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Revolution in München: 1800 - 1848 - 1918 - 1933 - 1968
Revolution in München: 1800 - 1848 - 1918 - 1933 - 1968
Revolution in München: 1800 - 1848 - 1918 - 1933 - 1968
Ebook230 pages1 hour

Revolution in München: 1800 - 1848 - 1918 - 1933 - 1968

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"Bier, Gaudi und Enthemmung" - das weit verbreitete Bild vom Verhältnis der Münchner zu den revolutionären Umbrüchen der neuesten Geschichte ist nicht selten klischeebeladen und hoch selektiv. Es ist höchste Zeit, diese schwarz-weiß-Malerei abzuschattieren - durch einen neuartigen facettenreichen Überblick von den napoleonischen Kriegen bis zur Studentenbewegung.
LanguageDeutsch
Release dateFeb 26, 2014
ISBN9783791760100
Revolution in München: 1800 - 1848 - 1918 - 1933 - 1968

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    Revolution in München - Oliver Braun

    Zum Buch

    „Bier, Gaudi und Enthemmung": Das weit verbreitete Bild vom Verhältnis der Münchner zu den revolutionären Umbrüchen der neuesten Geschichte ist nicht selten klischeebeladen und hoch selektiv. Höchste Zeit also, diese Schwarzweißmalerei abzuschattieren – durch einen neuartigen facettenreichen Überblick von den Napoleonischen Kriegen bis zur Studentenbewegung.

    Der vorliegende Band widmet sich den revolutionären Ereignissen in München um 1800, 1848, 1918, 1933 und 1968.

    Zu den Autoren

    Oliver Braun, Dr. phil., ist Mitarbeiter der Historischen Kommission in München.

    Thomas Götz, Dr. phil., lehrt Neuere/Neuste Geschichte an der Universität Regensburg

    Thomas Grasberger M. A. lebt als Rundfunkjournalist und Buchautor in München.

    Sylvia Krauss-Meyl, Dr. phil., ist Archivdirektorin im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München

    Dominik Tomenendal M. A. ist Referent bei der Europäischen Akademie Bayern.

    OLIVER BRAUN / THOMAS GÖTZ / THOMAS GRASBERGER / SYLVIA KRAUSS-MEYL / DOMINIK TOMENENDAL

    Revolution in München

    1800 · 1848 · 1918 · 1933 · 1968

    VERLAG FRIEDRICH PUSTET

    REGENSBURG

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    eISBN 978-3-7917-6010-0 (epub)

    © 2014 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

    eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

    Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

    Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

    ISBN 978-3-7917-2557-4

    Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de

    Kontakt und Bestellungen unter verlag@pustet.de

    »MÜNCHEN WILL GAR NICHT ERÖRTERT, MÜNCHEN WILL GELEBT UND GELIEBT SEIN.« Wer möchte Ernst Heimeran (1902–1955), dem dieses so urmünchnerisch klingende Leitmotiv zugeschrieben wird, ernsthaft widersprechen? Doch vielleicht wird man ihn ergänzen dürfen, ihn, den großen Verleger und Autor, der in Schwabing das Gymnasium besuchte und wie viele als „Zuagroaster" in München Wurzeln schlug: Die Liebe zur ersten oder zweiten Heimat schließt die Kenntnis über sie nicht aus – und umgekehrt.

    Die Geschichte einer Stadt ist ebenso unerschöpflich wie die Geschichten, die in ihr spielen. Ihre Gesamtheit macht sie unverwechselbar. Ob dramatische Ereignisse und soziale Konflikte, hohe Kunst oder niederer Alltag, Steingewordenes oder Grüngebliebenes: Stadtgeschichte ist totale Geschichte im regionalen Rahmen – zu der auch das Umland gehört, von dem die Stadt lebt und das von ihr geprägt wird.

    München ist vergleichsweise jung, doch die über 850 Jahre Vergangenheit haben nicht nur vor Ort, sondern auch in den Bibliotheken Spuren hinterlassen: Regalmeter über Regalmeter füllen die Erkenntnisse der Spezialisten. Diese dem interessierten Laien im Großraum München fachkundig und gut lesbar zu erschließen, ist das Anliegen der Kleinen Münchner Geschichten – wobei klein weniger kurz als kurzweilig meint.

