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Geheime Feldpolizei: Die Gestapo der Wehrmacht
Geheime Feldpolizei: Die Gestapo der Wehrmacht
Geheime Feldpolizei: Die Gestapo der Wehrmacht
Ebook455 pages5 hours

Geheime Feldpolizei: Die Gestapo der Wehrmacht

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Unmittelbar vor dem Überfall auf Polen wurde die Geheime Feldpolizei (GFP) aufgestellt. Sie sollte die Moral der Truppe kontrollieren und innere Zersetzungstendenzen rechtzeitig bekämpfen, vor allem aber wurde sie zur Spionageabwehr und zur Partisanenbekämpfung eingesetzt, als Gestapo in der Wehrmacht. Sie war an Kriegsverbrechen der Wehrmacht maßgeblich beteiligt. 1943 räumte der Heeresfeldpolizeichef ein, dass von Juli 1942 bis März 1943 in der besetzten Sowjetunion "rund 21.000 Personen, teils im Kampf und teils nach der Vernehmung erschossen worden" sind. Der DDR-Historiker Dr. Klaus Geßner hat 1986 im Militärverlag diese Studie vorgelegt. Sie erschien in nur kleiner Auflage und gilt bis heute als Standardwerk.
LanguageDeutsch
Release dateJul 3, 2013
ISBN9783360530028
Geheime Feldpolizei: Die Gestapo der Wehrmacht

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    Book preview

    Geheime Feldpolizei - Klaus Geßner

    Impressum

    ISBN eBook 978-3-360-53002-8

    ISBN Print 978-3-360-02701-6

    © 2010 Militärverlag, Berlin

    Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin unter Verwendung

    eines Fotos von picture-alliance/akg-images

    Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH

    Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin

    Die Bücher des Militärverlages und

    des Verlages Das Neue Berlin

    erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

    www.militaer-verlag.de

    Der Autor

    Klaus Geßner, Jahrgang 1943, Militärhistoriker und Archivar, tätig am Militärgeschichtlichen Institut der DDR in Potsdam, danach Abteilungsleiter am Brandenburgischen Landeshauptarchiv, Sachverständiger bei Prozessen gegen Kriegsverbrecher. Mit der vorliegenden Studie promovierte Geßner in den 80er Jahren. Geßner ist verheiratet und lebt in Potsdam.

    Das Buch

    Zur vermeintlich »sauberen« Wehrmacht gehörte auch die Geheime Feldpolizei, sie war deren Gestapo. Die GFP zog in den okkupierten Ländern eine Blutspur. Insbesondere in der Sowjetunion ermordete sie mehrere Zehntausend Menschen. Geßners Studie erschien erstmals 1986 im Militärverlag der DDR und seither nie wieder. Sie gilt unverändert als Standardwerk. Es gibt nichts Vergleichbares und nichts Besseres zum Thema.

    Klaus Geßner

    Geheime Feldpolizei

    Die Gestapo der Wehrmacht

    Sechs Gründe, Geßners Arbeit von 1986 unverändert zu veröffentlichen

    Vorbemerkung des Verlages, Sommer 2010

    1.

    Das Gedächnis der Menschheit für Vergangenes

    ist erstaunlich kurz.

    Lasst uns deshalb das schon tausendmal Gesagte

    immer wieder sagen.

    Lasst uns die Warnungen erneuern,

    auch wenn sie schon wie Asche in unserem Munde sind.

    Bert Brecht

    2.

    Was Klaus Geßner, der Potsdamer Historiker, seinerzeit sorgsam recherchiert und aufgeschrieben hat, ist ja nicht deshalb falsch, weil er damit in der DDR promovierte. Auch wenn heute meist das Gegenteil behauptet wird.

    3.

    Was wahr war, bleibt wahr. Und es wird nicht dadurch zur Unwahrheit, dass weitere Forschungen zum Gegenstand das Bild ergänzen und unser Wissen vertiefen. Nur: Seit 1986 wurde dazu wenig geforscht. Auch deshalb gilt Geßners Arbeit unverändert als gültiges Standardwerk.

    4.

    Klaus Geßners Studie und deren ungebrochene Rezeption seit einem Vierteljahrhundert sprechen für die Qualität der Militärhistoriker, die in der DDR ausgebildet wurden, forschten, lehrten, publizierten und auf internationalen Kongressen auftraten. Sie zeigen das damals erreichte Niveau.

    5.

    Für Geßner und seinesgleichen galt, was Brecht 1951, sechs Jahre nach dem Ende von Faschismus und Krieg, in einem Offenen Brief als Forderung »an die deutschen Schriftsteller und Künstler« richtete, damit diese »ihre Volksvertretungen« ersuchten, »in einem frühen Stadium der erhofften Verhandlungen folgende Vorschläge zu besprechen«:

    »1. Völlige Freiheit des Buches, mit einer Einschränkung.

