Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Sweet Florida Keys: Abenteuerroman
Sweet Florida Keys: Abenteuerroman
Sweet Florida Keys: Abenteuerroman
Ebook283 pages3 hours

Sweet Florida Keys: Abenteuerroman

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Eine wilde Story über die abwechslungsreiche Lebensgeschichte eines modernen Simplicissimus' auf der Suche nach Erfolg und Liebe.

"Sweet Florida Keys" erzählt die abwechslungsreiche Lebensgeschichte von Peter Reynolds. Der Sohn eines verschollenen Amerikaners und einer Norddeutschen fliegt aufgrund eines falschen Verdachts in den 60ern von der Schule und schlägt sich mit unterschiedlichen Jobs durchs Leben. Ambitioniert erzielt er große Erfolge als Selbstständiger, wird aber durch Missgeschicke auch immer wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Wie ein Simplicissimus schlägt sich der unbeugsame Abenteurer durchs Leben. Was ihn antreibt ist die Sehnsucht nach seiner Traumfraum Meta, seiner Jugendliebe. Er heiratet sie, wird geschieden, sucht Trost in Affären und gelangt in den 90ern bis nach Florida, wo er das überraschend geerbte heruntergekommene Motel seines Vaters fortführt. Zufällig stößt er bei der Renovierung auf ein unerwartetes Geheimnis seines unbekannten Vaters. Damit kommt er seinem Traum näher, "auszusteigen" und mit einer eigenen Segelyacht um die Welt zu segeln. Am liebsten natürlich mit seiner großen Liebe.
Wie bei allen Romanen von Klaus Barski verleiht der Autor seinem Helden teils autobiographische Züge. Auch Barski erbaute und führte in den 90ern in Florida ein Motel, genoss Luxus und Highlife und sammelte leidenschaftlich historische Gemälde, die auch im Roman eine Rolle spielen.
LanguageDeutsch
Release dateSep 2, 2014
ISBN9783932927898
Sweet Florida Keys: Abenteuerroman

Related to Sweet Florida Keys

Titles in the series (7)

View More

Related ebooks

Action & Adventure Fiction For You

View More

Related articles

Related categories

Reviews for Sweet Florida Keys

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Sweet Florida Keys - Klaus Barski

    Bibliografie

    Der Frankfurter Spekulant (1999) •

    Der Loser (2000) •

    Der deutsche Konsul (2001) •

    Exil Ibiza (2003) •

    Lebenslänglich Côte d’Azur (2005) •

    Blut-Zeitung (2008) •

    Prügel für den Hausbesitzer (2012) •

    Sweet Florida Keys (2014) •

    Der Autor

    Klaus Barski, einer der von ganz unten kommt (Arbeiterfamilie, keine Schulbildung, Arbeitsbeginn mit 13 Jahren), schaffte mit harter Arbeit und gesundem Geschäftsinstinkt den Aufstieg vom Volksschüler und Sozialhilfeempfänger zum millionenschweren Immobilienkaufmann und Schriftsteller.

    In all seinen Romanen schildert er mitreißend, schonungslos und doch immer mit einem selbstironischen Augenzwinkern knallharte, oftmals abenteuerliche Erfahrungen, wie sie ihm auch auf seinem Lebensweg in ähnlicher Weise widerfahren sind. Klaus Barski ist dementsprechend natürlich kein Leisetreter. Gerne erzeugt der Werbeprofi Aufsehen. So als er anlässlich der Veröffentlichung seines Romans Der deutsche Konsul medienwirksam echte und gefälschte Dollars aus dem Fenster warf. Oder als er mit Luxuslimousine im Frankfurter Café Schwille aufkreuzte um seinen Ozelot an einer Eisenkette auszuführen – Klaus Barski: eben ein echter (Erfahrungs-)Millionär mit Tick und Charme.

