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DSA 118: Nachtrichter: Das Schwarze Auge Roman Nr. 118
DSA 118: Nachtrichter: Das Schwarze Auge Roman Nr. 118
DSA 118: Nachtrichter: Das Schwarze Auge Roman Nr. 118
Ebook365 pages5 hours

DSA 118: Nachtrichter: Das Schwarze Auge Roman Nr. 118

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About this ebook

Die Phex-Geweihte Adara und ihr Begleiter Faisal quartieren sich in Kyndochs Phex-Tempel ein. Der Vogtvikar ist über die Störung seines geruhsamen Alltags nicht begeistert und möchte den ungebetenen Besuch schnell wieder loswerden. Eigentlich sind die beiden ja nur auf der Durchreise, aber Adara kann ihre neugierige Nase nicht hinter den Tempeltüren lassen und findet heraus, dass in der gemütlichen Stadt nicht alles so friedlich ist, wie es den Anschein hat. Zwei Banden kämpfen hier um die Vorherrschaft, und Adara und Faisal können nur im letzten Moment einen Mord verhindern. Aber damit fängt der Ärger erst richtig an ...
LanguageDeutsch
Release dateJun 21, 2012
ISBN9783868898149
DSA 118: Nachtrichter: Das Schwarze Auge Roman Nr. 118

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    Book preview

    DSA 118 - Dorothea Bergermann

    Biografie

    Dorothea Bergermann stammt aus Niedersachsen, wuchs in Bayern auf und beschloss in Thüringen ihre Schulkarriere mit dem Abitur. Danach studierte sie Japanologie, Geschichte und Ur- und Frühgeschichte, verbrachte ein Jahr in Japan und lebt jetzt mit Mann, Kind, Katzen und Bibliothek in der Nähe von Nürnberg. Neben der Schriftstellerei beschäftigt sie sich intensiv mit der Herstellung und Verzierung von Textilien.

    Website: http://www.dorothea-bergermann.de

    Titel

    Dorothea Bergermann

    Nachtrichter

    Ein Roman in der Welt von

    Das Schwarze Auge©

    Originalausgabe

    Impressum

    Ulisses Spiele

    Band 11049PDF

    Titelbild: Arndt Drechsler

    Aventurienkarte: Ralph Hlawatsch

    Lektorat: Catherine Beck

    Buchgestaltung: Ralf Berszuck

    E-Book-Gestaltung: Michael Mingers

    Copyright ©2012 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems.

    DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE sind eingetragene Marken.

    Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

    Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

    Buch-ISBN 978-3-89064-138-6

    E-Book-ISBN 978-3-86889-814-9

    Dankesworte

    Für Sebastian

    Mit Dank an Carolina und Nadine

    Erstes Kapitel

    Ein kalter Frühlingswind wehte Adara und Faisal nach Kyndoch hinein. Die Stadtwachen hatten gegen Zahlung von vier Silber ihr Gepäck nur flüchtig angesehen und die Waffen ignoriert. Im Preis inbegriffen war die Information, dass die Fremden den Marktplatz passieren mussten, um die Fähre zu erreichen.

    »Woran erkennt man eine alte Stadt?«, fragte Adara, als sie ihre Beutel über die Schulter legte und dem Weg zum Markt folgte.

    »Auf dem Weg vom einen Stadttor zum anderen steht die verfallene Stadtmauer im Weg«, erwiderte Faisal. »Mauern überall. Die mittelreichischen Städte sind doch alle gleich.«

    »Ich dachte eher daran, dass die Bestechungsgelder so festgefahren sind, dass niemand mehr darüber verhandelt.«

    Faisal schulterte sein Gepäck und folgte ihr eilig. »Du, o feuerhaarige Schönheit, verhandelst doch nur, um den armen Menschen zu zeigen, was für blutige Anfänger sie sind.«

    »Sagt wer?« Sie drehte sich zu ihm um, grinste schelmisch und lief rückwärts weiter.

    »Ich bin ein unschuldiger tulamidischer Magus«, versicherte Faisal ihr voller Ernst. »Von einer armen, verkannten Akademie. Ich kann gar nicht feilschen.«

    Sie lachte. »Wenn du diese Rede noch ein Dutzend Mal übst, glaubt es dir irgendwann sogar ein Naivling vom Dorf. Fasar trieft geradezu von deinen Händen.«

    Er zog einen Mundwinkel nach unten. »Dieses Bild stimmt nicht, Fuchskopf. Fasar staubt. In der altehrwürdigen Stadt, welche die größten Reichtümer des Kontinents beherbergt, regnet es nicht genug für …« Er blickte über Adaras Schulter und stockte.

