Wie heute predigen?: Einblicke in die Predigtwerkstatt
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Aus diesem Grund haben sich jene Personen, die in Österreich mit der Ausbildung zur Predigt betraut sind, getroffen, um Einblick in ihre Predigtwerkstatt zu geben. Das Buch versammelt die unterschiedlichsten Zugänge zum Verkündigungsgeschehen. Wie kann man mit der Bibel kreativ umgehen in der Predigt? Welchen Einfluss haben die HörerInnen auf die Predigt selbst? Zwischen Rhetorik und Kirchenraum, Geschlechtersensibilität und Ereignischarakter bewegen sich die wissenschaftlichen Beiträge der zehn österreichischen HomiletikerInnen.
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Book preview
Wie heute predigen? - Echter Verlag
Grundlegungen
Wie heute predigen?
Wort-Verkündigung und ihre Herausforderungen heute
Maria Elisabeth Aigner / Johann Pock / Hildegard Wustmans
„Mit Lissa in der Kirche. Konnte nicht beten. Die feierliche Amtssprache der Kirche klang fremd. Kunstgewerbevokabular. Glauben die Frommen, Gott höre sie nur, wenn sie beten, er habe keine Ahnung von den Worten, die sie sonst denken und sagen? Man kann sich nicht vorstellen, dass der Pfarrer erlebt hat, was er in der Predigt erzählt. Mein Leben ist in der Gebetssprache nicht mehr unterzubringen. Ich kann mich nicht mehr so verrenken. Ich habe Gott mit diesen Formeln geerbt, aber jetzt verliere ich ihn durch diese Formeln. Man macht einen magischen Geheimrat aus ihm, dessen verschrobenen Sprachgebrauch man annimmt, weil Gott ja von gestern ist."¹
Martin Walser bringt es mit seinem bereits 1960 verfassten Text auf den Punkt: Die Sprache des Pfarrers erreicht die Menschen nicht, sie ist eine andere Sprache, eine, die nicht mehr verstanden wird.
Da wird gefeiert und geredet mit dem Anspruch, Gott zu verkündigen – doch wenn betrifft es? Glaube und Leben fallen auseinander, ja schlimmer noch: durch diese formelhafte Sprache wird Gott verloren.
Verkündigung ist etwas sehr Vielschichtiges. Sie ist ganzheitlich formatiert: durch die eigene Existenz, durch das persönliche Zeugnis – und eben auch durch Worte des Glaubens und über den Glauben, die den Menschen hier und heute etwas zu sagen versuchen. Verkündigung geschieht im Kontext der Predigt im Wesentlichen durch Worte über „das Wort, den „Logos
, das fleischgewordene Wort Gottes.
Nicht erst seit dem expliziten Auftrag zur Evangelisierung durch Papst Franziskus² gehört die Verkündigung zu den fundamentalsten Aufgaben der Kirche. So definieren die österreichischen Bischöfe in einer Handreichung von 2012:
Evangelisierung „bedeutet die Verkündigung des Evangeliums, sei es durch das Lebenszeugnis, durch entsprechende Haltungen, durch Taten, Worte … Wo das Evangelium schon angekommen ist, mag es sinnvoll und angemessen sein, seine lebensrelevante Bedeutung wieder einmal aufzufrischen. Dies kann man neue Evangelisierung bzw. Neuevangelisierung nennen."³
Unter Verkündigung „soll die explizite Weitergabe des Glaubens verstanden werden, die innerhalb der Gemeinschaft der Kirche mit ihrem ganzen Leben eng zusammenhängt, besonders aber mit dem Gottesdienst (Liturgie) und der Liebe zum Nächsten (Caritas)." Katechese ist schließlich „ein Teilbereich der Verkündigung. Sie spricht Menschen an, die bereits eine Grundentscheidung für den Glauben getroffen haben, und eröffnet ein Verständnis für die Inhalte des Glaubens."⁴
Verkündigen heißt „Zeugnis geben" und stellt die Verkündigenden selbst unter einen sehr hohen Anspruch. Ihre Sprache wird einer Feuerprobe ausgesetzt: Handelt es sich um leere Worthülsen oder um Worte, deren Sinn und Bedeutung eine Kraft beinhaltet, die das Leben fördert und befreit?
