Wenn ich eine Frau wäre: Erweiterte Neuausgabe
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Nein, in diesem Buch geht es nicht um jene viel besungenen kleinen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Es geht um die monströsen Kluften zwischen Michelinweibchen, knautschigen Omas und Sparkasseninsassen. Kluften, die sich mit Pfützen aus Selbstmitleid füllen, in denen Berliner Künstler ihr täglich Bad nehmen und nach ihrem täglich Brot angeln.
Sarah Bosetti erzählt, was man tun kann, um sich in einer solchen Pfütze über Wasser zu halten und den Widrigkeiten des Großstadtlebens mit elegantem Hüftschwung auszuweichen. Als Begleiter stehen der Protagonistin eine satte Portion Ironie und ein Hund zur Seite. Und natürlich Ulf, der alles hat, was ein guter Mann braucht: überbordende Kreativität, bedingungslose Hingabe und einunddreißig Brusthaare.
"Wenn ich eine Frau wäre" ist eine bissig-absurde Großstadtgeschichte, prall gefüllt mit Kloschüsselromantik und Selbstironie. Schnell, witzig und im Kern bitterböse. Also doch irgendwie ein bisschen wie eine Frau.
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Wenn ich eine Frau wäre - Sarah Bosetti
Freunde.«
EINE FRAGE
DER PERSPEKTIVE
»Klar ist das gerade«, sagt Ulf und hält das schief abgesägte Brett hoch. »Das ist alles eine Frage der Perspektive.«
»Du meinst, nicht die Seite, die du gerade abgesägt hast, ist schief, sondern die anderen drei Seiten des Brettes?«, frage ich. »Die drei Seiten, die der freundliche Mann im Baumarkt für mich gesägt hat und die in einem perfekten rechten Winkel zueinander stehen? Ist es das, was du meinst?«
»Kluges Mädchen«, sagt Ulf und tätschelt mir großväterlich den Kopf. Wir sind gerade zusammengezogen, und nachdem ich aus alten Brettern einen perfekten Wohnzimmertisch von königlicher Erhabenheit und der Anmut eines Rehkitzes gezimmert habe, soll Ulf nun die vier vorgesägten Bretter aus dem Baumarkt zu einem Küchentisch verschrauben.
»Wieso hast du überhaupt noch an dem Brett herumgesägt?«, frage ich. »Die Länge stimmte doch.«
»Ich weiß auch nicht«, sagt Ulf. »Die Säge sah irgendwie traurig aus, als sie so unbenutzt dalag.«
Ulfs Empathie leblosen Dingen gegenüber als übertrieben zu bezeichnen, wäre vielleicht übertrieben. Aber seine Theorie, unbenutzte Nutzgegenstände verfielen in Depressionen, macht mir ein bisschen Angst. Manchmal stopft er ganze Brotpackungen in sich hinein, weil ihn der Toaster so herzerweichend angeschaut hat. Was, wenn mal ein unvorsichtiger Jagdliebhaber eine Schrotflinte in Ulfs Hände legt? Oder schlimmer noch, wenn ihm ein Partyveranstalter ein Karaokemikrofon vor den Mund hält? Oder wenn er beim nächsten Mal, wenn sein Blick auf die Säge fällt, kein passendes Brett zur Hand hat? Was, wenn er aus lauter Mitleid der unbenutzten Säge gegenüber meinem Hund die Beine absägt? Oder mir?
Ulfs schnipsende Finger vor meinem Gesicht holen mich wieder in die Wirklichkeit zurück.
»Was denn?«, frage ich.
»Ich versteh das nicht«, sagt Ulf. Inzwischen hat er die Bretter verschraubt und den Tisch auf seine Beine gestellt. »Wieso wackelt das Ding denn jetzt?«
Ulf als unpraktisch veranlagt zu bezeichnen, wäre vielleicht unfair. Aber seine Fähigkeit, die Existenz ihn anspringender praktischer Probleme vollkommen zu verleugnen, lässt mich nicht selten beeindruckt zurück.
»Na, weil die drei Seiten von dem Brett da schief sind«, sage ich. »Die der Baumarktmann gesägt hat.«
»Stimmt, da war ja was«, sagt Ulf. Er geht zu den Bücherkisten, greift sich alle Coelho-Bücher, die wir jemals geschenkt bekommen haben, und verteilt sie so unter den Tischbeinen, dass der Tisch zwar ziemlich schräg, aber dafür ohne zu wackeln steht.
»Du könntest jetzt einen Spruch dazu bringen, dass die Dinger endlich auch mal zu was gut sind«, sage ich.
»Ach was«, sagt Ulf. »Wozu die offensichtliche Schönheit dieses Bildes mit billigen Sprüchen entwürdigen? Wollen wir essen?«
Also decken wir den Tisch. Aber alles, was wir auf unser neues Möbel stellen, rutscht zwar langsam, doch mit derselben Bestimmtheit, mit der Ulf diese Tatsache zu ignorieren versucht, zu einer Seite runter.