    Klaus Barski

    SWEET

    FLORIDA

    KEYS

    Abenteuerroman

    1. Jöricke, Frank:

    Mein liebestoller Onkel, mein kleinkrimineller Vetter und der

    Rest der Bagage

    Münster: Solibro Verlag 1. Aufl. 2007

    ISBN 978-3-932927-33-1 / gebundene Ausgabe

    ISBN 978-3-932927-36-2 / Broschur-Ausgabe

    eISBN 978-3-932927-53-9 (epub)

    2. Barski, Klaus:

    Prügel für den Hausbesitzer

    Tatsachenroman eines Immobilienspekulanten

    Münster: Solibro Verlag 1. Aufl. 2012

    ISBN 978-3-932927-48-5

    eISBN 978-3-932927-52-2 (epub)

    3. Barski, Klaus:

    Sweet Florida Keys

    Abenteuerroman

    Münster: Solibro Verlag 1. Aufl. 2014

    ISBN 978-3-932927-78-2

    eISBN 978-3-932927-89-8 (epub)

    ISBN 978-3-932927-89-8

    1. Auflage 2014 / Nachdr. der österr. Ausg. von Der Loser (Libro AG 2000) © SOLIBRO® Verlag, Münster 2014

    Alle Rechte vorbehalten.

    Umschlaggestaltung: Wolfgang Neumann

    Coverfoto: AGCuesta/Bigstock.com

    Lektorat: Ilse Walter

    Fotos des Autors: S. 2: privat

    Bestellen Sie unseren Newsletter unter www.solibro.de

    Infos vom Solibro Verlag gibt es auch bei Facebook und Twitter.

    www.solibro.deverlegt. gefunden. gelesen.

    INHALT

    Der Autor

    Hafenstadt Birkum

    Leseprobe aus Prügel für den Hausbesitzer

    Verlagsanzeigen

    HAFENSTADT BIRKUM

    Die Heringslogger kamen heim. Täglich wurden es mehr. An der Kaimauer der Birkumer Fischereigesellschaft war kaum noch Platz zum Anlegen.

    «Sie bringen gute Fänge ein», erzählte man sich in der Stadt.

    Im Hafenviertel und auf der Lindenstraße torkelten die besoffenen Heringsfischer, die «Loggerjungs», herum. Nach wochenlanger Schwerarbeit im rauhen Nordmeer waren sie nun zurückgekehrt und holten nach, was sie so lange entbehrt zu haben glaubten.

    Die Mannschaften marschierten in Gruppen zum Seemannsbasar oder zum Kaufhaus am Hafen. Dort kauften sie erstmal neue Klamotten. Dann ging es mit dem Taxi ganz vornehm los. Zuerst eine Stadtrundfahrt, mit ’ner Buddel Korn in der Hand, dann weiter von Kneipe zu Kneipe. Sie hatten die Taschen voller Geld. Auf See gab es wochenlang keine Möglichkeit, die Heuer auf den Kopf zu hauen. Das wurde jetzt nachgeholt. Die Jungs schwankten durch die Stadt und grölten laut herum. Verachtet von den Normalbürgern.

    «Ist doch das Allerletzte, auf einem Logger zu arbeiten. Da fährt nur der Abschaum mit», sagten sie. «Gleich nach Fahrtbeginn prügelt tagelang jeder auf jeden ein. Der stärkste der Mannschaft ist dann der König. Er wird das Gesetz. Pfui, welch ein Gesindel!»

    Viele hatten Angst vor ihnen. Auch wir Kinder.

    Vor dem italienischen Eissalon stand eine Gruppe von ihnen, laut singend, mit Bier- und Kornflaschen in den Pranken. Mein Freund Klaus Ott und ich waren auf dem Weg dahin, um eine Tüte Eis für ’nen Groschen zu kaufen. Die besoffenen Matrosen blockierten den Eingang.

    Ängstlich kamen wir näher.

    «Na, Macker, willst du ’nen Schluck aus der Pulle?» fragte mich einer der Männer und hielt mir seine Schnapsflasche hin.

