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Portierisch: Nachrichten aus dem Berge in Courier New
Portierisch: Nachrichten aus dem Berge in Courier New
Portierisch: Nachrichten aus dem Berge in Courier New
Ebook167 pages2 hours

Portierisch: Nachrichten aus dem Berge in Courier New

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"Portierisch", das heißt "gewöhnlich". Der Erzähler ist aus diesem gewöhnlichen Umfeld in die inneren Kreise altösterreichischer Adelsreste aufgestiegen. Dort verfolgt er die Beziehungen und Hierarchien zwischen den Einheimischen mit genauen und ironischen Beobachtungen. Immer an seiner Seite: der Amerikaner Courier, der durch seine Verständnisschwierigkeiten Gesprächen oft eine sprachspielerische Wendung gibt. Nachrichten aus dem Berge nennt Ferdinand Schmatz seine Aufzeichnungen, die einen klar umrissenen Raum zum Thema haben: ein abgeschiedenes Tal in den steirischen Bergen samt seiner Bewohner.
LanguageDeutsch
PublisherHaymon Verlag
Release dateAug 7, 2012
ISBN9783709974230
Portierisch: Nachrichten aus dem Berge in Courier New

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    Portierisch - Ferdinand Schmatz

    Titel

    Ferdinand Schmatz

    Portierisch

    Nachrichten aus dem Berge in Courier New

    1

    Drinnen in Fustritztal 

    oder der Tod, plötzlich

    – Ich habe mich entschlossen, keinen Roman zu schreiben, sagt der Amerikaner,

    – dennoch trifft er mich sicher ins Herz, der Schriftschütze, male ich mir aus, während wir miteinander kräftig Schritt holen auf der Landstrasse, die zunächst in engen Kehren den Sattel hinaufsteigt und sich nach der Passhöhe sanft nach unten schlängelt,

    – so sanft, wie ich mit den Tasten ansetze auf dem Vorstellungsklavier, denke ich, er heisst Courier und ist auf der Suche nach Spuren jenes Philosophen, der sich in dem Ort weiter unten, vor dem Pass, aufgehalten haben soll,

    – halt!, schreit da jemand, sie betreten privates Forstgebiet,

    – stop!, rufe ich dem Amerikaner zu, der Förster des Grafen Zup versperrt uns den Weg,

    – aber wir sinds doch, gebe ich mich dem Förster Rasinger zu erkennen,

    es war zum Lachen, dieser plötzliche und unerwartete Widerstand des Herrn Rasinger, doch Beruf ist Beruf, sagt er, was ich dem Courier übersetze, dieser zischelt mir zu, aber Gastwirt ist er auch, und wir beide verstehen

    – habt ihr vielleicht Löwen hier, brüllt er den Rasinger an und schüttelt sich seine Mähne vor Lachen, der Amerikaner hat langes gewelltes Haar, mir fällt da­zu die Föhnwelle ein, als hinter uns dreien der Gutsherr Zup hupt, der zu seinem Herren­haus rauffährt und irgend etwas Englisches in Richtung Courier nuschelt,

    ich blicke nachdenklich zu Boden, aber sofort wieder hoch, mich hat der Föhn angeweht, mein Blick bleibt am kahlgerodeten Gegenhang kleben, auf frischem Grund zwischen den Baumstümpfen wiegt das Gras im Wind seine grüne Mähne,

    – Philosophie und Prärie, das reimt sich, aber Welle und Föhn, rätselt Courier,

    – das kann man zusammensetzen, weil es aus dem richtigen Leben kommt, sage ich zu Courier, aus dem Berufsleben nämlich, und der schüttelt den Kopf,

    der Förster fährt inzwischen in Schlangenlinien dem Grafen Zup nach, sie halten, treten beide auf die neu aufgeschüttete, baumlose Terrasse vor dem Haus und zeigen auf den dichten Baumbestand darunter,

    – hier wird bald Holz gefällt, dann hat der Föhn keine Widerstände mehr, prophezeit der Amerikaner in das Säuseln des Windes hinein, der in Richtung Fustritz­wald bläst, das in einer kleinen Senke unter dem Herren­haus liegt,

