Bürgerbeteiligung: Führen und Steuern von Beteiligungsprozessen
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Dieses Buch beschäftigt sich insbesondere mit den Anforderungen an die Führung und Steuerung von Beteiligungsprozessen.
Der Autor beschreibt, welche Bedeutung die Wissensgesellschaft für die Bürgerbeteiligung hat. Er zeigt auf, wie die klassischen staatlichen Interventionsstrategien an Kraft verloren haben und welche Maßnahmen diese ersetzen. Dabei wird deutlich, dass diese Veränderung nicht nur das Außenverhältnis des Staates zur Gesellschaft, sondern auch die innere Modernisierung der Verwaltung wesentlich bestimmt.
Das Buch baut auf den Schulungsinhalten des Lehrgangs "Bürgerbeteiligung" auf.
Die Lehrgangsinhalte wurden gemeinsam von der Führungsakademie Baden-Württemberg, den Hochschulen für Öffentliche Verwaltung in Kehl und Ludwigsburg und der Universität Hohenheim entwickelt.
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Book preview
Bürgerbeteiligung - Siegfried Mauch
gedankt.
1. Entwicklungslinien
1.1 Neue Steuerung und Bürgerbeteiligung
Ziel der neuen Steuerung
Das Wort Steuerung erweckt Assoziationen an ein zentrales Thema der letzten Reformdekaden öffentlicher Verwaltung, die als „Neue Steuerung oder auch als „New Public Management
bekannt geworden sind. Zentrales Ziel dieser Steuerung war die Schließung von Effizienz- und Steuerungslücken, um die öffentliche Verwaltung angesichts rückläufiger Einnahmen und wachsender Aus- und Aufgaben funktionsfähig zu halten. Wesentliche Handlungsfelder waren die Binnenmodernisierung und die Kundenorientierung der öffentlichen Verwaltung. Die Verwaltung sollte mit Hilfe von in der Wirtschaft bewährten betriebswirtschaftlichen Methoden und verbunden mit einer konsequenten Aufgabenkritik zu einem modernen Dienstleister umgebaut werden.¹ Handlungsthemen waren insbesondere Maßnahmen zur Begrenzung der staatlichen Leistungen auf Kernaufgaben, die Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente, Maßnahmen zur Flexibilisierung des Haushaltens, die Professionalisierung der Führung, die Schaffung dezentraler Verwaltungsstrukturen, die Einführung des Wettbewerbsgedankens, die Trennung von Politik und Verwaltung und die Übernahme einer bestimmten betriebswirtschaftlich orientierten Steuerungslogik. Ausgehend von definierten Bedarfen sollten messbare Ziele bestimmt, deren Erreichung ökonomisch rational geplant, die notwendigen Umsetzungsressourcen bereitgestellt, die erforderlichen Maßnahmen vollzogen und – ausgehend von Zielen – die erreichten Ergebnisse und möglichst auch deren Wirkungen kontrolliert werden. Auf den Erfolg dieser Bemühungen soll an dieser Stellen nicht weiter eingegangen werden.²
Beteiligung zur Erschließung von Humanvermögen
Dieser so definierte Prozess des Managens orientierte sich an den traditionellen hierarchischen Herrschaftsbeziehungen in oder zwischen Behörden, selbst dann, wenn Ziele vereinbart, Leistungsbedarfe festgelegt oder Zielkorridore beschrieben wurden. Daran hat sich bis heute nichts verändert. Partizipation war nur insoweit vorgesehen, als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl an Leitbildprozessen als auch an operativen Umsetzungen beteiligt werden sollten und zum Teil auch beteiligt wurden. Auch sollten sie über Zielvereinbarungen stärker in den Aufgabenvollzug eingebunden werden und über die Delegation von Aufgaben und Verantwortung größere Freiheiten bei der Gestaltung der Zielerreichung erhalten. Diese Renaissance kooperativer Führung und Zusammenarbeit knüpfte in der Landesverwaltung Baden-Württemberg an eine bereits 1979 eingeleitete Entwicklung an.³ Primäres Ziel der Delegation von Aufgaben und Verantwortung, der Binnenpartizipation und der Anpassung der Kommunikations- und Steuerungsprozesse war es, innerhalb des vorgegebenen Rahmens mit Hilfe motivationaler Effekte Humanvermögen in den Verwaltungsorganisationen besser zu erschließen.
