Sternentänzer, Band 30 - Caro und der rätselhafte Dieb
By Lisa Capelli
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Sternentänzer, Band 30 - Caro und der rätselhafte Dieb - Lisa Capelli
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Caro und der rätselhafte Dieb
In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz in eine jahrhundertealte Eiche ein, und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.
Von Notfällen und Kartoffeln
Es war ein schöner, sonniger, aber ein wenig kühler Nachmittag. Carolin Baumgarten, genannt Caro, holte ihren neuen dunkelblauen Fleecepulli aus dem Schrank und schlüpfte hinein. Der Pulli war ein Mitbringsel ihrer Mutter, die aushilfsweise in einer Boutique in Lilienthal arbeitete. Carolin nahm ihren Rucksack, steckte die neueste Ausgabe der Pferdezeitschrift hinein und schnürte ihn fest zu. Dann sauste sie die Treppe hinunter in die Küche. Dort saß ihre Mutter Ines Baumgarten, das Gesicht verborgen hinter einer Zeitung. In der rechten Hand hielt sie einen rosafarbenen Leuchtstift, offenbar markierte sie damit hin und wieder etwas. Wie jetzt gerade. Sie legte die Zeitung auf den Tisch, neigte sich nach vorn und strich etwas an.
„Hallo, Mam!, rief Carolin munter. „Muss ja spannend sein, was du da liest.
Sie beugte sich über den Rücken ihrer Mutter und versuchte, in die Zeitung zu spähen.
Doch Ines war schneller. Rasch faltete sie die Zeitung zusammen und legte den Leuchtstift zur Seite.
„Was liest du denn da?", fragte Carolin neugierig.
„Ach, nichts Bestimmtes, winkte Ines ab. Sie musterte ihre Tochter und deutete auf den Rucksack. „Wo willst du denn hin?
„Ich fahr nach Lindenhain", erklärte Carolin fröhlich.
„Na klar! Auf deinen Reiterhof. Wohin auch sonst?!", seufzte Ines.
„Aber nicht, um das zu tun, was ich sonst dort immer tue", kicherte Carolin.
„Du reitest also nicht! Sondern?"
„Ich gehe zum Babysitting, erzählte Carolin. „Vicky und Gunnar wollen einen Buggy kaufen und danach noch gemütlich eine Tasse Kaffee in der Stadt trinken. Ich passe in der Zwischenzeit auf die kleine Luisa auf.
Gunnar und Vicky waren die Besitzer des Reiterhofs Lindenhain und seit Kurzem stolze Eltern einer süßen kleinen Tochter.
„Gut, gut, wie schön!", meinte Ines geistesabwesend und griff wieder nach der Zeitung.
Carolin zog eine Küchenschublade auf und holte sich einen Müsliriegel heraus. Damit wedelte sie vor Ines herum. „Nervennahrung", grinste sie.
„Jaja!" Ines blätterte wieder die Zeitung auf.
Carolin öffnete den Kühlschrank und schaute prüfend hinein. „Mam, kann ich ein paar Karotten und Äpfel für Sternentänzer mit nach Lindenhain nehmen?, fragte sie und erwartete eigentlich einen mittelschweren Protest – nach dem Motto: „Du kannst doch nicht unsere gesamten Nahrungsmittel auf deinen Pferdehof schleppen.
Aber Ines schwieg, nickte nur vor sich hin.
Hm … irgendwie hört Ines heute gar nichts! Mal sehen!
„Mam, ich nehme den nächsten Flug nach Südamerika, miete mich dort ein und arbeite auf einer Bananenfarm", startete Carolin ihren Versuchsballon.
Wieder kam nur ein völlig abwesendes Nicken.
Na gut! Dann halt nicht! Carolin packte die Karotten und die Äpfel in ihren Rucksack und schulterte ihn. „Mam, ich geh jetzt, rief sie mit lauter Stimme und wartete auf ein „Aber komm nicht zu spät nach Hause! Hast du auch die Hausaufgaben schon gemacht?
von ihrer Mutter.
Doch die war schon wieder so in ihre Zeitung vertieft, als würde es nichts anderes mehr auf der Welt geben.
Okay! Carolin zuckte die Achseln. Umso besser. Sie packte auch noch den Müsliriegel in ihren Rucksack. „Ich bin dann mal weg."
„Jaja", kam es wieder nur geistesabwesend von Ines.
Kopfschüttelnd schlüpfte Carolin in ihre Jacke. Dann verließ sie fröhlich pfeifend das Haus, schnappte sich ihr Fahrrad und schwang sich auf den Sattel.