    So reichen dann auch 140 Seiten, zwei Nachmittage im Park oder Café, ein paar S- oder U-Bahnfahrten für jedes Thema. Nach und nach wird die Reihe die bekannteren Geschichten neu beleuchten und die unbekannteren dem Vergessen entreißen. Sie wird die schönen Seiten der schönsten Millionenstadt Deutschlands ebenso herausstellen wie manch hässliche nicht verschweigen. Auch Großstadt kann Heimat sein – gerade wenn man ihre Geschichte(n) kennt.

    DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, lehrt Neuere/Neueste Geschichte an der Universität Regensburg und forscht zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.

    Revolution in München – Revolutionäres München?

    Vorbemerkungen zu einer vieldeutigen Verbindung

    von Thomas Götz

    Obwohl im November 1918 der erste deutsche Thron ausgerechnet in Bayern fiel, weil König Ludwig III. aus dem von den Roten beherrschten München fliehen musste, steht die Stadt nicht gerade im Ruf, besonders revolutionär zu sein. Revolution macht man woanders, machen in Deutschland andere: die Berliner, die Frankfurter, die Badener oder die Pfälzer. München dagegen, die Hauptstadt der stockkonservativen „Ordnungszelle" Bayern, bildete bekanntlich bald das Laboratorium der Gegen-Revolution und der erfolgreichen NS-Bewegung.

    Soweit Image – und Klischee. Wo aber liegen die Wurzeln für die Irritation über diese so wenig geläufige Wortverbindung?

    Zum einen und allgemein: „Revolution gilt spätestens seit der Amerikanischen von 1776 und der Französischen von 1789 weithin (und vorschnell) als Abkürzung für einen großen Schritt auf dem Weg einer über 200-jährigen Geschichte der Freiheit und Emanzipation. Revolutionäre sind Weltverbesserer, zumindest ihrer Absicht nach. Jedoch, auch ‚gute‘ Revolutionen fressen nicht selten ihre Kinder, und auch widerwärtige kommen zum Ziel. Selbst die nationalsozialistische „Machtergreifung war revolutionär, folgt man gängiger abstrakter Revolutionsdefinition: ein mehr oder minder offen gewaltsamer, von den Massen getragener, grundlegender Umbruch in den politischen Verhältnissen. Wobei mancher Revolution bald Gegenteiliges, Reaktionäres folgt, und sich mancher Umbruch, so spektakulär er auch daherkommt und sich selbst inszeniert (‚68‘), eher schleichend, aber nicht weniger grundstürzend auswirkt. Manch Widersprüchliches sieht man, zumal in der Konsequenz, erst auf den zweiten Blick.

    Zum anderen: 1789, 1848/49, 1918/19, 1933 und 1968 markieren vorderhand epochale Einschnitte, fallweise mit globaler Bedeutung – komplexe Phänomene, die man abstrahierend analysiert. Doch je großflächiger der Betrachtungsraum, je allgemeingültiger das Ergebnis, desto unanschaulicher wird beides: Aus der Vogelperspektive gibt es die Großgruppen der Befürworter und Gegner, der Gewinner und Verlierer. Zudem, hinter den herausragenden Akteuren oder den übergreifenden Strukturen bleiben die Vielen namenlos und blass und geraten zur Staffage. Manche in München sieht man nicht gleich: 1800 die glühenden Jakobiner, 1848 die verunsicherten Handwerksmeister und die überzeugten Demokraten oder eines der seltenen sozialdemokratischen Stadtoberhäupter, das eine deutsche Großstadt in der Weimarer Republik hatte: Eduard Schmid, Bürgermeister von 1919 bis 1924, also zu der Zeit, als Hitler und Konsorten putschten. 50 % der Stimmen erreichen die beiden sozialistischen Parteien bei den ersten demokratischen Kommunalwahlen 1919. Der Erfolg der Nazis hielt sich auf längere Sicht im Übrigen in Grenzen; die NSDAP-Ergebnisse in der „Hauptstadt der Bewegung" lagen 1932/1933 unter dem Reichsdurchschnitt. Diese Beobachtungen machen Neugier auf mehr – auf mehr Differenzierung.