Noch keine Aktivierung der Bürgerschaft
Entsprechend dem marktwirtschaftlichen Vorbild stand bei dieser Modernisierungsstrategie die Verbesserung der Kunden- und Dienstleistungsorientierung im Mittelpunkt. Leitbild war der Bürger als Kunde und Serviceempfänger auf der einen Seite und der Staat als ausschließlicher Produzent von Produkten und Serviceleistungen auf der anderen Seite. Die Bürgerinnen und Bürger sollten besser und schneller bedient und informiert werden. Dazu sollten die Prozesse der Leistungserbringung ergebnisorientiert und aus Kundensicht definiert werden. Eine darüber hinausgehende Aktivierung und Partizipierung der „Bürgerschaft war noch nicht vorgesehen und aus Verwaltungssicht auch nicht geboten, da der „Kunde
seitens der Verwaltung zufriedengestellt werden konnte. Ziel der neuen Steuerung war es nicht, den Bürgerinnen und Bürgern eine über den spezialgesetzlich vorgegebenen Rahmen hinausgehende generelle handlungsaktive Rolle zuzubilligen und sie grundsätzlich auch in Entscheidungsfindungen einzubinden. Eine Abkehr vom bestehenden ausschließlich auf den Staat ausgerichteten Steuerungsparadigma fand aus Verwaltungssicht noch nicht statt. Weder der Bürger als Wissensträger und Experte noch der Bürger als „Citoyen", der in die Entscheidungsfindung gestaltend eingebunden werden möchte und der sich nicht mehr so einfach autoritativen Entscheidungen unterwirft, auch wenn sie als kundenorientierte Leistungen angeboten wurden, waren in der Verwaltungspraxis angekommen.⁴ Er hatte sich auch noch nicht öffentlich wahrnehmbar gemeldet.⁵
1.2 Von Government zu Governance
Klassische Rollenverteilung blieb bestehen
Die Verwaltungsmodernisierung der 90er Jahre bewegte sich damit noch in der klassischen Rollenverteilung des Politikmachens im Leistungs- und Interventionsstaat mittels Hierarchie, Weisungen und Vorgaben. Staatliches Handeln wurde als Government im Sinne einer politisch-hierarchischen Führung nach innen wie nach außen verstanden. Demzufolge wurden die Entscheidungskompetenzen auch ausschließlich der Politik zugeschrieben. Die Verwaltung führte diese aus. Die Bürgerinnen und Bürger empfingen die staatlichen Leistungen und trugen die staatlichen Pflichten. Staat und Gesellschaft unterschieden sich institutionell. Gesellschaftliche Probleme wurden vorrangig auf Grund von Gesetzen, staatlichen Vollzugsmaßnahmen und durch die Verteilung von Leistungen und Lasten gelöst.
