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Bushido: Guter böser Junge - Die inoffizielle Biografie
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Bushido: Guter böser Junge - Die inoffizielle Biografie

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About this ebook

"Vom Bordstein bis zur Skyline" - das ist nicht nur der Titel von Bushidos erstem erfolgreichen Soloalbum, sondern auch eine Metapher für seine Karriere.

Kaum ein Künstler polarisiert wie er. Er hat Erfolg, obwohl - oder vielleicht auch weil - seine Texte provozieren, weil er gesellschaftliche Tabus nicht anerkennt, weil seine Texte und öffentlichen Äußerungen oft frauenfeindliche und gewaltverherrlichende Passagen enthalten.

Aber was ist dran am Image des "Bösen Jungen"? Er ist zweifelsohne einer der erfolgreichsten und umstrittensten Persönlichkeitenen der deutschen Musikszene, aber wie authentisch ist Bushido?

Gleich drei ausgewiesene Musikexperten, Michael Fuchs-Gamböck, Georg Rackow und Thorsten Schatz, begeben sich auf eine spannenden Spurensuche und liefern sicherlich nicht nur den unzähligen Fans des "Skandal-Rappers" zahlreiche Antworten auf viele immer wieder gestellte Fragen.
LanguageDeutsch
PublisherHEEL Verlag
Release dateNov 13, 2012
ISBN9783868526776
Bushido: Guter böser Junge - Die inoffizielle Biografie

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    Bushido - Michael Fuchs-Gamböck

    BUSHIDO

    MICHAEL FUCHS-GAMBÖCK, GEORG RACKOW, THORSTEN SCHATZ

    BUSHIDO

    Guter böser Junge

    Die inoffizielle Biografie

    Impressum

    HEEL Verlag GmbH

    Gut Pottscheidt

    53639 Königswinter

    Tel.: 02223 9230-0

    Fax: 02223 9230-13

    E-Mail: info@heel-verlag.de

    Internet: www.heel-verlag.de

    © 2012 by HEEL Verlag GmbH

    Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen, behält sich der Herausgeber vor. Es ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlages nicht erlaubt, das Buch und Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer bzw. mechanischer Systeme zu speichern, systematisch auszuwerten oder zu verbreiten.

    Titelgestaltung/Satz: A. Mertens

    Lektorat: Doreen Reeck

    – Alle Rechte vorbehalten –

    ISBN 978-3-86852-677-6

    Dieses Buch ist ohne Mitwirkung von Bushido entstanden.

    Inhalt

    Einleitung Bushido – Guter böser Junge

    1. Prügel und Liebe: Bushidos schwieriger Start ins Leben

    2. Auf dem Weg zum Kriminellen: Bushido als Jugendlicher

    3. Rap-Lehrling: Bushido entdeckt die Musik

    4. Aggro Berlin: Die Brutstätte des deutschen Gangsta-Rap

    5. Beefs und Battle-Rap: Bushido, Aggro Berlin und das Verhältnis zu Sido

    6. Trennung im Streit: Das eigene Label und erfolgreiche Geschäftsstrategien

    7. Voller Einsatz: Bushido live

    8. Scheinwerfer an! Bushido, der Filmstar

    9. Schwuchteln verkloppen: Bushido, der Schwulenfeind?

    10. Gangsta-Liebe: Sex, Frauen und Bushido

    11. Kampfbotschaften: Bushido und die Gewalt

    12. Der Bambi-Skandal: Bushido – Staatsfeind Nr. 1

    13. Mainstream vs. Gangsta: Bushido für alle?

    14. Erwachsen sein: Bushidos Zukunft

    Anhang: Diskografie mit Chartplatzierungen, Filmografie, Preise und Auszeichnungen, Quellenangaben, Literatur und Internetseiten

    Einleitung

    Bushido – Guter böser Junge | »Vom Bordstein bis zur Skyline« – so heißt nicht nur sein erfolgreiches erstes Soloalbum, so könnte man metaphorisch auch seine Karriere beschreiben: Die Rede ist von Bushido, dem Berliner »Rüpel-Rapper«, wie er in den Medien häufig tituliert wird. Nicht nur die Inhalte seiner Songs, auch die düsteren Ghetto-Bilder seiner Musikvideos weisen ihn als Vertreter einer von Drogen, Gewalt und Sex beherrschten Welt aus.

