Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Feste feiern, wohin sie fallen: Kurzgeschichten
Feste feiern, wohin sie fallen: Kurzgeschichten
Feste feiern, wohin sie fallen: Kurzgeschichten
Ebook202 pages2 hours

Feste feiern, wohin sie fallen: Kurzgeschichten

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

13 Kurzgeschichten entführen in kuriose Situationen weltlicher und kirchlicher Feste oder Feierlichkeiten, die man vielleicht selbst schon erlebt hat. So aber sicher nicht. Gut, wenn einem das erspart bleibt, was auf die Protagonisten in diesen Geschichten eintrifft; sie fallen tief, kommen nicht immer geläutert oder abgeklärt wieder auf die Beine: Eine Rosenhochzeit fällt ins Wasser, der Vatertagsausflug in Ungnade, eine Taufe endet in höllischem Gelächter.
Der hintergründige Humor und die spirituellen Verflechtungen der Erzählungen geben auch nach Ende der Lektüre noch zu denken.
LanguageDeutsch
Release dateMay 18, 2012
ISBN9783936536966
Feste feiern, wohin sie fallen: Kurzgeschichten

Related to Feste feiern, wohin sie fallen

Related ebooks

Short Stories For You

View More

Related articles

Reviews for Feste feiern, wohin sie fallen

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Feste feiern, wohin sie fallen - Bruno Woda

    Geschichte)

    Taufe

    (Annemaries Baby)

    „Fassen Sie sich bitte kurz, Herr Pastor!"

    Und als Erklärung auf das empörte Gesicht des Pastors hin: „Wir müssen noch 80 Kilometer heimfahren. Wir wollen unsere Gäste zur Taufparty nicht warten lassen."

    Annemarie blickte erst erschrocken auf ihren Mann und dann etwas verlegen zu Pastor Kaspert.

    Ich glaubte, dessen Gedanken erraten zu können.

    Aber Pastor Kaspert nahm es unkommentiert hin, schluckte und fuhr scheinbar unbeirrt mit der Taufzeremonie fort. Er hatte sich gut im Griff.

    Vor zwei Tagen hatte mich Annemarie aufgeregt angerufen. Sie befände sich in einer Notlage und brauche Hilfe. Sie habe doch vor vier Wochen ein Baby bekommen, ein Problemkind. Die Ärzte hätten gerade noch die richtige Diagnose gestellt. Ihr Kind wurde mit dem Hubschrauber in die Kinderklinik geflogen. Sie wolle mir später alles erzählen. Jetzt suche sie aber noch schnell einen Taufpaten. Für morgen um 11:30 Uhr in unserer Dorfkirche.

    Ich sei ihr, Gott sei Dank, gerade noch eingefallen. Und weil ich im Ort wohnte, könne ich doch vielleicht kurzentschlossen einspringen.

    „Bitte sag nicht Nein", flehte mich Annemarie an.

    Ich sagte zu.

    Annemarie mochte ich schon seit unserer gemeinsamen Schulzeit gut leiden. Sie verfiel nur immer den falschen Männern.

    Jetzt stand ich also neben ihr am Taufbecken, mir gegenüber Pastor Kaspert. In die Augen wollte ich ihm nicht sehen. Aber trotz der unangemessenen Aufforderung des Vaters durfte er die Taufe nicht abbrechen.

    Ich wusste, er war nahe daran, es zu tun.

    Im Gedanken hörte ich ihn sagen: Gut, wenn Sie jetzt keine Zeit für das Sakrament der Taufe haben, verschieben wir den Termin.

    Der Mutter zuliebe sagte er es nicht. Und das Kind sollte keinen Schaden haben.

    Der Pastor kannte Annemarie recht gut. Er war vor etwa acht Jahren in die Gemeinde gekommen. Annemarie war hier aufgewachsen. Es war ihr Wunsch, hier getraut zu werden und im gegebenen Fall auch ihr Kind hier taufen zu lassen. Letzteres war ihr gegönnt.

