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Familienarchiv
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Familienarchiv

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Der Roman in Versen "Familienarchiv" besteht aus einzelnen biografischen Skizzen, die gemeinsam eine Chronik des tragischen Werdegangs und Untergangs des jüdischen Lebens in der südlichen Ukraine und damit auch die Rekonstruktion einer versunkenen osteuropäischen Welt ergeben. Er ist ein gleichzeitig poetischer, essayistischer und epischer Text von langem Atem und sprachlicher Expressivität. Dazu Kirstin Breitenfellner im "Falter": "Eine lakonische, tiefsinnige Familienautobiografie und gleichzeitig eine Parabel über das Leben und seine Paradoxien - und gegen das Verschwinden."
LanguageDeutsch
PublisherWieser Verlag
Release dateNov 5, 2014
ISBN9783990470084
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    Familienarchiv - Boris Chersonskij

    Runde.

    Kremenets, Juni 1910

    Burgruinen – wie das Bühnenbild für ein Shakespearestück.

    Der Berg heißt »Bona«, was Erinnerungen an Latein

    (bonum – das Gute), an Gouvernanten oder

    Papierscheine mit Sammlerwert weckt.

    Übrigens, der Berg sieht düster aus:

    ein mit Büschen bewachsener Kegel,

    natürlich, stumpf. Von der Anlage

    sind vier Mauern übrig, der Wachturm

    und ein tiefer Brunnen, der Behälter einer Säule

    aus schwarzer Luft und der luftleeren Legende

    über die verliebte Tochter des Schlossherrn.

    Eine dreihundert Jahre alte Sache, aber immer noch

    stürzt ein durchsichtiges Gespenst im

    weißen Hochzeitskleid kopfüber in den Abgrund.

    Zwei Gymnasiastinnen werfen Steine in den Brunnen

    und zählen die Sekunden, um die Tiefe zu messen.

    Sie erinnern sich an das Gesetz der Gravitation –

    Tiefe wird danach berechnet, wie lange der Schall benötigt,

    um ans Tageslicht zu gelangen. Die Mühe ist vergeblich,

    denn zu hören ist der Aufprall nicht.

    Vornübergebeugt schauen die Mädchen.

    Eine, die ältere, heißt Nechama (später – Nadeschda),

    die andere heißt Rachil (später – Raissa).

    Rachil ist vierzehn, ihr stehen noch sechsundsiebzig

    Jahre bevor (Nechama stirbt in den Neunzehndreißigern).

    Im Übrigen gehört auch das heute der Vergangenheit

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