Urlaubslandsleute 2: ... noch mehr Vorurteile für die Reise
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Es geht also nach wie vor nichts über gepflegte Vorurteile, besonders im Urlaub und auf Reisen, erleichtern sie das Leben doch ungemein. Reisejournalist Helge Sobik setzt nun vor dem Hintergrund seiner vielfältigen Reiseerfahrungen seine satirische Typologie mit 38 neuen "Urlaubslandsleuten" fort.
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Book preview
Urlaubslandsleute 2 - Helge Sobik
Sachen
DEN STIER BEI DEN HÖRNERN PACKEN
Der Andalusier:
ein rotes Tuch fürs Rind
Fürs Rindvieh ist der Andalusier so etwas wie ein rotes Tuch, weil er den Stier immer gleich an den Hörnern packen will. Zuvor wedelt er verspielt mit einer wahrscheinlich in irgendeinem Straßenrestaurant heimlich eingesackten Tischdecke, provoziert das friedliche Tier, lässt sich ein bisschen im Kreis jagen, während ein paar hundert Zuschauer dazu herumkreischen, weil dem armen Mann mit der Tischdecke ja etwas geschehen könnte. Dabei wird leicht unterschätzt, dass er sich das doofe Spiel ausgedacht hat und nicht der harmlose Stier, der viel lieber weiter auf seiner Weide herumstünde als hier albern im Kreis zu laufen und so zu tun als wäre er wütend. Aber zack, in aller Heimtücke zückt der Andalusier mit der Tischdecke plötzlich einen Degen − und aus ist’s mit dem Stier. Nicht dass der Andalusier grundsätzlich so fies wäre − aber gegen den Stier hätte er keine andere Chance, und da er die Regeln aufstellt, hat er diese fiese Finte schon vor Jahrhunderten legalisiert.
Wirklich böse wird der Andalusier, wenn sich der Stierkampfgegner als harmloser Urlauber getarnt ins Jubelvolk auf den Rängen gemischt hat, kurz vor Schluss „Pfui, Ende dem Stierkampf!" brüllt und ein Transparent mit derselben Botschaft entrollt. Das kommt ungefähr so gut an wie auf dem Schützenfest des Deutschen partout nüchtern bleiben und Mitternacht diesmal nicht sturztrunken an die Festzeltplane pinkeln zu wollen.
Dabei hat der Andalusier mindestens ein Argument auf seiner Seite: Der stolze Arena-Stier ist nicht heimtückisch auf stillosen Schlachthof-Fliesen per Bolzenschuss der Steak-Verarbeitung zugeführt worden, sondern wurde nochmal kräftig umjubelt, kurz bevor die Kräuterbutter bereitgelegt und die Zwiebeln angebraten wurden. Man kann sich darüber streiten.
An sich ist der Andalusier gar nicht blutrünstig: züchtet Erdbeeren in riesigen Plastikzelten, keltert leckeren Sherry in muffigen Moderkellern tief unter seinen Dörfern, baut aromatische Orangen an, kümmert sich liebevoll um die Schafherden, die er durchs karge Landesinnere scheucht.
Wirklich grob geht er nur mit dem Schwein um, das nach mehr oder beizeiten auch weniger erfülltem Leben auf einzelne Beine verteilt von der Decke seiner Bar baumelt, aus denen streifenweise Schinken herausgeschnitzt und in kleinen Tapas-Portionen gereicht wird. Das sieht fies aus, schmeckt aber sensationell gut. Und wenn zu solchen Happen und einem Glas Sherry auch noch jemand wild auf den Bohlen des Fußbodens oder einer kleinen Bühne herumtrampelt, dann ist der Andalusier vollends aus dem Häuschen: Er liebt seine Tapas − und noch mehr den Flamenco, diese extrovertierte Stepptanz-Variante mit dem quengeligen Begleitgesang.
Die schönsten Häuser unterdessen hat der Andalusier dem Mauren zu verdanken, der sich hier für ein paar hundert Jahre herumtrieb, prächtige Baudenkmäler hinterließ und ohne Abfindung wieder aus dem Land gejagt wurde. Heute darf er in limitierter Zahl wiederkommen − meist um dem Andalusier in den riesigen Erdbeerzelten den härteren Teil der Arbeit abzunehmen oder den Tomaten in den gewaltigen Gewächshäusern gut zuzureden.
