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Unvergessen
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Ebook326 pages4 hours

Unvergessen

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About this ebook

Romantische Balladen und heißer Jazz!

Rett Jamison feiert als Jazzsängerin Triumphe. Eines Tages wird sie zum Klassentreffen eingeladen, organisiert von Cinny Keiler, Retts damaliger großer Liebe. Die persönlichen Worte auf der Einladung klingen verheißungsvoll und wecken Erinnerungen an leidenschaftliche Stunden. Zu diesem Klassentreffen erscheint auch Angelica Martinelli, inzwischen eine renommierte Krebsforscherin. Angelica war schon zu High-School-Zeiten in Rett verliebt, doch damals hatte Rett nur Cinny im Sinn ...
LanguageDeutsch
Release dateJul 31, 2013
ISBN9783944576084
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    3/5
    Karin Kallmakers Unforgettable (Unvergessen) ist wieder ein Buch, für dessen Rezension ich nur schwer einen Anfang finden konnte. In weiten Teilen ist die Handlung recht abwechslungsreich und bietet auch gute Unterhaltung. Was den Einstieg einer Bewertung so schwierig macht ist wohl eher die Tatsache, dass sich Unforgettable mit sehr alltäglichen Problemen befasst und dabei oft übers Ziel hinausschießt.Die Handlung konzentriert sich auf Rett, deren Leben mit knapp vierzig nicht ganz so harmonisch verläuft, wie sie sich das gewünscht hat. Ihre Karriere befindet sich auf einem kritischen Level mit Tendenz abwärts und ihr Selbstbewusstsein hat auch schon bessere Tage gesehen. Die Trennung von ihrer Langzeitfreundin Trish wird allerdings in vielerlei Hinsicht zum Wendepunkt für Rett. Da wird nicht nur die ungesunde Beziehung endlich beendet, aus der bis dahin etwas unterwürfig erscheinenden Rett wird von heute auf morgen eine insgesamt stolze und selbstbewusste Frau. Die Engagements steigen wieder und auch privat tritt eine neue Frau in Retts Leben.Retts Charakter ist in vielerlei Hinsicht interessant, was wohl vor allem ihrem Beruf als Sängerin geschuldet ist. Die Autorin schildert den Gesang recht glaubhaft und man gewinnt den Eindruck, dass sie sich damit auskennen muss. So wird dem Roman ein Hauch von der Eleganz der goldenen 20er Jahre zuteil, dem rauchigen Aroma eines Film Noir und dem Pomp einer Big Band. Gleichzeitig gibt es auch Einblicke hinter die Kulissen, in die Gedanken und Vorbereitungen kurz vor einem Auftritt. Irritierend dabei ist Retts manchmal etwas gespalten wirkende Persönlichkeit. In manchen Beziehungen wirkt sie recht unsicher und hormongesteuert, dann ist sie wieder jemand der unaufhaltsam wirkt und keinerlei Unsicherheit zu kennen scheint. Eigentlich würde ich das gerne unter »Ambivalenz einer Person« verbuchen, aber es wirkt einfach nicht glaubhaft. Außerdem schien der Autorin Retts großes Gesangstalent nicht gereicht zu haben, darum hat sie ihr auch noch ein eidetisches Gedächtnis verpasst. Soweit, so naja …Dieses »naja« setzt sich dann auch in anderen Figuren fort. Es gibt eine gute Hand voll Nebencharaktere, die dieser romantischen Erzählung einen durchaus unterhaltsamen Aspekt beisteuern. Besonders wichtig ist natürlich Angel, die zunächst als eine spontane Affäre in Erscheinung tritt, dann aber eine wichtige Rolle in Retts Leben einnimmt. Angel ist eine preisgekrönte und angesehene Wissenschaftlerin, die vor allem auf dem Gebiet der Erforschung von Brustkrebs agiert. Eine weitere wichtige Person in Retts Leben ist ihre Agentin und Managerin Naomi, ebenso die alte Schulfreundin Cindy, der sich Rett im Laufe eines Klassentreffens erneut stellen muss. Alle Frauen sind um die vierzig, manche kämpfen noch mit ihrer Identität, andere haben sich von der grauen Maus zur verführerischen Schönheit entwickelt. In Unforgettable sind fast ausschließlich Frauenfiguren unterwegs – Männer haben nur kurze Auftritte – die zudem alle überdurchschnittlich erfolgreich, begabt und in den meisten Fällen lesbisch sind. Die Quote lesbischer Frauen ist schon sehr unrealistisch hoch, angesichts der gewählten Szenerie eines Kleinstadt-Klassentreffens.Etwas zu stark konstruiert erscheint auch der Versuch der Autorin zusätzlich noch so viele ernste Themen hinein zu quetschen. Da ist einmal Angels Forschungsgebiet: Brustkrebs. Zwar grundsätzlich wichtig anzusprechen, im Rahmen dieser Handlung aber eher auf einen moralischen Fingerzeig am Wegesrand reduziert, der zum Augenrollen animiert. Ein anderer Stolperstein ist Retts Auseinandersetzung mit ihrer lieblosen Mutter, die sie aus guten Gründen seit dem Schulabschluss nicht mehr gesehen hat. Da das Klassentreffen in ihrer alten Heimatstadt stattfindet sieht sich Rett auf einmal verpflichtet ihre ansässige Mutter noch einmal zu konfrontieren. Es fällt sehr schwer diesen Gedankengang der Autorin nachzuvollziehen und es scheint eher der Versuch zu sein, politisch möglichst korrekt aufzutreten. Warum sollte man sich mit jemandem versöhnen wollen, von dem man sich aus Selbstschutz entfernt hat? Keine Ahnung ehrlich gesagt und die Episode endet dann auch wie man es erwarten kann und führt den ganzen Handlungsstrang ad absurdum.Einen kleinen Abzug gibt es außerdem für mangelnde Rechtschreibung. Wenn das selbst jemandem auffällt der Englisch weder als Muttersprache hat noch ein großes Ass in diesem Schulfach war, dann solle man sich als Verlag vielleicht überlegen einen (neuen) Korrektor einzustellen. Insgesamt macht das Buch leider den Eindruck in Eigenregie entstanden zu sein. Dafür ist es ganz gut, aber es fehlt eindeutig der Feinschliff in Sachen Logik und Präsentation.Hauptsächlich ist Unforgettable also die Geschichte einer Frau die sich aus einer ausbeuterischen Beziehung befreit, sich neu verliebt und einen Weg zwischen Liebe, Karriere und den Geistern ihrer Vergangenheit sucht. Dass die Figur lesbisch ist gibt dem ganzen eine nette Abwechslung und es ist selten genug, dass das Thema in Romanen eine ungezwungene und wertungsfreie Anwendung findet. Außerdem ist Unforgettable eine nette Abwechslung zur sonst patriarchalisch dominierten Erzählwelt. Wer also mit der Zeit geht und das Glück hat aufgeschlossen zu sein, der wird mit diesem kurzweiligen Roman, trotz verschiedener Mängel, eine nette Zeit verbringen können.

