Passau: Kleine Stadtgeschichte
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Die Kleine Stadtgeschichte bietet einen kompakten Überblick über die Entwicklung Passaus - von einer keltischer Ansiedlung zur modernen Universitäts- und Europastadt - und nimmt den Leser mit auf eine unterhaltsame Reise durch die Geschichte. Ergänzt werden die Ausführungen durch knappe Beschreibungen der wichtigsten Baudenkmäler und zahlreiche Abbildungen.
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Book preview
Passau - Michael W. Weithmann
Zum Buch
Passau blickt auf eine über 2000-jährige Geschichte zurück. Kelten und Römer haben hier ihre Spuren hinterlassen. Doch besonders das gotische Mittelalter und das Barockzeitalter prägen das Bild der Dreiflüssestadt bis heute. Jahrhundertelang war sie Zentrum eines Fürstbistums und unterhielt wirtschaftliche sowie kulturelle Beziehungen in ganz Europa.
Seit der Grenzöffnung nach Osten (1989/90) und angesichts der Erweiterung der Europäischen Union nach Mittel-, Ost- und Südosteuropa sieht sich Passau wieder zunehmend in den Mittelpunkt Europas gerückt und nimmt damit eine historische Tradition auf, die weit zurückreicht.
Die Kleine Stadtgeschichte bietet einen kompakten, allgemein verständlichen Überblick über die Entwicklung Passaus von einer römischen Ansiedlung zur modernen Universitäts- und Europastadt. Abgerundet werden die Ausführungen zur Stadtgeschichte durch knappe Beschreibungen der wichtigsten Baudenkmäler und zahlreiche Abbildungen.
Zum Autor
Michael W. Weithmann, Dr. phil., geb. 1949, ist als wissenschaftlicher Bibliothekar an der Universität Passau tätig. Bei Pustet veröffentlichte er u. a. die Kleine Geschichte Oberbayerns und Die Donau. Geschichte eines europäischen Flusses.
Michael W. Weithmann
Passau
Kleine Stadtgeschichte
Verlag Friedrich Pustet
Regensburg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
2. überarbeitete und aktualisierte Auflage
eISBN 978-3-7917-6017-9 (epub)
© 2014 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg
Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2565-9
Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de
Kontakt und Bestellungen unter verlag@pustet.de
Vorwort
Seit der Grenzöffnung nach Osten (1989/90) und angesichts der Erweiterungen der Europäischen Union nach Mittel- und Osteuropa von 2007 bis 2013 sieht sich die Stadt Passau wieder zunehmend in den Mittelpunkt Europas gerückt. Sie nimmt damit eine historische Tradition auf, die weit ins Mittelalter zurückreicht. Gelegen am Strom der Donau, der Hauptverkehrsachse, die Deutschland und Österreich mit Mittel- und Südosteuropa verbindet, hat Passau entscheidende Impulse gerade in diesen Schlüsselraum Europas gegeben. Ökonomisch wirkte Passau dabei als Handels- und Umschlagplatz, doch weit wichtiger war seine geistige und kulturelle Stellung als Bischofssitz und Bistum. Vom späten Mittelalter bis ins 18. Jh. stand die Bischofsstadt der territorial größten Diözese des Römisch-Deutschen Reiches vor. Ihr Sprengel reichte von der Isar bis zur ungarischen Grenze. Politisch mag die Stellung des selbstständigen Fürstbistums zwischen den Flächenstaaten Bayern und Österreich eher gering gewesen sein, doch umso höher einzuschätzen ist seine kulturelle Ausstrahlung über Ostbayern, Ober- und Niederösterreich und das südliche Böhmen. Dass gerade die fürstbischöfliche barocke Kunst- und Kulturblüte mit der katholischen Gegenreformation einhergegangen ist, sollten wir Heutigen wertfrei betrachten. Die Geschichte Deutschlands ist schließlich nirgendwo einfach und widerspruchsfrei verlaufen.
Auch in der engeren Region hat Passau in der Geschichte eine führende Rolle gespielt. Gegen Norden erstreckt sich der Bayerische Wald, der bis in die Neuzeit hinein ein fast undurchdringliches Waldgebirge war. Was uns heute als einmalige Naturschönheit erfreut, musste von den Fürstbischöflichen mühevoll kolonisiert und erschlossen werden. Durch den Inn war die Stadt mit dem Süden, den Alpen, verbunden, aus welchen das heiß begehrte Salz kam. Auf dem Fluss wurde das »Weiße Gold« nach Bayern und Österreich verschifft und über die »Goldenen Steige« nach Böhmen getragen. In der Frühen Neuzeit hat Passau sogar das Salzmonopol erlangt und ist dadurch zu einer wohlhabenden Kommune aufgestiegen. Umso jäher war der Sturz, als Bayern in den letzten Jahren des 16. Jhs. den Salztransport auf sein Gebiet umlenkte und Passau buchstäblich an den Rand drängte! Überhaupt Bayern! Passau ist entgegen landläufiger Meinung nämlich keine »typisch bayerische Stadt« und hat schon gar nichts »Altbairisches« an sich. Gerade 200 Jahre ist es her, dass der bayerische Löwe zum Stadttor hereintappte. Vordem war Passau ein halbes Jahrtausend lang ein eigenständiges Gemeinwesen – und zwar staatlich, ökonomisch und kulturell. Das erklärt auch die reiche Geschichte, die sich hier angesammelt hat.