    «Nein danke, Seemann. Ich bin zu jung für Schnaps», sagte ich und drückte mich zur Tür hin.

    «Was willst du mal werden, wenn du groß bist, Junge?» fragte er lallend.

    «Zur See fahren», antwortete ich verängstigt.

    «Große Fahrt oder auf einem Kümo an der Küste rummachen?»

    «Auf einem Logger natürlich. Weil ihr immer die Taschen voller Geld habt, wenn ihr an Land seid», sagte ich Honig schmierend.

    «Hier Jungs, kauft euch mal ein anständiges Eis», sagte der Fischer und schenkte uns großspurig ein Fünfmarkstück.

    «Danke, Käpt’n», riefen wir beide im Chor und rannten begeistert in den Eisladen hinein. Dort bestellten wir uns zwei Kongo-Becher. Riesige Schokoladeneisberge mit Rumsoße und einem bunten Papierschirmchen.

    Ja, die Loggerjungs galten als der Abschaum. Obwohl jeder wußte, daß sie für ihr gutes Geld hart arbeiteten, wurden sie oft wie Aussätzige behandelt. Besonders wenn sie betrunken waren. Wenn sie in halber Mannschaftsstärke anrückten, schien es gefährlich, sich in ihrer Nähe zu bewegen. In den Bars und Kneipen des Hafenviertels gehörten ihre brutalen, hemmungslosen Schlägereien, wo viel Blut floß, zur Tagesordnung. Oft mußte die Polizei eingreifen. So galt ihr ehrlicher Beruf für viele als Makel und wurde als Drohung für uns Kinder benutzt.

    «Wenn deine Leistungen in der Schule so schwach bleiben, endest du bestimmt auf einem Logger!» schimpften viele Eltern.

    Mein Vater war Amerikaner. Früher Kunstlehrer. Im Krieg und kurz danach Besatzungssoldat. Zuletzt als Sergeant in der US-Army. Nachdem er und meine Mutter geschieden waren, kehrte er in seine Heimat zurück. Ab und zu schickte er mir ein Päckchen zum Geburtstag oder zu Weihnachten. Dann, als ich acht Jahre alt war, kam nichts mehr.

    «Vater ist tot», sagte meine Mutter.

    Das traf mich nicht. Ich hatte ihn ohnehin fast vergessen. Nur mein englischer Name, Peter Reynolds, erinnerte mich manchmal an ihn.

    Damals arbeitete meine Mutter lange Stunden als Kontoristin in einem Warenhaus. Wir wohnten in der Birkumstraße, in einer Zwei-Zimmer-Dachwohnung ohne Bad, für neunzig Mark Monatsmiete. Der uralte Spülstein in der Küche diente auch als Waschzuber und Bad. Wenn ich allein zu Hause war und das Wetter war schlecht oder es war sehr spät, dann pißte ich dort auch rein. Denn das unangenehme Plumpsklo war fünfzig Meter entfernt, im Garten.

    Unsere Straße war der Eiserne Vorhang zwischen Wohlstand und Armut. Die Leute, die hier wohnten, galten als «arme Leute», hauptsächlich Arbeiter bei Birkums größtem Arbeitgeber, der Rottau-Schiffswerft.

    Schräg gegenüber von unserem schäbigen Mietshaus war der Aue-Fluß. An dessen Ufern standen die vornehmen Häuser der erfolgreichen Leute von Birkum.

    «Die von der Aue-Allee», nannten wir sie.

    Sie waren die «besseren Leute»: mittelständische Unternehmer, Ärzte, Gewerbetreibende und höhere Angestellte.

    Am Sonntag zogen meine Mutter und ich oft unsere guten Sachen an. Als Sonntagsspaziergang schlenderten wir die Aue-Allee entlang und schauten uns die Häuser und Villen der Wohlhabenden an.