Book preview

Unvergessen - Karin Kallmaker

FRAUEN IM SINN

Verlag Krug & Schadenberg

Literatur deutschsprachiger und internationaler

Autorinnen (zeitgenössische Romane, Kriminalromane,

historische Romane, Erzählungen)

Sachbücher und Ratgeber zu allen Themen

rund um das lesbische Leben

Bitte besuchen Sie uns: www.krugschadenberg.de.

Karin Kallmaker

Unvergessen

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch

von Andrea Krug

K+S digital

Für Maria

1

„… zeigt an, dass wir unsere Reisehöhe erreicht haben. Zu Ihrer Sicherheit und Bequemlichkeit …"

„Es geht immer nur darum, dass du es bequem hast. Du könntest deinen Hintern ab und zu auch mal hochkriegen!"

Rett schüttelte den Kopf, lehnte sich wieder in den unbequemen Flugzeugsitz zurück und versuchte erneut, einen Weg in den Schlaf zu finden, der keine Neuinszenierung des demütigenden Streits mit Trish mit sich brachte. Sie war hundemüde und wollte nur eines: den ganzen Flug von La Guardia nach LAX über schlafen. Sie hatte die ganze vergangene Woche über nicht gut geschlafen, weil ihr jedes Wort von Trish im Kopf herumgeschwirrt war.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen, während das Mittagessen zubereitet wird?" Erneut erklang die nasale Stimme des Flugbegleiters. Rett war die eifrige Fürsorge in der ersten Klasse nicht gewöhnt. Sie hatte gehofft, die etwas bequemeren Sitze würden die gesammelten Meilenpunkte, die sie für den Aufschlag eingelöst hatte, wert sein, doch das wäre nur dann der Fall, wenn sie ein wenig Schlaf bekäme. Aber es war angenehm, von vorn bis hinten bedient zu werden.