    2. Völlige Freiheit des Theaters, mit einer Einschränkung.

    3. Völlige Freiheit der bildenden Kunst, mit einer Einschränkung.

    4. Völlige Freiheit der Musik, mit einer Einschränkung.

    5. Völlige Freiheit des Films, mit einer Einschränkung.

    Die Einschränkung: Keine Freiheit für Schriften und Kunstwerke, welche den Krieg verherrlichen oder als unvermeidbar hinstellen, und für solche, welche den Völkerhass fördern.«

    6. Klaus Geßner hat wiederholt als Sachverständiger in Verfahren gegen Nazi- und Kriegsverbrecher sein Wissen zur Geheimen Feldpolizei, das in dieser Studie konzentriert ist, mitgeteilt. Er hat damit deutlich gemacht, dass Forschungen auch dieser Art kein akademischer Selbstzweck sind, sondern Haltungen und Handlungen prägen. Eigene wie auch von anderen. Es gehört heute nicht unbedingt zu den weit verbreiteten Tugenden, Haltung zu zeigen, die auf Wissen gründet. Wir sollten uns ihrer wieder erinnern. Zumal Kriege, wie es ausschaut, wieder zum regulären Mittel der Politik geworden sind.

    Einleitung

    Seit der Zerschlagung des deutschen Faschismus und der bedingungslosen Kapitulation Hitlerdeutschlands sind Jahrzehnte vergangen. In all diesen Jahren hat die Frage nach der Verantwortlichkeit für die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges und für die im Verlauf des faschistischen Aggressionskrieges begangenen Verbrechen nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt. Die unterschiedliche Praxis der Verfolgung faschistischer Kriegsverbrecher in beiden deutschen Staaten stellten damals ein Politikum dar, und es ist auch heute noch unverändert ein unbewältigtes Thema.

    Im vergangenen Jahrhundert ist immer wieder und mit wachsendem Nachdruck die Forderung erhoben worden, den Krieg aus dem Leben der Völker zu verbannen. Dieses Ziel eint heute den größten Teil der Menschheit. Nach den Verbrechen des deutschen Faschismus im Zweiten Weltkrieg erhielt dabei auch die Forderung, Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit strengstens zu ahnden, neues Gewicht. Ungeachtet dieses zutiefst humanistischen, gerechten und demokratischen Verlangens gab es nach 1945 erkennbare Bestrebungen, die Protagonisten des Dritten Reiches und ihre willigen Vollstrecker von der Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und die faschistischen Verbrechen zu entlasten. Diese Tatsache unterstreicht, dass der allseitigen Aufdeckung der Schuld, die der deutsche Imperialismus gegenüber dem eigenen Volk wie gegenüber anderen Völkern auf sich geladen hat, nicht allein die Bedeutung einer historischen Bilanz zukommt, sondern dass sie zugleich dem Anliegen dient, mit dem Mittel der historischen Analyse erneuten verbrecherischen Anschlägen entgegenzuwirken.

    Ein weiterer aktueller Aspekt des nachfolgend behandelten Themas ergibt sich daraus, dass Faschismus, gewiss nicht als offene, barbarische Diktatur wie zwischen 1933 und 1945, auch heute noch eine Herrschaftsoption darstellt. Durch die Untersuchung von Funktion und Organisation der Geheimen Feldpolizei soll das Wissen über den Herrschaftsmechanismus, sollen die Kenntnisse über den Terror, mit dem sich die Nazidiktatur nach innen und außen absicherte, erweitert werden. Klarheit darüber, was Faschismus ist, bildet die erste Voraussetzung für dessen wirksame Bekämpfung.

    Die Geheime Feldpolizei war ein speziell für die Kriegführung geschaffenes Terrorinstrument der deutschen Streitkräfte. Sie unterstand dem militärischen Geheimdienst. Ihre Hauptaufgaben waren die Unterdrückung jeder antifaschistischen und Antikriegstätigkeit in der Wehrmacht sowie die Verfolgung der antifaschistischen Befreiungsbewegung in den besetzten Gebieten Europas. Die GFP-Formationen übten – wie der sowjetische Hauptankläger im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, Generalleutnant Roman A. Rudenko, am 30. August 1946 vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg feststellte – »bei der kämpfenden Truppe dieselben Funktionen aus, wie sie der Gestapo und der Kriminalpolizei im Reiche zugewiesen waren. Außerdem hatten sie weit verbreitete polizeiliche Strafaufgaben, die gegen die friedliche Bevölkerung und die Partisanen in den Gebieten der Kampfhandlungen gerichtet waren.«¹ Diese Funktion sowie die beim Einsatz angewandten Mittel und Methoden, in denen sich die enge Verbindung von Geheimer Feldpolizei und Geheimer Staatspolizei widerspiegelte, prägten in entscheidendem Maße den verbrecherischen Charakter der GFP.

    Bei der Bekämpfung der überfallenen Völker gehörten die Misshandlung und Erschießung von Widerstandskämpfern und von Personen, die seitens der GFP irgend welcher antifaschistischen Aktivitäten oder Verbindungen verdächtigt wurden, zum Alltag der Geheimen Feldpolizei. Bei der Verfolgung der sowjetischen Partisanen- und Widerstandsbewegung steigerte die GFP ihre terroristischen Methoden ins Extrem, beging sie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in großem Ausmaße. Von einem solchen Vorgehen erhoffte sich die militärische Führung Hitlerdeutschlands, dass die antifaschistischen Kräfte im Wirkungsbereich der GFP entscheidend geschwächt und schließlich vernichtet würden. Diese Hoffnung blieb Illusion. Der offene Terror – wie ihn neben anderen faschistischen Unterdrückungsinstrumenten die Geheime Feldpolizei ausübte – hat zwar furchtbare Opfer gefordert und schmerzhafte Lücken in die Reihen der antifaschistischen Kämpfer gerissen, sein erklärtes Ziel jedoch auch nicht annähernd erreicht.