1.Globale Herausforderungen für die Predigt
In der Predigtausbildung hat sich das Wort von der „homiletischen Großwetterlage" eingebürgert: Es meint, dass die Predigt nicht nur auf die spezifischen Erfordernisse einer Gemeinde Rücksicht zu nehmen hat, sondern auch auf jene gesellschaftlichen, politischen, kulturellen, religiösen Entwicklungen, die einer ganzen Gesellschaft gemein sind – und die auch Auswirkungen auf die einzelnen Gemeinden haben.
Zu diesen Kennzeichen der heutigen Situation werden üblicherweise gezählt:
•Die Pluralisierung der Lebenswelten – und damit auch der Gottesdienstgemeinden. Damit wird es schwieriger, generelle Lösungsvorschläge anzubieten. Die individuellen Lebensgestaltungen sind hochkomplex geworden und verlangen differenzierte Wahrnehmungsweisen. Den Individualisierungsphänomenen kann nicht mit allgemeingültigen Ratschlägen und generellen Ansätzen begegnet werden.
•Die Globalisierung, die bis in den ländlichen Raum vorgedrungen ist. Auch die kleinste Gemeinde ist verbunden mit den Trends und Entwicklungen der Gesellschaft. Die „homiletische Großwetterlage" lässt sich nicht erfassen, ohne auf jene Vorgänge aufmerksam zu sein, die sich in Wirtschaft, Politik, Kultur und Umwelt tagtäglich ereignen. Die durch das Phänomen der Globalisierung entstandenen internationalen Verflechtungen prägen nicht nur die Gesellschaft – ihre Staaten, Nationen und Institutionen, sondern werden auch zwischen den Individuen wirksam.
•Die weltweite Vernetzung durch die Fülle der neuen Medien führt dazu, dass die Menschen heute schnell und überall Zugriff auf Fragen, Probleme und Ereignisse haben, die irgendwo auf der Welt geschehen. Die damit verbundenen Themen der Kommunikation und Ästhetik wirken tiefgreifend bis in den Kirchenraum hinein. Nirgends sonst wird die Frage nach den „Zeichen der Zeit so virulent, wie in der Verkündigung, die selbst ein Zeichen setzen will, das einerseits spürbar an den Strom christlicher Tradition angebunden ist, andererseits sich wahrnehmungssensibel menschlicher Lebensrealität nicht verschließt. Die „Zeichen der Zeit
erkennen jene, die verkündigen, aber nur, wenn sie sich von fremden Blicken, Orten und Diskursen irritieren und provozieren lassen. Es sind jene Zeichen, die nicht von der Kirche bestimmt werden, sondern all jene Probleme und Aufgabenstellungen, die alle Menschen angehen.
2.Spezifische Herausforderungen in der Wort-Verkündigung
Das Wort wird nie kontextlos gesprochen und rezipiert. Wort-Verkündigung heißt immer die Verwendung von Sprache in einer bestimmten Kultur, heißt von einem bestimmten Ort in einen bestimmten Raum hinein zu sprechen. Der Kontext der Verkündigung ist in Österreich und Deutschland ein anderer als zum Beispiel in Afrika oder den ehemaligen Ostblockstaaten.
2.1.Die theologischen Inhalte in das „Hier und Jetzt" setzen
Was im Gefolge des II. Vatikanums mit dem Begriff des „aggiornamento („Verheutigung
) ausgesagt worden ist, gilt insbesondere für die Verkündigung. Gerade im Studium der Theologie liegt ein Schwerpunkt auf der Vermittlung und Aneignung von biblischem, historischem und dogmatischem Wissen. Die Praktische Theologie und hierin vor allem die Homiletik versucht zu vermitteln, dass theologisches Wissen gewissermaßen „heruntergebrochen" werden muss im Blick auf die konkreten HörerInnen und auf die konkreten Situationen.
