Die großen Western 101: Die Todfeindschaft
By Joe Juhnke
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Dicky Samson ist ein äußerst verzogener Bursche von 19 Jahren. Die einzige Beschäftigung, der er nachgeht und die ihm die Zeit vertreibt, sind Parties und alle denkbaren Vergnügungen. Oder er hängt träge in der Hängematte unter den schattenspendenden Pinien, die im Park des elterlichen Anwesens stehen, und stiehlt dem lieben Herrgott den Tag. Dieser schmächtige Bursche trägt ständig beide Hände tief in den Taschen vergraben, was zur Folge hat, dass sein Rücken gebeugt und die Brust eingefallen ist. Eine krankhafte fahle Blässe bedeckt sein Gesicht, so wie man sie bei Menschen findet, die an Tuberkulose oder sonst einer schleichenden Krankheit leiden. Das dachten auch eine Zeit lang seine Eltern, doch die ärztliche Untersuchung ergab, dass Dicky trotz seines schmächtigen Aussehens und der Bleichheit ein kerngesunder Mensch ist, aus dem, wenn er endlich einmal körperliche Arbeit leiste, ein stattlicher Mensch werden könne. Aber arbeiten? Brrr, bei diesem Gedanken läuft immer eine Gänsehaut über Dickys Rücken. Arbeit? Psawh, welch ein Wort. Es ist überhaupt nicht in Dickys Lexikon zu finden. Weshalb auch. Dickys Eltern gehören zu den oberen Hundert Detroits. Ihr Bankkonto besitzt eine ordentliche Anzahl von Nullen am Ende. Dicky ist noch jung, sonst hätte er sich bestimmt schon einmal Gedanken darüber gemacht, woher der Reichtum – das viele Geld – kommt. Seinen Eltern wurde bestimmt nichts geschenkt. Wie viele schlaflose Nächte, welcher Schweiß mag an dem Geld hängen, das Dicky mit vollen Händen ausgibt. Sein Taschengeld ist bedeutend höher als der Monatslohn eines Vaters von einer vierköpfigen Familie. Und wenn dieses nicht reicht, dann hilft heimlich die Mutter ihrem "Sonny" aus.
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Die großen Western 101 - Joe Juhnke
Die großen Western
– 101 –
Die Todfeindschaft
Joe Juhnke
Dicky Samson ist ein äußerst verzogener Bursche von 19 Jahren. Die einzige Beschäftigung, der er nachgeht und die ihm die Zeit vertreibt, sind Parties und alle denkbaren Vergnügungen. Oder er hängt träge in der Hängematte unter den schattenspendenden Pinien, die im Park des elterlichen Anwesens stehen, und stiehlt dem lieben Herrgott den Tag.
Dieser schmächtige Bursche trägt ständig beide Hände tief in den Taschen vergraben, was zur Folge hat, dass sein Rücken gebeugt und die Brust eingefallen ist. Eine krankhafte fahle Blässe bedeckt sein Gesicht, so wie man sie bei Menschen findet, die an Tuberkulose oder sonst einer schleichenden Krankheit leiden.
Das dachten auch eine Zeit lang seine Eltern, doch die ärztliche Untersuchung ergab, dass Dicky trotz seines schmächtigen Aussehens und der Bleichheit ein kerngesunder Mensch ist, aus dem, wenn er endlich einmal körperliche Arbeit leiste, ein stattlicher Mensch werden könne. Aber arbeiten? Brrr, bei diesem Gedanken läuft immer eine Gänsehaut über Dickys Rücken.
Arbeit? Psawh, welch ein Wort. Es ist überhaupt nicht in Dickys Lexikon zu finden.
Weshalb auch.
Dickys Eltern gehören zu den oberen Hundert Detroits. Ihr Bankkonto besitzt eine ordentliche Anzahl von Nullen am Ende.
Dicky ist noch jung, sonst hätte er sich bestimmt schon einmal Gedanken darüber gemacht, woher der Reichtum – das viele Geld – kommt. Seinen Eltern wurde bestimmt nichts geschenkt. Wie viele schlaflose Nächte, welcher Schweiß mag an dem Geld hängen, das Dicky mit vollen Händen ausgibt.
Sein Taschengeld ist bedeutend höher als der Monatslohn eines Vaters von einer vierköpfigen Familie. Und wenn dieses nicht reicht, dann hilft heimlich die Mutter ihrem »Sonny« aus. Er ist der einzige Sohn, und den soll man verwöhnen.
Obwohl Vater Samson oft über die Faulheit seines Sohnes schimpft, er ihm immer wieder Vorhaltungen macht, Dicky bleibt derselbe Faulenzer. Arbeiten will er nicht, nur Vergnügen und nochmals Vergnügen.