Der Autor einer »kleinen« Geschichte Passaus sieht sich daher mit der Aufgabe konfrontiert, aus der Fülle des historischen Materials, all der überlieferten Ereignisse, Fakten und Daten, das »Wesentliche« auszuwählen und in einen Überblick zu stellen, der die geschichtlichen Strukturen und Zusammenhänge erkennen lässt. Zwangsläufig wird dabei vieles nur angedeutet oder muss unerwähnt bleiben. Wer sich tiefer mit der passauischen Geschichte beschäftigen will – und vielleicht wird das Interesse durch die vorliegende Lektüre geweckt –, sei auf das Literaturverzeichnis im Anhang verwiesen. Ergänzt werden die Ausführungen zur Stadtgeschichte durch knappe Beschreibungen der wichtigsten historischen Baudenkmäler, die sich im Stadtgebiet noch in erheblicher Anzahl erhalten haben. Sie laden den Leser ein, sich selbst ein Bild von der Stadt zwischen Donau und Inn zu verschaffen.
Die zweite Auflage erscheint nach einer der schwersten Naturkatastrophen, die Passau in seiner Geschichte heimgesucht haben: Im Juni 2013 überfluteten Donau und Inn die Altstadt. Dank des Einsatzes aller Passauer, der Alteingesessenen, der neu Zugezogenen, der Studierenden und auswärtiger Helfer sind die Schäden beseitigt worden. Und die Geschichte geht weiter.
Michael W. Weithmann
Topografie und Vorgeschichte
Donau, Inn und Ilz
Passaus Geschichte wurde entscheidend von seiner einzigartigen topografischen Lage an drei Flüssen geprägt. Die Donau durchbricht hier in West-Ost-Richtung das harte Urgestein des Böhmischen und Bayerischen Waldes und bildet ein tief eingeschnittenes Durchbruchstal. Genau an dieser Stelle trifft von Süden her der Inn fast senkrecht auf den Donaustrom. Doch vor seiner Mündung muss dieser Alpenfluss noch einen kristallinen Bergausläufer durchschneiden und wird von einem Gneisblock, dem linken Donauhochufer, vom direkten Zusammenfluss abgelenkt. So schwenkt der Inn nach Osten und fließt noch gute zwei Kilometer fast parallel zur Donau hin, bis sich beide Flüsse in einem 400 m breiten Mündungssee vereinigen. Der im spitzen Winkel zwischen Donau und Inn gelegene Hügelrücken aus Gneis bildet eine steil bis 20 m über den Flüssen ansteigende Kuppe und schwingt gegen den Zusammenfluss hin allmählich flacher aus. Auf dieser keilförmigen Halbinsel liegt der Urgrund der Stadt Passau. Sie bildet ein fast gleichschenkliges Dreieck, dessen Donau- und Innseite an der Ortspitze aufeinandertreffen. Bei Hochwasser füllte sich im Westteil eine natürliche Rinne und stellte eine Verbindung zwischen den Flüssen her. Damit war das Areal jahreszeitlich allseits vom Wasser umspült. Die höchste Erhebung – der Domberg – war absolut, das ihn umgebende Terrassengelände weitgehend hochwassersicher.
Diese von Donau und Inn gebildete Landzunge birgt die Altstadt der Stadt Passau. Das historische Zentrum gliedert sich in den Dombezirk auf der Hochfläche, den donauseitigen bürgerlichen Marktbereich und das Klosterareal Niedernburg mit dem »Ort«, der äußersten Landspitze. Eingeengt von den Flüssen konnte die Stadt sich nur nach Westen ausdehnen. Im späteren Mittelalter entstand hier der »Neumarkt«. Außerhalb des von den ehemaligen Stadtmauern umfriedeten Geländes breitet sich die Klostergemarkung St. Nikola aus. Zum historischen Stadtgebiet zählen noch drei Flussufersiedlungen. Jenseits des Inns, an seiner Südseite, erstreckt sich die Innstadt. In ihrem Rücken steigt das Hochufer steil zum Mariahilf- und Kühberg auf. Am Nordufer der Donau liegt der Anger, hinter dem sich das Massiv des Georgs- oder Oberhausberges erhebt. Seine bis 110 m über den Fluss aufragende Felswand dominiert die gesamte Altstadt. Östlich davon fällt das Donauhochufer jäh zum Ilztal hinab. Mit der Ilz haben wir endlich den dritten Fluss Passaus genannt. Im Vergleich zum internationalen Donaustrom mit seinen gewaltigen 2860 Flusskilometern und zum stattlichen, 510 km langen Alpenfluss Inn bilden die 54 km der Ilz aus dem Bayerwald freilich nur einen provinziellen Flusslauf. Der Passauer Ortsteil Ilzstadt an ihrer Mündung in die Donau hat aber eine wichtige handelspolitische Rolle gespielt.