    Die nachfolgende Untersuchung soll deutlich machen, dass die von der Geheimen Feldpolizei ausgeübte Unterdrückungsfunktion zum Wesen des faschistischen Herrschaftssystems gehörte und die GFP eines jener Werkzeuge war, mit denen gesellschaftliche Gegenkräfte ausgeschaltet werden sollten. Mit der Behandlung dieser Fragen kann ein noch weitgehend unerforschter Bereich der Geschichte der deutschen Streitkräfte aufgehellt werden, denn bislang stand die GFP, obwohl sie als »Gestapo der Wehrmacht« zusammen mit der Geheimen Staatspolizei und dem Sicherheitsdienst der SS die geheimpolizeiliche Repression in den okkupierten Gebieten verwirklichte, meist im Schatten der Anonymität. Hauptanliegen der Untersuchung ist es, Rolle und Platz der Geheimen Feldpolizei im Aggressions- und Okkupationsinstrumentarium des deutschen Faschismus zu bestimmen, die »Arbeitsweise« der GFP zu zeigen, der Zusammenarbeit zwischen der GFP und den anderen Repressivorganen nachzuspüren sowie zur Aufdeckung der von der Geheimen Feldpolizei begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beizutragen. In engem Zusammenhang hiermit werden die Organisation des GFP-Apparats und deren Veränderungen unter dem Einfluss des Kriegsverlaufs geschildert. Von diesen Grundlagen her ist es zugleich möglich, am Beispiel der Geheimen Feldpolizei die Legende von der »sauberen« Tätigkeit des militärischen Geheimdienstes ad absurdum zu führen.

    Ausgehend von den Vorstellungen der deutschen Militärtheoretiker über den Platz, den die Geheime Feldpolizei in einem künftigen Krieg einnehmen sollte, untersucht die Arbeit die Funktion und Organisation der GFP an den Schwerpunkten ihres Einsatzes: bei der deutsch-italienischen Intervention in Spanien (1936-1939), bei der Besetzung Österreichs (1938), bei der Zerschlagung der Tschechoslowakei (1938/39) und bei der Errichtung und Absicherung des faschistischen Okkupationsregimes in Polen, in Nord- und Westeuropa sowie in den besetzten Territorien der UdSSR. Der Einsatz der GFP in Südosteuropa sowie während der Endphase des Zweiten Weltkrieges konnte – bedingt durch die unzureichende Quellenlage – nicht gesondert behandelt werden.

    Der Autor sah sich bei der Erforschung von Funktion und Organisation der faschistischen Geheimen Feldpolizei mit einer komplizierten Quellensituation konfrontiert. Zentrale Unterlagen der Geheimen Feldpolizei, so die Akten des Feldpolizeichefs der Wehrmacht (OKW-Amt Ausland/Abwehr) und des Heeresfeldpolizeichefs (OKH), waren nicht auffindbar. Vermutlich sind sie – ähnlich wie anderes Dokumentenmaterial des militärischen Geheimdienstes Hitlerdeutschlands – bei Kriegsende vernichtet bzw. von den Westmächten erbeutet oder ihnen zugespielt worden.

    Hinzu kommt, dass besonders belastende Momente aus der Tätigkeit der Geheimen Feldpolizei keinen schriftlichen Niederschlag gefunden haben. Für die Forschung standen deshalb bisher lediglich Fragmente des Schriftgutes der Geheimen Feldpolizei zur Verfügung. Dieses Material befindet sich stark verstreut vor allem in den Unterlagen des Ic-Apparats der Kommandobehörden der Wehrmacht und in den Dokumenten der Anklage im Fall 12 der Nürnberger Nachfolgeprozesse. Ein relativ geschlossener Aktenbestand der GFP-Gruppe 723, der den Einsatz dieser Gruppe von 1941 bis 1944 auf dem Territorium der UdSSR widerspiegelt, konnte im Wojskowy Instytut Historyczny in Warschau eingesehen werden.²

    Wichtige Erkenntnisse vermittelten auch die Prozesse, die von Gerichten der DDR gegen ehemalige GFP-Angehörige geführt wurden.³