    «Eines Tages kaufe ich hier mein Haus», versprach ich Mutter. «Wenn ich groß hin, werde ich so reich sein, daß ich hier wohnen werde. Und einen schwarzen Mercedes kaufe ich auch!»

    Mutter freute das.

    «Vergiß nicht, dein Vater war Akademiker. Da sind wir auch was Besseres», sagte sie.

    Wenn wir dann nach Hause zurückkamen, verwöhnte sie mich oft mit meinem Lieblingsabendbrot: Spiegelei auf Brot.

    Das aß ich immer mit Messer und Gabel. Ich schnitt Stück für Stück genießerisch ab. Immer um den Dotter herum, bis er nur noch ganz allein auf der kleinen Insel stand. Dann schob ich ihn vorsichtig auf die Gabel und verschlang ihn. Den ganzen, heilen, warmen, leuchtend-gelben, wohlschmeckenden Dotter. Mensch, war das ein Genuß!

    Mutter lächelte dann zufrieden und sagte:

    «Das mit dem Dotter, Junge, ist genauso wie im Leben: Sauber und akkurat vorgehen, Stück für Stück, in zäher Kleinarbeit. Danach kommt dann immer die Belohnung! Ohne Fleiß kein Preis.»

    Ein bildhübsches Mädchen. Zierlich, schlank, runder Apfelhintern und prächtige kleine Brüste. Meta war sechzehn, als sie in unsere Klasse kam.

    «Das ist Meta Wertheim, eure neue Klassenkameradin. Ihr Vater, Dr. Wertheim, arbeitet als leitender Manager in unserer Rottau-Werft», stellte sie uns unser Lehrer vor. «Neue haben es immer schwer. Da können alle mithelfen, es ihr leichter zu machen.»

    «Bei der mach’ ich das gerne», flüsterte mir Willy Krawitz zu und pfiff anerkennend durch die Zähne.

    «Wenn du da anfängst zu spielen, kommst du aus dem Spiel nicht mehr raus», meinte Ott leise und grinste schmierig.

    Ihr hellblondes Haar, die blauen Augen und das süße Puppengesicht … Sie war das Mädchen meiner wildesten Träume!

    Ich war hin- und hergerissen. Natürlich war ich nicht der einzige, der sie begehrte. Das war mir sofort klar. Mitbewerber würde es jede Menge gehen. So verschlang ich sie mit den Blicken und überlegte, mit welcher Taktik ich sie anmachen könnte.

    Meta räumte ihre Sachen ein und bekam einen Platz zugewiesen. Sie ging ganz nah an mir vorbei. In ihrem adretten blauen Schulkleid.

    Ich lächelte sie an, und sie erwiderte mein Lächeln.

    Das hat nichts zu bedeuten, sagte ich mir realistisch. Die ersten Tage wird sie zu allen nett sein, bis sie sich sicherer fühlt. In der großen Pause gesellte sich Meta zu den anderen Mädchen.

    Ich traf mich mit den anderen Jungen hinter der alten Turnhalle. Dort, in den Büschen, rauchten wir heimlich Zigaretten und sprachen paffend nur über ein Thema: Mädchen. Natürlich auch über Meta Wertheim.

    «Ihr Alter ist der neue Leiter der Rechtsabteilung von Rottau. Er hat ein Haus in der Aue-Allee, drei Häuser hinter uns», sagte Krawitz, der Sohn von Birkums größtem Einrichtungshaus, Möbelhaus Krawitz.

    «Du Glückspilz, da hast du den gleichen Nachhauseweg wie sie», sagte Ott, dessen Vater Zahnarzt war. «Leider wohne ich am anderen Ende der Straße.»

    «Ich finde, sie ist noch hübscher als Marianne», bemerkte ich und verglich sie in Gedanken mit der bisherigen Schönheitskönigin der Schule.

    «Ja, der Meinung bin ich auch», stimmte Krawitz zu. Dann sprachen wir übers Kino.