    Auf einmal nahm sie das gedämpfte Geschrei hinter sich wahr: Geräusche eines Kampfs. Sie fuhr herum und griff nach ihrem Stock, Faisal zog seinen Stab aus der Rückenhülle. »Schwierigkeiten«, schloss er kurz.

    Vor ihnen lag der Marktplatz. Einige Männer und Frauen hasteten aus dem Getümmel, andere drängten sich hinein. Adara konnte drei Stellen ausmachen, an denen sich Leute prügelten. Händler rafften eilig Waren zusammen und leerten ihre Tische. Noch mehr Menschen flohen vor dem Kampf.

    Die Menge tobte. Wetten wurden gebrüllt, ein Standbesitzer verfluchte auf Thorwalsch die Idioten, die seine wertvolle Ware in den Staub traten, und brüllte, dass er sich schadlos halten wolle. Ögnir sei sein Zeuge, er würde sich den Wert zurückholen – notfalls in fein gegerbten Hautfetzen der Übeltäter, die seine Otta vortrefflich schmücken würden.

    Adara packte eine Frau am Arm. »Was ist hier los?«

    Die Frau, eine fahrende Händlerin, deren Kleidung Wohlstand andeutete, umklammerte ihrem schweren Korb und blickte sich hektisch um. Auf dem Platz fielen Marktschirme in sich zusammen, das Krachen splitternden Holzes durchbrach das allgemeine Getöse. Diese Auseinandersetzung würde die Markthändler einiges kosten.

    »Alriks Bande und die Altstädter wollen beide die Kontrolle über den Marktplatz«, keuchte die Frau. »Lasst mich los!«

    Adara packte fester zu. »Warum greift die Wache nicht ein?«

    »In Kyndoch ist für Silber alles zu haben.« Die Frau starrte sie an, als wäre sie Sauerbrot aus Selem. »Die Banden haben sich Zeit gekauft.« Sie versuchte, ihren Arm zu befreien. »Lasst mich gehen!«

    Es war unwahrscheinlich, dass eine einfache Bande genug Geld besaß, um die Stadtwache zu bestechen. Die offiziellen Streithähne hatten Gönner, die ihre Meinungsverschiedenheiten von anderen austragen ließen. Die Welt war ein wunderbarer Ort voller Käuflichkeit und Heuchelei. Sie holte gerade Luft für ihre nächste Frage, als Faisal sie unterbrach.

    »Adara«, sagte er warnend.

    Zwei Schläger mit ausgefransten blauen Armbinden hatten sich aus der Menge gedrängt und kamen auf sie zu. Adara löste ihren Griff um den Arm der Frau und fasste ihren Stock mit beiden Händen. Die Händlerin blickte sich gehetzt um, sah die Bandenmitglieder hinter sich und stolperte hastig die Straße hoch, weg vom Kampf auf dem Marktplatz.

    Adara und Faisal wichen etwas auseinander und machten sich bereit. Der erste Schläger grinste erwartungsvoll, aber sein Freund hielt ihn zurück.

    »Wir wollen keinen Ärger mit euch«, knurrte er. »Macht Platz.«

    »Damit ihr die Frau da ungestört verfolgen könnt?«, fragte Adara. »Wir haben sie etwas aufgehalten – sie hat uns den Weg zum nächsten Gasthaus erklärt. Es ist nur angebracht, dass wir euch genauso lange beschäftigen.« Sie lächelte gewinnend. »Möchtet ihr uns nicht den Weg zu einem ordentlichen Badehaus erklären? Damit die Jagd ausgeglichen ist und so etwas.«

    »Ich habe keine Lust auf ausgeglichen«, entgegnete der erste Schläger und gab seinem Kollegen ein Zeichen. Er stürzte sich auf Adara, der andere griff Faisal an.

    Faisal blockte mit seinem Stab, nutzte eine Deckungslücke beim Schläger aus und schob ihm die Eisenkappe in den Bauch. Der junge Mann japste und klappte zusammen. Faisal drehte den Stab und schlug ihn auf die Schulter seines Gegners, der zu Boden ging. Schließlich drückte er ihm das Holz in den Rücken und lehnte sich darauf, bis der Grobian stöhnte. »Schön unten bleiben«, sagte Faisal freundlich.