Mit dem Wetter hat der Andalusier es gut getroffen: über 300 Sonnentage im Jahr. Die passenden Strände hat ihm die Natur gleich mitgeliefert. Kein Wunder, dass irgendwann der erste Urlauber kam und der Andalusier ihm gleich das geeignete hellhörige Hochhaus in Rekordbauzeit direkt in den Sand gesetzt hat. Ärgerlicherweise hat der Urlauber diesen Betonklotz jetzt nicht mehr lieb und wohnt lieber abseits im kleinen, feinen Landhotel im andalusischen Stil. Dort, wo gleich nebenan die Stiere auf ihren Weiden zu Hause sind und nichts Böses ahnen, die Schafe vorbeizuckeln, die Schweinebeine von der Decke hängen, alle sich abends auf ein Fässchen Sherry verabreden.
EIN HALBES KALB ZUM FRÜHSTÜCK
Der Argentinier:
ein fleischeslustiger Geselle mit Gaucho-Kutte
Der Argentinier pflegt zwei Volkstänze, für die er weltberühmt ist. Der Bedeutendere von den beiden heißt Fußball, der andere Tango. Beim Ersten muss man so lange mit einem Ball auf engstem Raum herumtänzeln und verhindern, dass man ihn abgenommen bekommt, bis sich elf Leute in andersfarbigen Trikots ärgern und das Publikum jubelt. Unangenehmer Nebeneffekt: Manchmal ärgern sich alle 21 anderen auf dem Platz, weil auch die eigenen Leute den Ball vor lauter Show nicht mehr bekommen. So gibt es zwar keine Tore, aber immerhin eine Nominierung zum Fußballer des Jahres.
Hauptunterschiede des Tango zum Fußball: weit weniger Publikum und schickere Kleidung. Leider muss man dabei fürchterlich traurig tun, aber gleichzeitig ziemlich lange nah beieinander herumstelzen und gelegentlich möglichst unauffällig und passend zur schmachtend-tragischen Musik aneinander schubbern. Insgeheim freut sich der Tänzer über so viel Nähe und gut versteckte Erotik. Aber zeigen darf er es nicht, so lange die Musik noch spielt.
Die Schubbertrauer hindert den Argentinier unterdessen nicht daran, nach dem Tanzen gut zu essen und sich erst mal ein halbes Kalb, medium gebraten, mit Steaksoße, großer Portion Papas Fritas, Kräuterbutter und Knoblauchbrot kommen zu lassen. Über 80 Kilo Fleisch vertilgt der Durchschnittsargentinier rein statistisch im Jahr. Das bedeutet: Mancher ist möglicherweise Vegetarier und ein anderer schiebt dafür zwei Rinder in zwölf Monaten über den Teller. Jedenfalls ist das Weltrekord. Keiner ist fleischeslustiger als der Argentinier. Sein „Wienerwald-Imbiss heißt „Parilla
oder „Asado" − eine Art Schlachthof mit angeschlossenem Barbecue-Grill, wo vom Fleisch bis hin zu jedweder Innerei des seligen Rindviechs alles Mögliche auf den Rost kommt und jeder von der Theke aus das Steak oder Organ seiner Wahl ordern kann und es anschließend an Ort und Stelle in rustikalem Holztisch-Ambiente verdrückt. Das ist meistens eine sehr gesellige Angelegenheit, häufig mit Musik untermalt, oft mit Oktoberfest-Geräuschpegel und guter Chance für einen kleinen Flirt zwischen den Bäuerchen.
Das Image des Argentiniers im Ausland hat sich übrigens über die Jahre deutlich verbessert: Eine Zeit lang glaubte der Außenstehende, der Argentinier sei Weltmeister im Belämmert-aus-der-Wäsche-gucken-und-dabei-den-Mund-tonlos-halb-aufreißen-und-die-Arme-heben. Aber das war zu Zeiten, als Maradona noch häufiger in den Medien auftauchte und manch einer zu unreflektierter Verallgemeinerung neigte. Bei der Verteilung der Heimatländer tat der Argentinier übrigens objektiv einen Glücksgriff. Er hat seinerzeit ein sehr schönes