    Die nachfolgende Untersuchung reiht sich ein in die Forschungen der Geschichts- und Militärgeschichtswissenschaft zur Enthüllung der Verbrechen des deutschen Faschismus, zur Aufdeckung des Terrormechanismus der faschistischen Diktatur nach innen und außen. Grundlegende Anregungen zur Auseinandersetzung mit der Thematik boten Schriften und Briefe, in denen sich Karl Marx und Friedrich Engels mit dem Wesen bourgeoiser Geheimpolizeiorgane auseinandersetzten.⁴ In besonders komprimierter Form nahm Karl Marx hierzu in seinen »Enthüllungen über den Kommunisten-Prozess zu Köln« Stellung.⁵ Die verbrecherischen Praktiken des preußischen Polizeirats Wilhelm Stieber anprangernd, skizzierte Marx zugleich Wesenszüge der Geheimpolizeitätigkeit, die bis heute gültig geblieben sind: a) die Tendenz zur ständigen Verstärkung und Zentralisierung des geheimpolizeilichen Apparats als konterrevolutionäre Defensivmaßnahme; b) die Tendenz zur Anwendung auch krimineller Mittel und Methoden bei der Verfolgung politischer Gegner; c) die Tendenz zur internationalen Zusammenarbeit der reaktionärsten Geheimpolizeien. Jahre später, am 11. Juni 1866 und 31. Juli 1870, wies Friedrich Engels im Zusammenhang mit der Aufstellung der Geheimen Feldpolizei der preußischen Streitkräfte in den Kriegen von 1866 und 1870/71 in Briefen an Karl Marx darauf hin, dass der bürgerliche Staat bei seinen Expansionskriegen ein im Rahmen der Streitkräfte operierendes geheimpolizeiliches Organ zur Niederhaltung der Proletarier im Waffenrock und der Bevölkerung in den okkupierten Gebieten benötigt.⁶

    Wichtige Hinweise für das konzeptionelle Herangehen an die Spezifik des Untersuchungsgegenstands konnten aus den Publikationen von Albrecht Charisius und Julius Mader zur Geschichte des deutschen Geheimdienstes sowie der Monographie Alwin Rammes über den Sicherheitsdienst der SS abgeleitet werden.⁷ Zur Funktion und Organisation der Geheimen Feldpolizei, also zum Thema selbst, fehlen in der Geschichtsschreibung umfassende Arbeiten, doch enthielten einige Veröffentlichungen von Historikern der UdSSR, der Volksrepublik Polen und der DDR Darlegungen zu einzelnen Aspekten der Genesis und des Einsatzes der GFP. Zu nennen sind hier vor allem die Studie von Wolfgang Kern über die innere Funktion der Wehrmacht 1933-1939, der Artikel von Erhard Moritz und Wolfgang Kern über die Zusammenarbeit der deutschen Wehrmacht mit den SD-Einsatzgruppen bei der Aggression gegen Polen sowie Arbeiten polnischer Autoren zum Okkupationsregime in Polen.⁸

    Grundsätzliche Bedeutung für die Darstellung der Funktion der Geheimen Feldpolizei auf dem okkupierten Territorium der UdSSR hatten die Studie von Norbert Müller über die Besatzungspolitik der Wehrmacht⁹ und ein vom selben Autor als Ergänzung dazu herausgegebener Dokumentenband¹⁰. Wesentliche Anregungen vermittelten auch Untersuchungen sowjetischer Historiker über die Tätigkeit der sowjetischen Aufklärungs- und Abwehrorgane im Zweiten Weltkrieg.¹¹

    Anliegen der bürgerlichen Geschichtsschreibung war und ist es, die Aktivitäten des militärischen Geheimdienstes als objektiv notwendig, als »staatserhaltend« zu deklarieren. Mit dieser Zielstellung erschien in der BRD eine Vielzahl von Publikationen, die der Ehrenrettung des militärischen Geheimdienstes Hitlerdeutschlands dienen sollten. Doch waren darunter nur wenige Arbeiten, die Aussagen zur Geheimen Feldpolizei – einem der wichtigsten Exekutivorgane der faschistischen Abwehr – enthielten. Hauptgrund dieser Zurückhaltung scheint zu sein, dass die offen verbrecherische Tätigkeit der Geheimen Feldpolizei und die enge Verknüpfung der GFP mit der Gestapo es den Verfassern der meisten Geheimdienstapologien angeraten erschienen ließen, die Geheime Feldpolizei aus ihren Reinwaschungsversuchen auszuklammern. Dort, wo solche Autoren auf die Geheime Feldpolizei eingingen, versuchten sie, die Rolle der GFP als »Gestapo der Wehrmacht« zu verschweigen; oder sie griffen bewusst zum Mittel der Geschichtsfälschung. Paul Leverkuehn behauptete zum Beispiel, dass die Geheime Feldpolizei vom Oberkommando der Wehrmacht als ein Gegengewicht gegen die »Machtausweitung der Himmler-/Heydrichschen Apparatur« aufgestellt wurde, dass ihre Führungskader aus der Kriminalpolizei und der Ordnungspolizei kamen und nicht etwa aus der Gestapo, wie es tatsächlich gewesen ist.¹² Ähnlich verfuhr Gert Buchheit, Autor zahlreicher Arbeiten zur Rehabilitierung des militärischen Geheimdienstes Hitlerdeutschlands, wenn er versuchte, jede Verbindung – und sei sie auch nur personeller Art – zwischen Geheimer Feldpolizei und Gestapo zu leugnen.¹³

    Auch in späteren Arbeiten der BRD-Historiographie zur Geschichte der faschistischen Okkupationspolitik dominiert der Aspekt, die Geheime Feldpolizei zu einem »normalen« Militärpolizeiorgan aufzuwerten. So schrieb Wolfram Weber in seiner Publikation zur »inneren Sicherheit« im besetzten Belgien und Nordfrankreich: »Die Geheime Feldpolizei war ebenfalls eine regelrechte Truppe der deutschen Wehrmacht. Ihre Aufgaben innerhalb des Heeres sind am ehesten denen der zivilen Kriminalpolizei zu vergleichen.«¹⁴ Die nachfolgenden Untersuchungen widerlegen diese Verharmlosung.