    Adaras Gegner war geschickter. Er führte einen Knüppel und erkannte schnell, dass sie mit ihrer Waffe umgehen konnte. Also versuchte er, sie zu einem unüberlegten Angriff zu provozieren. Sie hatte die größere Reichweite, er verfügte über mehr Kraft.

    Adara war nicht nach einem ausgedehnten Kampf. Sie gab sich eine nachlässig erscheinende Blöße, die ihr Gegner sofort ausnutzen wollte. Ihr schräg gestellter Stock ließ den Knüppel abgleiten, während sie einen Schritt zur Seite machte. Sie nutzte die Bewegung des stolpernden Bandenmitglieds, um den Stock zu drehen, und schlug ihm hart in den Nacken. Der Schläger fiel flach auf den Boden und regte sich nicht mehr. Um sicherzugehen, stellte auch sie ihren Stock auf seiner Wirbelsäule ab und drückte leicht zu. Keine Reaktion.

    Adara hielt den Stock fest, kniete sich neben ihren Schläger und hob sein rechtes Augenlid. Von kleinen roten Äderchen durchschossenes, gelbliches Weiß kam zum Vorschein. Sie hatte einen Glückstreffer gelandet. Der Kerl war ohnmächtig. »Was für Amateure«, bemerkte sie.

    Faisal lehnte immer noch auf seinem Gegner. »Diese armseligen Dilettanten haben keine Ahnung vom Angriff und noch weniger von Verteidigung«, stimmte er zu. »Lassen wir sie laufen?«

    Adara blickte sich um. Ein paar Leute hatten sie beobachtet und wandten sich jetzt hastig ab. In Auseinandersetzungen dieser Art mischte man sich besser nicht ein, wenn man keinen Ärger haben wollte.

    Nur ein Halbwüchsiger begegnete Adaras Blick. Er grinste kurz und drehte sich dann zu dem Aufruhr auf dem Marktplatz um. Trotzdem behielt er sie und Faisal im Auge. Tatsächlich beobachtete er aber die Straße hinter sich; Adara sah die kleine Metallscheibe aufblitzen, die er als Spiegel benutzte. Seine Aufmerksamkeit schien sich auf die fahrende Händlerin zu konzentrieren, die aus irgendeinem Grund stehen geblieben war. Die Frau presste ihren schweren Korb mit beiden Armen an sich.

    Es war eine reife Leistung von dem Jungen, den Anschein zu erwecken, in die eine Richtung zu blicken und die andere zu beobachten. Trotzdem passte er nicht hierher. Er trug sich mit einer Autorität, die einem Lehrling schlecht anstand; für einen Bürgersohn oder Stadtadligen war seine Kleidung zu schlicht und die verzierten Stiefel mit den Metallbeschlägen zu abgewetzt.

    Adara ergriff ihren Ohnmächtigen am Kragen, zog ihn an den Straßenrand und ließ ihn in die Lücke zwischen zwei Häusern fallen. »Warum nicht?«, antwortete sie auf Faisals Vorschlag. »Aber ich würde schon gern wissen, hinter wem sie her waren.«

    Faisal grinste. »Ich bin sicher, der liebe Mann hier wird uns brav alles erzählen.« Er lehnte sich auf seinen Stab, bis der Schläger schrie. »Oder irre ich mich da?«

    »Alles, was ihr wollt«, keuchte er.

    »Siehst du, Blume der Morgenröte? Du musst ihn nur fragen.«

    Adara bedachte Faisal mit einem unwilligen Blick. Seine blumigen Bezeichnungen für sie gingen ihr auf die Nerven.

    Die Händlerin mit dem Korb rannte zu ihnen zurück. Jeder mit nur einem Anklang von Verstand hätte die breite Straße schon verlassen. Dass sich die Frau nicht sofort in die umliegenden Gassen verzogen hatte, hieß entweder, dass sie gefährlich dumm war, oder dass sie wusste, wo ihre Feinde lauerten.

    Adara beugte sich zum Schläger hinunter. »Zwei Antworten, und du kannst gehen. Zu welcher Bande gehört ihr, und was war euer Auftrag?«

    Der Halbwüchsige zögerte, bis Faisal etwas Druck auf den Stab ausübte.