Well, das ist Dicky Samson, der verzogene Sohn eines Millionärs.
Dicky kann sich alles leisten, alles kaufen.
Und trotzdem bleibt er ein einsamer Mensch, denn das Einzige, was mit Geld nicht zu erwerben ist, ist Freundschaft – echte Freundschaft.
Die Menschen, mit denen Dicky verkehrt, suchen seine Freundschaft nicht uneigennützig. Sie sehen in dem schmalbrüstigen Fant mit dem aufgeblasenen Wesen und den schlechten Manieren nichts anderes als ein Werkzeug, mit dessen Geld sie sich allesamt amüsieren können.
Wehe, wenn Dickys Taschengeld einmal gesperrt würde. By Gosh, alle, die ihn im Augenblick wie Schmetterlinge umschwärmen, würden sich von ihm abwenden, denn im Grunde genommen verachten sie den bleichsüchtigen Dicky Samson.
*
Samson senior ist ein rast- und ruheloser Geschäftsmann. Ständig arbeitet sein Geld, er selbst ist Besitzer der größten Bank Detroits. Von der Detroit Evalcin-Zentralbank besitzt er bis auf einen kaum nennenswerten Teil sämtliche Aktien. Und auch sonst steckt er in verschiedenen gewinnbringenden Geschäften.
Wie allabendlich, wenn er nach einem anstrengenden Geschäftstag nach Hause kommt, wirft er einen kurzen Blick in den Park, wo lässig zwischen zwei Pinien Dicky auf der Hängematte schaukelt. Seit einer Woche ist das Dickys Platz. Vom Morgen bis zum Abend liegt er dort und starrt gen Himmel. Nicht einmal zu Tisch erscheint er, sondern lässt sich das Essen bringen. Eigentlich könnte Samson senior mit dem Sohn zufrieden sein, denn solange Dicky im Park bleibt, gibt er kein Geld aus und macht keine Dummheiten. Und doch beunruhigt ihn diese Tatsache. Es ist gegen Dickys Gewohnheit, den ganzen Tag still auf einem Platz zu liegen.
Irgendetwas ist geschehen.
Ich muss mir den Burschen einmal vorknöpfen, denkt der Alte und tritt auf die breite Marmorveranda.
»Hallo, Dicky!«, dröhnt sein Bass durch den Park. Erschrocken richtet Samson junior sich auf und starrt zu dem Rufer hin.
»Was gibt’s, Pa?«
»Komm doch mal in mein Arbeitszimmer.«
»Hast du etwas Besonderes?«
»Du wirst es schon sehen. Ich erwarte dich in einer Viertelstunde.«
»Gut.«
Mit gerunzelten Augenbrauen blickt Dicky hinter der hünenhaften Gestalt des Vaters her.
Als Dicky sich nach einiger Zeit erhebt, erkennt man erst, wie schmächtig der Bursche ist. Wie ein wandelndes Skelett schleicht er in gebeugter Haltung dem Hause entgegen.
Schmal und eingefallen sind seine Wangen, tief in den Höhlen liegen seine Augen.
Je näher Dicky dem Hause kommt, um so zögernder werden seine Schritte.
Ohne Zweifel. Samson senior hat recht. Mit Dicky stimmt etwas nicht. Wie der Junge dahinschleicht, verkörpert er das schlechte Gewissen in Person.
Und Dicky hat ein schlechtes Gewissen, ein verdammt schlechtes.
Vor einer Woche war er in einem Spielklub und hatte gespielt. Nicht etwa um einen Dollar oder zehn.
By Gosh, nein, im Flamingoklub geht es gleich um Hunderte und Tausende. Und Dicky hat dort mitgehalten.
Verbissen wie ein Fanatiker spielte er, setzte so lange sein Geld reichte, und als seine Taschen leer waren, tat er das, was sein Vater ihm niemals verzeihen wird. Er stellte Schuldscheine aus, in der Hoffnung, sein Geld zurückzugewinnen. Aber Fortuna stand auf der anderen Seite. Immer tiefer verstrickte er sich. Bald waren es 10.000, 20.000 und schließlich 50.000 Dollar.
50.000 Dollar! Mit einem Male erkennt Dicky, welcher Reichtum das ist.
Zehn Tage blieben ihm, um diesen Betrag aufzutreiben.
