Dr. Norden Bestseller 8 – Arztroman: Erkenne die Wahrheit, Christina
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Dr. Daniel Norden war gerade dabei, noch einmal die Krankengeschichte des Patienten zu studieren, dem er vor wenigen Minuten die Empfehlung gegeben hatte, sich einer längeren Kur zu unterziehen, als Helga Moll das Sprechzimmer betrat. Das Anklopfen hatte Dr. Norden wieder einmal überhört, aber eigentlich war es auch nicht nötig, denn Molly wusste genau, wann sie nicht stören durfte. Dr. Norden sah auf. Seine Gedanken waren noch bei dem Patienten mit dem eigenartigen Krankheitsbild. "Also", sagte Molly schnaufend, "so was ist mir nun doch noch nicht passiert, dass sich ein Patient gleich mit der Visitenkarte vorstellt. Ein feiner Mann, Chef, aber mit dem Reden scheint er es nicht zu haben." Molly war sichtlich beeindruckt, dazu bedurfte es keiner besonderen Menschenkenntnis. Um aber den Mann zu durchschauen, der dann kurz darauf das Sprechzimmer betrat, musste man schon über ganz besondere Menschenkenntnis verfügen. Die besaß Daniel Norden zwar, aber in diesem Fall ließ sie auch ihn im Stich. Dr. Björn Reuwen hieß der Mann. Daniel hatte es auf der Visitenkarte gelesen, und diese betrachtete er jetzt noch einmal. Rechtsanwalt war der Fremde, auch das ging aus der Karte hervor. "Ich komme nicht als Patient zu Ihnen ", sagte Dr. Björn Reuwen nun mit tiefer, wohlklingender Stimme. Dr. Norden sah ihn wieder an, mitten hinein in zwei tiefliegende graue Augen, die kein Lächeln zu kennen schienen. Um den herbgeschnittenen Mund lief ein kurzes Zucken, eine sehr schmale Hand fuhr durch das dichte Haar, das mehr grau als blond war. "Ja?", fragte Daniel Norden irritiert. "Aber bitte, nehmen Sie doch Platz." Dr. Reuwen setzte sich.
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Dr. Norden – Retro Edition
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Dr. Norden Bestseller 8 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Dr. Daniel Norden war gerade dabei, noch einmal die Krankengeschichte des Patienten zu studieren, dem er vor wenigen Minuten die Empfehlung gegeben hatte, sich einer längeren Kur zu unterziehen, als Helga Moll das Sprechzimmer betrat.
Das Anklopfen hatte Dr. Norden wieder einmal überhört, aber eigentlich war es auch nicht nötig, denn Molly wusste genau, wann sie nicht stören durfte.
Dr. Norden sah auf. Seine Gedanken waren noch bei dem Patienten mit dem eigenartigen Krankheitsbild.
»Also«, sagte Molly schnaufend, »so was ist mir nun doch noch nicht passiert, dass sich ein Patient gleich mit der Visitenkarte vorstellt. Ein feiner Mann, Chef, aber mit dem Reden scheint er es nicht zu haben.«
Molly war sichtlich beeindruckt, dazu bedurfte es keiner besonderen Menschenkenntnis.
Um aber den Mann zu durchschauen, der dann kurz darauf das Sprechzimmer betrat, musste man schon über ganz besondere Menschenkenntnis verfügen. Die besaß Daniel Norden zwar, aber in diesem Fall ließ sie auch ihn im Stich.
Dr. Björn Reuwen hieß der Mann. Daniel hatte es auf der Visitenkarte gelesen, und diese betrachtete er jetzt noch einmal. Rechtsanwalt war der Fremde, auch das ging aus der Karte hervor.
»Ich komme nicht als Patient zu Ihnen«, sagte Dr. Björn Reuwen nun mit tiefer, wohlklingender Stimme.
Dr. Norden sah ihn wieder an, mitten hinein in zwei tiefliegende graue Augen, die kein Lächeln zu kennen schienen. Um den herbgeschnittenen Mund lief ein kurzes Zucken, eine sehr schmale Hand fuhr durch das dichte Haar, das mehr grau als blond war.
»Ja?«, fragte Daniel Norden irritiert. »Aber bitte, nehmen Sie doch Platz.«
Dr. Reuwen setzte sich. »Ich komme in einer ganz besonderen Angelegenheit«, begann er. »Meine Mutter war in ihrer Jugendzeit mit Ihrem Vater befreundet.«
Was soll das, dachte Daniel überrascht, aber da fuhr Dr. Reuwen schon fort.