    – hui, hui, der Wind das liebliche Kind, summe ich, und Courier drängt zu den Rasingers auf ein Bier in die einzige Wirtsstube von Fustritzwald hinab, verballhornt dabei den Markennamen und fragt mich dann ohne jede Scheu über den Tisch hinweg, ob wir hier im Grünmärkischen nur Güsser trinken, sodass ich zurück- und ihn ansprudle, ö, ö, Mister Courier, und überhaupt so nebenbei, Biere habe ich schon bessere getrunken –

    das war der letzte Satz vom Vater meiner Frau Belinda auf der Intensivstation, nach gut überstandener Aorta-­Operation mit einem rosigen Gesicht und einem Brustkorb, der sich hob und senkte durch die künstliche Beatmung wie noch nie in seinem Leben zuvor, sein Körper frisch aufgepumpt, die Backen voll und die Wangenhaut gespannt, gab er eine Fülle von Leben ab

    – so richtig ungesund gesund, dachte ich mir noch, ein echtes Wellental ist dieses Leben, während sie ihm Blut abnahmen und ihm die ganze Brust aufstachen, da sie auf den Armen keine Abzapfstelle mehr fanden, wodurch unzählige blutige Papierfetzchen auf seinem Bett herumlagen, nachdem die künstliche Beatmung vorbei und er auf dem Weg der Besserung war und deshalb auch auf der Inter-care-Station lag, aber mit einem Schlag, und schon war es schnell aus –

    das Spiel neigt sich dem Ende zu, der Sieger steht noch nicht fest, wen wird es wohl treffen, höre ich eine Stimme aus dem laufenden Radio über der alten Holzschank im Gasthaus krächzen, und mein Freund fällt mir ein, der andere Dichter, der während seiner Schreibepausen zu­hört, aufschaut, nachdenkt und sich dabei sehr oft den Kopf halten muss vor lauter Weh –

    ist er ein wahrlich ganzer Dichter, sportresultathör­besessen und ein eleganter Fusswanderer zugleich, das heisst, er simuliert Gehen und Wandern durch das mehr oder minder heftige Kreisen seines Unterwadenfusses sowie durch Anziehen und Loslassen des Ristbeines, mit dem er gekonnt Kilometer für Kilometer durch sein Gebirg geht, diese Wege dabei immer konsequenter geht in der Vorstellung seiner Muskeln, die tanzen und zittern,

    ich sehe sie, wenn er sich schnell und verlegen vor mir umkleidet, und ich bin, ich weiss nicht, beeindruckt oder angewidert von dem, was da so abgeht

    – wir gehen eben, wie es uns halt geht, rede ich mir ein, aber Courier will solche Erklärungen nicht hören, er sieht das Leben nicht so, er blickt vom Talpanorama zurück auf die Einzelheiten und geht nicht vom Detail der Wellen aus, sondern vom ganzen Wellental eben, das für ihn im Gespräch immer das Auge, der Mund, die Stirn des Gegen­übers ist, die Föhnwelle registriert er kaum,

    – fragen Sie mich nie, was einer antrug, stellt er dazu fest, und ich verbessere ihn, was einer anzog, meinen Sie, was er trägt, welche Kleider und so, tragen, trug, getragen, wandelt er ab, eifrig wie immer, und ich ziehe ihn am Är­mel, um ihn zurechtzustutzen,

    – Grüss Gott, sagt da die Frau Rasinger, oder war es die Tante ihres Mannes, die den Hund des Försters be­hütet, der übrigens einen Hut trägt, sage ich mit vorgehaltener Hand zu dem Philosophiesucher und greife mir automatisch an die Stirn, weil sich der Rasinger, der Hundeherr, den Hut vom Kopf reisst, als er den beeindruckenden Courier sieht,

    den Philosophen, der aus der künstlichen Intelligenz kommt und sich aus dieser zurückgezogen hat, ihr und somit sein eigener Kritiker wurde, eine amerikanische Eiche, ein mächtiger Baum im Wald der Widerständler, die sich mit grauer werdenden Haarwellen gegen die von ihnen ins Leben gerufene Austauschbarkeit des Einzigartigen stemmen,

    mich interessiert das für mein Schreiben, aber der Dichterfreund lächelt nur – Philosophie und Literatur unter einem Hut, tut nicht gut, ist fraglich pur, ergänzt Courier, und bestätigt die Meinung des Dichterfreundes, dass Courier ein begnadeter Gesprächspartner hier in den Bergen sei, wo