    Doch schnell drängen sich Fragen auf: Wie authentisch ist dieser Bushido? Was ist an seiner Erscheinung echt und was ist lediglich Teil eines künstlich geschaffenen Images? Inwieweit spiegelt der Rapper tatsächlich ein bestimmtes soziales Milieu wider?

    Bushido selbst scheint mit sich selbst wie mit seinem Image im Reinen zu sein. Er sieht sich als Kämpfer, hat seinen Künstlernamen ganz bewusst gewählt: Dieser stammt aus dem Japanischen und bedeutet »Weg des Kriegers.« Bushido betont immer wieder gerne in der Öffentlichkeit, dass er sich als modernen Samurai, als fairen Ritter sieht.

    Bushido wurde am 28. September 1978 als Anis Mohamed Youssef Ferchichi in Bonn als Sohn eines Tunesiers und einer Deutschen geboren und wuchs in Berlin auf. Seinen Vater hat das Kind nie wirklich kennengelernt. Dafür ist das Verhältnis zu Mama Luise umso enger. Mit Anna-Maria Lagerblom ist Bushido seit 2011 liiert und seit Mai 2012 auch verheiratet.

    Wie aber konnte aus dem einst eher schüchternen, wissbegierigen kleinen Anis der erfolgreichste, aber auch polarisierende derbe »Staatsfeind Nr. 1« – wie Bushido sich selbst bezeichnet – werden? Der Rapper ist überzeugt, dass sein Weg vorbestimmt war. Sein ganzes Leben über war und ist es für ihn überaus wichtig, Konsequenz in seinen Entscheidungen an den Tag zu legen. Diese Charaktereigenschaft zeigte sich schon in der Schule. Mit den Lehrern kam er meist eher schlecht klar, Autoritäten sind ihm seit der Jugend zuwider.

    Nach Abbruch der Schule war Anis erst mal arbeitslos, schlug sich als Dealer durch und wurde als Kleinkrimineller bei der Polizei auffällig. Wegen mehrfacher Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und Sachbeschädigung wurde er einige Male verhaftet. Ein ebenso strenger wie fairer Richter sorgte dafür, dass Anis nicht in den Knast wanderte, sondern eine Ausbildung machte.

    1998 griff Bushido erstmals zum Mic: Er nahm ein damals unveröffentlichtes Demotape auf, das er und seine Posse privat an ein paar Bekannte verkauften. Ein Jahr später folgte ein weiteres Demotape, auch dieses nicht offiziell erhältlich. Erst 2000 gab es die erste »richtige« Veröffentlichung Bushidos, zusammen mit seinem Rap-Kollegen King Orgasmus One. 2001 legte Bushido dann endlich sein erstes eigenes Tape vor, »King Of Kingz«, gespickt mit derben Battle-Raps, das später auf den Index kommen sollte. Bushido vertrieb die Kassette in Eigenregie in den Hip-Hop-Plattenläden Berlins.

    Kurz darauf bekam er einen Anruf vom Boss des »Downstairs«-Shop, Halil: Er erzählte Bushido, dass er gemeinsam mit zwei Kumpels ein Label namens »Aggro« gegründet hätte. Ob er nicht mitmachen wolle? Na klar wollte er!

    Das Label »Aggro Berlin« stand von Anfang an für einen neuen Hip-Hop-Style, abseits von allem, was bis dahin in Deutschland im Rap erfolgreich war. Aggro vermarktete Raps in deutscher Sprache wie aus dem amerikanischen Ghetto, sogenannten Reality Rap – beinhart, aggressiv, realistisch. Hier traf Bushido auf andere junge Rapper wie Fler, Sido oder B-Tight.

