Weiß ich, was ich glaube?: Das Credo heute leben
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Weiß ich, was ich glaube? - Elke Pahud de Mortanges
1.
Das Apostolische Glaubensbekenntnis – oder: die Melodie des Sonntags
Hand aufs Herz – kennen Sie das Apostolische Glaubensbekenntnis? Hätte man meine Urgroßmutter gefragt, sie hätte nach kurzem Nachdenken und Zögern bestimmt den Kopf geschüttelt. Nein, das kenne sie nicht. Dabei kannte sie es auswendig, sagte es her, Vers um Vers, Sonntag für Sonntag, unbeirrt und mit großem Ernst, nach der Predigt des Pfarrers, im Chor mit allen anderen Kirchgängern. Ich stand als kleines Mädchen neben ihr in der Kirchenbank und war stolz, dass auch ich es sagen konnte, dieses „Etwas mit seiner ganz eigenen Melodie, das einfach dazugehörte zum Sonntag und zur Messe. „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen …
Heute, im Jahr 2013, ist die Selbstverständlichkeit des Dahersagens meiner Urgroßmutter dahin. Meine eigene auch. Und die Ihre? Was es auf sich hat mit dem Apostolicum, woher es kommt und vor allem, was wir Christen sagen, wenn wir es hersagen, ob auswendig oder abgelesen, ob stehend oder sitzend – darüber will dieses Buch nachdenken. Dies im Wissen darum, dass es nicht nur in meinem eigenen, sondern auch im Leben der Kirche seinen Anfang nahm im Gottesdienst und seinen bleibenden Platz in der Liturgie des Sonntags und der Taufe hat.
Woher stammt es?
Das Apostolische Glaubensbekenntnis wurde weder von einem Papst noch von einem Konzil verordnet, auch nicht von einer Theologenkaste. Es ist einfach von Christen gebetet worden. Es ist ein Stück Gebetspraxis, wurde mündlich weitergegeben und irgendwann auch verschriftlicht. Seine Wurzeln lassen sich zurückverfolgen ins 3. Jahrhundert nach Christus, wo es in der römischen Ortsgemeinde seinen festen Platz in der Unterweisung der (erwachsenen) Täuflinge hatte. Was in der römischen Ortsgemeinde in Gebrauch war, das wurde im Frühmittelalter in Südwestgallien nachgesprochen und weitergeformt. Von dort gelangte es zurück nach Rom und wurde zum Bekenntnis der ganzen Kirche des Westens. Das geschah nicht ohne politisches Kalkül, war doch Kaiser Karl dem Großen im 9. Jahrhundert nach Christus an der Vereinheitlichung der Liturgie, aber auch der Kirche als Ganzer gelegen; so dass er kurzerhand das Apostolicum per Reichsgesetz für die Westkirche verbindlich machte.
(K)ein ökumenisches Bekenntnis?
Ein Reichsgesetz ist das Apostolicum schon lange nicht mehr. Doch eines der beiden Bekenntnisse der Kirchen des Westens ist es bis heute geblieben. Ob römisch-katholisch oder altkatholisch, ob anglikanisch oder evangelisch – in allen Kirchen der westlichen Tradition hat es seinen festen Platz. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass „getrennte christliche Konfessionen es gemeinsam bekennen", weshalb es ein ökumenisches Bekenntnis heißen darf.
Doch halt. Was uns Christen im Westen eint, trennt uns formal vom Osten. Die Kirchen des Ostens haben eine ganz eigene Tradition, die mit dem Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa (325) und Konstantinopel (381) verbunden ist, auf dessen Boden wir im Westen ebenso fest stehen. Um den dort formulierten Text vom Apostolicum zu unterscheiden, nennt man das erste bei uns das „Große, das zweite das „Kleine
Glaubensbekenntnis. 1438 erklärte der griechische Metropolit, die Kirche des Ostens kenne und anerkenne dieses „Kleine" Glaubensbekenntnis nicht, weil es eben im Osten nie in Gebrauch war. Sie müsse es auch deshalb ablehnen, weil es gar nicht von den Aposteln stamme.
Stammt das Apostolicum gar nicht von den Aposteln?
Der Presbyter Rufinus von Aquileja berichtet im 5. Jahrhundert nach Christus, die Apostel selber seien es gewesen, die sich nach Pfingsten auf das Apostolicum als „Sinnzeichen für ihre Sendung zu den Völkern verständigt haben. Diese personelle Verankerung wurde in der Folge legendarisch weiter konkretisiert und ausgeschmückt: „Am zehnten Tage nach der Himmelfahrt (…) sandte der Herr ihnen den verheißenen Tröster. Bei seiner Herabkunft wurden sie entflammt (…) und (…) verfassten (…) das Glaubensbekenntnis. Petrus sagte: Ich glaube an Gott (…); Andreas sagte: und an Jesus Christus (…); Jakobus sagte: der empfangen wurde vom Heiligen Geist
. Das ist eindeutig. Der auferstandene Christus hat jedem der Apostel einen Vers anvertraut. Das macht: zwölf Apostel, zwölf Verse. Am Beginn steht Petrus, am Schluss Matthias, der Judas Ischariot im Apostelkreis ersetzt.
Aber eben, die apostolische Urheberschaft des Apostolicums ist eine schöne, aber historisch falsche Legende. Hier haben die Kirchen des Ostens Recht. Doch die Legende hat ihre eigene Wahrheit jenseits des Historischen. Apostolisch ist das Glaubensbekenntnis nicht wegen seines historischen Ursprungs, wohl aber wegen seiner theologischen Qualität und Dignität. Ist es doch seinem inhaltlichen Profil nach Ausdruck dessen, was den Zeugen der allerersten Stunde wert und wichtig war. Was sie glaubten und vor allem, was sie beteten – wenn auch nicht genau in diesem Wortlaut.
Das wussten auch die Reformatoren Martin Luther, Johannes Calvin und Huldrych Zwingli, die dem Apostolicum trotz des (berechtigten) Zweifels an der apostolischen Verfasserschaft einen zentralen Stellenwert beimaßen. „Jedenfalls steht außer Frage, woran uns einzig und allein liegen muss: es gibt wirklich die ganze Geschichte, auf der unser Glaube ruht, deutlich und in guter Ordnung wieder, und es enthält nichts, was nicht durch unumstößliche Zeugnisse der heiligen Schrift klar bewiesen ist. Wenn man das anerkennt, so ist es nicht der Mühe wert, (…) die Wahrheit des Bekenntnisses von dessen Verfasserschaft abhängig zu machen" (Calvin).
Eine gebrochene Hälfte
Das Apostolicum ist nicht nur zur Hälfte ein ökumenisches Bekenntnis. Es ist selber nur eine Hälfte, und zwar eine gebrochene. In seinem lateinischen Namen (symbolum) schwingt das