Neue Verantwortungsteilung
Dabei war schon in den 90er Jahren erkennbar, dass das Paradigma des schlanken und auf Effektivität getrimmten Staates die damit verbundenen Erwartungen nicht erfüllen konnte. Die Binnenressourcen blieben knapp. Die Vorstellung, durch Wirtschaftswachstum den Ressourcenverbrauch des Staates kompensieren zu können, erfüllte sich nicht. Der Median des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts nimmt seit den 50er Jahren konstant ab.⁶ Die Handlungs- und Steuerungsprobleme blieben bestehen. Als zwischen Pleite und Wirkungslosigkeit stehend wurde das Dilemma gekennzeichnet, vor dem Politik und Verwaltung in den neunziger Jahren standen.⁷ In dieser Folge entstand das Staatsleitbild des „Gewährleistungsstaates" mit dem Ziel, eine neue Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft zu erreichen, um aus dem Ressourcen-Aufgaben-Dilemma herauszufinden. Rückblickend können drei Programmtypen ausgemacht werden, die für die weitere Entwicklung in Richtung Bürgergesellschaft wichtig waren:⁸
– die wohlfahrtsgesellschaftliche Variante, der zufolge der Dritte Sektor mit Nachbarschaftshilfen, freien Wohlfahrtsträgern oder Einzelpersonen (Arbeitskraftunternehmer, Ich-AG) zur Erbringung eigener Leistungsbeiträge, wenn auch staatlich gefördert, aktiviert wurde,⁹
– die bürgerschaftliche Variante, der zufolge die bürgerschaftliche Teilhabe insbesondere an Themen des Nahbereichs und an Umweltthemen (Umweltverträglichkeitsprüfung; Agenda21-Diskussion) gefördert wurde und
– die gemeinschaftsorientierte Variante, der zufolge gemeinsame Werte in den Vordergrund gerückt wurden, die individuellen Werten vorgelagert sind, die individuelles Leben erst bedingen und angesichts der stark ausgeprägten Individualwerte eine neue Balance von Rechten und Pflichten erforderlich machen sollen (Nachhaltigkeit, Ehrenamt).¹⁰
Normative Aufwertung gesellschaftlicher Kräfte
Alle drei Programme verbindet eine starke normative Aufwertung gesellschaftlicher Kräfte. Um diese besser zu Gunsten des Gemeinwohls einbinden zu können, sollten das Aufgabenspektrum und die Handlungsweisen der Verwaltung verändert werden. So sollte die Leistungstiefe des Staates überprüft und bislang staatliche Aufgaben auch von „Dritten" erbracht werden können.¹¹ Im Zuge der Umsetzungserfahrungen wurde erkannt, dass die damit verbundenen Veränderungen der Verwaltungsstrukturen ohne eine Einbindung der an der Leistungserstellung Betroffenen nicht erfolgversprechend ist. So wurden insbesondere im kommunalen Bereich, aber auch auf Landesebene erste organisationsentwicklerische Maßnahmen durchgeführt, um die Verwaltungen auf die damit verbundenen Veränderungen vorzubereiten.¹² Deutlich wurde damals schon, dass ein Wandel der Verwaltung hin zu einer Gewährleistungsverwaltung mit veränderten Anforderungen an das Personal und an die Organisation verbunden ist, und diese Veränderungen nicht ohne einen geplanten Wandel gelingen können.¹³
Suspension von Veränderungsbedarfen
Doch der erforderliche Wandel konnte insbesondere in den Landesverwaltungen und in der Bundesverwaltung noch einige Zeit aufgeschoben und das traditionelle Bild des Staats mit seiner hierarchisch ausgerichteten und funktional verteilten Steuerung bewahrt werden.¹⁴ Nach außen konnte der Eindruck der Gesamtverantwortung einer bei Regierung und Legislative konzentrierten Programmsteuerung aufrechterhalten werden, obwohl Politik, Verwaltung und Spitzenverbände längst funktional verschränkt und Gesamtzusammenhänge infolge der Ausdifferenzierung der Funktionen und Institutionen verloren gegangen waren.¹⁵ Die These von der „organisierten Unverantwortlichkeit" des Staates machte sich breit.¹⁶
Keine Änderung des Systems durch Beteiligung
Trotz aller Erfahrungen sollte nach wie vor die Lösung der Probleme modernen Regierens primär in der Stärkung der Problemlösungsfähigkeit des politisch-administrativen Systems gesehen werden und nicht in einer Änderung des Systems durch dessen Öffnung und Veränderung. Daher begrenzte sich auch die Einbindung gesellschaftlicher Akteure in die Politikgestaltung auf einzelne institutionalisierte Kooperationsformen wie Konzertierte Aktionen, Bündnisse, Kommissionen, Räte, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände oder Träger öffentlicher Belange. Das Wissensreservoir der Zivilgesellschaft als Human- und Sozialkapital zu nutzen fand in der Praxis noch keinen Zuspruch. Expertisen waren noch mit der klassischen Expertenrolle verbunden.
