Besuchszeit: Vier Einakter.
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In vier ergreifenden Skizzen rückt Mitterer vor allem jene in den Mittelpunkt, die weder Geld noch Einfluss haben, um sich ihr Eingeschlossen-Sein erträglicher zu machen. Aber auch die Besucher, die sich frei dünken, auch sie sind Eingeschlossene, Gefangene im gesellschaftlichen Zwang.
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Book preview
Besuchszeit - Felix Mitterer
Besuchszeit
VORBEMERKUNG zu »Stücke 1«
Alle Stücke in dieser Gesamtausgabe sind in der Originalfassung abgedruckt, das heißt, in stilisierter Tiroler Umgangssprache, ausgenommen drei, bei denen ich aus bestimmten Gründen die Hochsprache gewählt habe. Dies sind »Die Kinder des Teufels« (spielt im Salzburg des 18. Jahrhunderts, soll aber auf exemplarische Weise einen Hexenprozeß darstellen), »Sibirien« (kann überall auf der Welt spielen) und »Ein Jedermann« (spielt in der Hochfinanz). Ich erwähne dies deshalb, weil es von den meisten meiner Stücke auch weitgehend an die Hochsprache angenäherte Fassungen gibt. Diese schrieb ich, weil auch immer wieder Theater an Aufführungen interessiert sind, deren Ensemblemitglieder aus allen Ecken und Enden des deutschsprachigen Raumes kommen und deshalb die Stücke nicht in einer einigermaßen einheitlichen Umgangssprache spielen können.
Die Art und Weise, wie ich den Dialekt niedergeschrieben habe, war nicht immer gleich, die Unterschiede sind in dieser Ausgabe beibehalten. Hauptsächlich variiert die Sprache je nach dem beschriebenen Milieu (archaisch etwa in »Die Wilde Frau«, heutig in »Besuchszeit«) oder je nach den auftretenden Personen (Herkunft, Beruf, Stand) und wird bei Aufführungen von Schauspielern aus unterschiedlichen Gegenden ohnehin wieder unterschiedlich gesprochen. In zwei Fällen (»Abstellgleis« in »Besuchszeit« und »Kein schöner Land«) gab es bei der späteren hochsprachigen Fassung auch kleine inhaltliche Veränderungen, die ich jetzt bei der endgültigen Publizierung der Gesamtausgabe beibehalten wollte. Hier sind die entsprechenden Passagen in den Dialekt zurückübertragen. In jedem Fall habe ich auf gute Lesbarkeit geachtet, was mir bei Theaterstücken — im Gegensatz zu Dialektgedichten — wichtig scheint.
Jedem der zwölf Stücke habe ich eine Vorbemerkung vorangestellt, die von der jeweiligen Entstehungsgeschichte und meinen Intentionen erzählt. Mein Wunsch war es aber vor allem, zu jedem Stück Szenenfotos von verschiedenen Aufführungen hinzuzufügen. Dies deshalb, weil Literatur fürs Theater erst auf der Bühne ihre Breitenwirkung entfalten kann, und das soll hier zumindest dokumentiert werden. Außerdem geht es mir darum, die Arbeit der Theatermacher zu würdigen, diejenigen zu zeigen, die ein Stück erst wirklich zum Leben erwecken. Auch ist es interessant zu sehen, wie verschieden ein Stück inszeniert werden kann. Die Auswahl der Aufführungsfotos erfolgte (abgesehen von der meist ausführlicher vorgestellten Uraufführung) mehr oder weniger zufällig, manchmal waren auch keine Bilder zu bekommen oder nur nichtssagende. Wichtig war mir, einen großen Querschnitt durch die verschiedenen Theater zu zeigen, die meine Stücke spielen, eingeschlossen Aufführungen von Laienbühnen, denen ich besonders zugetan bin.
BESUCHSZEIT
Der Einakterzyklus »Besuchszeit« entstand aus Hörspielen, die alle im Laufe der 70er Jahre vom ORF-Studio Tirol produziert wurden. Die Uraufführung fand 1985 im Theater »Die Tribüne« in Wien statt, dem ich durch die lange Aufführungsserie von »Kein Platz für Idioten« verbunden war. In der Folge entwickelte es sich zu meinem meistaufgeführten Stück, wurde auch in mehrere Sprachen übersetzt.
»Besuchszeit« spielt im Krankenhaus, im Altersheim, in der Nervenheilanstalt und im Gefängnis. In jenen Anstalten also, in denen man Menschen unterbringt, die krank sind oder alt oder aufsässig oder kriminell. In jeder dieser Anstalten ist der Mensch ausgeliefert und entmündigt, in der einen mehr, in der anderen weniger. Vor allem ist der Mensch ausgeliefert, wenn er ein Mensch zweiter Klasse ist, im wahrsten Sinn des Wortes. Diejenigen, die Geld haben und Einfluß, die können sich wehren, die haben Privilegien. Nicht nur im Krankenhaus, wo sie Erster Klasse liegen und vom Herrn Primar persönlich betreut werden; auch in der Psychiatrie, selbst im Gefängnis. Und ins Altersheim brauchen sie natürlich auch nicht. Die Mächtigen, die Einflußreichen, die Wohlhabenden sind ausgestattet mit einer Zusatzversicherung für alle Lebenslagen. Meine Putzfrau im Krankenhaus, mein Beamter im Altersheim, mein Bauer in der Psychiatrie und meine Ehefrau im Gefängnis, sie alle haben keine Zusatzversicherung, keine Privilegien, keine einflußreichen Freunde. Eingeschlossen sind sie, zur Ohnmacht verurteilt. Aber auch die Besucher, die sich frei dünken, auch sie sind arm dran, sind Eingeschlossene, Gefangene im gesellschaftlichen Zwang, können nicht heraus aus ihrer Haut.
Alle Figuren des Stücks haben reale Vorbilder. Der Mann und die Frau in »Man versteht nichts« sind meinen Adoptiveltern nachgebildet.
ABSTELLGLEIS
PERSONEN: Alter und Schwiegertochter
SCHAUPLATZ: Besucherzimmer in einem Altersheim
Ein Tisch, zwei Stühle. Der Alte und die Schwiegertochter kommen herein, er geht am Stock, sie will ihn stützen, er wehrt sie mißmutig ab. Sie trägt einen Mantel, zieht ihn nicht aus.
SCHWIEGERTOCHTER: I hab leider nit viel Zeit. (Setzt sich,