    Zu den Vorbereitungsgesprächen für die Taufe war sie stets allein erschienen. Der Vater sei beruflich sehr angebunden und meist auf Dienstreisen im Ausland.

    Da stand ich also ziemlich unbedarft und doch betroffen. Ich wusste nicht mal, worauf sich die Sorge um das Kind bezog, was das Problem war. Annemarie hatte ich, bis auf das kurze Telefonat, schon lange nicht mehr gesprochen. Den Vater kannte ich sowieso nicht.

    Ich wollte und ich konnte nicht über ihn urteilen. Unbewusst war er mir aber nicht gerade sympathisch.

    Vom Kind konnte ich nur in etwa die Gestalt und die Silhouette des Kopfes erkennen. Es war ziemlich groß für einen Monat. Ein Junge. Das Taufhäubchen mit der Spitzenbordüre war tief ins Gesicht gezogen. Ein Büschel schwarzer, krauser Haare quoll darunter hervor. Die Nase war kräftig, markant und warf einen harten Schatten in das ohnehin recht dunkelhäutige Gesicht.

    Die Sonnenstrahlen des freundlichen Samstagmorgens fielen durch die Seitenfenster der Kirche ein paar Meter am Taufbecken vorbei auf den Boden. Sie ließen den dunklen, sonst kaum wahrnehmbaren Fleck in der Bodenplatte zur Krypta rötlich funkeln. Als ob sich durch den Stein gleißendes, eisenhaltiges Mineral aus dem Untergrund hervorzwängte.

    Taufbecken und Kind waren ganz in Schatten gehüllt.

    Ich war gespannt, ob ich das Handicap oder die Erkrankung des Kindes erkennen könnte.

    Eine Nottaufe war das ja nicht. Also war es wohl nicht so schlimm.

    Die Sonne drehte jetzt etwas auf, die Schatten wurden schärfer, der Innenraum der Kirche erhellte sich ein wenig.

    Der Vater hatte stumpf schwarzes, kräftiges Haar. Dichte, buschige Augenbrauen wölbten sich über gelbgrünen, leicht geröteten Augen.

    So hell war es nun auch nicht geworden, dass er die Augen zusammenkneifen musste. Ich sah ihn prüfend an. Aber ich wollte seinem abweisenden Blick dann doch nicht länger standhalten. Mein Interesse galt ohnehin dem Jungen.

    Jetzt konnte ich etwas erkennen. Die Missbildung des Schädels war trotz des Taufkleidchens deutlich zu erahnen.

    Ich war geschockt. Oh Gott, Annemarie! Das hast du nicht verdient, schoss es mir durch den Kopf.

    Noch ein kurzer, verstohlener Blick auf das Kind: Tatsächlich, der Kopf war entstellt. Es hatte etwas Animalisches.

    Annemarie bemerkte mein Entsetzen nicht. Auch der Pastor und der Vater kümmerten sich nicht um mich.

    Was musste die arme Annemarie durchstehen.

    Deshalb waren also keine weiteren Freunde oder Verwandten und nur ich als einziger Pate zur Taufe anwesend.

    Die Ansprache des Pastors hatte ich gar nicht mehr wahrgenommen. Es wurde auch kein Taufspruch vorgetragen.

    Ich konnte mich nur noch erinnern, dass der Vater widerwillig und unsicheren Schrittes dem Pastor zum Altar folgte während die Mutter das Kind fest im Arm trug.

    Ich folgte wie in Trance als Letzter. Der Weg war mir vertraut.

    Lustlos aber doch neugierig hatte ich die Einladung zur Taufparty in die Stadt angenommen, wo der Vater des Kindes ein Haus für die junge Familie erworben hatte.