    – wie uns die Tante erzählt, nicht nur der Hund zu blöd ist, um sich Menschen zu merken und stets eine Beiss- und Schnappgefahr darstellt, weshalb ich nicht mehr beleidigt bin, von ihm nicht wiedererkannt zu werden, anders bei Courier, der sagt ihm was, und so zieht das Viecherl den Schwanz ein, als Frau Rasinger zwei Gösser-Helle auf den Nachbartisch stellt, Holzfäller, junge Burschen, schütten sie sofort hinunter, Weizen­baum kommt mir da in den Sinn, aber so bekannt wie dieser ist Courier nicht, ausserdem trinkt er kein Weissbier,

    da ruft überraschend der Gutsherr in der Gaststube an und lädt uns zu einem Schnitzelessen ein, kommt ihr Freund auch, fragt mich Courier und ich bin sicher, dass er kommt, es bleibt nämlich stets bei derselben Gesellschaft im Gutshaus, zu dem die Einheimischen Schloss sagen und sich so die alte Ehrfurcht bewahrt haben und ein klein wenig Untertanen geblieben sind, leben sie doch vom Gutsherrn, dem Grafen Zup, aber eine der beiden Seiten versteht sich als kleinerer, die andere als grösserer Ausbeuter, und so funktioniert die Partnerschaft hier sehr sozial –

    Zup jedoch reflektiert die sozialen Abhängigkeiten und Verstrickungen weder von oben noch von unten, die Gebäude des Lebens, die An- und Abwesen jener, die in diesen ihr Dasein auszutragen haben, wie Courier sagt, nimmt er als gegeben hin, kühl und selbstverständlich, wie er mit Belesenheit und feinstsinnigem Kunstverstand seine Urteile fällt, über das in den Gräben Gebaute hinwegsehend, ob­wohl er Architektur studiert hat und einen Skulpturenpark und Bauerngarten anlegen will vor seinem in Weiss und Braun gebauten Haus, das ihn als das ausweist, was er ist hier, der Herr Graf Zup

    – sein Kosename, der ist für jede Maschine ein Problem, platzt es aus Courier heraus, als der Grafenname fällt, es donnert, und schon platzt ein Gewitterregen herab, da trinke ich lieber mein Güsser, sagt er unverdrossen, und Rasingers Hasso verzieht sich unter die Tische im kleinen Nebenzimmer, der Förster und Wirt Rasinger lacht, aber er und wir wissen nicht, wem er, als es ans Zahlen geht, wirklich dankt,

    – und keiner sagte was zum wirklichen Tod, die Tatsache der Endlichkeit schien irgendwo ins Unend­liche verschoben, raisoniere ich, in leichter Bierstimmung, vorweinschwer, selbst die Schwätzer hielten sich damit zurück, nur mein Vater erzählte beim Leichen­schmaus des Belindavaters eine Geschichte, als es ums Verbrennen oder Beerdigen ging, die zeichne ich nicht auf, sperrt sich Courier mürrisch und dreht sein Diktier- und Tonbandgerät, das er immer dabei hat, ab – jeder Tscheche wird vergast, soll mein Vater so zum Spass zum Arbeitskollegen in den fünfziger Jahren gesagt haben, aber ich nicht, antwortete sein Hafnerkollege in der Firma Malenkuvich, in meinem Geburtsort Kornenburg, doch du auch, – ja, das war ein ziem­licher Spass, erzählte mein Vater, als sie den einen dann hineingestopft haben in den Ofen, und die Hitze darin für das Tongeschirr- und Kachelbrennen soll extrem stark gewesen sein, aber

