal charakterisieren sollte: „Alles sehen, vieles durchgehen lassen, weniges anmahnen ."
Johannes XXIII. (1881–1963)
Geboren als Angelo Guiseppe Roncalli; Papst von 1958 bis 1963
Als „der gute Papst" ist Johannes XXIII. in die Geschichte eingegangen – als der Papst, der die Öffnung der katholischen Kirche wie kein Zweiter beförderte. Und der wohl auch wie kein anderer Papst vor ihm um Versöhnung nicht nur innerhalb der Christenheit bemüht war, sondern auch die