Sie freute sich heute noch mehr als sonst auf Lindenhain. Aus zwei Gründen: Zum einen auf das Babysitten, denn die kleine Luisa mit ihren blauen Kulleraugen war sehr süß und pflegeleicht. Vielleicht mache ich mit ihr heute einen kleinen Spaziergang?, überlegte Carolin, während sie nach Lindenhain radelte. Oder ich trage sie hoch zur Pferdekoppel, wo wir Sternentänzer und die anderen Lindenhain-Pferde beobachten können? Bestimmt hat sie auch irgendwann Hunger, dann werde ich ihr ein Gläschen geben. Carolin erinnerte sich, wie sie Luisa das erste Mal gefüttert hatte, und musste schmunzeln. Nach dem Essen war fast die ganze Küche voller grüner Spinatflecken gewesen. Luisa hatte ausgesehen wie nach einer Schlacht mit kleinen grünen Männchen, Carolin nicht viel besser. Aber inzwischen klappte das mit der Fütterung schon richtig gut. Nur ab und an ging noch eine Ladung daneben.
Zum anderen war heute ein ganz besonderer Tag. Jubiläumstag mit Sternentänzer. Kennenlern-Jubiläum. Der Tag, an dem sie dem herrlichen Araberschimmel zum ersten Mal vor Jahren begegnet war. Sein damaliger Besitzer hatte ihn damals nach Lindenhain gebracht. Heute jährte sich dieser Tag wieder. Carolin war von der allerersten Sekunde total fasziniert von dem prächtigen mondhellen Schimmel gewesen. Und schon bald darauf hatte er ihr gehört …
Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen bog Carolin in die Einfahrt zu ihrem geliebten Pferdehof. Für sie der schönste Pferdehof der Welt. Er erhob sich auf einem sanften grünen Hügel zwischen knorrigen, alten Linden. Dazu gehörte ein langer hellgelber Stall, ein Reitplatz, eine Reithalle und das große Haupthaus. Gleich daneben stand ein hübsches, zweistöckiges Ferienhaus, in dem Reitgäste einquartiert wurden. Entlang der riesigen Koppel führte ein Feldweg zu einem zweiten Hügel mit großen Linden.
In dem Moment, als Carolin ihr Rad abstellte, kam Vicky auch schon aus dem Haupthaus. Sie sah richtig schick aus, hatte ein hellrotes Etuikleid an und halbhohe Schuhe.
„Hallo, Vicky! Hier bin ich schon."
„Sorry, Caro, es hat sich erledigt", fiel Vicky ihr gleich ins Wort.
„Was meinst du damit?" Carolin sah Vicky verwundert.
Vicky wirkte aufgebracht – ihre Wangen glühten, die Augen funkelten. „Danke dir, Caro, aber ich brauche heute doch keinen Babysitter. Ich bleibe nämlich hier", erklärte sie und machte ein Gesicht, als hätte sie soeben in eine saure Zitrone gebissen.
„Ihr wolltet doch in die Stadt?", hakte Carolin erstaunt nach.
„In der Tat, nickte Vicky. „Das wollten wir, bis es sich der liebe Gunnar spontan anders überlegt hat.
„Hatte er keine Lust?"
„Nee, plötzlich keine Zeit mehr! Er musste auf einmal woanders hin."
„Wohin denn?"
„Was weiß denn ich?! In irgendein Kaff, zischte Vicky und gestikulierte heftig. „Spontan irgendwo irgendwelche Tiere retten.
„Pferde?", vermutete Carolin. Gunnar hatte ein großes Herz für Tiere, wann immer irgendwo Tiere in Not waren, war er zur Stelle.
Vicky rollte mit den Augen. „Ich weiß nichts Genaues. Ist ja eben erst passiert. Wir wollten gerade los, haben eigentlich nur noch auf dich gewartet, da rief der Freund eines Freundes an. Daraufhin hat Gunnar einfach unseren Ausflug in die Stadt gestrichen, schnappte sich den Hänger und düste los. Zack – und weg war er!"
„Sonst hat er nichts gesagt?", wunderte sich Carolin.
„Er wisse nicht, wann er zurück sei. Er würde sich von unterwegs melden. Vicky schüttelte erbost den Kopf. „So hatte ich mir unseren gemeinsamen Nachmittag echt nicht vorgestellt.
„Bestimmt war es ein Notfall, verteidigte Carolin Gunnar. „Einfach so grundlos sagt er eure Verabredung doch nicht ab.
„Und wenn schon?, schimpfte Vicky. „Warum muss immer er sich um Notfälle kümmern!? Bestimmt hat er sich wieder bequatschen lassen und konnte nicht Nein sagen.
„Ich bin sicher, es geht um Pferde in Not, wiederholte Carolin ihre Vermutung. „Hoffentlich kann er sie retten!
„Ja, du hast ja recht, meinte Vicky nun schon ein klein wenig versöhnt. „Er hat nun mal ein großes Herz für alle Schwachen, das weiß ich ja.