    Als die freundliche Frauenstimme meines Navigationsgerätes entschied: „Sie haben ihr Ziel erreicht", war ich baff: Ich befand mich vor einer Villa auf einem parkähnlichem Grundstück. Schicke Karossen hielten vor der Villa entlang der Auffahrt an. Entsprechend distinguiert auftretende Gäste nahmen ziemlich beeindruckende Taufgeschenke aus ihren Bentleys, Jaguars und Daimlern.

    Das weite Parkgrundstück war zur Feier aufwendig und prunkvoll geschmückt. Ein Kleintransporter der Cateringfirma aus München blockierte jetzt die Einfahrt zum Park.

    Also musste ich meinen betagten Kombi in einer Seitenstraße abstellen. Dort fiel er auch nicht so sehr aus dem Rahmen.

    Im Park eingetroffen, war ich nun doch erstaunt, Pastor Kaspert unter den eintreffenden Gästen wiederzusehen.

    Annemarie hatte ihn offensichtlich bewegen können, zur Feier zu kommen.

    Annemarie und der Hausherr begrüßten alle Ankommenden gestenreich, bedankten sich überschwänglich für die Geschenke, die Damen wurden rechts, links beküsst, manche auch noch ein drittes Mal.

    Ein dienstleistendes Gespann, sie mit weißem Häubchen und Schürze, er mit Butler mimendem Outfit, nahm den Gästen Geschenke und Garderobe ab, um sie im Haus zu deponieren. Mit mir hatten sie wenig Last.

    Mehrere ebenfalls beschürzte, adrette junge Frauen boten Champagner und Empfangscocktails von silbernen Tabletts an.

    Mit dem Glas in der Hand fühlte ich mich etwas lockerer. Die brünette, aufregend gekleidete Tochter des älteren Herrn neben mir wählte ich mir als erstes Opfer zum Small Talk.

    Sie ging freundlich darauf ein. Als ich ihr erzählte, dass ich die Mutter des Täuflings schon seit meiner Schulzeit kannte und dabei dem Herrn den Rücken zuwandte, machte sie einen Schritt zur Seite und sagte zu ihm: „Schatz, der junge Mann ist ein Jugendfreund von Annemarie!"

    Schade, mit der jungen Dame wäre ich gerne etwas vertrauter geworden. Sie hätte mir vielleicht auch mehr zu Annemaries Situation sagen können. Sie war in ihrem Alter, ihr Schatz mehr im Alter des Kindsvaters.

    Bevor ich mir eine neue Kontaktstrategie ausdenken konnte, spielte die bisher dezent im Hintergrund agierende Kapelle einen Tusch.

    Der Vater und Annemarie mit dem Kind im Arm machten Pose vor einem Mikrofon auf der Gartentreppe zur Villa.

    „Liebe Freunde, liebe Gäste, ein herzliches Willkommen zur Tauffeier für unseren kleinen Luke-Lester!"

    Dabei hob Annemarie ihr Kind ein wenig in die Höhe. Zum Glück war es immer noch ziemlich eingemummelt in seinem Babykleidchen. Man konnte nichts erkennen. Und sofort nach dieser scheuen Präsentation legte sie es in das hinter ihr bereitgestellte Kinderbett, das mit Rüschchen und Bändern verhüllt geschmückt war.

    „Besonders begrüßen dürfen wir auch den Herrn Pastor, der unseren kleinen Luke in Annemaries Heimatdorf heute Morgen getauft hat. Ein inniger Wunsch meiner Frau!"

    Autsch, das klang ja fast gewollt distanziert, dachte ich mir. Der Herr Pastor war aber am Rande einer größeren Partygruppe zur Straße hin gerade dabei, sein Glas nachfüllen zu lassen. Er hatte diesen Teil der Ansprache nicht gehört.

    Ein paar Gäste wurden dann noch namentlich begrüßt, an deren Erwähnung man die Bedeutung der Gastgeber messen durfte.

    Schlussendlich folgten noch einige belanglose Floskeln zum Aufwärmen der Stimmung und zum technischen Ablauf der Feier.