    «Jetzt im Sommer, vor der Abendvorstellung, ist eine Bullenhitze drin. Sie reißen vorher alle Türen weit auf, um frische Luft reinzulassen», erklärte uns Krawitz. «Du kannst hinten reingehen und dich im Klo verstecken. Bei Beginn der Wochenschau wird der Zuschauerraum dann wieder geschlossen und abgedunkelt. Kein Mensch sieht dich, wenn du dich da reinschummelst.»

    Kino zum Nulltarif! Das hatte der clevere Krawitz ausgeknobelt. Kino war für mich das Größte. Leider konnte ich mit meinem bescheidenen Taschengeld nur alle vierzehn Tage hin. Auf sowas wäre ich nie gekommen, erstens die Idee und zweitens der Mut. Typisch. Krawitz war der geborene Gewinner von der Aue-Allee.

    Ich verabredete mich mit Krawitz für den Abend. Kurz vor acht Uhr standen wir hinter dem Kino. Die Türen gingen auf, und die Besucher kamen herausgeströmt. Als die letzten außer Sicht waren, meinte Krawitz:

    «Peter, jetzt müssen wir rein. Komm, das muß schnell gehen.»

    Wir rannten zum ersten Ausgang. Die Innenvorhänge flatterten im Durchzug der geöffneten Türen. Krawitz linste in den Zuschauerraum.

    «Luft ist rein. Jetzt, ins Klo!»

    Geduckt lief ich hinter Krawitz her, zur Bühne und dann in das Herrenklo rein. Gott, hatte ich Angst! Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Als wir uns in den engen Raum zwängten, bereute ich bereits, daß ich mitmachte. Gerne hätte ich auf alle Filme der Welt verzichtet, wenn ich eine Chance gehabt hätte, es rückgängig zu machen.

    Auf einmal klopfte jemand an die Tür.

    «Kommt raus, ihr Lümmel!» schrie eine Männerstimme. «Hab’ ich euch endlich, ihr Betrüger! Ich werde euch der Polizei übergeben.»

    Krawitz hatte natürlich eiserne Nerven. Er grinste mich an und sagte: «Pech gehabt. Aber das schmeißt einen alten Seemann noch lange nicht um.»

    Er riß die Tür auf, sprang raus, schubste den alten Platzanweiser zur Seite und rannte wie ein geölter Blitz davon.

    Mich aber schnappte der Mann und drehte mir den Arm auf den Rücken.

    «Einen von euch Tagedieben habe ich. Das wird ein teurer Spaß für dich! Einen Mordsärger wirst du bekommen», sagte der Alte mit finsterer Miene.

    «Bitte, bitte … Lassen Sie mich gehen», bettelte ich. «Zu spät, du kleiner Dieb. Dich bring’ ich zum Chef!» Er zerrte mich an den neugierig gaffenden Besuchern, die vor der Absperrung standen, vorbei, quer durch den Zuschauerraum zum Chefbüro.

    Der Geschäftsführer des Lichtspieltheaters war ein kugelrunder Mann mit wenig Haaren auf dem Kopf. Er schmunzelte vergnügt, als mich der Platzanweiser triumphierend vorführte.

    «Wieder ein blinder Passagier, Chef», sagte er stolz.

    «Sehr tüchtig», lobte ihn der Chef. «Na, mein junger Freund. Der Spaß kostet hundert Mark, und wir benachrichtigen die Polizei nicht.» Dabei weidete er sich an meinem entsetzten Gesichtsausdruck.

    «Warum so viel Geld?»

    «Wir nehmen an, wir erwischen nur jeden zwanzigsten Blinden. So kriegen wir unsere Verluste wieder rein.»

    «Meine Mutter kann nicht so viel Geld auftreiben», jammerte ich. «Bitte lassen Sie mich laufen. Das war mein erstes Mal. Ich schwöre, ich mach’s nie wieder.»