Sie seufzte tief. „Das ist ja etwas von den vielen Dingen, die ich an ihm liebe. Sie lächelte leicht. „Nur heute hätte er mal eine Pause machen können.
„Das kann man sich bei Notfällen nun mal nicht aussuchen, sagte Carolin grinsend. „Deswegen heißen sie ja auch Notfälle.
Vicky straffte die Schultern. „Jaja, schon gut! Ich hatte mich nur schon so sehr auf diesen Nachmittag gefreut. Sie sah Carolin an. „Wie wär’s? Wollen wir beide zusammen einen hübschen Spaziergang mit Luisa machen?
„Klar", antwortete Carolin und folgte Vicky ins Haus. Die kleine Luisa stand in ihrem Laufstall, schaute sie mit ihren großen blauen Augen an und krähte ihnen fröhlich entgegen. Ihre feinen goldblonden Härchen standen in alle Richtungen. Um ihren Hals baumelte ein knallroter Schnuller.
Vicky beobachtete die Kleine mit einem seligen Lächeln. „Sie wird so schnell groß. Bis vor Kurzem war sie noch völlig hilflos, jetzt krabbelt sie schon und zieht sich die Gitterstäbe hoch."
„Dauert nicht mehr lang und sie sitzt im Sattel", sagte Carolin lachend.
„Na ja, bis dahin ist es schon noch eine Weile."
Vicky verschwand schnell, um sich bequeme Sachen anzuziehen. Dann zogen sie Luisa warm an, setzten sie in den Kinderwagen und marschierten los.
Nach dem Spaziergang mit Vicky und Luisa lief Carolin hinüber zur Koppel und setzte sich auf das Holzgatter, ihren Lieblingsplatz. Von hier aus beobachtete sie die Lindenhain-Pferde, die friedlich in der Spätnachmittagssonne grasten. Auch Sternentänzer. Sein Fell, die üppige Mähne und der Schweif leuchteten im Sonnenlicht. Nun hatte der mondhelle Schimmel Carolin entdeckt. Leise schnaubend setzte er sich in Bewegung, lief auf sie zu und stieß sie mit dem Kopf auffordernd an.
„Hallo, mein Schöner, begrüßte ihn Carolin liebevoll. „Du willst, dass wir zusammen ausreiten? Du willst mit mir über die Felder jagen, stimmt’s?
Der Schimmel stupste sie ein weiteres Mal an, als wolle er zustimmen.
„Es ist leider schon ziemlich spät, und für heute habe ich etwas anderes mit dir geplant. Zärtlich fuhr Carolin mit dem Finger den kleinen schwarzen Stern auf seiner Stirn nach. „Komm, mein Süßer, ich hab eine Überraschung für dich!
Sie sprang vom Gatter und führte den Hengst von der Koppel in den Stall.
„So, mein schöner Sternentänzer, jetzt kommt unsere Feierstunde." Als Sternentänzer in seiner Box stand, holte sie rasch das Putzzeug aus der Sattelkammer und striegelte ihn ausgiebig – bis sein prächtiges mondhelles Fell glänzte wie flüssiges Silber. Doch Sternentänzer war nicht nur ein herrlicher Araberschimmel, sondern er besaß auch eine ganz außergewöhnliche Gabe. Er war nämlich ein magisches Pferd. Wenn Carolin in Vollmondnächten auf ihm ausritt, konnte sie in die Zukunft schauen.
Nach dem Putzen besorgte Carolin sich einen Teller und richtete darauf die Karotten und Äpfel an, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Das Ganze garnierte sie noch mit zwei Leckerli und verzierte es mit etwas Heu. Einen Strohhalm bog sie zu einem großen S wie Sternentänzer. Dann nahm sie den Teller in die Hand und balancierte ihn vorsichtig in Sternentänzers Box.
„Tatarata! Sie stellte sich vor ihr Pferd hin und hielt ihm den Teller vor das Maul. „Mein geliebter Sternentänzer
, begann sie ihre Jubiläumsansprache und spürte, wie ihre Augen feucht wurden. „Ich erinnere mich noch so genau an den Tag, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Fast so, als wäre es erst gestern gewesen."
Sternentänzer hielt erst ganz still, dann hob er seinen Kopf und schnupperte über ihr Gesicht. Immer wieder. „Das kitzelt, kicherte Carolin, genoss aber seine Liebkosungen. „Ach du!
Sie stellte den Teller rasch ab, schlang ihre Arme um den Hals des Pferdes und vergrub ihr Gesicht in dem schönen Fell. „Erinnerst du dich noch, fuhr sie fort, „als ich nach langer Suche in der Bücherei deine Prophezeiung gefunden habe.
Sie schluckte.
„In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz in eine jahrhundertealte Eiche, und eine Sternschnuppe fällt