    »Alriks …«, quietschte er atemlos. »Wir sollten die Fahrende überfallen.«

    »Weshalb?«, hakte Adara nach.

    »… Boss will Lösegeld.«

    Eine Entführung also. Adara winkte Faisal, der seinen Stab zurückzog, während sie den jungen Schläger wieder auf die Füße stellte. Er reichte ihr bis knapp an die Nase. »Nimm deinen Freund und verschwinde.«

    Der Halbwüchsige keuchte und röchelte. »Das werde ich nicht vergessen«, drohte er heiser. Angst und leere Bravado sprachen aus jeder Faser seines Körpers.

    Adara gab ihm eine Kopfnuss. »Ausgezeichnet. Ich mag es, wenn meine Gegner etwas draufhaben. Übt Kämpfen und lasst uns in Ruhe, bis ihr etwas gelernt habt. Ab!«

    Sie vertraute darauf, dass Faisal den jungen Schläger und seine ohnmächtige Nutzlast im Auge behalten würde, und wandte sich zur Händlerin um.

    Die Frau eilte mit ihrem Korb direkt auf Adara zu. Was sich auch darin befand, es wog genug, um die Fahrende völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie stolperte mehr hinter der Last her, als sie lief. Oben an der Straße verfolgten vier andere Leute, anscheinend Mitglieder einer weiteren Bande, die sich durch dicke Holzohrringe und graue Segeltuchhosen auswies, den Weg der Händlerin.

    »Bitte, ihr müsst mir helfen«, schnaufte die Frau. Sie sah noch gehetzter aus als zuvor.

    Adara schüttelte den Kopf. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Faisal den Schläger und seinen Freund zur nächsten Gasse begleitete. Er ging nicht allzu zartfühlend mit den Halbwüchsigen aus Alriks Bande um. Adara behielt die zweite Truppe im Auge und wandte gegenüber der Händlerin ein: »Gerade eben konntet ihr nicht schnell genug von uns wegkommen. Sehen wir aus wie Leibwächter auf Arbeitssuche?«

    »Bitte, ich werde euch auch bezahlen«, jammerte die Frau.

    »Ah«, machte Adara. »Dann solltet Ihr Euch da drüben«, sie deutete auf das Fachwerkhaus hinter sich, gegenüber der Türlaibung, in der sich der neugierige Halbwüchsige aufhielt, »hinsetzen und uns die Sache regeln lassen. Wie viel zahlt Ihr?«

    Die Händlerin drängte sich an ihr vorbei. Der Korb streifte Adaras Hand; einen Moment lang war ihr speiübel, Säure kroch die Kehle hoch und verätzte ihr den Rachen. Der Schmerz ließ ihre Augen tränen. Adara schluckte ein paar Mal, aber der Anfall war genauso schnell vorüber, wie er gekommen war.

    Die Frau lehnte an der Hauswand. »Ein Silber …«, begann sie. Ihre Augen flackerten zwischen dem zweiten Schlägertrupp, der jetzt die Straße hinuntergeschlendert kam, und Adara hin und her.

    Nach der kurzen Übelkeit vertraute Adara ihrer Stimme nicht. Sie hob eine Hand und spreizte die Finger. Der Halbwüchsige auf der anderen Straßenseite verfolgte die Szene interessiert. Auch er hatte sich von dem Aufruhr auf dem Marktplatz abgewandt und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen ihnen und den vier Leuten mit den Segeltuchhosen.

    »Fünf?«, fragte die Frau entgeistert. »Nein, auf keinen Fall. Drei Silber ist ein angemessener Tageslohn.«

    Adara deutete auf sich und Faisal und hob Zeige- und Mittelfinger.

    »Ja, pro Kopf«, stimmte die Frau zu. »Aber nur, wenn ihr mich hier ohne Schaden rausholt. Sonst kann ich euch nicht zahlen.«

    Das Argument war schlüssig. Adara hielt der Händlerin die Hand hin. »Abgemacht«, krächzte sie und schluckte gegen ihre verbleibende Übelkeit. »Drei Silber pro Nase, zahlbar, wenn wir die Kerle da verprügelt haben und Ihr Eures Wegs gehen könnt.«

    Die Frau schlug ein und spuckte auf den Boden, wie es unter den Fahrenden üblich war.