    «Nee, Freundchen! Bist erwischt worden. Gib mir die Telefonnummer deiner Eltern.»

    Mutter kam später mit ihrem Fahrrad rüber. Mit Tränen in den Augen zahlte sie die hundert Mark. Sie entschuldigte sich unentwegt: «Wissen Sie, der Vater ist tot. Da fehlt dem Jungen die strenge Hand.»

    Der Chef steckte den Hunderter lässig in die Hosentasche und sagte: «Das ist eine verlockende Welt, in der wir leben. Manch hoffnungsvoller Bursche kommt schnell auf die schiefe Bahn. Reynolds junior! Laß es dir eine Lehre sein.»

    Mutter und ich dankten untertänig für seine Milde.

    Auf der Straße sagte Mutter nichts. Als ich das Fahrrad neben ihr herschob, wäre ich vor Scham und Reue am liebsten im Erdboden versunken.

    Mitte der Woche, in der Schule, wurde ich zum Rektor gerufen.

    «Ist es wahr, Reynolds? Hat man dich beim Eintrittsgeld-Betrug erwischt?», fragte er mit strenger Miene.

    Ich stotterte etwas wie «ein Versehen, schon längst ordnungsgemäß bezahlt» und daß es mir leid tue.

    Da explodierte er.

    «Unsere Lehranstalt ist die angesehenste in Birkum, Reynolds. Alle Schüler habe die Pflicht, sich draußen in angemessener Weise zu verhalten. Was du da verbrochen hast, ist Pflichtverletzung gröbster Art. Wär’ die Polizei dabei mit reingezogen, würdest du von der Schule fliegen. Aber du hast Glück gehabt, es gibt diesmal nur den schärfsten Verweis. Und jetzt raus!»

    Mein Herz klopfte, und ich stammelte eine letzte Entschuldigung. Dann rannte ich hinaus. Mein einziger Trost war, daß meine Mutter von diesem Verweis nichts erfahren würde.

    Jeder Mieter hatte seinen eigenen, abgeteilten Verschlag auf dem Dachboden des Mietshauses. Oft ging ich nach Schulschluß in unseren und stöberte in den alten Sachen herum. Eines Tages fand ich hinter einer altmodischen Wäschekommode eine tarnfarbene, unverschlossene Holzkiste, die ich sofort neugierig öffnete.

    Sie war bis zum Rand mit Büchern, hauptsächlich Kunstbüchern gefüllt … mit Museumskatalogen vom Louvre bis zur Alten Pinakothek, Nachschlagewerken von Benezit und Thieme-Becker sowie deutschen und amerikanischen Auktionskatalogen. Dominierend waren Bildbände über Barock- und Renaissancemaler. Hauptsächlich über Lucas Cranach dem Älteren.

    Ich war überrascht. Zum ersten Mal wurde ich mit ein paar Fragmenten aus dem Leben meines Vaters konfrontiert. Sein Name stand auf dem Deckel der Kiste, und die Bücher waren wohl seine. Mir fiel auf, daß sich in unserer Wohnung keine Erinnerungen an ihn befanden. Mutter hatte nach der Scheidung alle vernichtet.

    Der rote Leineneinband mit dem Titel «Lucas Cranach/ Des Meisters Gemälde» fiel mir sofort auf, weil ein mit einem Gummiband zusammengehaltenes Fotobündel drin steckte.

    Ich schaute die schwarzweiße Fotoserie durch. Sie zeigte nur ein Motiv: das mit einem geschnitzten Rahmen versehene Ölgemälde eines Sünders in der Hölle. Er wurde im Feuer stehend von Schlangen gefressen. Die Photos waren aus verschiedenen Perspektiven mit veränderten Belichtungszeiten aufgenommen worden. Das optimalste Foto steckte ich in die Hosentasche.