    Die vorliegende Arbeit beruht auf einer 1982 am Militärgeschichtlichen Institut der DDR verteidigten Dissertation. Bei ihrer Überarbeitung erhielt der Autor vielseitige Hilfe und Ratschläge, für die er herzlich danken möchte. Wertvolle Hinweise vermittelten insbesondere der 1983 verstorbene Oberst Professor Dr. sc. Gerhard Förster, Dr. Norbert Müller und Staatsanwalt Horst Busse. Große Unterstützung bei der Vorbereitung zum Druck leisteten Dr. Horst Giertz und Dr. Uwe Löbel. Für fachkundige Hilfe dankt der Autor außerdem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wojskowy Instytut Historyczny in Warschau, des Militärarchivs der DDR, des Zentralen Parteiarchivs, des Zentralen Staatsarchivs Potsdam, des Dokumentationszentrums der Staatlichen Archivverwaltung der DDR und der Bibliothek des Militärgeschichtlichen Instituts der DDR.

    Klaus Geßner,

    Potsdam, im Jahr 1986

    Die vorliegende Publikation erschien 1986 im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik. Seither ist nichts Vergleichbares publiziert worden. Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia informiert unter dem Stichwort »Geheime Feldpolizei« sehr ausführlich und weist bei der Literatur nur einen einzigen Titel aus, nämlich »Geßner, Klaus: Geheime Feldpolizei. Zur Funktion und Organisation des geheimpolizeilichen Exekutivorgans der faschistischen Wehrmacht. Ost-Berlin 1986«. Das Angebot im Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher (ZVAB) ist geringer, als eine Hand Finger hat. Das und die Tatsache, dass die Arbeit von den Fachleuten als unverändert gültiges Standardwerk betrachtet wird, sind Grund genug, diese Monographie neuerlich aufzulegen.

    Der Militärverlag startet damit nach zwanzig Jahren Publikationspause unter neuer Adresse und mit neuer Mannschaft aufklärend und mit pazifistischen Intentionen sein neues Programm.

    Frank Schumann,

    Berlin, im Jahr 2010

    Genesis und Entwicklung der Geheimen Feldpolizei bis zum Vorabend des Zweiten Weltkrieges

    1. Zum Platz der Geheimen Feldpolizei in den militärtheoretischen Vorstellungen

    In den Vorstellungen der Militärtheoretiker über die Vorbereitung und Führung eines künftigen Krieges nahmen zivile und militärische Terrororgane einen festen Platz ein. Zur Erreichung der weit gesteckten Ziele Hitlerdeutschlands entwickelten die Militärs deshalb neue, ihrer Theorie des totalen Krieges entsprechende Elemente der Kriegführung.¹⁵ Dazu gehörte der Einsatz spezieller Repressivorgane der Streitkräfte zur terroristischen Bekämpfung des Volkswiderstands in den okkupierten Territorien.

    Im Rahmen dieses unter militärischer Regie fungierenden Unterdrückungsapparats, der eng mit der Sicherheitspolizei und dem Sicherheitsdienst der SS zusammenwirkte, kam der Geheimen Feldpolizei eine Schlüsselstellung zu. Sie sollte die Widerstandsbewegung der überfallenen Völker mit den bereits gegen die deutschen Antifaschisten praktizierten Gestapomethoden bekämpfen bzw. Voraussetzungen für den Einsatz von Truppen gegen die Freiheits- und Widerstandskämpfer schaffen.

    Zu den bestimmenden Faktoren für die Rolle der Geheimen Feldpolizei in einem künftigen Krieg gehörte auch, dass die deutsche Wehrmacht objektiv einen eklatanten Widerspruch in sich barg. Wie jede andere Massenarmee musste sie die natürlichen Todfeinde des Kapitals, die Arbeiter, bewaffnen; Angehörige der Arbeiterklasse machten den prozentualen Hauptanteil der faschistischen Streitkräfte aus. Insbesondere der Verlauf des Ersten Weltkrieges und die Novemberrevolution 1918/19 hatten den deutschen Militärtheoretikern klargemacht, dass imperialistische Kriege, bei denen über einen längeren Zeitraum hinweg Massenheere zum Einsatz kommen, zur Zersetzung der Truppen und schließlich zur Revolutionierung der Soldaten führen können.

    Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, strebte die militärische Führung Hitlerdeutschlands – neben der umfassenden ideologischen Manipulierung der Soldaten im Sinne des Antikommunismus, Antisowjetismus und Chauvinismus – die Schaffung eines breitgefächerten Überwachungs- und Unterdrückungssystems in den Streitkräften an. Im Rahmen der unmittelbaren Kriegsvorbereitungen verstärkte sie deshalb ihre Anstrengungen, den Unterdrückungsapparat in den Streitkräften zu perfektionieren bzw. in den Planungsdokumenten die Aufstellung spezieller militärischer Polizeiorgane (Geheime Feldpolizei/Feldgendarmerie) für den Kriegsfall zu fixieren. Die Geheime Feldpolizei sollte unter den Soldaten des Feldheeres jede Antikriegsregung ersticken. Hierbei konnte sie selbständig oder im direkten Auftrag der Militärjustiz und des militärischen Geheimdienstes handeln. Faktisch übte die GFP damit die Funktion eines »Zwillingsorgans« der berüchtigten Gestapo in einem für die Kriegführung besonders neuralgischen Bereich aus.

    Ein weiteres geheimpolizeiliches Funktionsfeld, in dem die GFP mit Kriegsbeginn die Tätigkeit der Gestapo weiterführen sollte, war die Bekämpfung der gegnerischen Aufklärung, Spionage und Diversion im Operationsgebiet des Heeres. Hierbei knüpfte sie unmittelbar an die Einsatzerfahrungen an, die von der Geheimen Feldpolizei des kaiserlichen Deutschlands im Ersten Weltkrieg gesammelt worden waren.

    Überhaupt konnten sich die faschistischen Militärs bei der Entwicklung ihrer Vorstellungen über Rolle und Organisation der Geheimen Feldpolizei in einem künftigen Krieg auf langjährige Erfahrungen des deutschen militärischen Geheimdienstes stützen. Die Aufstellung einer Geheimen Feldpolizei war erstmals 1866 im Krieg Preußens gegen Österreich erfolgt. Der Politischen Polizei Preußens, die das Hauptinstrument bei der Verfolgung der revolutionären Arbeiterbewegung und aller demokratischen Kräfte war, wurde mit der GFP ein Organ an die Seite gestellt, das speziell zur geheimpolizeilichen Absicherung der preußischen Kriegführung diente. Die Arbeitsteilung zwischen der zivilen Politischen Polizei und der Geheimen Feldpolizei als einer militärischen »Sonderpolizei« für den Kriegsfall wurde – wenn auch mit unterschiedlichen Inhalten und Formen – im Deutsch-Französischen Krieg sowie im Ersten Weltkrieg beibehalten. Sie erreichte während des Zweiten Weltkrieges im Zusammenspiel zwischen der Geheimen Feldpolizei und der Gestapo sowie dem Sicherheitsdienst der SS ihren Höhepunkt.

    Stärker als bei anderen Formationen des preußisch-deutschen Feldheeres prägte der politische Charakter des jeweiligen Krieges das Einsatzprofil der Geheimen Feldpolizei. Im Deutsch-Französischen Krieg bestanden ihre wichtigsten Aufgaben in der Unterdrückung aller progressiven Regungen im Feldheer sowie in der Bekämpfung von Widerstandsaktionen des französischen Volkes und der Aktivitäten der französischen Aufklärung im Operationsgebiet. Analog dazu wurden im Ersten Weltkrieg die Verfolgung der gegnerischen Geheimdienste und die geheimpolizeiliche Unterdrückung der Bevölkerung in den vom deutschen Feldheer okkupierten Gebieten betrieben. Gleichzeitig überwachte die GFP die Soldaten des Feldheeres, übergab sie die von ihr Festgenommenen »urteilsreif« den Feldgerichten. Die in unmittelbarer Auswirkung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution stürmisch verlaufende Zersetzung und Revolutionierung des Feldheeres führte 1917/18 zu einer Eskalation der gegen die deutschen Soldaten gerichteten Repressivmaßnahmen. Den Zerfall der kaiserlichen deutschen Streitkräfte im November 1918 konnten sie jedoch nicht aufhalten.

    Bei der Vorbereitung eines neuen Krieges erfolgte im Unterschied zur operativ-taktischen Analyse der Kriegsereignisse die Auswertung der Erfahrungen des deutschen militärischen Geheimdienstes und seines geheimpolizeilichen Exekutivorgans – der Geheimen Feldpolizei – vor allem intern. In Publikationen wurden lediglich Erfahrungen auf dem Gebiet der Spionagebekämpfung und der GFP-Organisation vermittelt. Entscheidende Einsatzbereiche der Geheimen Feldpolizei im Ersten Weltkrieg, wie die Unterdrückung des Volkswiderstands in den okkupierten Gebieten und die geheimpolizeiliche Überwachung der Soldaten des Feldheeres, fanden kaum publizistischen Niederschlag.