„Wasser, bitte", murmelte sie. Sie lag hinter ihrem täglichen Soll zurück, und Schlaf schien ohnehin unwahrscheinlich. Sie trank die Flasche in wenigen Zügen leer und schloss die Augen.

So müde …

„… zu Ihrer Rechten sehen Sie Hunderte von Seen, die Minnesota auszeichnen, und auch den großartigen Lake Superior …"

„Du kommst dir so großartig vor. Schön, du kannst singen. Na und? Wir haben dieses Jahr weniger Umsatz gemacht als letztes Jahr, und deine ,Ich bin ein nettes Mädchen‘-Tour zieht nicht länger. Wenn du berühmt werden willst, dann benimm dich entsprechend."

Desorientiert öffnete Rett ein Auge und sah, wie der Flugbegleiter ihrem Sitznachbarn einen frisch zubereiteten Caesar-Salat servierte.

„Ah, Sie sind wach, bemerkte der Steward munter. „Möchten Sie das Filet oder lieber Chicken Newburg?

Rett räusperte sich. „Chicken Newburg. Ihr Stimme klang wie ein Froschquaken. Sie legte die Hand an die Kehle. „Und noch ein Wasser, bitte.

Schlucken erzeugte eine winzige Spur Schmerz, der ihre Alarmglocken schrillen ließ. Sie hatte ihre Stimme die ganze Woche lang überstrapaziert. Sie hatte die Band, mit der sie aufgetreten war, ebenso genossen wie das enthusiastische, Swing und Jazz liebende Publikum. Sie hatte so lange gesungen, wie das Publikum sie hören wollte, um nicht in ihr Hotel zurückkehren zu müssen und den Streit erneut in ihrem Kopf ablaufen zu lassen.

Sie wollte sich nicht von Trish trennen, aber vielleicht war es unvermeidlich. Trish hatte recht – in drei Wochen würde sie vierzig werden, und die Zeit lief ihr in mehr als einer Hinsicht davon. Lieber Himmel, es war ein schrecklicher Streit gewesen. Sie hatte miterlebt, wie Trish andere fertiggemacht hatte, aber Trishs Pfeile waren nie zuvor so unbarmherzig auf sie gerichtet gewesen.

Sie war dermaßen müde …

„… die klare Sicht erlaubt es, die Rocky Mountains auf beiden Seiten bis zum Horizont zu verfolgen …"

„Du willst deinen Horizont erweitern? Du dummes kleines Ding – Leute wie wir kommen nie aus Woton, Minnesota, raus. Du warst ein Niemand, als du geboren wurdest, und du wirst nie was anderes sein."

Rett erwachte und umklammerte die Armlehnen ihres Sitzes. Du lieber Himmel, sie war von Trish zu ihrer Mutter übergegangen. Klar, sie war müde, aber warum um alles in der Welt war sie dermaßen neben der Spur, dass sie nach all den Jahren von ihrer Mutter träumte?

Sie wollte nicht riskieren, wieder einzuschlafen, und aß deshalb zögerlich von dem Eis mit heißer Schokoladensauce, das der Flugbegleiter ihr aufgedrängt hatte. Sie blinzelte die Tränen zurück und schalt sich selbst, dass sie sich nicht besser im Griff hatte – zum Teufel auch, ihre Kehle schnürte sich immer mehr zu und die daraus folgenden Schmerzen und das reduzierte Stimmvolumen würden mindestens zwölf Stunden anhalten. Ihr Hals war jetzt schon wund genug, um eine Weile über dem Inhalator zu hängen. Trish würde sagen, dass die Inhalatorkur nur ein Vorwand war, um sich vor dem Besuch einer Party oder einer Premiere oder einer sonstigen unsinnigen Gelegenheit zu drücken, bei der sie Menschen, denen sie nie wieder begegnen würde, versprach, sich mit ihnen zum Mittagessen zu treffen. Niemand erinnerte sich je an Rett Jamison.

Hör auf damit! befahl sie sich. Du hast schon genug Kummer, mit dem du fertigwerden musst, ohne auch noch Selbstmitleid obendrauf zu packen.

Sie legte die Stirn gegen das kühle Fenster. Sie war so müde …

„Bitte, hör auf! hatte sie gefleht. „Nichts, was du sagst, wird mich dazu bringen, irgendeinen Produzenten anzubetteln, mir doch eine Chance zu geben.

Trish schnaubte verächtlich. „Ach, nein? Ist das etwa mein Job? Sie kickte ein Badetuch fort, das auf dem Fußboden lag. „Ich reiß mir den Arsch auf, und du bist dir zu schade, einen Anruf zu machen? Wer bist du denn schon? Als ob du ohne mich jemals irgendwas erreichen würdest!