    Das Große stellt sich also anders dar, wenn man es im Fokus der Geschichte einer – unserer – Stadt genauer anschaut. Der Handlungsraum weitet sich und erhält Farbe, manch Handelnder tritt aus dem Nebel der Anonymität. Aus der Nähe wird es unübersichtlicher – aber auch spannender: Wer sind überhaupt die „Münchner(innen)" zu den verschiedenen Zeiten? Bis in den Ersten Weltkrieg hinein ist das, formal gesehen, die schmale Minderheit Heimatberechtigter beziehungsweise – männlicher! – Bürgerrechtsinhaber. Wer aber wurde 1848 oder 1968 zum Münchner respektive zur Münchnerin, weil sein oder ihr Mittun Zugehörigkeit schuf? Welche Motive trieben die Revolutionäre (und Gegenrevolutionäre) an, welche Wandlungen machten sie durch, welche inneren Widersprüche kommen bei den Akteuren zum Vorschein? Und natürlich: Was waren jeweils – zu verschiedenen Zeiten – München-spezifische Bedingungen, die gleichsam hinter dem Rücken der Akteure Handlungsräume strukturierten?

    Man versteht besser, wenn man gut erklären kann – und nur wer sich nicht anders zu helfen weiß, bemüht einen gleichsam überzeitlichen „genius loci, der sich zum Klischee verfestigt. In München gebe es noch heute das „Biotop aus Bier, Gaudi und Enthemmung, das hinaus zum Marsch auf die Feldherrnhalle getrieben habe, meinte der Politikwissenschaftler Martin Hecht unlängst (DIE ZEIT, Nr. 38, 13.9.2012); und noch heute beschleiche den Auswärtigen beim Maibock-Anstich im Hofbräuhaus „eine leise Ahnung von jener aggressiven Mischung aus zur Schau getragenem lokalpatriotischen Selbstbewusstsein, Weltherrschaftsanspruch [!] und Bierseligkeit."

    Wir, die Autorin und die Autoren, meinen, dass man damit die politischen Umbrüche in München – und das, was man daran mag oder nicht mag – gewiss nicht erschöpfend erklärt. Unsere Ausführungen mögen deshalb so facettenreich (und so spannend zu lesen) sein, dass der Titel weder mit einem Ausrufe- noch mit einem Fragezeichen schließen muss. Auf die Zwischentöne kommt es an. Wie formulierte der bis 1992 in München lehrende Historiker Thomas Nipperdey? „Die Grundfarben der Geschichte sind nicht Schwarz und Weiß, ihr Grundmuster ist nicht der Kontrast eines Schachbretts; die Grundfarbe der Geschichte ist grau, in unendlichen Schattierungen."

    1800: Wird Bayern eine Republik?

    von Sylvia Krauss-Meyl

    Der revolutionäre Funke erreicht das Kurfürstentum Pfalz-Bayern

    „Nichts ist in diesem Augenblicke wankender als das System selbst der sichersten Höfe. Sollte sich die Prophezeiung des Schweizer Historiografen Johannes von Müller (1752–1809) vom Dezember 1789 bewahrheiten? Wie groß war die Gefahr, die von der Französischen Revolution für die Stabilität der mitteleuropäischen Staaten ausging? In der Tat rüttelte der revolutionäre Funke, der durch die Erstürmung der Pariser Bastille am 14. Juli 1789 entzündet worden war, die Menschen weit über die Grenzen Frankreichs hinaus auf. Eine Flut von Werbeschriften und Flugblättern trug die neuen Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und die Staatsvorstellungen der Französischen Revolution über den Rhein in die Länder des Alten Reiches. Hier stießen sie anfangs auf begeisterte Zustimmung in allen Bevölkerungsgruppen. Vor allem die Menschen im rhein-pfälzischen Grenzgebiet zollten ihnen Beifall, indem sie ihre Symbole übernahmen: Freiheitsbäume aufstellten, die phrygische Mütze trugen und die dreifarbige Kokarde hissten. Nach Altbayern drangen die revolutionären Vorstellungen über die fränkischen und schwäbischen Reichsstädte durch französische Agitatoren und Agenten ein. Indem sie auf Märkten und in Wirtshäusern Broschüren, Flugblätter, Handzettel, Gedichte und Bilder verbreiteten, erreichten sie die ländliche Bevölkerung und lieferten ihr „Munition gegen die Obrigkeit.