Für die Predigtausbildung bedeutet dies, dass sie in Rückkoppelung bzw. im Gespräch mit den unterschiedlichen theologischen Disziplinen erfolgen sollte. Dialog bedeutet aber, dass es nicht nur um eine Vermittlung von Inhalten geht, die von Bibelwissenschaften, Dogmatik etc. vorgegeben werden. Es geht um das gemeinsame Suchen und Ringen nach Sinn und Bedeutung jener „großen Begriffe", die die Theologie von jeher umtreiben, wie zum Beispiel Menschwerdung, Erbsünde, Schuld und Sünde, Gnade, Auferstehung, Ewiges Leben, Heil etc. Erschließende Kraft erhalten diese Begriffe dann, wenn sie durch das Prisma der eigenen Existenz laufen und auf ihre Bedeutung hin geprüft werden. Jene, die im Dienst der Verkündigung stehen, sind gefordert, mit ihrem eigenen Leben Rechenschaft darüber zu geben, ob diese Worte etwas erschließen können, ob sie Türen öffnen können für den zu bewältigenden Lebensweg. Die Kunst zu predigen bedeutet dann in einem zweiten Schritt, in einer bestimmten Präsenz und Ästhetik, die Sprache, Form und Körper mit einschließen, von diesem Erschließungsphänomen zu sprechen und zwar so, dass die Worte bei den HörerInnen landen können: intellektuell, emotional und kinästhetisch.
2.2.Die Verkündigung durch Personen anderer Muttersprache
Verkündigung hat den Anspruch, verstanden zu werden – und zwar inhaltlich wie auch in der Sprachform. Eine spezifische Herausforderung stellt daher die Verkündigung durch Personen dar, die aus anderen Kulturkreisen kommen. Sich in einer anderen Sprache als der Muttersprache zu verständigen, erfordert einen hohen Aufwand und ist bisweilen schwierig: Es geht dabei nicht nur darum, die richtige Aussprache und die richtigen Worte zu finden; um verstanden zu werden, braucht es eine intensive Übersetzungsarbeit in die anderen kulturellen Gegebenheiten. Übersetzungsarbeit gehört zum Kern jeder Verkündigung: denn auch die Bibel, das Evangelium, ist in einer anderen Sprache, die nicht unsere Muttersprache ist, verfasst. Die Übersetzungsarbeit des Evangeliums ist aber selbst am Ursprung der Verkündigung der Kirche angesiedelt.
Was jedoch von Verkündigenden anderer Muttersprache verlangt wird, ist eine doppelte Übersetzungsarbeit: Zum einen, die Botschaft des Evangeliums in die heutige Zeit, in die Situationen der Menschen zu übersetzen – und dann auch noch in die Sprachwelt der jeweiligen anderssprachigen Gemeinden. Das ist ein mühevoller Prozess, gerade zu Beginn, aber er kann auch zu wechselseitigen Entdeckungen führen. Sprachdifferenzen, andere Übersetzungsweisen und fremdklingende Wortformatierungen verlangen Auslegungsprozesse und Deutungen. Damit diesen ein Befreiungscharakter zukommt, ist in erster Linie Respekt erforderlich – Achtung vor der jeweiligen Kultur, Sprache und Biografie.
2.3.Neue pastorale Räume / Pfarrverbände
Die gegenwärtigen Umbrüche in der pastoralen Organisationslandschaft haben auch Auswirkungen auf die Verkündigung. Neue Strukturen führen dazu, dass die Priester immer weniger in einer einzelnen Pfarre bzw. Gemeinde verwurzelt und beheimatet sein können. Das Mitleben mit diesen Gemeinden nimmt ab, wodurch es schwieriger wird, in der Predigt auf konkrete Ereignisse Bezug zu nehmen. Verkündigung und pastorale Präsenz im Alltagsleben der Menschen klaffen damit immer weiter auseinander.