    Adara tat es ihr gleich und erkundigte sich: »Wie heißt Ihr eigentlich?«

    Die Frau zögerte; Adara sah sich noch einmal um. Faisal hatte seinen Posten am Anfang der Gasse verlassen und wirbelte seinen Stab in kompliziert aussehenden Mustern herum. Dabei pfiff er ein unanständiges Lied aus Fasar.

    »Ich habe gerade einen Auftrag angenommen«, erklärte Adara ihm, als er zu ihr trat. »Wir bekommen sechs Silber, wenn wir die gute Frau hier vor den vier Schlägern da hinten beschützen.«

    Die Gruppe mit den grauen Segeltuchhosen hatte sie fast erreicht. Es waren zwei Männer und zwei Frauen; die größere schien das Kommando zu führen. Alle waren mit kurzen Stöcken oder Knüppeln bewaffnet. Die drei Handlanger fächerten aus und duckten sich kampfbereit.

    Die Händlerin umklammerte ihren Korb wie eine Ertrinkende und wich zurück, bis die Hauswand sie aufhielt. »Utta Wagenführer«, antwortete sie auf die Frage, die Adara längst vergessen hatte.

    Die große Frau, die die Gruppe anführte, trat vor. »Gebt uns die Fahrende, und ihr könnt gehen«, bot sie großzügig an.

    Adara richtete sich auf und stellte ihren Stock auf dem Boden ab. »Wir bekommen sechs Silber dafür, dass die Frau unversehrt und frei gehen kann«, sagte sie. Die meisten Leute um sie herum verfolgten immer noch die Kämpfe auf dem Marktplatz.

    Die wunderbare Tirade des Thorwalers war von weniger ausführlichen Rufen des Ärgers, des Entsetzens und nach der Wache abgelöst worden. Nur der nicht-ganz-adlige Halbwüchsige auf der anderen Straßenseite schenkte ihnen seine volle Aufmerksamkeit. Er schlich entlang der Hauswände in einem weiten Halbkreis um sie herum; seine Bewegungen waren geschickt, aber ihm fehlte es am Schliff und der Unauffälligkeit eines geübten Taschendiebs oder Einbrechers. Ob er ein Lehrling der örtlichen Diebesbande war? Dann war er für sein Alter und seine teure Kleidung allerdings zu ungeübt.

    »Sechs Silber?« Die andere Frau lachte. »Wo lebt ihr denn? Wir bekommen die Frau, und ihr behaltet euren Pelz!«

    Der Aufruhr am Markt verblasste für Adara. Sie konzentrierte sich auf die Anführerin, ihre Schläger und den Jungen, der nicht ganz dazugehörte.

    »Ich trage keinen Pelz, den ich verlieren könnte.« Adara bedeutete Faisal, dass sie sich um die Frau kümmern würde. Der Magier nickte unmerklich. »Deshalb verdiene ich mir ein bisschen zusätzliches Geld.«

    Unvermittelt nahm sie den Stock, zog ihn zurück und stieß ihn gerade in den Bauch der Anführerin. Die Frau war nicht auf einen Angriff gefasst, wich aber schnell genug aus, dass Adaras Schlag ins Leere ging. Adara griff sofort von der anderen Seite an, um der Frau keine Gelegenheit zu geben, ins Gleichgewicht zu kommen. Die Anführerin machte einen Schritt zur Seite und blockte mit ihrem Knüppel.

    Ein Kräftemessen mit diesem weiblichen Schrank würde Adara auf jeden Fall verlieren. Sie leistete keinen Widerstand, zog ihren Stock zurück und hielt ihn hinter sich. Die andere war völlig überrascht und hatte Mühe, ihren Knüppel abzufangen.

    Während die Frau mit sich selbst beschäftigt war, sprang Adara einen Schritt vor und täuschte einen Schlag gegen ihr Kinn an. Aus der gleichen Bewegung drosch sie die Seite des Stocks gegen das Knie ihrer überrumpelten Gegnerin. Diesmal war die Frau nicht schnell genug; sie kannte offensichtlich nur ihren kurzen Knüppel und hatte nicht einmal daran gedacht, ihre Beine zu decken. Adaras Stock traf mit voller Wucht das Gelenk.

    Die Frau schrie vor Schmerz und knickte ein. Adara drehte den Stock und ließ ihn auf den Hals ihrer Gegnerin niedersausen. Dieses Mal war es perfekte Balance, die ihr half. Ihre genau platzierten Hände führten die Waffe ins Ziel; sie brauchte keinen Glückstreffer, um ihre Gegnerin kampfunfähig zu machen. Stöhnend blieb die Frau liegen.