    Es bedurfte nicht viel Mühe, die Stimmung gegen den pfalzbayerischen Kurfürsten Karl Theodor (1724–1799) anzufachen; denn dessen Verhältnis zu seinen bayerischen Untertanen war schwer belastet, seit er gleich zu Beginn seiner Regierungszeit den Plan verfolgt hatte, Bayern gegen die österreichische Niederlande zu tauschen. 1778/79 war es zum bayerischen Erbfolgekrieg und im Frieden von Teschen zum Verlust des Innviertels gekommen. Diese schlimmen Erfahrungen schufen im bayerischen Volk den Nährboden für Misstrauen und Ablehnung, die der Regierung Karl Theodors von Stund an entgegenschlugen. Als Anfang der 1790er-Jahre die französische Revolutionspropaganda ins Land drängte und sich mit dem Groll breiter Volksschichten verband, der sich dann in Schmähschriften gegen die Staatsgewalt Luft machte, ergriff Karl Theodor umgehend Gegenmaßnahmen. Aus Furcht vor dem Überspringen revolutionärer Ideen hatte er schon im September 1789 jegliche Einfuhr und Verbreitung revolutionären Schriftguts und „allen Diskurs der französischen Angelegenheiten" verboten.

    Jakobiner

    Der Begriff „Jakobiner stammt aus der Französischen Revolution und bezeichnete den Klub der „Gesellschaft der Verfassungsfreunde. Er leitete sich von seinem Versammlungsort, dem Dominikanerkloster Saint-Jacques in Paris, ab. Ziele der Jakobiner waren die Abschaffung der Monarchie und die Errichtung einer Republik sowie der Einsatz für die sozialen Interessen des einfachen Volkes, Sansculotten genannt. Unter der Führung von Maximilien de Robespierre fand ab 1793 eine Radikalisierung der Gruppe statt. Sie erzwangen die Hinrichtung des Königs, erließ eine egalitäre und auf den Grundsätzen der direkten Demokratie basierende Verfassung und übte eine linksorientierte Schreckensherrschaft mit Massenhinrichtungen durch die Guillotine aus. Mit der Enthauptung Robespierres Ende Juli 1794 endete das Terrorregime. Der Begriff „Jakobiner blieb jedoch bestehen und wurde in Frankreich und im Ausland für patriotisch gesinnte und freiheitsliebende Anhänger der Französischen Revolution verwendet. Deutsche Jakobiner kämpften vorwiegend mit publizistischen Mitteln für die Abschaffung der Fürstenherrschaft und die Einführung von Republiken. Da der Begriff pejorativ besetzt war und oft als Schimpfwort benutzt wurde, bezeichneten sich die deutschen Jakobiner selbst als „Patrioten.

    Nach den Pariser Septembermorden und der Hinrichtung des französischen Königspaares Ludwig XVI. (1754–1793) und Marie Antoinette (1755–1793) änderte sich die Einstellung der Bayern. Man distanzierte sich von der Schreckensherrschaft der französischen Jakobiner. Die Pamphlete aus Frankreich wurden nunmehr weniger in der Öffentlichkeit als hinter verschlossenen Türen in privaten Zirkeln und Vereinigungen diskutiert. Es war offenkundig, dass die Kritik in Bayern sich nicht, wie in Frankreich, gegen staatliche Institutionen und das Regime richtete, sondern vorwiegend gegen das Fehlverhalten der unmittelbaren Obrigkeit und lokale Missstände. Im Ganzen gesehen wünschte die altbayerische Landbevölkerung zwar einzelne Verbesserungen, aber keinen Umsturz der bestehenden Ordnung nach französischem Muster.

    Abseits der gemäßigten Menge gab es jedoch radikale Sympathisanten der Revolution, die sich in patriotischen Klubs trafen und von hier aus publizistische Agitation betrieben. Sie wurden im Volksmund „Jakobiner" genannt – eine pauschale Bezeichnung für all diejenigen, die von den politischen Verhältnissen im Kurfürstentum enttäuscht und unzufrieden waren.

    Infolge der Revolutionsereignisse lebte auch die Furcht vor dem seit 1785 erloschenen Geheimbund der Illuminaten, der sogenannte „Illuminatenspuk, wieder auf. Je radikaler sich die revolutionären Vorgänge im Westen Europas entwickelten, umso mehr wurde in Bayern die Angst vor vermeintlichen Illuminaten und Jakobinern geschürt. „Es herrschte damals eine gewisse finstere Stimmung in Baiern, beschrieb ein Zeitgenosse die Atmosphäre, „jener ähnlich, welche zu den Zeiten der Hexenprozesse durch

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