»Meine Mutter hat den Werdegang Ihres Vaters immer verfolgt. Sie hat ihn Jahre vor seinem Tod auch einmal wiedergetroffen. Er erzählte ihr von seinem Plan, ein Sanatorium zu gründen.«
»Die Insel der Hoffnung«, sagte Daniel. »Es wurde gegründet.«
Dr. Reuwen nickte. »Nach dem Tode Ihres Vaters, ich weiß. Auch meine Mutter erlebte diesen Tag nicht mehr. Doch ich komme heute zu Ihnen, weil ich in einem ganz besonderen Fall alle Hoffnungen auf diese Insel setze.« Ein tiefer, schwerer Atemzug folgte. »Das war eine lange Einleitung, doch ich muss Ihnen eine Erklärung geben, warum ich mich mit meinem Anliegen ausgerechnet an Sie wende.« Wieder machte er eine kurze Pause. »Meine Mutter hieß Agnete von Tandris. Vielleicht ist Ihnen der Name doch bekannt, Dr. Norden?«
Daniel war überrascht. »Gewiss«, erwiderte er. »Die berühmte Sängerin! Mein Vater hat oft von ihr gesprochen.«
»Sie verbrachte die letzten sechs Jahre ihres Lebens im Rollstuhl. Ihr guter Freund Friedrich Norden konnte ihr nicht mehr helfen.« Dr. Reuwens Stimme wurde immer leiser. »Aber ich erbitte Ihre Hilfe für eine andere Frau. Sie darf nur nicht erfahren, dass ich mich mit Ihnen in Verbindung gesetzt habe.«
Spannungsgeladene Stille herrschte eine Minute zwischen ihnen, dann endlich kam Dr. Reuwen zur Sache.
Felicitas Norden, die bezaubernde junge Frau des Arztes, musste an diesem Tage wieder lange warten, bis ihr Mann zum Mittagessen erschien. Sie hatte das gute Lenchen, das murrend erklärt hatte, der Lendenbraten würde steinhart werden, immer wieder beruhigen müssen.
»Sie haben doch gesagt, dass er gleich kommt«, meinte Lenchen zum wiederholten Male.
»Ich habe nicht geahnt, dass er so lange aufgehalten wird«, erwiderte Fee sanft. »Es ist bestimmt ein ganz dringender Fall, Lenchen. Sie wissen doch, wie gern er Lendenbraten isst.«
Lenchen schüttelte empört den Kopf.
»Immer sind es dringende Fälle. Die Grippewelle ist endlich vorbei, und es kehrt doch keine Ruhe ein.«
Doch da schlug der Gong an. Fee eilte zur Tür. »Endlich«, empfing sie aufseufzend ihren Mann.
Daniel küsste sie auf die Nasenspitze. »Ich konnte Dr. Reuwen nicht wegschicken, Liebling«, erklärte er. »Ich habe selbst gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist.«
»Worum ging es denn?«, fragte Fee interessiert.
»Kann jetzt endlich gegessen werden?«, fragte Lenchen energisch.
Daniel nickte. »Ich erzähle es dir später, Fee. Jetzt habe ich einen Mordshunger.«
»Also wenigstens ein Fall, bei dem dir der Appetit nicht vergangen ist«, meinte sie lächelnd.
»Augenblicklich ist es noch gar kein Fall für mich.« Er blinzelte ihr zu. »Bereite dich darauf vor, dass wir morgen Nachmittag zum Tee eingeladen sind, mein Schatz.«
»Bei wem?«, fragte Fee überrascht.
»Bei Dr. jur. Björn Reuwen.«
»Du schließt doch sonst nicht so schnell Freundschaften, Daniel, und außerdem hätten wir wahrhaft genug alte Freunde, um die wir uns aus Zeitnot nicht kümmern können.«
Fee sagte es sehr kritisch und sogar ein bisschen aggressiv.
»Nicht gleich fauchen, Kätzchen«, sagte Daniel zärtlich. »Reuwens Mutter war Agnete von Tandris und eine Jugendfreundin meines Vaters.«
»Die berühmte Sängerin, von der Paps auch noch uralte Platten hat?«, fragte Fee staunend.
»Genau die, aber sie ist tot. Es geht dabei um eine andere Frau, und wenn ich dir die Geschichte erzähle, wirst du auch gespannt sein und nichts mehr dagegen einzuwenden haben, wenn wir ihr helfen.« Daniel sah seine Frau kurz an.
»Wobei?«, fragte Fee.
»Zu gesunden«, erwiderte Daniel.
»Erzähle«, bat Fee, schon wieder weichgestimmt.
Zur gleichen Zeit betrat Dr. Björn Reuwen sein Haus am Isarhang. Auch auf ihn war mit dem Essen gewartet worden. Allerdings bekam er von der schlanken Frau, die ihm die Tür öffnete, nicht die Andeutung eines Vorwurfs zu hören.