    Gleichzeitig rannte ein schreiender Mann an ihr vorüber. Adara erhaschte ein bleiches Gesicht mit weit aufgerissenen Augen und einen Mund, der vor Angst verzerrt war. Faisals übrig gebliebene Gegner waren zurückgewichen und starrten ihrem Kollegen ungläubig hinterher. Der Magier grinste und entblößte seine Eckzähne, als er einen lockeren Stabangriff auf die Nieren seines nächsten Ziels führte. Die kleinere Frau löste sich aus ihrer Erstarrung, wich zurück und hob ihre eigene Waffe.

    Faisal blockte den ersten Schlag und begann eine Sequenz, die Adara nur allzu vertraut war. Er bedrängte seine Gegnerin von rechts und links, umkreiste sie langsam und schob sie die Straße hinunter. In zehn Schlägen würde Faisals unbedarfte Gegnerin auf dem Bauch am Boden landen. Der Magier hatte mitbekommen, dass Adara ihr Ziel schon erledigt hatte, und überließ es ihr, den letzten Kämpfer zu versorgen.

    Der Mann starrte immer noch seinem Kollegen hinterher. Adara nutzte seine Unaufmerksamkeit aus und stellte sich in seinen Rücken, bereit, ihn anzugreifen, sobald er sich aus seiner Erstarrung löste. Sie wünschte ihm einen langen Moment des Unglaubens – Adara konnte eine Verschnaufpause gebrauchen.

    Allerdings war sie nicht die Einzige, die den Mann hinterrücks angreifen wollte. Vor ihr huschte der Halbwüchsige hinter den Schläger. Er umklammerte sein Messer, das in der trüben Sonne blitzte. Den Knauf der Waffe zierte ein polierter Türkis, in den ein Kreis und ein Dreieck eingeschnitten und mit Silber ausgegossen waren: der heilige Stein und das Zeichen des Phex.

    Kein Wunder, dass der Junge nicht ins Bild passte – er gehörte weder zu den Handwerkern noch zum Stadtadel. So sicher wie der nächste Sonnenuntergang war er Novize im Phex-Tempel. Das hinderte ihn aber nicht daran, einen großen Fehler zu begehen. Noch war dies eine heftige Prügelei mit Bauernwaffen – sobald er blankzog, galten andere Regeln. Das konnte sie nicht zulassen.

    Adara sprang vor und bekam seine Hand zu fassen, bevor er das Messer ganz aus der Scheide gezogen hatte. »Lass die Klinge stecken, Grauling«, befahl sie leise. »Oder willst du, dass die Wache uns alle für Mord einkassiert?«

    Er drehte sich zu ihr um; auf seinem Gesicht lag ein wunderbar gelungener Ausdruck völligen Unverständnisses. Hinter seinen Augen suchte ein reger Verstand nach einer guten Ausrede, und sein Körper verriet, dass sie ihn richtig benannt hatte.

    Sie drückte seine Hand zusammen, bis er das Messer losließ, und verdrehte sie nach hinten. Er keuchte vor Schmerz.

    »Du bist kein Grauling, und ich bin kein Mondschatten«, raunte sie ihm ins Ohr. »Halt dich hier raus!«

    Die Diskussion hatte dem letzten Kämpfer Zeit gegeben, sich zu fassen. Er fuhr herum, während Faisal sein Opfer in den abschließenden Austausch seiner Lieblingskombination führte.

    Adara schubste den Jungen. »Zur Händlerin«, wies sie ihn an und eröffnete mit einem hohen Angriff.

    Dieses Mitglied der Schlägertruppe konnte, obwohl er mitten im Kampf erstarrt war, mit seiner Waffe umgehen. Adara probierte ein paar Tricks und stieß auf entschiedene Gegenwehr. Sie erhöhte das Tempo und griff ernsthaft an. Der Mann wich geschickt aus, ließ ihren langen Stock an seinem kürzeren abgleiten und versuchte ständig, an ihrer Deckung vorbeizukommen.