Trish war nie zuvor dermaßen sauer auf sie gewesen, aber Rett hatte nicht einlenken wollen. „Du erzählst mir doch immer, ich soll mich auf meine Musik konzentrieren und du würdest dich um den Kleinscheiß kümmern. Dafür kriegst du schließlich deine fünfzehn Prozent." Rett hatte das Thema Geld eigentlich nicht ansprechen wollen, doch plötzlich konnte sie es sich nicht mehr verkneifen.

„Ich hätte mehr verdient. Den Termin zum Vorsingen zu bekommen war schwer genug, und nun weigerst du dich, telefonisch nachzuhaken."

„Naomi hat den Termin vereinbart, nicht du. Und Naomi hat nicht gesagt, dass ich nachhaken soll."

Trish bebte vor Wut. „Lass die Zicke aus dem Spiel! Als nächstes erzählst du mir noch, dass du mehr Kohle verdient hast, als sie noch deine Managerin war und nicht nur deine Agentin."

Es stimmte. Ach, wie gern hätte Rett das gesagt. Es erforderte den letzten Rest Selbstkontrolle, den sie noch aufbringen konnte, um die Worte, die ihr schon auf der Zunge lagen, nicht auszusprechen. Mit zitternder Stimme sagte sie statt dessen: „In zwei Stunden bin ich auf dem Weg nach New York –"

„Und eben deshalb solltest du deinen Hintern zum Telefon bewegen und diesen Produzenten anrufen. Ich habe auf vier Parties rumgehangen, um herauszufinden, wer den Film produziert."

„Ich glaube, es wird nach hinten losgehen." Es war nicht allein das Unbehagen angesichts der geforderten Eigenwerbung, das sie stur bleiben ließ. Sie vertraute darauf, dass Naomi, die seit vielen Jahren ihre Agentin war, es sie wissen ließ, wenn sie es für ratsam hielt, einen Produzenten anzurufen. In diesem Animationsfilm von Disney zu singen war die Chance ihres Lebens, und sie wollte sie auf keinen Fall vermasseln.

„Was zum Teufel verstehst du schon davon? Du hast keine Ahnung, wie es funktioniert, Rett Jamison, Inc. in den schwarzen Zahlen zu halten. Du vertraust meinem Urteil nicht. Du bist manchmal solch eine verdammte Landpomeranze. Liebe Güte, du gibst eine dermaßen lächerliche Figur ab. Sieh dich doch an – bis zum Hals zugeknöpft und den Arsch verkniffen wie Nancy Reagan. Ich weiß nicht, wieso ich mir überhaupt die Mühe mache."

„Trish, hör auf! Ich muss zum Flughafen …"

Rett rutschte auf ihrem Sitz herum. Sie wollte die endlose Wiederholung des Streits unterbinden.

„Ich werde vielleicht nicht mehr hier sein, wenn du zurückkommst! hatte Trish gefaucht. „Es gibt Menschen, die wissen mich durchaus zu schätzen. Apropos New York – denk dran, dass wir knapp bei Kasse sind.

„… nach dem kühlen Morgen in New York landen wir bei angenehmen zwanzig Grad auf dem Flughafen von Los Angeles. Wir werden unseren Sinkflug in wenigen Minuten beginnen. Der Rückenwind, der uns die wunderbar klare Sicht während des Fluges beschert hat, bringt uns zudem fünfundvierzig Minuten früher ans Ziel."

Plötzlich konnte Rett Louis Armstrong gefühlvoll „What a Wonderful World" singen hören. Die Worte glitten in ihr schlaftrunkenes Hirn, und sie wollte in dem Lied verharren, in dem der Himmel blau war und Trish sie nicht anschrie. Sie träumte, sie sänge ein Duett mit Chet Baker, oder war es Tony Bennett? Nein, nein, es war Ella Fitzgerald, oder vielleicht sogar Rosemary Clooney. Sie durchlebte noch einmal die vergangene Woche, in der sie all deren Lieder gesungen und das Publikum sie um Zugaben angefleht hatte. Sie sollte sich eigentlich fühlen wie im siebten Himmel, wie ein Star.

Sie fühlte sich wie ein Ballon, aus dem die Luft entwich.

Eine aufdringliche Stimme übertönte ihre Traumduetts. „Wir beginnen unseren Anflug auf Los Angeles. Bitte legen Sie die Sicherheitsgurte an …"

„Haben Sie vor der Landung noch einen Wunsch?" Wieder erklang die nasale Stimme des Stewards, der für die erste Klasse zuständig war.