Abb. 1: Luftbild der „Dreiflüssestadt" Passau am Zusammenfluss von Inn (links) und Donau. Ganz rechts mündet die Ilz in die Donau. Die Altstadt zwischen Inn und Donau wird vom Dom (Bildmitte) dominiert. Links, jenseits des Inns, erstreckt sich die Innstadt, im Vordergrund rechts die Ilzstadt. Auf der rechten Seite thront zwischen Donau und Ilz die Festung Oberhaus.
Keltisches Oppidum Boiodurum
Flüsse waren die frühesten Verkehrsstraßen der Menschheit. Auf Donau und Inn regte sich bereits in vorgeschichtlicher Zeit ein lebhafter Handelsaustausch. Flussmündungen bildeten besondere Kommunikationspunkte, und so hat auch der Zusammenfluss von Donau und Inn schon sehr früh Menschen angezogen. Für die La-Tène-Zeit (ca. 450–50 v. Chr.) – die wir mit dem Volk der Kelten in Verbindung setzen – ist ein Oppidum, eine dauerhafte Siedlung, auf dem hochwasserfreien und weiten Ausblick auf die Ströme gewährenden Domberg archäologisch nachgewiesen. Historische Quellen überliefern den Namen »Boiodurum«, der als »fester Platz der Boier« (eines keltischen Stammes) oder »Festung des Boios«, eines keltischen Fürsten, übersetzt wird. Die keltische Welt umfasste ganz West- und Mitteleuropa und erstreckte sich entlang der Donau tief nach Südosten. Die Donaustädte Regensburg (Radaspona), Wien (Vedunia), Pressburg, Budapest und Belgrad gehen auf keltische Oppida zurück. Um 50 v. Chr. wurde Boiodurum weitgehend verlassen und verödete. Die Gründe dafür sind unklar. Für kriegerische Ereignisse fehlen historische wie archäologische Belege.
Boiodurum, Patavia: Das römische Passau
Kastelle am Donau-Limes
Im 1. Jh. n. Chr. richteten sich die Römer zwischen Donau und Inn ein. Auf beiden Flüssen begann ein intensiver Schifffahrts- und Handelsverkehr. Die Donau diente bis ins 5. Jh. als Limes, als Nordgrenze des Imperium Romanum. Das römische Passau wurde deswegen entscheidend durch seine Grenzlage zum nördlichen Barbaricum geprägt. Die militärische Sicherung stand im Vordergrund. Darüber hinaus schied der Inn die beiden Provinzen Rätien und Noricum. Das Gebiet Noricums kann mit dem heutigen Österreich gleichgesetzt werden, Rätien umfasste im Wesentlichen das heutige Bayern südlich der Donau. Da beide Provinzen verschiedenen Zollbezirken innerhalb des Reiches angehörten, bildete der Inn eine innerrömische Demarkationslinie.
Um 50 n. Chr. entstand im Bereich des späteren Klosters Niedernburg zuerst eine kleine befestigte rätische Zollstation, in deren Umfeld sich eine Wohn- und Gewerbesiedlung mit Donauhafen (heute Römerplatz) entwickelte. Zur Sicherung der Innmündung wurde unter Kaiser Domitian um 90 n. Chr. auf der norischen Seite ein Kleinkastell in Holz-Erde-Technik errichtet, das den alten keltischen Ortsnamen Boiodurum übernahm. Im 2. Jh. sind für das Kastell breite Gräben und steinerne Umfassungsmauern nachgewiesen. Davor bildete sich ein vicus, ein Lagerdorf, heraus. Zu dieser Zeit bestand schon die Römerstraße entlang des Südufers der Donau, welche zahlreiche Städte, Kastelle, Fährstationen und Wachttürme bis zum Schwarzen Meer verband. Die nächstgelegenen Legionslager und »Großstädte« waren Castra Regina (Regensburg) im Westen und Lauriacum (Lorch unterhalb von Enns) donauabwärts. Auch die kleine rätische Zollstation zwischen Inn und Donau erfuhr bis ums Jahr 100 den Ausbau zu einem festen Kastell. Mit der Stationierung der cohors IX Batavorum um 160/170 wurde ein neues, umfangreicheres Lager notwendig, das die 1000 Mann umfassende berittene Kundschaftertruppe aufzunehmen vermochte. Die Kohorte setzte sich aus Batavern, Angehörigen eines Germanenstammes vom Niederrhein, zusammen. Ihr neues Kastell, in den Quellen »Castra Batava« oder »ad Batavos«, später auch »Batavis« genannt, hat sich allem Anschein nach auf der Höhe des Domberges befunden, obgleich hier noch keine eindeutige archäologische Fundlage herrscht. Auf der gesamten Halbinsel breitete sich im 2. und in der ersten Hälfte