»Guten Tag, Christina«, sagte er. »Verzeih bitte, dass ich so spät komme. Ich hatte noch eine wichtige Besprechung.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Björn«, erwiderte Christina. »Du bist zu rücksichtsvoll. Es bedrückt mich.«
Monoton klang ihre Stimme. Starr war das zarte Antlitz, das von schönem Haar umrahmt war, durch das sich über der Stirn eine breite weiße Strähne zog.
Sie ging ihm voraus, schleppend, wie eine Marionette an zu langen Fäden. Immer wieder krampfte sich ihm das Herz zusammen, wenn er dies sah.
Sie setzten sich an den geschmackvoll gedeckten Tisch. Katinka brachte das Essen. Sie war klein und rundlich, aber flink auf den Füßen. In Niederbayern war sie geboren, und für Christina war es anfangs schwer gewesen, sie überhaupt zu verstehen. Aber kochen konnte sie, das musste man ihr lassen, wenn sie sonst auch manchmal ihre Mucken hatte.
Hier wurde bei Tisch nicht gesprochen, und so zuckte Christina erschrocken zusammen, als Björn seine Serviette zusammenlegte und sagte: »Ich habe einen guten Freund wiedergetroffen. Er kommt morgen nachmittag mit seiner Frau zum Tee, und ich bitte dich sehr herzlich, uns Gesellschaft zu leisten.«
»Ich würde doch nur stören«, sagte Christina.
»Ich wüsste wirklich nicht, wieso«, sagte er und erhob sich. »Ich bitte dich eindringlich, Christina. Es liegt mir sehr viel daran, dass du Daniel Norden kennenlernst. Meine Mutter war mit seinem Vater sehr befreundet.«
Demütig senkte sie den Kopf. »Wenn du es wünschst, werde ich selbstverständlich zugegen sein«, sagte sie leise.
Björn machte einen Schritt auf sie zu. Er hob die Hände, als wolle er nach ihr greifen, aber resigniert ließ er sie wieder sinken, als sie schnell zum Fenster ging.
»So kann es doch nicht weitergehen, Christina«, sagte er heiser. »Du lebst. Du kannst nicht so dahinvegetieren.«
»Ich lebe? Wie lebe ich denn? Soll ich froh sein, dass ich am Leben geblieben bin?« Sie warf den Kopf herum, und seit langer Zeit sah er wieder Leben in ihrem Blick. Doch er wusste nicht, was er auf ihre Worte erwidern sollte.
»Bob ist tot«, sagte Christina. »Er war dein Bruder. Wie kannst du dich nur so leicht über seinen Tod hinwegsetzen?«
So leicht? Hatte sie eine Ahnung, was ihn peinigte? Nein, sie hatte keine, nicht die geringste Ahnung hatte sie. Und er war es doch gewesen, der alles getan hatte, damit sie die ganze Wahrheit nie erfahren sollte. Aber damit hatte er ihr wohl mehr geschadet als genützt, und das war es, was ihn von Tag zu Tag mehr quälte.
Sie ging an ihm vorbei, und er machte keine Anstalten, sie zurückzuhalten. Er ging in sein Zimmer, setzte sich an seinen Schreibtisch und stützte den Kopf in die Hände. Was er so lange von sich geschoben hatte, forderte er nun heraus. Er rief sich jenen Tag vor zwölf Monaten ins Gedächtnis, als in einer Dorfkirche in der Nähe von Kopenhagen die Hochzeitsglocken für seinen Bruder Bob Reuwen und für Christina Hammerdonk läuteten.
Sie läuteten umsonst. Niemals hatte das Brautpaar die Kirche betreten. Niemals war Christina Bobs Frau geworden.
Doch das wusste sie nicht. Sie wusste so vieles nicht, was Björn seit zwölf Monaten peinigte und ihn oftmals an den Rand völliger Verzweiflung gebracht hatte.
Fee sah ihren Mann fassungslos an. »Dann denkt diese Christina, dass sie verheiratet sei?«, fragte sie.
»Verheiratet gewesen, mein Liebes«, berichtigte Daniel sie nachsichtig. »Sie wurde schwer verletzt bei dem Unglück und lag sechs Monate in einem Krankenhaus. Ihr Zustand muss ziemlich hoffnungslos gewesen sein.«
»Und deshalb hat sich dieser verhinderte Ehemann abgesetzt? Wie schrecklich«, flüsterte Fee.
»Ich blicke da nicht richtig durch«, sagte Daniel nachdenklich. »Dr. Reuwen hat sich, was seinen Bruder anbetrifft, sehr vorsichtig ausgedrückt. Das Unglück passierte jedenfalls auf dem Wege zur Kirche.« Daniel machte eine kleine Pause.
»Und Christina Hammerdonk