Reformmodell Bürgerkommune
Zur selben Zeit zeichneten sich im kommunalen Bereich erste Konturen eines partizipativen Modernisierungsprofils ab. Infolge früherer Beteiligungsimpulse, der Förderung des freiwilligen Engagements, der Agenda 21-Diskussion, des gesellschaftlichen Wertewandels, der bislang unbefriedigend verlaufenden Bewältigung der Haushaltskrise und der nicht zufriedenstellend verlaufenden Effektuierung der Verwaltung entstand das Reformmodell „Bürgerkommune".¹⁷ Demzufolge sollte Kommunalpolitik als Zusammenspiel von direkter, kooperativer und repräsentativer Demokratie neu gedeutet werden. Dazu sollte das Kräftedreieck zwischen Bürgern, Kommunalpolitik und Verwaltung neu gestaltet werden und zu einer Revitalisierung der kommunalen Demokratie führen. Auch sollte das der neuen Steuerung zu Grunde liegende Kundenmodell überwunden werden, weil es für den öffentlichen Dienst zu kurz greift und die Bürgerinnen und Bürger nur als Anspruchsteller begreift.¹⁸ Mit Hilfe dialogorientierter Beteiligungsformen sollten die Bürgerinnen und Bürger verstärkt in Planungsentscheidungen eingebunden werden, um die lokalen endogenen Kräfte zu mobilisieren.¹⁹ Drei Rollen wurden den Bürgerinnen und Bürgern nunmehr zugeschrieben. Sie sollten nicht nur Kunde, sondern auch Mitgestalter und Auftraggeber sein. Damit war bereits am Ende des 20. Jahrhunderts die Idee der trilateralen Beziehung zwischen Politik (Gemeinderat), Verwaltung und Zivilgesellschaft geboren.
Erste Lernräume entstanden
Infolge von Enttäuschungen über die niedrige Erfolgsquote bei der Einführung der neuen Steuerung und des sich abzeichnenden Konflikts zwischen den Auftraggebern und den Rechten der autorisierten Entscheidungsträger ist es um das Modell der Bürgerkommune – nach anfänglichen Impulsen und gefördert durch das von der Bertelsmann-Stiftung getragene CIVITAS-Netzwerk – wieder ruhig geworden.²⁰ Gleichwohl schuf das Engagement von wenigen Pioniergemeinden einen kommunalen Lernraum, in dessen Folge der Boden für eine stärkere Aktivierung zivilgesellschaftlicher Akteure bereitet werden konnte. Städte wie Schwäbisch Gmünd, Nürtingen oder Filderstadt, die auch heute noch eine kreative Beteiligungspolitik betreiben, gehörten zu diesen Pionieren.²¹ Damit erwarben Städte und Gemeinden gegenüber Landes- und Bundesverwaltungen einen strategischen Startvorteil bei der Entwicklung neuer Governance-Konzeptionen. Sie sammelten Erfahrungen mit dem Steuern und Koordinieren in überwiegend horizontalen, netzwerkartigen Beziehungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Auch wenn dieses Agieren noch im Schatten staatlicher Hierarchie erfolgte, zeigte die weitere Entwicklung, dass dem Staat allein, einschließlich seiner Verwaltung, immer weniger Einfluss auf die Lösung zentraler Probleme zugeschrieben wurde und daher neue Lösungsmuster entworfen werden müssen.²² Infolge dieser Entwicklung wurde die zentrale Stellung der Verwaltung insbesondere im politisch-administrativen Schnittstellenbereich für die Vorbereitung und Durchsetzung materieller Politik immer mehr in Frage gestellt. Die Selbstüberforderung des Staates in der Rolle des alleinigen Problemlösers wurde deutlich.