„Wasser", antwortete Rett automatisch. Er war im Nu mit einer weiteren Flasche Quellwasser zurück, und Rett versuchte ihre Schläfrigkeit zu überwinden, während sie einen Schluck nach dem anderen trank. Sie fühlte sich ein wenig ausgeruhter, aber die Tage, an denen sie problemlos mit weniger als drei Stunden Schlaf ausgekommen war, waren vorbei. Es mangelte ihr an den emotionalen Reserven, um mit der hässlichen Situation zwischen ihr und Trish fertigzuwerden. Sie seufzte tief.

„Anstrengende Reise?" Der Mann neben ihr packte seinen Laptop ein. Als sie ihre Plätze eingenommen hatten, hatte Rett befürchtet, er würde womöglich die ganze Zeit über reden wollen, doch sobald die Ankündigung erfolgt war, dass nun elektronische Geräte eingeschaltet werden dürften, hatte er sich in die Börse eingeloggt.

„Bloß müde. Ich regeneriere mich nicht mehr so schnell wie früher. Es gab mal eine Zeit, da konnte ich bis drei Uhr morgens singen und um neun schon wieder im Studio stehen. Und das wochenlang am Stück."

„Kommt mir bekannt vor. Er verstaute den Laptop in der Gepäckablage und setzte sich wieder. „Früher konnte ich aus dem Flieger steigen und schnurstracks zu zwei Besprechungen, einer Cocktailparty und einem ausgedehnten Geschäftsessen gehen. Heute will ich nur noch in die Badewanne und dann ins Bett.

„Klingt wundervoll, stimmte Rett zu. Dann überlegte sie, dass ihre begeisterte Zustimmung als Anmache aufgefasst werden könnte. Sie warf ihrem Nachbarn einen Seitenblick zu. „Ich habe ein Jacuzzi zu Hause, und genau das peile ich an.

Er schien erleichtert zu sein. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Wussten Sie, dass Sie im Schlaf summen?"

Rett wurde rot. „Nein, das wusste ich nicht. Von einem Mann ein solch intimes Detail über sich zu erfahren – damit hatte sie nicht gerechnet. „Das hat mir noch nie jemand gesagt.

„Ich glaube, es war ein Lied von Cole Porter."

„Ich singe viele Lieder von Cole Porter, gab Rett zu. „Er ist einer meiner Lieblingsinterpreten.

„Meiner auch. Treten Sie öfter im Großraum L.A. auf? Ich habe einen Freund, der diese Art von Musik liebt – Jazz und so."

„Ich bin Ende Juli auf dem Newport Jazz Festival. Mit David Benoit und anderen."

„Dann werde ich mir Karten besorgen. Er zog einen Palm Pilot hervor und machte sich eilig mit einem winzigen Stift Notizen. „Rett Jamison, stimmt’s? Er grinste. „Ich habe es auf Ihrem Gepäckanhänger gelesen. Wir werden nach Ihnen Ausschau halten. Nach Ihrem Auftritt werde ich ihm erzählen, dass ich Sie im Schlaf habe summen hören – da wird er Augen machen."

Retts Schwulenradar schlug an. „Erzählen Sie das nicht meiner Freundin – sie gehört nicht zu denen, die in diesen Dingen Spaß verstehen." In Wahrheit verstand Trish ziemlich viel Spaß, aber Rett wollte sichergehen, dass er kapierte, dass sie seine Botschaft verstanden hatte und ihm auf gleicher Wellenlänge antwortete.

Seine Baßstimme war nun von einem leichten Südstaatenakzent gefärbt. Atlanta, dachte sie. „Ich bezweifle, dass Sie sich zu der Zeit noch an mich erinnern werden, aber wenn Sie mich in der Menge entdecken, dann winken Sie. Ich werde tun, als könnte ich kein Wässerchen trüben."

„Kein Problem, erwiderte Rett. „Ich vergesse nie ein Gesicht. Ich vergesse überhaupt nie irgend etwas. Ein fotografisches Gedächtnis, ein nahezu vollkommenes Erinnerungsvermögen – für sie als Künstlerin war es ein Segen – ihm hatte sie ihr umfangreiches Repertoire zu verdanken. Es führte jedoch auch dazu, dass sie jedes einzelne Wort von Trish frisch und gnadenlos schmerzhaft im Kopf hatte.