    Nach einer langwierigen Sequenz wurde Adara klar, dass er sie ermüden wollte. Seine kurze Waffe hatte zwar eine begrenzte Reichweite, war aber auch leichter. Er tänzelte um sie herum und zwang sie, den Stock auf voller Länge einzusetzen, um dann gerade vor dem Ende ihrer Bewegung an sie heranzuspringen und einen eigenen Treffer zu versuchen, den sie mit einem harten Richtungswechsel beantworten musste. Seine Methode zahlte sich aus. Sie schnaufte und schwitzte, während er noch sehr frisch aussah. Der Kampf dauerte zu lange, aber sie sah keine Möglichkeit, diese Auseinandersetzung rasch zu beenden.

    Plötzlich stolperte ihr Gegner. Adara schoss vor und rammte ihm den Stock in den Bauch. Der Mann fiel und versuchte, sich abzurollen, aber seine Beine verweigerten ihm den Dienst. Er stürzte mit dem Rücken auf das Straßenpflaster; Adara setzte ihm den Stock an die Kehle und rang nach Luft.

    »Das war’s«, brachte sie heraus. »Wir haben unseren Auftrag erfüllt, und ihr nicht.«

    Der Mann funkelte sie an. »Das bleibt abzuwarten«, knurrte er.

    »Ergib dich«, forderte sie. »Wir haben nur für einen Tag angeheuert. Ihr könnt es ja morgen noch einmal versuchen.«

    »Vielleicht.«

    »Wenn dein Chef eine solche Truppe zusammenstellt und sich dann darüber aufregt, dass der Auftrag scheitert, solltet ihr den Chef wechseln.« Sie sah sich um. Die eigentliche Anführerin lag immer noch zusammengekrümmt auf dem Boden. Der Mann, den Faisal mit einem Zauber verscheucht hatte, blieb verschwunden, und der Magier lehnte gemütlich auf seinem Stab, mit dem er das dritte Bandenmitglied bewegungslos hielt.

    »Ihr habt verloren«, wiederholte sie. »Ergib dich und verzieht euch, oder ich halte euch so lange fest, bis die Wache kommt.«

    Auf dem Marktplatz klirrte Glas. Eine Frau schrie auf Tulamidya: »Meine Flacons, mein Parfum, ihr Barbaren …«

    Adara deutete in Richtung des Aufruhrs. »Sie müsste bald auftauchen. Wenn nicht, wird es sehr teuer für den Stadtrat.«

    Der Mann stöhnte. »Ja, ihr habt gewonnen«, sagte er, fasste den Stock und versuchte, ihn zur Seite zu schieben.

    Adara hielt das Holz weiter auf seine Kehle gerichtet. »Eines noch. Warum die Frau?«

    Er schwieg. Sie drückte den Stock sanft nach unten.

    Der Mann schluckte schwer. »Auftrag vom Chef. Aufgreifen und zu ihm bringen. Mehr weiß ich nicht.«

    Es klang nach der Wahrheit – zumindest war das alles, was er wusste. Diese Bande war um einiges besser organisiert als die Dilettanten mit den blauen Armbinden. Sie gab die Kehle des Mannes frei und reichte ihm die Hand. Er nahm sie und versuchte, sie zu Fall zu bringen. Adara grinste und drückte seine Knöchel zusammen. Er erbleichte.

    »Ich kenne die schmutzigen Tricks auch«, erklärte sie freundlich. »Verzieht euch.«

    Der Mann rappelte sich hoch. »Bis zum nächsten Mal«, versprach er. Es klang nicht nach einer ernsthaften Drohung, sondern eher, als würde er sich darauf freuen, noch einmal mit ihr die Stäbe zu kreuzen.

    Faisal gab die Frau frei, und die beiden nahmen ihre Anführerin zwischen sich. Dann hinkten sie Richtung Altstadt davon.

    Die Händlerin mit dem Korb kauerte immer noch an der Hauswand, der Halbwüchsige lehnte neben ihr und behielt die Umgebung im Auge. Als Adara und Faisal zu ihnen traten, stand die Frau auf.

    »Ich kann euch …«, begann sie, dann wischte sie sich fahrig über die Stirn. Ihre dunkle Haut war plötzlich gräulich, der Korb kullerte aus ihrer harten Umklammerung, und sie fiel schlaff gegen die Hauswand.

    »Was …« Adara fing sie auf und legte sie sorgsam auf den Boden. Die Fahrende war bewusstlos. Adara kniete sich neben sie, nahm die eiskalte Hand der Händlerin und tastete nach dem Puls. Er war flach, kaum zu spüren. Kalter Schweiß benetzte Stirn und Handflächen der Frau.