    Die interne Analyse der Kriegserfahrungen der Geheimen Feldpolizei lag in den Händen der Abwehrgruppe (Abteilung T 3 des Truppenamtes im Reichswehrministerium) bzw. der 1927 aus ihr hervorgegangenen Heeres-Abwehrabteilung des Truppenamtes. Wichtigstes Ergebnis dieser Auswertung war eine 1928 abgeschlossene, auf reichhaltigem Aktenmaterial beruhende Studie über den »Geheimen Nachrichtendienst und die Spionageabwehr des Heeres von 1866 bis 1918«. In dieser umfangreichen Untersuchung zog Oberst i. G. Friedrich Gempp – langjähriger Mitarbeiter der Abteilung III B des kaiserlichen Generalstabes und von 1920 bis 1927 Chef des Geheimdienstes der Reichswehr – funktionelle und organisatorische Schlussfolgerungen aus der bisherigen Entwicklung des militärischen Geheimdienstes und seiner geheimpolizeilichen Exekutive.¹⁶

    Eine gewisse publizistische Auswertung der Erfahrungen aus dem Einsatz der Geheimen Feldpolizei im Ersten Weltkrieg erfolgte im Rahmen einiger Spezialuntersuchungen. Schon bald nach der Novemberrevolution erschienen die ersten Veröffentlichungen von Walter Nicolai (zuletzt Oberst i. G.), dem ehemaligen Chef der Abteilung III B des Generalstabes der kaiserlichen deutschen Armee. Im einzelnen handelte es sich dabei um folgende Arbeiten:

    • Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg, Berlin 1920

    • Nachrichtenwesen und Aufklärung. In: Der große Krieg 1914-1918 in zehn Bänden, hrsg. von M. Schwarte, Band Die Organisationen der Kriegführung. Erster Teil: Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen, Leipzig 1921, S. 475ff.

    • Geheime Mächte. Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute, Leipzig 1923

    • Der Geheimdienst im Weltkriege. In: Ehrendenkmal der Deutschen Armee und Marine 1871-1918, hrsg. von Eisenhart Rothe, Berlin 1926, S. 304ff.

    • Einblicke in den Nachrichtendienst während des Weltkrieges. In: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen, hrsg. von Walter Jost und Friedrich Felger, Leipzig 1936, S. 103ff.

    Diese Schriften dienten vorwiegend der Rechtfertigung und »Ehrenrettung« des im Ersten Weltkrieg unter Nicolais Führung wirkenden militärischen Geheimdienstes. Den Angehörigen der Geheimen Feldpolizei des kaiserlichen Feldheeres bescheinigte Nicolai »pflichttreue, hingebungsvolle Arbeit«¹⁷ im Interesse der imperialistischen Kriegsführung. Nachdrücklich unterstrich er die Bedeutung der Geheimen Feldpolizei als Exekutivorgan des militärischen Geheimdienstes, wies er auf die Notwendigkeit einer straffen, zentralen Führung der GFP durch den militärischen Geheimdienst hin. Weiterhin orientierte Nicolai auf eine von ihm als dringlich angesehene Verstärkung der GFP-Kräfte in einem künftigen Krieg und auf die rechtzeitige Ausbildung entsprechender geheimpolizeilicher Kader.

    Kritischer, zumindest partiell, wurde die Wirksamkeit der Geheimen Feldpolizei im Ersten Weltkrieg von Carl Herrmann betrachtet, der an führender Stelle bei der Geheimen Feldpolizei an der Westfront eingesetzt gewesen war. Herrmann verwies in seinem 1930 erschienenen Buch »Geheimkrieg«¹⁸ auf die wachsende Bedeutung des Einsatzes der Geheimen Feldpolizei im Krieg und machte die Aufgaben der GFP insbesondere bei der Spionageabwehr deutlich. Schärfer als Nicolai setzte er sich mit der Organisationsform der GFP im Ersten Weltkrieg auseinander. Er charakterisierte die Geheime Feldpolizei nicht ganz zutreffend als eine »über Nacht geschaffene Organisation, der der natürliche, organische Aufbau fehlte«¹⁹, und skizzierte Möglichkeiten zur Erhöhung der organisatorischen Effektivität dieses geheimpolizeilichen Instruments.

    Am ausführlichsten ging Hans Witte (im Ersten Weltkrieg Major i. G. und Chef III B West) in seinem 1931 erschienenen Beitrag »Der Nachrichtendienst an der Westfront«²⁰ auf die Rolle der Geheimen Feldpolizei im Ersten Weltkrieg ein. Er gab darin einen detaillierten Überblick über Struktur und Tätigkeitsbereich der Geheimen Feldpolizei und vermittelte Erfahrungen aus der Kriegszeit, wobei er besonders die Notwendigkeit weitgehender Befugnisse und großer Selbständigkeit für die Geheime Feldpolizei betonte.

    Die in den 20er Jahren und Anfang der 30er Jahre erschienenen Untersuchungen über den Einsatz der Geheimen Feldpolizei im Ersten Weltkrieg wiesen nach, wie sehr die Bedeutung dieses Polizeiorgans im imperialistischen Krieg gewachsen war, und zogen in Teilbereichen Schlussfolgerungen, wie der GFP-Einsatz in einem künftigen Krieg effektiver gestaltet werden könnte. Die direkte Orientierung auf die für die Geheime Feldpolizei Hitlerdeutschlands bestimmende offen terroristische Funktion erfolgte jedoch erst mit der Errichtung der faschistischen Diktatur.