Zwei Tage lief er sich fast die Sohlen heiß, ging von Freund zu Freund. Doch keiner borgte ihm einen Cent. Überall das gleiche: »Bedaure, Dicky, aber im Augenblick bin ich selbst pleite. Versuche es doch mal bei Clinn.«
Bei Clinn war es auch nicht anders. Bei Patty Lerdey ebenfalls – Immer und immer wieder dieses Bedauern.
Die einzige Person, die ihm helfen konnte, war Betty Lourd. Die Lourds sind ebenso reich wie die Samsons, und Betty erzählte ihm einmal, dass sie 100.000 Dollar auf der Bank liegen hätte, über die sie jederzeit verfügen könnte. Betty Lourd würde bestimmt helfen, aber gerade diesen Menschen würde Dicky niemals anpumpen. Irgendetwas ist es, was ihn davon abhält.
Betty war immer so nett zu ihm, stand immer auf seiner Seite, auch wenn er im Unrecht war.
Nein, Betty Lourd kommt in keinem Falle in Frage.
Nach zwei Tagen gab Dicky es auf. Mit einem Male erkannte er, was überhaupt mit seinen Freunden los war. Nichts als Vamps waren es, Blutegel, die er mit seinem Taschengeld durchschleppte.
Angeekelt zog er sich in die Einsamkeit des Parkes zurück.
Er will keinen Menschen mehr sehen.
So ging es acht lange Tage. Tage, denen noch längere Nächte folgten. Und in keiner dieser Nächte konnte Dicky schlafen.
Heute ist der Stichtag. Ob man Vater schon angerufen hat? Nein, dann wäre er nicht so freundlich gewesen.
Vielleicht ist etwas anderes, vielleicht ein Ausweg.
Dieser Hoffnungsstrahl lässt unwillkürlich Dickys Schritte beschleunigen. Die Kühle des Vorzimmers nimmt den jungen Mann auf. Mit weit ausgreifenden Schritten wandert Dicky über die dicken, kostbaren Teppiche, die jeden seiner Schritte dämpfen. Kurze Zeit später steht er vor der großen reichverzierten Eichentür, die zum Zimmer des Vaters führt.
Einen Augenblick zögert Dicky und lauscht der Stimme des Vaters. Scheinbar spricht er gerade mit jemandem.
Ja, nun hallt auch eine zweite, bedeutend hellere Stimme auf. Leise öffnet der junge Mann die Tür einen Spalt weit.
»Aber, Persey, beruhige dich doch!«, hört er die Mutter sprechen. »Dicky ist bestimmt kein schlechter Mensch.«
»Dieser Taugenichts. Fünfzigtausend Dollar in einer Nacht zu verspielen. Erinnerst du dich noch. Vor dreißig Jahren, was haben wir da im Monat verdient? Mitunter waren es kaum dreißig Dollar, dabei hast du dich krummgeschuftet. Und wofür? Für deinen Sohn? Aus diesem Weichling wird niemals etwas oder vielleicht ein Verbrecher. Zeige mir die Schuldscheine des Klubs.«
Wie unter Peitschenhieben zuckt der heimliche Lauscher zusammen. Was sagt sein Vater? Aus ihm würde ein Verbrecher?
Geräuschlos zieht Dicky die Tür hinter sich zu und hastet den Flur entlang, springt drei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hoch und verschließt sich in seinem Zimmer.
Dicky Samson junior fühlt sich zu Tode gekränkt. Immer wieder hämmert das eine Wort gegen seine Schläfe.
Verbrecher, Verbrecher!
Ho, dieser alte Geizkragen. Was sind fünfzigtausend Dollar für ihn?
In zwei Stunden kann er sie verdienen. Aber dem eigenen Sohn helfen, nein, das will er nicht!
Mit fliegendem Atem reißt Dicky den Koffer vom Schrank, wirft blindlings einige Kleidungsstücke hinein, nimmt sein letztes Geld, etwa dreihundert Dollar, und eilt wieder die Treppe hinunter.
Kein Mensch merkt, wie Dicky das Haus verlässt.
Der gekränkte Stolz Dickys lässt es nicht zu, noch länger als eine Minute mit dem Vater unter einem Dach zu wohnen.
Dicky Samson sieht nur die eine Seite. Es will ihm gar nicht einleuchten, wie recht sein Vater hat.
Was kann er denn? Worauf beruht denn sein ganzer Stolz?
Diese Frage stellt Dicky sich nicht, oder will sie nicht stellen.
Sein nächstes Ziel ist der Bahnhof.
Weg von hier, weg von all den Menschen, die ihn enttäuschten.
Da gerade ein Zug aus dem Bahnhof fährt, schwingt er sich kurzerhand auf den Perron.
In südwestlicher Richtung dampft das eiserne Ross aus der