Anstatt die Coelho-Bücher unter den Tischbeinen neu zu ordnen, wie es die Fantasielosen unter uns vielleicht getan hätten, baut Ulf auf der Tischplatte eine komplizierte Konstruktion aus hervorstehenden Nägeln und dazwischen gespanntem Gummiband, das jegliches Geschirr am Herunterplumpsen hindern soll. Und so viel muss man ihm lassen: Es funktioniert. Zwar können wir fortan unsere Gläser nur noch zu zwei Dritteln füllen und sollten Gerichte mit allzu hohem Flüssigkeitsgehalt meiden, weil sonst das Essen von den Tellern tropft, aber was soll‘s. Wenn wir doch mal Lust auf Suppe bekommen, dann essen wir eben am Wohnzimmertisch, den ich übrigens gar nicht selbst gebaut habe, sondern mein Bruder. Mein Bruder kann nämlich alles bauen, königliche Erhabenheit und Rehkitzanmut garantiert. Doch das weiß Ulf nicht. Und ich zähle diese zu den wenigen Lügen, die gut sind, weil ihnen Gutes folgt. So hätte Ulf vielleicht niemals diese Tisch-Nagel-Gummiband-Coelho-Konstruktion gebaut, wenn ihn der durch meine vermeintliche Meisterleistung entstandene Erwartungsdruck nicht dazu gezwungen hätte. Und ich kann nicht guten Gewissens behaupten, unser neuer Esstisch würde nicht mein Leben bereichern. Außerdem wäre, wenn sie noch länger unbenutzt hätte herumliegen müssen, die Säge bestimmt depressiv geworden.
BADEWANNEN-
BLUES
Ich liege in der Badewanne und denke über Badewannen nach.
»Badewannen sind wie Balkone«, sage ich. »Wer einen Whirlpool und einen fußballfeldgroßen Vorgarten besitzt, der ist reich. Wer eine Badewanne hat, der kann seine Mittelstandsfrustration immerhin noch im lauwarmen Badewasser ertränken.«
Ulf sitzt auf dem Klo, weil er nicht so lange anhalten kann, wie ich bade. Niemand kann so lange anhalten, wie ich bade, behauptet er. Da sich auf Klobrillen sitzende Männer aber meist zu unmännlich für weibliche Augen fühlen, hat Ulf mir verboten, in seine Richtung zu gucken. Also sehe ich nur vor meinem inneren Auge, wie er mit rotem Kopf auf der Klobrille hockt und versucht, nicht laut zu pupsen. Ich rede weiter, um ihm einen Klangteppich zu geben, unter den er seine peinlichen Geräusche kehren kann.
»Badewannen bieten gerade so viel Luxus, wie der Durchschnittsmittelstandsmitteleuropäer benötigt, um sich überdurchschnittlich zu fühlen«, sage ich. »Überdurchschnittlich erfolgreich. Überdurchschnittlich gesegnet mit materiellem Überfluss. Überdurchschnittlich talentiert als Schwimmer im Sumpf seiner Bequemlichkeiten«, sage ich. Immer wenn mein Wortschatz das sprachliche Pathos eines Groschenromans annimmt, weiß ich, dass sich das Badewasser der geschlechtsteilschrumpfenden Temperatur nähert. Das sollte mich nicht stören, schließlich gibt es da bei Frauen wenig, das zu schrumpfen sich lohnen würde, aber langsam wird mir kalt. Außerdem muss ich noch zur Bank. Ich will gerade aufstehen, als Ulf meinen Hund zu mir in die Wanne wirft.
»Was soll das denn jetzt?«, frage ich. Eigentlich gebe ich nur ein abstraktes Gurgeln von mir, denn ich habe einen halben Liter Badewasser und eine Hundepfote im Mund, aber ich bin sicher, Ulf hat mich verstanden.
»Der Hund sah irgendwie traurig aus, als er so unbenutzt dalag«, sagt er. Ich ziehe die Pfote meines Hundes aus meinem Rachen und trockne mich ab. Der Hund springt aus der Wanne und bleibt sofort zwischen Klo und Waschbecken stecken.
»Unser Badezimmer ist zu klein«, stellt Ulf mit Kennerblick auf den strampelnden Hund fest.
»Das werde ich in der Bank anmerken«, sage ich und ziehe meine Jeans an. »Ich bin sicher, es wird ihr Herz erweichen.«
Ulf schaut mich mitleidig an.
»Weißt du was, ich habe einen Plan«, sagt er. »Ab morgen organisieren wir Kunstperformances im öffentlichen Raum, deren erklärtes Ziel darin besteht, nicht als solche erkannt zu werden. Das wird uns jeden Tag viele Stunden kosten und ergibt überhaupt keinen Sinn, erfüllt also alle Kriterien