    Als ich die anderen in die aufgeschlagenen Buchseiten zurücklegte, bemerkte ich etwas Interessantes. Auf Seite 142 war ein dreiteiliger Flügelaltar von Cranach abgebildet.

    Der linke Flügel war mit Vaters Foto identisch. Eine Gruppe fliegender Engel über dem «Sünder» setzte sich im Mittelteil, einer Kreuzigungsdarstellung, bis hinein in den rechten Altarflügel fort. Im rechten Flügel dominierte eine von einem Schleier bedeckte, zierliche nackte Sünderin, ebenfalls von Schlangen gemartert. Darunter stand: «Jesus, vergib uns Sündern», Um 1520. Wien, Galerie Schonborn.

    In den nächsten Seiten verklemmt entdeckte ich eine vergilbte Abbildung aus einem Auktionskatalog der Galerie. In der Winter-1912-Ausgabe wurde der komplette Altar zur Auktion angeboten.

    Ich legte das Buch zurück und verschloß die Kiste sorgfältig. Das rote Buch mit den Fotos ging mir nicht mehr aus dem Sinn.

    An einem freien Samstag ging ich mit einem alten Zinkkessel und einer Blechdose Stichlinge fangen. Aufgrund des trockenen Wetters war die Aue kein Fluß mehr, sondern eine lange Addition einzelner Wasserpfützen. Darin schwammen silbrige, fingergroße Stichlinge mit hübschen blaugrauen Rücken.

    Ich krempelte meine Ärmel auf, ging in die Knie und versuchte die Stichlinge mit der Dose in meinen Eimer zu schaufeln. Im Nu fing ich ein rundes Dutzend und gab ihnen reichlich Frischwasser nach.

    Auf einmal hörte ich ein Geräusch hinter mir und spürte etwas Feuchtes, lebendig Warmes an meinem Unterschenkel. Vor Schreck ließ ich die Dose fallen und drehte mich um.

    Hinter mir stand Meta Wertheim. An einer Leine hielt sie einen dunkelbraunen Dackel, der mich mit seiner feuchten Schnauze beschnupperte. Sie lachte mich aus.

    «He, Peter! Du bist aber schreckhaft», sagte sie.

    Ich schaute von unten zu ihr hoch. Ihre wunderschönen Beine entlang, über die Knie, die Oberschenkel. So prall, so weich … Dann kam das kurze gelbe Sommerkleidchen. Die vollen Rundungen ihres Pos, die schlanke Taille und die kleinen runden Brüste. Auf ihren glatten Schultern saßen lustige Schleifen, die das Kleid festhielten. Ihre blonden Haare waren zu einem kunstvollen Knoten zusammengesteckt. Und ihre blauen Augen mit den langen Wimpern blitzten.

    Sie lächelte mich an. Das gab süße Grübchen in ihren Wangen.

    Ich stammelte «Kein Wunder … Bei diesen tollen Aussichten» und stand auf.

    «Wozu fängst du die kleinen Fische? Die kann man doch nicht essen», sagte sie und schaute interessiert in meinen Eimer hinein.

    «Zu Hause hab’ ich ein Aquarium, und da machen sie sich ganz gut. Allerdings sterben sie ziemlich schnell weg. Deswegen muß ich immer frischen Nachschub holen», sagte ich und streichelte ihren Dackel, der freundlich mit dem Schwanz wedelte und mir die Hand leckte.

    «Ich bin gerne hier am Fluß», sagte Meta. Sie wies auf eine Gruppe alter Eichen, die mit ihren nackten Wurzeln nahe am Uferrand standen, und fuhr fort: «Die Bäume und diesen Teil der Aue kann ich von meinem Zimmer sehen. Eine sehr schöne Aussicht.»

    «Du hast recht, die Aue-Allee ist traumhaft. Das kann man von der Birkumstraße nicht gerade sagen.»

    «Die Birkumstraße hat aber auch Vorteile. Der Edeka-Markt ist nahe, und dein Schulweg ist nur halb

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1