Gesellschaftliche Probleme sind auch Angelegenheit der Zivilgesellschaft
Zentrale Erkenntnis dieser Entwicklung war, dass gesellschaftliche Probleme und deren Lösung immer auch als Angelegenheit der Zivilgesellschaft und deren Selbstregulierungspotenzial angesehen werden müssen. Die Lösung gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Probleme wird damit immer mehr das Resultat eines gelungenen Zusammenwirkens von institutionellen Regelsystemen und der Selbststeuerungsfähigkeit der beteiligten Akteure.²³ Der Wandel von Government zu Governance war vorgezeichnet.
Tabelle 1: Gegenüberstellung der Staatsleitbilder: Management und Governance
Tabelle 1 zeigt die Unterschiede zwischen Government und Governance. Deutlich wird, dass Governance nicht nur eine Weiterentwicklung der Binnenmodernisierung der 90er Jahre ist, sondern ein weitergehendes eigenständiges Staatsleitbild beschreibt.²⁴ Governance knüpft insoweit an die neue Steuerung an, als damit die Errungenschaften effizienter Prozessgestaltungen, die Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen, die Weiterentwicklung des Haushaltsrechts und des Abrechnungssystems sowie die Qualitätsorientierung übernommen werden. Neu an Governance ist der mit dem Wandel von der Kundenorientierung zur Bürgerbeteiligung verbundene Paradigmenwechsel. Denn Bürgerbeteiligung ist kein Aliud für Kunden- oder Bürgerorientierung, sondern ein Traditionsbruch mit der klassischen Vorstellung von Bürokratie durch die Ersetzung der Hierarchie durch Heterarchie und das in möglichst allen administrativen Handlungsstufen: Planung, Entscheidung und Vollzug.²⁵ Governance versucht in heterarchischen Netzwerken von Steuerungsebenen die Differenzen zwischen Staat und Gesellschaft konstruktiv zu verarbeiten.²⁶
Vergesellschaftung der Problemlösungswege
Unter dem Paradigma der Bürgerorientierung verharrt der Bürger nicht mehr in der Passivrolle des Kunden, der staatliche Leistungen kundenfreundlich verpackt empfängt. Bürgerbeteiligung weist dem Bürger eine aktive gestaltende bzw. mitgestaltende Rolle zu. Demensprechend definiert nicht mehr nur der Staat die Probleme alleine und stellt politisch definierte Lösungswege zur Verfügung, sondern auch der Bürger, entweder als konkret Betroffener oder als erstarkte und omnipräsente Internet-Öffentlichkeit.²⁷ Demzufolge liegen Problemlösungen dann nicht mehr nur in der Steuerung und Verbesserung administrativer Problemlösungsprozesse, sondern auch in der Vergesellschaftung der Problemlösungswege, indem gemeinsam Analysen angestellt oder Alternativen und Varianten entwickelt werden. Transparenz, Kooperation und Partizipation – die zentralen Eckpfeiler von Open-Government – sind damit wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer Beteiligungsgesellschaft.²⁸
In Abbildung 1 wird am Beispiel des klassischen Policy-Cycles aufgezeigt, worin die wesentlichen Unterschiede des neuen Paradigmas liegen. Auf dem Kreisbogen befinden sich die zentralen Dimensionen des Cycles.²⁹ In den dunklen Feldern werden die bisherigen Handlungsauslösungen (1), wichtige Handlungssubjekte (2) und Handlungsanlässe (3) beschrieben. In den hellen Feldern sind die parallelen Kategorien unter Governance-Bedingungen beschrieben. Der Vergleich beider Felder weist auf potenzielle Konfliktfelder in den anstehenden Veränderungsprozessen hin, auf die weiter unten noch näher eingegangen wird. Im Zentrum des Policy-Cycles sind die zentralen Merkmale interorganisationaler Vertrauensbildung als verbindende Elemente genannt, die gleichzeitig auch zentrale Leitbegriffe von Open-Government sind.³⁰ Der Vergleich der Felder zeigt deutlich, dass heute die Öffentlichkeit bei allen Dimensionen latent in der Lage ist, ihren politischen Einfluss zur Geltung zu bringen, wenn die Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfüllungsgrad als zu groß empfunden wird.