Priester mit mehreren Pfarrkirchen stehen dann an jedem Sonntag vor der Herausforderung, nicht nur für eine, sondern für mehrere oft sehr unterschiedliche Gemeinden eine Predigt vorzubereiten. Das aber bedeutet, dass sie entweder eine eher allgemein gehaltene Predigt halten – oder mehrere unterschiedliche Predigten vorbereiten müssen, was nicht nur zeitlich schwierig ist. Nicht selten kommt es vor, dass in einer Pfarre der normale Sonntagsgottesdienst zu feiern ist, in der anderen z.B. ein Kinder- oder Familiengottesdienst.
Eine Chance in diesen neuen Strukturen liegt darin, dass nicht mehr nur die Priester den Verkündigungsdienst in den Gottesdiensten wahrnehmen. Verkündigung geschieht vermehrt auch in Wortgottesfeiern bzw. Wortgottesdiensten, in Andachten und Segensfeiern, die von Diakonen, von Wortgottesdienst-LeiterInnen, von KatechetInnen und ReligionslehrerInnen vorbereitet und geleitet werden, verbunden mit der Verkündigung innerhalb dieses Gottesdienstes.
2.4.Unterschiedliche Predigtsituationen
Nicht nur der Wandel der gesellschaftlichen Umstände hat einen großen Einfluss auf die Predigt, sondern auch die unterschiedlichen Situationen, in denen gepredigt wird. Das gilt nicht nur für die Kasualpredigten, sondern auch für die Predigten an Sonntagen, überhaupt für jene Orte von Verkündigung, die an den kirchlichen Randzonen stattfinden.
PredigerInnen benötigen ganz unterschiedliche Kompetenzen und Begabungen. Neben einer sehr guten Kenntnis der auszulegenden Bibelstellen brauchen sie auch eine sehr gute Kenntnis der Menschen und der Gottesdienst-Kontexte. Erforderlich sind somit theologisches Fachwissen, eine achtsame Wahrnehmungssensibilität in Bezug auf menschliche Lebensrealität und ein bestimmtes ästhetisches Empfinden hinsichtlich Raum und Liturgie. Die Schriftpredigt erfordert exegetisches und systematisches Know-how. Das alleine genügt jedoch nicht. Die Archive der Tradition müssen aufgesprengt werden und sich in das Heute hinein verflüssigen. Es braucht die Berührung mit den Fragen und Sehnsüchten, Hoffnungen, Zweifeln und Ängsten der Menschen. Wer keine Ahnung hat davon, was Frauen, Männer und Kinder heute umtreibt, welchen Phänomenen sie ausgesetzt sind und was sie erwünschen und ersehnen, kann das Evangelium nicht so verkünden, dass es befreiende Kraft hat. Eine Predigt ist immer auch in den liturgischen Kontext eingebettet, manifestiert sich nicht jenseits von Raum und Atmosphäre– weshalb ein Gespräch zwischen HomiletikerInnen und LiturgikerInnen zur Predigt ein (meist noch unerfülltes) Desiderat darstellt.
Auf der anderen Seite gehört zur Situation der Predigten auch das geänderte Hörverhalten der Gottesdienst-TeilnehmerInnen, dem die Predigt Rechnung zu tragen hat. Die HörerInnen sind nicht passive RezipientInnen, die auf die Worte der Verkündigung angewiesen sind. Sie haben bereits selbst eine Geschichte mit Gott, sie sind mündig, kritisch, herausfordernd und sehnsüchtig. Die HörerInnen haben echte Fragen, wollen keine Mittelmäßigkeit, sie haben ein Recht auf Klarheit, Präzision und Authentizität.
3.Neue Ansätze in der Predigtausbildung
Frauen und Männer für den Dienst der Verkündigung vorzubereiten, erfordert angesichts der veränderten Predigtsituationen auch neue Formen der Ausbildung. In den letzten Jahren haben sich in den diversen Predigtwerkstätten spezifische Ansätze herausgebildet, von denen exemplarisch zwei im Folgenden kurz dargestellt werden.