    Bushido war verdammt fleißig in den darauf folgenden Jahren: Unter seinem Pseudonym Sonny Black veröffentlichte er 2002 die Platte »Carlo, Cokxxx, Nutten«, das von wüsten Reimen zusammengehalten wurde. Nur ein Jahr später kam sowohl die digital überarbeitete Version von »King Of Kingz« als auch das Album »Vom Bordstein bis zur Skyline« heraus – Letzteres schon heute ein Klassiker der deutschen Rap-Geschichte. Es war Bushido, der aus der bis dahin unbekannten Plattenfirma Aggro ein Erfolgslabel machte.

    Trotz des Höhenflugs trennten sich die Vertragspartner im Sommer 2004 im Streit voneinander. Bushido gründete nach dem Split zusammen mit dem Rapper D-Bo das eigene Label »ersguterjunge«, dort stehen heute jede Menge verheißungsvolle Talente unter Vertrag. Im Oktober 2004 kam das nächste Album unter eigenem Namen, »Electro Ghetto«, auf den Markt, wofür der Berliner prompt mit Platz 6 in den deutschen Charts sowie einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet wurde. Die Scheibe »Carlo Cokxxx Nutten II«, wieder unter dem Pseudonym Sonny Black und im April 2005 veröffentlicht, kletterte bereits auf Rang 3 der Hitparaden und heimste ebenfalls Goldstatus ein.

    Danach war der Aufstieg zum Superstar unaufhaltsam: Ausverkaufte Tourneen, die Alben »Staatsfeind Nr. 1« und »Von der Skyline zum Bordstein zurück« sowie die Live-CD/DVD »Deutschland gib mir ein Mic!« tummelten sich wochenlang in den Top Ten. Bushido wurde mit jeder Menge Auszeichnungen wie dem Echo, dem BRAVO-Otto, dem MTV Music Award oder im November 2011 mit dem Bambi-Integrationspreis geradezu überschüttet. Seine 2008 erschienene Autobiografie »Bushido« wurde ein Verkaufsschlager mit mehreren Hunderttausend verkauften Exemplaren. Ein Jahr später zog der auf diesem Buch basierende Film »Zeiten ändern dich« über eine halbe Million Zuschauer in die Kinos.

    Bushido ist ein Star! Allerdings einer mit jeder Menge Feinden: Als »Schweinereimer« wurde er vom Musikmagazin »Rolling Stone« abgestempelt, als »Krawall-Rapper« von der »Süddeutschen Zeitung«, »hier reimt die absolute Unterschicht« schrieb das Wochenmagazin »Der Spiegel.« Bushido selbst interessieren derlei Angriffe wenig. Ihm ist es wichtig, dass man zwischen dem privaten Anis Mohamed Youssef Ferchichi und dem öffentlichen Superstar Bushido unterscheidet.

    Und was sind die Pläne des Überfliegers, der es vom Bordstein bis zur Skyline geschafft hat? »Ich bin weit gekommen in meiner Karriere«, lässt er auf seiner Homepage »kingbushido.de« verlauten. »Doch jetzt geht es weiter! Denn ich bin der moderne Samurai. Ich werde definitiv als Sieger aus dem Kampf namens Leben hervorgehen.«

    Nun aber genug des Vorgeplänkels: Vorhang auf für das Leben und das Wirken einer der erfolgreichsten und umstrittensten Persönlichkeiten der deutschen Musikszene: Hier kommt Bushido!

    1. Prügel und Liebe

    Bushidos schwieriger Start ins Leben | Als Teenager lernte Luise Maria Engel, Jahrgang 1950, den vier Jahre älteren Tunesier Ayech Ferchichi in einem Asylbewerberheim in der Nähe von Würzburg kennen, wo sie ab und zu ihre Freizeit verbrachte. Die beiden wurden ein Paar und die junge Frau, die aus einer katholischen Familie stammt, konvertierte zum Islam, Ayechs Religion. Ihrer Familie passte die Hinwendung zum Islam und zu einem Araber gar nicht. Als Luise Maria dann auch noch schwanger wurde, war es ganz aus: Die werdende Mutter wurde von ihrer Familie verstoßen. Die einzige Ausnahme war ihr Vater, der weiterhin zu ihr hielt.