Der Steward nahm ihre leere Wasserflasche fort, und wenige Minuten später war das Flugzeug weich gelandet. Ein kurzer Blick aus dem Fenster bestätigte die Worte des Flugkapitäns. Mai in L.A. bedeutete eine milde Brise, blauen Himmel und warmen Sonnenschein. In New York war es noch ziemlich kühl gewesen, vor allem nachts.

Ihr Handy piepte, als sie auf der Suche nach einem Bus-Shuttle aus der Ankunftshalle trat. Im Display las sie den Namen ihrer Agentin: Naomi Grey. „Ich bin gerade gelandet, sagte sie ohne Begrüßung. „Lass mich zumindest mal Luft holen.

„Ich muss dich sofort sehen. Naomi klang nur eine Spur entschuldigend. „Ich bin in fünf Minuten am Flughafen. Ich hole dich ab und fahre dich nach Hause.

„Schön – wenn ich mir auf diese Weise den Bus-Shuttle ersparen kann. Meine Haltestelle wäre die letzte, und ich würde für die zwanzig Meilen drei Stunden unterwegs sein. Rett verspürte eine Woge der Erleichterung. „Ich bin sogar bereit, über geschäftliche Dinge mit dir zu sprechen. Na gut, dir zumindest zuzuhören, während du über geschäftliche Dinge sprichst. Ich bin ziemlich erledigt.

„Ich weiß, Herzchen. Aber die Sache duldet keinen Aufschub."

Sie stand am Bordstein und fragte sich, was Naomi so Dringendes zu besprechen haben mochte. Ein neues Engagement vielleicht? Nein, etwas so Profanes hätte Naomi nicht für sich behalten. Sie hätte eine Nachricht hinterlassen. Es sei denn, es waren wirklich umwerfend gute Neuigkeiten. Einen Moment lang hatte Rett heftiges Herzklopfen. Vielleicht hatte Disney sich gemeldet. Sie würde die Singstimme einer Schauspielerin in einem Animationsfilm sein. Wenn es sich um diesen Rückruf handelte, dann hätte sie sich den ganzen Streit mit Trish sparen können.

Sie versuchte, ihre Erwartungen im Zaum zu halten. Das Leben einer Künstlerin bestand nun einmal aus einer langen Reihe von Absagen, die von Augenblicken des Triumphes durchbrochen wurde. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass sich die Absagen in ihrem Fall auf ein Minimum beschränkten. Sie hatte ihre Nische gefunden, und das war mehr, als die meisten Sängerinnen und Sänger von sich behaupten konnten. Außerdem würde das ihre Probleme mit Trish wohl kaum dauerhaft lösen können. Es würde höchstens eine vorübergehende Versöhnung mit sich bringen.

Naomis Audi kreuzte mehrere Fahrspuren und kam am Bordstein zum Stehen. Rett warf ihr Gepäck in den Kofferraum und ließ sich auf den Beifahrersitz sinken. Naomi hatte schon immer eine Vorliebe für niedrige Wagen gehabt.

Rett wartete, bis Naomi sich auf den Century Boulevard eingefädelt hatte, bevor sie mit ihren Fragen begann. Sie begegnete den Fahrern von Flughafen-Shuttles mit tiefem Misstrauen und war überzeugt davon, dass das Benutzen von Flughafenzubringern gefährlicher war als Fliegen. „Also, was sind das für Neuigkeiten, die nicht warten konnten?"

„Ich lade dich zu einem Drink ein. Und dann erzähle ich dir alles."

Rett sah, dass Naomi unbehaglich zumute war. Also kein Disney-Deal. „Ich brauche kein Beruhigungsmittel, um für schlechte Nachrichten gewappnet zu sein."

„Aber ich", erwiderte Naomi knapp.

„Wir können bei mir zu Hause etwas trinken."

„Ich möchte ungestört sein."

Rett war verwundert. In einer Bar würden sie kaum ungestörter sein als bei ihr zu Hause. Doch wahrscheinlich war Trish dort, was wiederum bedeutete, dass Naomi Trish nicht dabeihaben wollte. Na prima. Trish und Naomi gerieten ständig aneinander, und sie musste sich andauernd als Friedensstifterin betätigen. Doch im Moment, wo zwischen ihr und Trish dermaßen dicke Luft herrschte, würde ihr das kaum möglich sein.