    Dieser Zusammenbruch hatte auf keinen Fall natürliche Ursachen. Die Händlerin war verängstigt und außer Atem gewesen, aber für einen Schwächeanfall dieser Art war sie bei Weitem zu gesund und munter aufgetreten.

    »Faisal!«, zischte Adara. »War das ein Schadzauber?« Dann drehte sie sich zu dem Novizen um. »Deinen Mondstaub, Grauling, und zwar schnell!«

    Der Junge starrte sie an. »Ich habe keinen Mondstaub«, sagte er verständnislos. »Der ist den Priestern …«

    Sie schüttelte unwillig den Kopf. »Phex gibt dir, was du dir nimmst, Grauling«, sagte sie. »Du bist alt genug, dich zu dem zu machen, was du werden willst. Schenken wird es dir niemand.«

    Der Puls der Fahrenden wurde womöglich noch schwächer. Ihr Atem setzte aus, kam zurück. Adara konnte nicht länger warten – und Faisal verwaltete ihre Reisekasse. Sie hatte noch nicht einmal Kleingeld bei sich. »Faisal!«

    Der Magier malte für seinen Analysezauber irgendwelche arkanen Symbole in die Luft und murmelte vor sich hin. Er beachtete sie nicht. Sie trat nach ihm und traf seinen Fuß.

    Faisal schwankte und riss die Arme auseinander, um das Gleichgewicht zu halten. »Feqzs Rache von Rahandras Wagen! Was soll das?«, fauchte er. »Ich habe die Matrix verloren!«

    Sie funkelte ihn an. Nur Faisal konnte sich in dieser Situation über einen versauten Zauber beschweren. »Ich brauche ein Silberstück«, fauchte sie zurück. »Ein blankes!«

    »Und dafür …«, begann der Magier.

    Sie trat ihn noch einmal. »Ein Silber! Ich will mich nicht mit Boron um eine Leiche streiten müssen!«

    Er blinzelte, nahm den Geldbeutel und suchte nach einer passenden Münze. Adara legte die Füße der Händlerin auf ihr hochgestelltes Bein und beobachtete die zögernden Atemzüge der Frau. Der Herzschlag wurde immer matter. Das Gesicht der Fahrenden war heller als der Putz des Hauses hinter ihnen.

    »Wird’s bald?«, forderte sie.

    Eine polierte Silbermünze fand ihren Weg in Adaras Hand. Sie legte die Münze auf die Handfläche der Händlerin und faltete sie zusammen. Faisal kniete neben ihr, hatte die andere Hand ergriffen und zeichnete der Fahrenden Phexens Mond und Fuchskopf auf die Brust.

    Adara sammelte sich und suchte nach der amüsierten, gelassenen Kraft in sich, die Teil ihres Herrn war. Sie berührte sie im Gebet. »Mein Herr Phex, nehmt dieses Silber als Anzahlung für all die Spenden, die diese Händlerin Euch in Dankbarkeit und Ehrerbietung entrichten wird, wenn Ihr unser Gebet erhört.«

    Faisal sprach ihre Worte verhalten nach und unterstützte sie allein durch seine Anwesenheit. Der Novize kauerte hinter ihnen und verstand nicht, was vorging, mischte sich aber auch nicht ein.

    »Wir bitten Euch und die Herrin Peraine, gebt dieser Frau die Lebenskraft zurück, die ihr entrissen wurde, auf dass sie die volle Anzahl der ihr zugestandenen Jahre auf Dere verbringen kann.«

    Ein Augenzwinkern, eine Hand, die die Silbermünze über unsichtbare Knöchel springen ließ. Die Münze flog in die Luft, wurde gefangen und verschwand. Sie hatte Gefallen gefunden.

    Muntere Wärme wuchs in Adara und floss durch ihre Arme in den Körper der Fahrenden. Unter ihren Händen gewann der Puls an Kraft; die Haut der Frau war immer noch blass, verlor aber die tödliche Gräue. Die Händlerin atmete regelmäßig, nur das Bewusstsein erlangte sie nicht zurück.

    »Danke, mein Herr«, flüsterte Adara. Einen langen Moment verharrte sie im stillen Gebet, dann zwang sie sich in die Wirklichkeit. Sie hatte einen kleinen Teil zum Plan der Götter beigetragen.

    »Grauling«, wies sie

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