3.1.„Werkstatt Wortverkündigung"
Die über viele Jahre unter der Federführung von Rolf Zerfaß äußerst erfolgreich konzipierten und durchgeführten „Predigtseminare"⁵ sind seit etlichen Jahren in unseren eigenen Lehrstätten unter dem Titel „Werkstatt Wortverkündigung" adaptiert und zum Teil neu entwickelt worden.⁶ Das Konzept von Zerfaß verfolgte eine kreative und interaktive Methode, welche die Arbeit in Kleingruppen unter der Begleitung von Tutores, sowie konkrete Praxisauftritte (Predigt in Gottesdiensten) forcierte.
Die „Werkstatt Wortverkündigung stellt den ersten Teil eines Gesamtkonzeptes von verkündigungsorientierter Redeausbildung bzw. -weiterbildung dar und erfährt nach dem Studium eine Fortsetzung in der Predigtausbildung im Rahmen des „Pastoralpraktikums
sowie im Rahmen eines fünfjährigen Weiterbildungsprogramms der Diözese Graz-Seckau für kirchliche MitarbeiterInnen.
Somit hat diese Werkstatt nicht mehr nur bzw. primär die Predigt im Gottesdienst als Ziel, sondern will einen Raum kreativen Übens schaffen, in dem Studierende ihre personalen Rede- und Verkündigungskompetenzen erfahren und selbstständig praktizieren können. Im Wechselspiel von Theorie- und Praxissequenzen erproben sie das Konzipieren und Praktizieren einer Rede und lernen kontextbezogenes und situationsgemäßes Sprechen zu analysieren.
Diese Form des Lernens erfordert sowohl die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen theologischen Fächern (z.B. Bibelwissenschaften, Liturgiewissenschaft, Pastoralpsychologie etc.) als auch den überfakultären Austausch mit anderen pädagogischen bzw. kommunikationswissenschaftlichen Fächern.
Gemäß ihres „Werkstattcharakters" gibt es unterschiedliche Formen, wie diese Lehrveranstaltung durchgeführt wird. Von der Form sind Teamteachings (beispielsweise zwei Lehrende, oder Studierende als Tutores), aber auch Kleingruppen, Übungen zu zweit oder Einzelwahrnehmungsübungen möglich. Theorieeinheiten schließen sich an konkrete Praxiserfahrungen an (kleine Redeeinheiten, wie zum Beispiel das Erzählen einer Geschichte, Spiralgespräche, Spontanrede aufgrund eines gezogenen Begriffes etc., freies Sprechen in der Gruppe, Rede / Predigt im öffentlichen Raum bzw. in einem Gottesdienst). Um die biblischen Texte existentiell zu erschließen, können unterschiedliche kreative Zugänge zum Tragen kommen, wie beispielsweise Bibliodrama, Bibliolog, unterschiedliche Formen von Raumwahrnehmungsübungen, Impulse aus den Bereichen der Theaterpädagogik etc. Die Arbeit an der Präsenz (öffentliches Auftreten, Stimme, Haltung, Gestik und Mimik) wird ein zunehmend wichtiger Teil in der Predigtausbildung. Stimmtrainings, Arbeit mit TheaterpädagogInnen, Arbeit an der Bühnenpräsenz u.v.a.m. kann ein wichtiger Bestandteil im Rahmen eines Lehrveranstaltungsprozesses werden. Auch die Arbeit mit Videoaufnahmen ist eine gute Möglichkeit, die Selbst- und Fremdwahrnehmung zu schulen.