    Bei der unmittelbaren Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges wandten sich die Militärtheoretiker auch solchen historischen Ereignissen zu wie dem Zerfall der kaiserlichen deutschen Armee am Ende des Ersten Weltkrieges und der Revolutionierung eines Teils der Soldatenmassen unter dem Einfluss der russischen Oktoberrevolution, die für die deutsche Führung zu einem Trauma geworden waren. Offener als Gempp, Nicolai, Herrmann und Witte wiesen sie dabei auf die Unfähigkeit der Militärpolizeiorgane hin, die den Weiterbestand des politischen Systems in Deutschland unmittelbar gefährdenden Entwicklungen wirksam zu bekämpfen. Als Ausweg empfahlen sie, in einem künftigen Krieg den Einsatz dieser Kräfte entscheidend zu verschärfen.

    Ein Beispiel für derartige Orientierungen war das 1936 erschienene, von der Forschungsanstalt für Kriegs- und Heeresgeschichte im Auftrag des Reichskriegsministeriums erarbeitete Werk »Die Rückführung des Ostheeres«, das als erster Band der »Darstellungen aus den Nachkriegskämpfen deutscher Truppen und Freikorps« konzipiert war. Dieses Buch vermittelte unter anderem spezifisch militärpolizeiliche Erfahrungen aus der ersten Aggression des deutschen Imperialismus gegen die junge Sowjetmacht. Eine wichtige Ursache für das Scheitern dieses antikommunistischen Feldzuges sahen die faschistischen Militärhistoriker in der »Hilflosigkeit« der polizeilichen Repressivorgane des Ostheeres gegenüber den Zersetzungs- und Revolutionierungserscheinungen, die bei den deutschen Truppen unter dem Einfluss des Roten Oktober rasch zugenommen hatten. Sie stellten fest, dass diese Unterdrückungsinstrumente ihrer Rolle als »Stützen der Kommandobehörden« nicht gerecht geworden seien. Sie forderten deshalb, die militärische Führung müsse in ähnlichen Situationen »mit rücksichtsloser Gewalt die Herde der Massenerkrankung beseitigen […] Ganz besondere Aufmerksamkeit ist in diesem Zusammenhang der Feldgendarmerie und Militärpolizei zu widmen.«²¹

    Je weiter die Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges vorangetrieben wurde, desto deutlicher fixierte man auch den Platz, den die Geheime Feldpolizei im Rahmen des totalen Krieges ausfüllen sollte. Bereits Mitte der 30er Jahre stand für die Militärtheoretiker fest, dass die GFP in einem künftigen Krieg nicht nur zur Bekämpfung von Spionage und Sabotage im Operationsgebiet dienen, sondern die Tätigkeit der Geheimen Staatspolizei im Rahmen des Feldheeres auf allen Gebieten fortsetzen sollte. Damit waren schon zu diesem Zeitpunkt entscheidende Orientierungen hinsichtlich der politischen Funktion der GFP im Zweiten Weltkrieg gegeben.

    Besonders komprimiert kam dieser Erkenntnisstand im 1936 erschienenen offiziösen militärtheoretischen Überblickswerk »Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften« zum Ausdruck. Unter dem Stichwort »Feldpolizei« hieß es dort eindeutig: »Sonderpolizei für Kriegszwecke. Sie setzt im Kriege die Tätigkeit der politischen Polizei (Geheimen Staatspolizei) fort und dient der Abwehr von Schädigungen des Staates und Heeres […], vor allem der Bekämpfung von Spionage und Sabotage, d. h. der Verletzung des militärischen Geheimnisses und sonstiger Störung der Kriegführung.«²²

    Die Auffassungen der faschistischen Militärtheoretiker über die Rolle der Geheimen Feldpolizei in einem künftigen Krieg fanden ihren Niederschlag vor allem in einer Reihe grundsätzlicher Vorschriften. Bereits in einer der ersten Vorschriften, die nach Errichtung der faschistischen Diktatur erlassen wurden – in der Heeresdruckvorschrift 300/1 »Truppenführung« – findet sich die Festlegung, dass im Kriegsfall beim Feldheer eine Geheime Feldpolizei aufzustellen sei. Diese grundsätzliche Vorschrift, die die wichtigsten Prinzipien der Truppenführung im Zweiten Weltkrieg enthielt, bestimmte unter Punkt 190: »Bei den Kommandobehörden ist ein planmäßiger Abwehrdienst gegen Spionage einzurichten. Ihnen steht hierfür die geheime Feldpolizei zur Verfügung […]. Alle Wahrnehmungen sind unverzüglich der geheimen Feldpolizei mitzuteilen, spionageverdächtige Personen festzunehmen und ihr zuzuführen.«²³

    Der Entwurf der Heeresdruckvorschrift 90 »Versorgung des Feldheeres« vom 1. April 1935 enthielt ebenfalls Festlegungen über den Einsatz einer Geheimen Feldpolizei in einem künftigen Krieg.²⁴ In Auswertung der Erfahrungen aus dem zeitweiligen Einsatz von GFP-Kräften bei der deutsch-italienischen Intervention in Spanien (1936-1939), der Annexion Osterreichs (1938) und der Zerschlagung der Tschechoslowakei (1938/39) erarbeitete das Oberkommando der Wehrmacht schließlich detaillierte Funktions- und Organisationsgrundsätze, nach denen die faschistische Geheime Feldpolizei bis zum Ende des

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