Die Spannungen zwischen den beiden waren nichts Neues. Sie waren sich von Anfang an nicht grün gewesen. Vier Jahre zuvor hatte Rett Naomis Zuständigkeitsbereich von Agentin und Managerin auf Agentin begrenzt und die Liebe ihres Lebens zu ihrer Managerin erklärt. Trish hatte damals mehrere kleine Stars und eine weitere Sängerin gemanagt, und sie alle hatten unterdessen Karriere gemacht. Trish konnte Rett ihre hundertprozentige Aufmerksamkeit widmen. Sie waren ineinander verliebt. Es war Rett damals nur logisch erschienen, doch jetzt fragte sie sich, warum die anderen Talente, die Trish gemanagt hatte, nach einigen Jahren allesamt zu anderen Managern gewechselt waren. Es war kein loyaler Gedanke, und Rett wollte ihn im Augenblick nicht weiterverfolgen. Ihre sonstigen Probleme mit Trish reichten ihr schon.

Naomi hatte ihre Entscheidung mit Gleichmut hingenommen, aber die Spannung – eine Spannung, die Rett den konkurrenten Naturen der beiden Frauen zugeschrieben hatte – war unverändert geblieben.

Als sie in der Cocktailbar eines Hotels Platz genommen hatten, sagte Rett: „Ich glaube, heute habe ich nicht die Energie, die Wogen zwischen dir und Trish zu glätten." Sie wollte Naomi nichts von dem Streit zwischen ihnen erzählen und von Trishs Drohung, sie zu verlassen.

Naomi trank einen Schluck von ihrem Wodka Tonic und verzog das Gesicht. „Das brauchst du auch nicht. Du weißt, dass ich sie nicht mag. Damit habe ich nie hinterm Berg gehalten. Ich weiß, dass sie der Meinung ist, dass ich sie dir gegenüber schlecht mache, aber sie hat ja keine Ahnung – ebensowenig wie du –, wie oft ich an dem, was zu sagen ich mir verkniffen habe, fast erstickt wäre. Heute morgen jedoch habe ich etwas erfahren, das das Fass zum Überlaufen bringt. Du hast die Wahl – entweder sie oder ich –, und ich erwarte nicht, dass du dich für mich entscheidest. Sie ist deine Geliebte, und ich akzeptiere das."

Rett blinzelte verwirrt. Naomi wollte sie nicht länger vertreten? Der Gedanke war ihr nie in den Sinn gekommen. Naomi war seit zehn, zwölf Jahren für sie tätig – eine lange Zeit. Naomi war eine Agentin, die sich ihre Klientinnen aussuchen konnte. Verdammt – sie beide drohten sie zu verlassen. Trish hatte schon öfter damit gedroht, bei Naomi hingegen war es das erste Mal. Und Naomi stieß keine leeren Drohungen aus.

Aus Loyalität Trish gegenüber hätte sie nicht fragen sollen. Sie hätte erst Trish anhören sollen. Doch Rett konnte es nicht lassen. „Was ist passiert?"

„Vor drei Tagen habe ich erfahren, dass Disney sich für dich entschieden hat."

Rett schluckte. Naomis Gesicht war zu düster für diesen verheißungsvollen Auftakt. „Und?"

„Trish hat dir nichts davon erzählt, stimmt’s? Ich hatte ihnen gesagt, sie sollten sich wegen der Terminabsprache mit Trish in Verbindung setzen. Heute rief mich die Casting-Managerin von Disney an – eine Gefälligkeit mir zuliebe, weil wir uns kennen, seit wir in den Windeln lagen –, um mir zu sagen, dass die Sache sich erledigt habe."

Naomis langjährige Freundschaft mit der Casting-Managerin war einer der Gründe dafür gewesen, dass Rett zur Audition eingeladen worden war. Rett fürchtete die Antwort und ahnte doch bereits, was geschehen war. „Und warum?"

„Es sei zu schwierig, mit dir zu arbeiten."

Rett starrte Naomi eine volle Minute lang an, während ihr das Blut in den Ohren rauschte. Zu schwierig, mit ihr zu arbeiten? Mit ihr? Als ihr vor Ungläubigkeit nicht länger der Kopf schwirrte, begriff sie, was passiert sein musste. Ihre Ungläubigkeit verwandelte sich in Wut. Heiser sagte sie: „Ich glaube, ich brauche jetzt auch einen Drink. Als Naomi mit einem Wodka Tonic für sie von der Bar zurückkehrte, bebte Rett vor Zorn. „Was genau ist geschehen? Sie trank einen großen Schluck Wodka und hörte zu, wie Naomi ihre Befürchtungen bestätigte.