    – ich hörte nicht richtig hin, und zum Tod fällt sowieso keinem was Gescheites ein, schon gar nicht, wenn es so schwül ist wie an diesem Vormittag, will ich noch hinzufügen, aber Courier hat den Raum verlassen und rennt einem Mann entgegen, der kurzhemdärmelig und patschnass die Strasse zum Gasthof heraufeilt, fängt ihn auf der Höhe der ehemaligen Eisenbahnhalle ab und redet wie wild auf ihn ein,

    – allein das Geräusch des Windes kühlt, sage ich an einem anderen Tag zu Belinda, wir wandern den Ohrwaschlgraben hinauf, und ich denke mir, wozu tu ich mir das an, bei dieser Hitze mit vollem Magen, und denke mir, alles läuft wie von selbst, immer wieder, und schon kommt uns der Herr Winder mit seinem Traktor entgegen, eine Fuhre Erde und Betonreste auf dem Anhänger, er schwitzt in seinem blauen Arbeitsanzug und winkt uns verlegen zu –

    ich aber mache in diesem Moment den rechten Winkel mit dem gestreckten Arm zur Brust hin, denn ich stehe in der Hauptstadt und somit in der Waagerechten, nämlich meinen täglichen Turnus turnend, der mich am Kreislaufleben hält, der meine Säfte zirkulieren lässt, dass mir das Gleichgewicht erhalten bleibt und ich das alles zu tragen und ertragen verstehe, was ich unter anderem hier von Courier und dem Fustritzwald schildere, während ich meine Übungen zur Ertüchtigung des Körpers durchziehe, regelmässig, wie es mir so eigen ist, so wie ich regelmässig einiges andere wie etwa den Ab­wasch oder die Staublurchfegeaktion mit dem Stielwedel oder das Durchlüften der Räume abwickle, um mir ja keinen Wickel aus Fett, Staub oder Mief einzuhandeln, so halte ich auch hier meine mir selbst auferlegte Passion durch, atme ein, beuge mein Knie, kreise meinen Rumpf, frage mich, was das so ist – mein Körper, vor allem das, was er denn so will von mir, atme aus, wie es sich gehört, und höre, was mir mein Gedächtnis und meine inneren Bilder in das Gegenwärtige diktieren, dass ich es aufzeichne und umforme gemeinsam mit Courier, dem Schrifthelfer, ganz frei von der so unfreien Leber weg,

    auf jene ebenso nicht ganz freien, sich nicht mehr von selbst regenerierenden Geister, etwa auf den Herrn Winder hin, von dem der Zup einmal sagte, ihn behalte ich, damals, als er die letzte grosse Kündigungswelle im Dorf startete, der Herr Winder kann bleiben, und so fährt dieser jeden Tag abgehetzt durch die Gegend, einmal den Forstweg mit dem Traktor rauf, dann die Hauptstrasse mit dem Rover hinunter, einmal biegt er im eigenen Kleinjeep zum Feuerwehrhaus ab, dann wieder bremst er sich vor dem ehemaligen Forsthaus gegenüber dem Schloss mit dem Bagger ein, wo jetzt der Herr Zorn mit seiner migränegebeutelten Frau lebt und alle, auch unseren Rasen rund­herum mäht, je nachdem, wie es die Arbeit, die vom Fen­­s­ter­öffnen bis zum Leitungslegen reicht, verlangt, oder er biegt zur Garage ab, die von den Fenstern des Dichterfreundes aus zu sehen ist, auf die auch der Herr Zorn mit seinem Aufpasserexjagdhund Hirschmann sein stets wachsames Auge werfen kann,

    jene Ablade- und Dingverhortungsstelle, in die ich jetzt, langsam, aber unsicher in den Handstand übergehend, blicke, in meinen Abstellplatz der gespeicherten Räume, und festhalte, während ich fast keinen Halt mehr am Bo­den finde, dass die Garage, einst die Schneidehalle des

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