Abbildung 1: Policy-Cycle im Wandel der Staatsleitbilder
Steuerung durch Hybridmodelle
Infolge dieser Entwicklung geht es nicht mehr nur darum, die zentral vorgegebenen „Dinge richtig zu machen, sondern die sich aus dem Blickfeld einer heterogenen und mental parzellierten Bürgerschaft ergebenden „richtigen Dinge
zu tun. Was richtig ist, können nicht zu Mehrheiten hochstilisierte Einzelinteressen bestimmen, sondern sollte Ergebnis eines sektoralen oder transsektoralen Lernprozesses sein. Damit verlieren die traditionellen Politikbildungs- und Verwaltungssteuerungsmodelle an Bedeutung. Sie werden zunehmend durch Hybridmodelle ersetzt. Damit verlagert sich der Steuerungsfokus aus der Hierarchie heraus. Gestaltend gesteuert wird nicht mehr nur unmittelbar durch Erlaubnisse und Verbote, sondern verstärkt mittelbar über Information, Transparenz, Kommunikation, Koordination und gemeinsame Werte. Gehandelt wird beispielsweise über Selbstaktivierung, Koproduktionen oder Netzwerke.³¹
Bürgerbeteiligung schafft Steuerungsnutzen
Im Fokus von Bürgerbeteiligung steht zunächst der Ressourcenverbrauch, wenn Beteiligungsprozesse initiiert, geplant und durchgeführt werden. Dabei wird verkannt, dass Steuerung nicht nur am Input ansetzt, sondern auch am Output und vor allen Dingen am Outcome. Da mit Verwaltungshandeln etwas bewirkt werden soll, ist die Erfassung des Outcomes eigentlich die entscheidende Steuerungsgröße. Dabei wird unterstellt, dass verwaltungsinterne Prozesse zu einem Outcome führen. Andere Konzeptionalisierungen, die von dieser linearen Kausalitätsvorvorstellung abweichen, blieben bisher die Ausnahme.³² Geht man davon aus, dass Verwaltungen nicht nur Vollzugsorganisationen, sondern gerade infolge der stärkeren Ausrichtung an ihrer Umwelt – ausgehend vom jeweiligen Normzweck – auch ganz erheblich sinngenerierende Organisationen sind, die dazu ständig ihre internen Wissensbestände mit Informationen über und aus ihrer Umwelt in Einklang bringen müssen, bedürfen sie zur Bewertung, ob der jeweils intendierte Sinn auch erreicht worden ist, auch Daten und Wissen ihrer Umwelt.³³ Damit werden die Bürgerinnen und Bürger automatisch zum Medium der Steuerungslogik. Denn um Wirkungen zu erheben, kann nicht nur auf statistisch mathematisch erhobene Kennzahlen zurückgegriffen werden. Es sind immer auch Daten empirisch zu erheben, wenn „weiche" und qualitative Aspekte des Verwaltungshandelns wie Nutzerverhalten und Zufriedenheit oder die wahrgenommene Sicherheit erfasst werden sollen. Partizipation war damit immer schon ein wichtiger Bestandteil der Wirkungsmessung, wenngleich er auf Grund der o. g. Kausalvermutung als kulturfremd empfunden wurde.
Da die Bürgerinnen und Bürger auf die Rolle des Verwaltungskunden und Antragstellers reduziert waren, wurden sie bislang weder in die Programm- noch in die Produktentwicklung eingebunden, sofern sie nicht unmittelbare Betroffene waren. Die Beteiligung an der Bewertung der Zielerreichung sah die Steuerungslogik zwar vor, unterblieb jedoch meistens. Ausgehend von dieser Steuerungslogik kann Bürgerbeteiligung im heutigen Sinne als eine Arrondierung der neuen Steuerung gesehen werden, wenn Bürgerinnen und Bürger nicht nur am Ende eines Leistungsprozesse befragt, sondern bereits zu Beginn einer Leistungserstellung – also frühzeitig –