    Das Paar zog von Würzburg nach Bad Godesberg, wo sein Nachwuchs am 28. September 1978 das Licht der Welt erblickte: ein Junge, der den Namen Anis Mohamed Youssef Ferchichi bekam – und später als Bushido zu Deutschlands erfolgreichstem Rap-Star auftsteigen sollte.

    Seine Mutter war der Mittelpunkt der Welt des kleinen Anis, die Stütze der Familie, die ihren Sohn, sich selbst und ihren Mann durchbrachte. Manchmal hatte sie drei Jobs gleichzeitig, zum Beispiel als die Familie in Berlin wohnte und sie sogar nachts noch in Kreuzberg einen Putzjob erledigte. Sie sorgte dafür, dass sich die Familie über Wasser hielt – selbst wenn ihr Mann ihr dies sehr schwer machte, wie Anis später als Bushido in seiner Autobiografie aus dem Jahr 2008 selbst bewegt erzählte: Sein leiblicher Vater war Alkoholiker und verprügelte seine Frau regelmäßig. Sie erduldete das, hielt tapfer durch, versorgte die Familie und kümmerte sich um den Haushalt, während ihr Mann sich betrank und das Geld ausgab.

    Anis bekam häufig mit, wie sein Vater seine Mutter blutig schlug. Als er gerade vier Jahre alt geworden war, hatte sie endgültig genug von diesen Gewalttätigkeiten: Sie warf ihren Mann endlich aus der Wohnung. Anis verachtete seinen Vater dafür, dass dieser die Hand gegen seine Mutter erhoben hatte, wie in einem Interview auf »spiegel.de« am 12. Juli 2010 zu lesen war. Erst im Alter von 18 Jahren sah der Musiker seinen Vater wieder, kurz nachdem dieser einen Alkoholentzug gemacht hatte. Damals erfuhr Anis dann auch die Gründe für dessen Verhalten. In Tunesien war Ayech Ferchichi als Diplomat in der dortigen Botschaft angestellt gewesen. Als er dann nach Deutschland kam, fand er keine Freunde, vermisste seine Heimat und seine Familie in Tunesien. Er war einsam und begann deshalb zu trinken.

    Erst Jahre später, an Anis’ 26. Geburtstag, nahm sein Vater wieder Kontakt zu ihm auf und gratulierte ihm. Ein paar Tage darauf trafen sie sich in Düsseldorf. Der Rapper D-Bo war dabei, ein Freund von Anis. Sein Vater hatte wegen seiner Alkoholsucht mehrere Schlaganfälle erlitten, war halbseitig gelähmt und hatte Krebs. Bei diesem Treffen verzieh Anis seinem Vater; mittlerweile empfand er nur noch Mitleid für ihn, weil er in seinem Leben so abgestürzt war, wie im bereits erwähnten Interview auf »spiegel.de« am 12. Juli 2010 zu lesen war.

    Nachdem Anis’ Mutter sich von ihrem Mann getrennt hatte, trat ein neuer Lebensgefährte in ihr Leben, der zum Stiefvater des späteren Rap-Musikers wurde. Der kurdische Türke verdiente mit Import-Export-Geschäften sein Geld. Weiterhin war die Familie dadurch islamisch geprägt, und Anis wurde muslimisch erzogen, inklusive Beschneidung mit sechs Jahren, was in der Türkei geschah. Später, mit elf Jahren, besuchte er eine Koranschule.

    Der neue Mann im Leben seiner Mutter ist der Vater von Anis’ Halbbruder Sercan, der zur Welt kam, als er neun Jahre alt war. Die Brüder wuchsen bis zum Teenageralter mit ihrem Stiefvater auf. Während dieser Zeit erfüllte Anis Vaterfunktionen für Sercan, obwohl dessen leiblicher Vater ja mit ihnen zusammen lebte. Wenn die Mutter der Brüder zum Beispiel in einer Berliner Bibliothek am Kottbusser Tor um drei Uhr nachts putzen ging, war es Anis, der Sercans Windeln wechselte. Überhaupt kümmerte er sich sehr um seinen kleinen Bruder. Seinen Stiefvater sah der spätere Musiker nie als neuen Vater an, wie in Bushidos Autobiografie zu erfahren ist. Er sagte nie Papa zu ihm, obwohl sein Stiefvater sich gut um ihn kümmerte.