Zentral ist für diese Form des Lernens tatsächlich der „Werkstattcharakter. „Werkstatt
heißt, dass nichts fertig ist, dass Ungewisses geprobt, Neues ausprobiert, Altes verworfen werden kann. Ein solcher Zugang erfordert ein hohes Maß an Empathie und Wertschätzung, insofern stellt das Einüben einer respektvollen Feedbackkultur das Zentrum dieser Art und Weise des gemeinsamen Lernens und Übens dar. Durch konsequentes wertschätzendes Feedback und Sharing lernen die TeilnehmerInnen voneinander. Sie entdecken ihre ungeahnten Stärken und lernen mit ihren Schwächen umzugehen; sie erfahren, dass ihr theologisches Wissen auf dem Prüfstand steht und sie sind mit der Frage konfrontiert, wovon sie eigentlich selber leben. Die Werkstatt steht im Spannungsfeld von Theorie und Praxis und ist am Ende des Studiums bzw. am Übergang zur beruflichen Tätigkeit angesiedelt. Sie erfährt eine Weiterführung im „Pastoralpraktikum" (in Form von Begleitung und Supervision der rhetorischen Aufgaben im pastoralen Alltag); ebenso stellt der Bereich der Predigt bzw. der öffentlichen Verkündigungs-Rede einen wichtigen Teil im fünfjährigen Weiterbildungskonzept der Diözese für ihre kirchlichen MitarbeiterInnen dar. Der Praxisbezug innerhalb der Werkstatt selbst ergibt sich durch das Einüben in die eigene Redepraxis, die Analyse exemplarischer Predigten bzw. anderer öffentlicher Reden, den Besuch von relevanten Orten öffentlicher Rede sowie das Hospitieren der Predigten/Reden von Teilnehmenden der Werkstatt.
Durch den Werkstattcharakter der Lehrveranstaltung ist es auch leicht möglich, sowohl in der aktuellen Werkstatt auf konkrete Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen, als auch durch kontinuierliche Evaluierung Adaptierungen am Konzept vorzunehmen.
3.2.Predigtausbildung für Ständige Diakone⁷
Das II. Vatikanum hat eine Veränderung innerhalb der Ämterstruktur der Kirche gebracht. Vor allem die Einführung eines eigenständigen Diakonats, das nicht nur eine Durchgangsstufe zur Priesterweihe darstellt, hat die Landschaft des kirchlichen Amtes verändert.
Eine der zentralen Aufgaben der Ständigen Diakone stellt die Verkündigung des Evangeliums dar, wozu sie in der Weiheliturgie explizit beauftragt werden. Die Herausforderung in der Ausbildung der Ständigen Diakone besteht darin, dass hier Männer mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen und Lebenswegen teilnehmen, im Alter von Anfang 30 bis fast 70 Jahren. Bei der Ausbildung nehmen in den genannten Diözesen nicht nur die kommenden Ständigen Diakone, sondern großteils auch ihre Ehefrauen teil.
Eine homiletische Ausbildung für diese Gruppe hat somit ein Mehrfaches zu beachten: Einerseits die unterschiedliche theologische Ausbildung der Bewerber (zwischen Fachtheologen und theologischem Fernkurs), dann die unterschiedlichen Berufe, in denen sie beschäftigt sind (da nur ein Teil im Hauptberuf in einer pastoralen Tätigkeit ist), und schließlich die verschiedenen Situationen, in denen die Diakone eingesetzt werden. Dazu kommt die sehr divergierende Erfahrung mit Rede und Sprechen im öffentlichen Raum – zwischen Lehrern und Bauern, zwischen Akademikern und Polizisten.
Das homiletische Konzept geht zunächst von den je persönlichen Vorstellungen und Erfahrungen der Verkündigung des Evangeliums aus – und traut den Bewerbern zu, über ihren Glauben auch öffentlich reden zu können. Neben den grundsätzlichen Zugängen zur „Rede von Gott in moderner Zeit" und zur Frage einer schriftgemäßen Predigt, sowie den formalen Fragen von Predigterstellung und Predigtaufbau geht es um die ganz konkrete Arbeit an eigenen Predigten: Die Vorbereitung und das Halten einer Predigt (sowohl Schriftpredigten wie auch Kasualpredigten) sowie die Analyse einzelner gehaltener Predigten in Plenum und Kleingruppen stellen einen wesentlichen Teil der Ausbildung dar. Dabei wird vor allem versucht, die unterschiedlichen Predigtsituationen in den Blick zu nehmen, in denen die Diakone den Verkündigungsauftrag wahrnehmen werden.