Naomis Gesicht war starr, doch Rett hätte nicht zu sagen vermocht, ob vor Zorn oder vor Resignation. „Obwohl Disney der Meinung ist, dass du über das seltene Timbre verfügst, das ihr Komponist im Sinn hat, bist du ihnen denn doch nicht so wichtig, als dass sie bereit wären, dir eine Limousine samt Fahrer zur Verfügung zu stellen und für deine fünf oder sechs Begleiterinnen erstklassiges Catering zu ordern. Ich habe einen überaus kostbaren Gefallen eingefordert, um dir die Audition zu verschaffen und das Versprechen, sich für dich zu verwenden, und sie hat es verdammt noch mal vermasselt – für dich wie für mich."

Rett hätte vor Wut in die Luft gehen können. Die kostbare Chance, um die sie, wäre es nach Trish gegangen, den Produzenten hätte anflehen sollen, war ihnen in den Schoß gefallen – doch das hatte Trish nicht genügt. Sie hatte beschlossen, dass Rett Jamison die Diva spielen musste, um eine zu werden.

Dass Trish ihre Interessen vertrat, war eine Sache, doch überzogen zu reagieren war etwas anderes. Es war Rett nie gelungen, Trish diesen Unterschied klarzumachen. Es war wie die Sache mit dem Wasser. Die meisten Menschen wussten nicht, warum Rett vor einem Auftritt zimmertemperiertes Wasser verlangte, doch als das letzte Mal jemand versehentlich eisgekühltes Wasser gebracht hatte, war Trish über den armen Kellner hergefallen. Rett hatte Trish bitten wollen, innezuhalten – einfach nur um anderes Wasser zu bitten und die Sache auf sich beruhen zu lassen, doch sie war wie erstarrt gewesen. Weil Trish sich in letzter Zeit, wann immer sie zornig wurde, allen Anwesenden gegenüber grausam verhielt, und das letzte, was Rett vor einem Auftritt gebrauchen konnte, war eine vernichtende verbale Attacke von ihrer Geliebten. Gegen Trishs Grausamkeit wusste Rett sich nicht zu wehren. Während der letzten Monate hatte sie einfach nur versucht, Trishs Zornesausbrüchen aus dem Weg zu gehen. Der letzte Streit war nur der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Auseinandersetzungen gewesen.

Jetzt musste sie sich diesem Problem stellen. Die ganze vergangene Woche über hatte sie sich den Kopf zerbrochen, wie sie ihre Beziehung wieder kitten könnte, denn um ohne Trish noch einmal von vorn anzufangen war sie zu mutlos gewesen. Doch wie konnte sie diesen Bruch kitten? Eine Chance wie diese würde sich kaum ein zweites Mal eröffnen. Und wenn es sich herumsprach, dass Rett Jamison eine zickige Diva war, brauchte sie sich künftig nicht zu wundern, wenn Engagements rar gesät waren.

Wie hatte Trish den Karren dermaßen in den Dreck fahren können?

Sie holte tief Luft. Sie war sich bewusst, dass Naomi sie beobachtete. Wut ist Energie, sagte sie sich. Wut kann dafür sorgen, dass du den Hintern hochkriegst und endlich tust, was du tun musst, um Veränderungen herbeizuführen.

Anmaßung gegenüber Disney war das letzte, was sie sich leisten konnte. Wie oft war sie im vergangenen Jahr zusammengezuckt, wenn Trish sie schnodderig belehrt hatte, dieser Agent oder jener Promotor sei ein schleimiger Widerling und mit Widerlingen würden sie keine Zeit verplempern, es sei denn, sie zahlten weit mehr als das übliche Honorar, um den Schleimfaktor auszugleichen. Wenn sie ein höheres Honorar verlangte, wurden manche Angebote zurückgezogen. Wie oft hatte Trish nach solchen Absagen verkündet, dass Rett in diesem Jahr nicht mehr Geld verdiente als im Jahr zuvor, wohingegen ihre Kosten gestiegen seien? Wie lange schon hatte Rett das unbehagliche Gefühl, mit ihrer Karriere ginge es bergab, obwohl sie sich das wahrhaftig nicht leisten konnte? Vierzig stellte für viele Sängerinnen eine unüberwindliche Mauer dar.

Als sie nach New York aufgebrochen war, war sie sich wie eine Versagerin vorgekommen. Ihr Kontostand war so niedrig wie ihr Selbstbewusstsein. Trish hatte ihr gesagt, dass sie während der Reise würde sparen müssen. Für den anstehenden Sommer sähe es mau aus, es sei denn, der Disney-Deal käme zustande.

Die

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