    Für seinen Bruder übernahm er auch später eine Arte Vaterrolle: Er versuchte oft, ihn in die richtigen Bahnen zu lenken. Als Anis als Teenager mit dem Gesetz in Konflikt kam und kurz vor dem Abitur die Schule schmiss, warnte er laut »Tagesspiegel« (Onlineausgabe vom 30. August 2007) Sercan mit eindringlichen Worten davor, sich das bloß nicht als Vorbild zu nehmen, indem er ihm sagte: »Junge, wenn du anfängst zu kiffen, zu saufen oder dich zu prügeln, kriegst du von mir auf den Sack.« Eine eher sorgenvolle Drohung, die aber Wirkung zeigte: Sercan absolvierte sein Abitur auf dem Eckener-Gymnasium in Berlin-Tempelhof. Später, als Erwachsene, hatten die Brüder zwar ein etwas distanziertes Verhältnis, trotzdem würden sie alles füreinander tun, wie Bushido in seiner Autobiografie versichert.

    Als Anis elf Jahre alt wurde, zog die Familie nach Bad Soden, weil sein Stiefvater dort eine neue Arbeit gefunden hatte. Wie Bushido in seiner Autobiografie schreibt, ging ihm diese Veränderung völlig gegen den Strich. Er suchte Abwechslung und began, in einem Verein Tischtennis zu spielen – und das ziemlich gut. Er wurde Zweitbester seiner Mannschaft und blieb dem Sport treu, auch wenn er noch andere Hobbys und größere Talente besaß.

    Nach einem knappen Jahr in Bad Soden zog die Familie zurück nach Berlin. Dort versuchte sich der inzwischen 12-jährige Anis in der D-Jugend des Wilmersdorfer Fußballclubs. Doch das war ihm zu kraftraubend und er gab den Sport wieder auf.

    Zurück in Berlin, fing Anis’ Stiefvater an, seine Mutter zu schlagen – nicht ganz so heftig wie sein leiblicher Vater es getan hatte, dennoch war dies ein Déjà-vu: Auch dieser Mann entpuppte sich als Gewalttäter. Als der Horror wieder losging, so erzählte Bushido bedrückt in einem Gespräch mit der »Welt am Sonntag« (11. Dezember 2011), habe er sich vor lauter Angst versteckt und sich nicht rühren können. Nach einiger Zeit habe er dann dafür gesorgt, dass zumindest sein kleiner Bruder nichts von den Prügelattacken mitbekam, indem er den Fernseher so laut gedreht habe, dass dieser die Schläge übertönte. Wenn sein Stiefvater sich ausgetobt hatte, sei er verschwunden. Manchmal habe er auch Anis geschlagen, der allerdings nur die Sorge hatte, dass seiner Mutter nichts passieren sollte.

    Sie sah nach den Schlägen schlimm aus mit ihrem geschwollenen Gesicht, wie Bushido in dem Interview erzählt. Sie vergoss viele Tränen, sagte aber nichts und versuchte, die Schläge zu vertuschen, weil sie sich vor noch bösartigeren Wutausbrüchen fürchtete, die in eine Katastrophe hätten führen können.

    Eine schwere Last für Anis und seinen Bruder, der die Situation vermutlich dennoch mitbekam, weil Kinder nun mal für solche Stimmungen sehr feine Antennen haben.

    Eines Tages war das Maß voll. Anis war im Teenageralter, nur noch einen Schritt davon entfernt, vom Jugendlichen zum Mann zu werden. Und da stellte er sich schützend vor seine Mutter, als der Stiefvater sie erneut bedrohte –, was offensichtlich Wirkung zeigte. Denn danach verschwand der Mann aus ihrem Leben, kurz bevor Anis das 18. Lebensjahr erreichte.

