Karrierek(n)ick Kinder: Mütter in Führungspositionen - ein Gewinn für Unternehmen
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Regine Stachelhaus, Geschäftsführerin HP Deutschland, Managerin des Jahres 2005
Die Ansprüche könnten unterschiedlicher kaum sein: In der Firma gilt es, ein wichtiges Geschäftsessen wahrzunehmen - die Kleinen zu Hause wünschen sich eine Gute-Nacht-Geschichte. Zwischen Sitzung und Spielplatz vollbringen Frauen in Deutschland oft einen Kräfte zehrenden Spagat. Vorurteile gegenüber berufstätigen Müttern und der Mangel an guter Kinderbetreuung machen die Situation nicht leichter.
Doch Kinder und Karriere können sich sehr gut ergänzen, Unternehmen und Mütter können voneinander profitieren. Denn diese Frauen sind hoch engagierte Führungskräfte. Das zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie. Die bundesweite Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung befragte rund 500 Mütter in Führungspositionen nach ihren Erfolgsstrategien. Die Karrierewege und Erfahrungen der erfolgreichen Führungsfrauen verdeutlichen eindrucksvoll, was Frauen und Männer tun können, wie Wirtschaft und Politik handeln müssen, damit Kinder und Familie zur Ressource werden - für die Mütter ebenso wie für die Unternehmen.
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Book preview
Karrierek(n)ick Kinder - Verlag Bertelsmann Stiftung
abrufbar.
»Am wichtigsten war für mich die private Unterstützung durch meinen Mann. Denn ich hätte die Entscheidung zwischen Kind und Beruf, die einer Frau ja oft zugemutet wird, nicht gegen ein Kind getroffen. Deshalb war es immens wichtig, dass mein Mann bereit war, mir zu Hause den Rücken freizuhalten. Ich hätte meinen Berufsweg nicht gehen können, wenn es nicht so gewesen wäre.«
Regine Stachelhaus, Geschäftsführerin, Hewlett Packard Deutschland, ein Kind
1 Einleitung
Das vor uns liegende Jahrhundert ist das Jahrhundert der Frauen - so prognostiziert es zumindest Deutschlands bekanntester Zukunftsforscher Matthias Horx. Frauen werden eine, wenn nicht die entscheidende Rolle für die Zukunftsfähigkeit des Landes spielen. Und dies nicht nur mit Blick auf die demographische Entwicklung, sondern auch auf die aktuellen ökonomischen Herausforderungen.
Gegenwärtig leistet sich dieses Land einen paradoxen Luxus: Frauen werden zu hoch qualifizierten Fachkräften ausgebildet, dann aber nur halbherzig in den Arbeitsmarkt eingebunden. Obwohl Deutschland deutlich mehr akademisch qualifiziertes Humankapital benötigt, um seine Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, bleibt das Potenzial der entsprechend ausgebildeten Frauen großenteils ungenutzt (BMBF 2005).
Während immer mehr Untersuchungen den betriebswirtschaftlichen Nutzen der Förderung von Chancengleichheit hervorheben (Prognos 2003; Krell 2004), gelingt es in Deutschland nach wie vor nur sehr wenigen Frauen, in gehobene und höchste Unternehmenspositionen aufzusteigen. Ihr Anteil lag im Jahr 2002 bundesweit unter zehn Prozent (Hoppenstedt 2003). Und: Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen sind Frauen in Führungspositionen seltener verheiratet und leben weniger häufig mit Kindern zusammen (Holst 2005). Rund 40 Prozent der gegenwärtigen Generation der Akademikerinnen zwischen 35 und 39 Jahren bleiben kinderlos (Rürup und Gruescu 2003).
Dennoch gibt es - auch in Deutschland - in zunehmender Zahl Frauen, die mit ihren Berufs- und Lebenswegen eindrucksvoll zeigen, dass sich eine berufliche Karriere erfolgreich mit Kindern vereinbaren lässt. Wie also haben es diese Frauen geschafft, hohe berufliche Verantwortung mit den Anforderungen der Familie in Einklang zu bringen? Welche persönlichen Strategien haben sie gewählt, und was motiviert sie? Welche praktischen Lösungen haben sie gefunden, um einen aufreibenden Alltag zwischen Sitzung und Spielplatz zu organisieren? Welche Handlungsbedarfe sehen sie in den Unternehmen, welche Empfehlungen haben sie für die Politik?
Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Studie. Gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen people & process Consulting befragte die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) knapp 500 Mütter in Führungspositionen. Es handelt sich damit um die bislang umfangreichste Untersuchung über Frauen mit Führungsverantwortung und Kindern in Deutschland. Die Befragung wurde im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) im Rahmen des Leitprojektes »Balance Familie und Arbeitswelt« durchgeführt und fand zwischen Frühjahr und Herbst 2005 statt.