    Die Musik war wohltuend fürs Ohr, nicht zu laut, um die Gespräche zu stören. Das aufgetragene Buffet und die ausgesuchten Getränke trugen zur entspannten und angenehmen Stimmung bei.

    Meine drängende Neugierde, das Problem mit dem Kind endlich zu klären, wurde dadurch aber nicht weggespült.

    Der Himmel über der Taufparty verdunkelte sich nun zunehmend. Von weiter weg war ein dumpfes Grummeln zu vernehmen, Anzeichen für ein aufziehendes Gewitter.

    Ich musste die Sache jetzt angehen.

    Eine Haushaltsgehilfin rollte das Bettchen mit dem Kind, von der Gesellschaft unbemerkt, eilig ins Innere der Villa, begleitet von Annemarie.

    Das schien mir eine gute Gelegenheit, Annemarie von den Partygästen und dem Vater unbeansprucht, zu ihrem Kind und ihrer Situation zu befragen. Ich machte mich auf und folgte ihr ins Hausinnere.

    Das Wohnzimmer erwies sich als Salon, zum Haupteingang der Villa offen mit zwei geschwungenen Steintreppen zum Obergeschoss.

    Das Kinderbettchen war in einem Seitenraum aufgestellt. Symmetrisch zur Längsachse des Salons angelegt war ein zweiter Seitenraum gegenüber, der offensichtlich nur für heute mit einer Theke als Hausbar eingerichtet war. Man konnte die ganze Partygesellschaft also auch bei Regen im Inneren des weiträumigen Hauses bewirten.

    Das Zimmer mit Bettchen und Kind war unbeleuchtet, nur von der Flügelfenstertür, die auf einen Balkon führte, fiel ein Streifen mattes Licht herein.

    Annemarie eilte aber sofort wieder hinaus zu ihrem Mann und zog ihn auf die Gartenterrasse vor dem Salon, um mit ihm etwas offensichtlich Unaufschiebbares zu bereden.

    Als sie mich warten sah, winkte sie mich heran.

    Wir gingen zusammen ins Innere zum Seitenraum, zum Kind.

    Der Vater, Annemarie und ich standen etwas unbeholfen vor dem Bettchen, das Kind schien zu schlafen. Ich konnte in dem dunklen Raum nur schwarzgrau sehen. Und denken.

    Beide hatten sich wohl schon abgestimmt, mich über die Situation aufzuklären.

    Annemarie bedankte sich mit einem zart gehauchten Küsschen auf meine linke Wange, weil ich ihnen aus der Patsche geholfen hätte. Das vorgesehene Taufpatenpaar, Bruder und Schwester ihres Mannes hätte einen Autounfall gehabt, nichts Schlimmes, doch seien beide nicht einsatzfähig.

    „Aber du willst sicher wissen, was mit unserem Baby ist?" Annemarie, meine unruhigen Blicke zum Bettchen auffangend, wandte sich an ihren Mann.

    „Erzähl du es, du bist der Arzt."

    „Nennen Sie mich Lucky und duzen wir uns doch, sprach er mich an. „Annemaries Freunde sind auch meine. Und du hast uns wirklich sehr geholfen und so spontan.

    Annemarie und er hätten sich sehr auf die Geburt ihres lang ersehnten Kindes gefreut. Sie hatten so viele Pläne mit dem Kind. Zum Babyschwimmen war es schon angemeldet.

    Und dann der Schreck: Das Kind war mit Missbildungen des Verdauungstraktes geboren. Luftröhre und Speiseröhre waren miteinander verwachsen. Der Enddarm war nicht voll ausgebildet. Es hatte keinen Darmausgang, keinen After.

    „Die Konsequenzen kannst du dir vorstellen: Beim Stillen drohte es zu ersticken, es hätte nicht überleben können."

    Und Annemarie: „Unser Kinderarzt hatte gleich einen Verdacht und veranlasste die Untersuchung in der Kinderklinik. Die stellten dann weitere Komplikationen fest. Sie ließen unser Kind noch am

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1