    Wieder war Luise Maria auf sich allein gestellt und musste ihre Jungs und sich selbst durchbringen, immer haarscharf an der Grenze zum Existenzminimum. Doch sie schaffte das, mit harter Arbeit. Sie nahm nie Sozialleistungen in Anspruch, wie ihr Sohn Anis später im angesprochenen Interview mit der »Welt am Sonntag« stolz erzählte. Sie war es gewohnt, hart und viel zu arbeiten. Und ihre Söhne waren ihr bei all dem stets das Wichtigste überhaupt. Wenn sie zum Beispiel Probleme mit der Polizei hatten, nahm sie ihre Jungs immer in Schutz.

    Kein Wunder also, dass Anis seine Mutter so sehr liebt und verehrt – er hat ihren Namen, Luise Maria, auf seinen rechten Innenarm tätowiert. Er ist ihr dankbar für die Entbehrungen, die sie für ihre Kinder auf sich genommen hat, und dafür, dass sie immer für sie da war. Anis zeigte das später als Bushido mit sehr großzügigen Geschenken: mal 30.000 Euro in bar – die Hälfte seines Vorschusses für sein zweites Soloalbum »Electro Ghetto« –, mal eine neue Küche für 20.000 Euro oder, wie im Dezember 2011, eine Reise nach Miami, Florida, in den USA.

    Außerdem hat er dafür gesorgt, dass sie nicht mehr schwer arbeiten musste. Als sie 57 Jahre alt wurde, war sie in einer Bäckerei beschäftigt, in der sie jeden Morgen um drei Uhr anfing. Anis stellte sie kurzerhand bei sich selbst ein, und seitdem machte sie das, was sie auch schon tat, als ihr ältester Sohn noch ein Kind war: Sie sorgt für saubere Wäsche und bekocht ihn.

    Im selben Jahr, 2007, allerdings wurde das neue familiäre Glück durch einen schweren Schicksalsschlag erschüttert: Bei Anis’ Mutter wurde Brustkrebs diagnostiziert. Als er das erfuhr, begab sich der Musiker zu einer Psychologin in Behandlung. Er durchlitt eine depressive Phase, sagte deswegen eine Tour ab, war allein, ohne Freundin. Er verbrachte die Tage in seinem Zimmer auf dem Boden sitzend, sah nur durch das geöffnete Fenster und hielt Zwiesprache mit Gott. Selbstmordgedanken verboten sich ihm allerdings – im muslimischen Glauben bedeutet Suizid, dass man in die Hölle kommt.

    Er hatte einen Tiefpunkt erreicht, von dem der Musiker glaubte, ihn nie wieder überwinden zu können, wie er sich resigniert im Interview mit der »Welt am Sonntag« vom 11. Dezember 2011 erinnerte. Die Therapie brachte ihm nichts, sodass er sie schnell wieder beendete. Er erkannte, wie er in dem Gespräch nachdenklich erklärte, dass er zu sehr an seinen Erfolg gedacht hatte, an sich selbst, und das, während seine Mutter so schwer krank war. Und Anis verstand, was wirklich zählte, wie er verriet: Er wurde in diesen Augenblicken »erwachsen.« Er bangte um das Leben seiner Mutter, kümmerte sich fast ausschließlich um sie, hatte selbst starke Migräneanfälle und dachte über sich selbst nach und betete viel. Doch zum Glück wurde seine Mutter wieder gesund und Bushido erholte sich ebenso.

    Der Rap-Star lebt (zum Redaktionsschluss dieses Buches) wieder mit ihr unter einem Dach, in einem Haus, zusammen mit seiner Frau Anna-Maria Lagerblom, deren Sohn Montry und dem gemeinsamen Töchterchen, alle gemeinsam in Lichterfelde-West, einem beschaulichen Viertel Berlins, in dem Familien und gut betuchte Rentner zu Hause sind. Der Musiker würde im Leben nicht darauf kommen, seine Mutter in ein Altersheim abzuschieben oder sie zu überreden, in irgendeine Wohnung zu ziehen.

    Er kümmert sich um seine Mutter als sie älter wird und hat sie und ihre

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