Die Studie gibt einen längst überfälligen, empirisch fundierten Einblick in die Situation von Müttern in Führungspositionen in diesem Land. Sie füllt damit eine Lücke in der umfangreichen Forschung zu Frauen in Führungspositionen, die die spezielle Situation von Müttern in der Regel nicht bzw. nur am Rande beleuchtet.
Zugleich will sie konstruktive Lösungen aufzeigen und praktische Empfehlungen geben für Unternehmen und Politik. Welche Strukturen und Bedingungen können und müssen von der Politik und von den Unternehmen verändert werden, um die Realisierung von Elternschaft und beruflichem Aufstieg für beide Geschlechter, für Männer und für Frauen zu ermöglichen bzw. zu unterstützen?
Denn es sind die ungünstigen Rahmenbedingungen, wie mangelnde Kinderbetreuungsangebote und am Modell des männlichen Familienernährers orientierte soziale Sicherungssysteme, die viele Paare mit der Geburt eines Kindes zu einem traditionellen Geschlechterarrangement führen (Knapp 2001). So wird die Elternzeit nahezu ausschließlich von Frauen in Anspruch genommen. In nur knapp fünf Prozent aller Fälle, in denen Elternzeit beansprucht wird, wird diese, zumindest zum Teil, von dem Vater wahrgenommen (Cornelißen 2005; BMFSFJ 2004). Frauen verwenden etwa die 2,3-fache Zeit für Haushalt und Kinder wie Männer; diese hingegen verbringen doppelt so viel Zeit mit Erwerbsarbeit wie Frauen (Deutscher Bundestag 2002a).
Ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass die Gründung einer Familie die Erwerbsbeteiligung von Frauen beeinträchtigt - nicht aber die der Männer. Im Gegenteil ist die Erwerbstätigenquote der Väter höher als die der Männer ohne Kinder. Während die Erwerbstätigenquote von Frauen ohne Kinder in Deutschland im Jahr 2000 nur acht Prozent niedriger war als die der Männer ohne Kinder, lag sie bei Frauen mit einem Kind unter 15 Jahren schon um 22 Prozent niedriger als bei der männlichen Vergleichsgruppe. Bei Frauen und Männern mit zwei oder mehr Kindern unter 15 Jahren beträgt der Unterschied sogar 36 Prozent. Im europäischen Vergleich der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern belegt Deutschland einen hinteren Platz (Cornelißen 2005; OECD 2002).
Für die meisten Mütter und Väter ist das kein Wunschmodell. In 52 Prozent der Paarhaushalte mit Kind(ern) unter zwölf Jahren arbeitet der Mann Vollzeit; die Frau ist nicht erwerbstätig, obwohl sich diese Konstellation nur sechs Prozent wünschen. 32 Prozent der Paarhaushalte wünschen sich ein egalitäres Verhältnis mit Vollzeiterwerbstätigkeit für Mann und Frau, aber nur 16 Prozent leben in dieser Konstellation (Bertelsmann Stiftung 2003). 70 Prozent der nicht erwerbstätigen Mütter mit Kindern bis zu zwölf Jahren in den alten Bundesländern wünschen sich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, in den neuen Bundesländern sind es sogar 90 Prozent (Büchel und Spieß 2002).
Mit der Entscheidung für die traditionelle Arbeitsteilung werden im Moment der Familiengründung klare Weichen für die künftigen Karriereaussichten von Frauen und Männern gestellt. Die ohnehin geringeren beruflichen Aufstiegschancen von Frauen werden durch die Unterbrechung oder Reduktion der Erwerbsarbeit zusätzlich minimiert (Holst 2002; Mayrhofer et al. 2005; Prognos 2003).
Das vorherrschende gesellschaftliche Leitbild beruflicher Karriere ist ein Modell, das sich an männlich geprägten Lebensentwürfen orientiert. Im Zuge der Aufklärung geriet im ausgehenden 18. Jahrhundert die Verschiedenheit der Geschlechter zum gesellschaftlichen Ideal der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft. Während Männer sich zunehmend über den Beruf und über gesellschaftliche und politische Partizipation identifizierten, wurde Frauen der private Bereich zugeschrieben. Ihre Identität bezog sich auf die Mutterschaft und soziale, sorgende Dienste (Bourdieu 1997). Eingelagert in die starke Polarisierung von Männlichkeit und Weiblichkeit war gleichzeitig eine folgenreiche Hierarchisierung: die Aufwertung Männern vorbehaltener und die Abwertung Frauen zugeschriebener Tätigkeiten. Sie wurde zum Wesensmerkmal der Moderne und steht noch heute einer gleichberechtigten Beteiligung am Erwerbsleben im Weg.