4.Wortlos glücklich…? Desiderata
Im Rahmen der Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen nehmen HomiletikerInnen auch wahr, wo es im Hinblick auf die Predigt und die Predigtausbildung noch Verbesserungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten gibt. Diese Wünsche sind stark gekoppelt mit den gegenwärtigen Herausforderungen, denen all jene gegenüberstehen, die sich in den Dienst der Verkündigung genommen wissen. VerkündigerInnen haben nie „ausgelernt" – jedes Mal, wenn sie vor den Ambo treten und ihre Stimme erheben, setzen sie sich aus. Von Gott reden heißt, eine Schwelle zu betreten, die eine große Unsicherheit mit sich bringt. Die Rede von Gott darf weder banal und lau noch drohend und herrschsüchtig sein, sie ist immer ein Versuch, der gelingen oder auch scheitern kann.
4.1.Predigtnachgespräch, Reflexion und Resonanzen
Während in der Predigtausbildung das Gespräch über die Predigt (sowohl auf inhaltlicher wie auch formaler Ebene) einen zentralen Platz einnimmt (und auch von den meisten TeilnehmerInnen als äußerst hilfreich erfahren wird), gibt es kaum eine Praxis des Predigtnachgesprächs.⁸ Dabei würden solche Gespräche sowohl für die HörerInnen wie auch für die PredigerInnen große Chancen bieten.
Das Gespräch – jenes davor und danach – zeigt, dass wir im Grunde nicht alleine verkündigen, sondern alle gemeinsam auf einem Weg sind. Gespräch heißt in Auseinandersetzung gehen und bleiben, heißt beidseitig sprechen und hören, bedeutet Fremdes zulassen und Vertrautes loslassen. Das Predigtnachgespräch kann für die PredigerInnen relativierend und entlastend sein, aber auch erneut herausfordern. Wenn es den wertschätzenden Charakter wahrt vermag es die Menschen in Kontakt zu halten und ihnen ein Weitersuchen und -gehen zu ermöglichen. Im gegenseitigen Austausch wird nicht nur die Predigt fortgesetzt, sondern auch das Wort Gottes „weitergeschrieben".
Was die Art und Weise von Predigtnachgesprächen betrifft, sind Phantasie und Kreativität keine Grenzen gesetzt. Die Einladung zum Verweilen, Betrachten, eine sprachliche Reaktion zu ermöglichen ist das eine. Es könnten aber auch Resonanzen ganz anderer Art erfolgen: improvisierte Musikeinlagen, ein Tanz, eine kleine Schreibmeditation, eine Kabaretteinlage, ein Gebärdenreigen u.v.a.m.
4.2.Predigt-Weiterbildungen nach mehreren Dienstjahren
Während die Predigt-Ausbildung von allen Diözesen zumindest für die Priesteramtskandidaten, zumeist aber auch für alle TheologInnen, die in einen pastoralen Dienst treten wollen, vorgeschrieben ist, gibt es für die Weiterbildung kaum Konzepte. In einigen Fällen gibt es im Rahmen des Triennal- oder Quinquennalkurses, also in den ersten drei bis fünf Dienstjahren, kleine homiletische Schwerpunkte. Gerade für einen so zentralen Dienst wie die Verkündigung sehen die HomiletikerInnen es als wichtig an, dass es regelmäßige Angebote zur Weiterbildung gibt.
Die Formen der Weiterbildung im Bereich der Predigt können und sollen sich bunt und vielfältig gestalten. Sie sollten von den diözesan dafür Zuständigen personell und strukturell forciert werden, wenn sie ein attraktives Angebot darstellen sollen. Zentral für homiletische Weiterbildungskonzepte sind aus unserer Sicht in erster Linie das Ernstnehmen der biblischen Texte und ihre Erschließungskraft, aber auch die Liebe zu den Menschen und die möglichst gute Kenntnis der Situationen,