Die Mettasutta: Hinweise für ein heilsames Leben
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Dieses umfassende Fundament ist in bisherigen Veröffentlichungen nur wenig berücksichtigt und stellt doch für alle Menschen, nicht nur Mönche und Nonnen, eine tiefgreifende Sammlung an Hinweisen für ein heilsames Dasein dar. Auf dieser Basis können sich die beschriebenen (formalen) Mettaübungen kräftiger und stabiler entwickeln und unerwartete spirituelle Ergebnisse bewirken.
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Book preview
Die Mettasutta - Gerald Schinagl
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Lehrrede von der liebenden Güte (Mettasutta)
Für wen sind die Lehrrede und dieses Buch gedacht?
Die Vorbereitung
Warum und wozu muss man fähig sein um Metta üben zu können?
Welche Fähigkeiten sind gefragt?
Eine Kontemplation zum Begriff: fähig
Überlegungen zum Begriff: direkt & gerade
Wie kann ich meine Lebensziele finden?
Erinnerung an den (eigenen) Vorsatz
Rezension Ihrer gefassten Vorsätze am Ende des Tages
für und durch Metta sehr aufrecht sein
Kontemplation der fünf Silas
Kontemplation der Karmagesetze
Überlegungen zur Aufforderung zugänglich zu sein
Annehmen und Benennen: eine meditative Übung
heilsamer Umgang mit Kritik
Eine Lebensführung nach der Aufforderung milde und sanft zu sein
Nachsicht mit sich selbst - die Unvollkommenheit willkommen heißen
Dem Leben die Ausschläge nehmen
Verzeihensmeditation
Reflexion des Karma
Nachsicht
Die Gefahr des Hochmutes und der Arroganz
eine Kontemplation zum Begriff: ohne Hochmut und Arroganz
Demut als Gegenmittel des Hochmuts
Vertrauen mit Zuversicht
eine meditative Übung um vertrauensvoll und zuversichtlich zu werden
Selbst vertrauenswürdig sein
warum man genügsam & leicht zufrieden zu stellen sein soll
Der Uposatatag - eine Bescheidenheitsübung
Überlegungen dazu ohne Sorgen zu sein
Intellektualisieren stoppen als Übung
Kontemplation der Unbeständigkeit (Anicca)
ohne Verpflichtungen sein
eine Kontemplation zum Thema: ohne Verpflichtungen
zur Ruhe gekommene Sinne
eine meditative Übung die Sinne zur Ruhe kommen lassen
weise und intelligent werden
Eine Lebensführung frei von Dreistigkeit
In der Gesellschaft wunschlos sein
Kontemplation: Wunschlosigkeit in der heutigen Zeit
Nicht im kleinsten…
Mögen alle Wesen …
Übungen zum Umfang der Metta
ob schwach oder stark…
ob Groß oder Klein…
Metta für einen Krankheitserreger
…sichtbar oder unsichtbar…
Wesen die existieren oder der Existenz zustreben
Erweiternde und ergänzende Anforderungen
andere Wesen nicht betrügen und geringschätzen
jemanden nicht zornig sein
meditative Betrachtung von Zorn und Ärger
keine Abscheu gegen Andere hegen
Anderen kein langes Leid wünschen
So wie eine Mutter…
Metta in alle Richtungen
Metta in die10 Himmelsrichtungen
In alle Himmelsrichtungen
Mettakreise
Egal ob beim Gehen…
Metta in der Sprache (vaci-kamma-metta)
Metta in der Handlung (kaya-metta)
Die Wirkung von Metta
Rezitation und Betrachtung der11 guten Wirkungen von Metta
ohne sich falschen Ansichten zu nähern
tugendhaft (ethisch)
mit wahrer Einsicht ausgestattet
alle Gier nach Sinnesfreuden entfernt habend
wird man nie wieder im Mutterschoß wiederkommen
Einleitung
Bei der Beschäftigung mit der Lehre Buddhas trifft man früher oder später auf das Thema der sogenannten göttlichen Verweilungszustände, der Brahmavihara als ein bedeutendes Gebiet der meditativen Übung und des geistigen Trainings.
Bei einem ersten Kontakt mit Anweisungen zu diesen Brahmaviharas scheint dieses Übungsgebiet sehr zwiespältig, um nicht zu sagen in sich widersprüchlich zu sein.
Einerseits stellt die liebende Güte einen sehr hohen Anspruch an die Übenden. Die Beschreibungen, wie weit und umfassend diese Geisteszustände sein können sowie die Vorbedingungen, welche manche Lehrer anlegen um mit Metta als dem häufigsten Brahmavihara beginnen zu „dürfen" legt nahe, dass Metta eigentlich eine fortgeschrittene meditative Praxis darstellt.
Andererseits propagieren viele Lehrer Metta als eine Übung für den Beginn des spirituellen Weges, als die Basis und das Fundament für alle weiteren meditativen Übungen. Das legt nahe, dass es sich bei Metta um eine Basispraxis handelt. Wer hat nun in der Sache Recht, was stimmt? Was hatte der Buddha eigentlich im Sinn, als er Mönchen und Laien die Mettapraxis empfohlen hat? Zum Thema der Brahmaviharas wurde bereits viel geschrieben und gelehrt. Wie es auch bei anderen Themen passiert ist, haben sich in der Thematik hinsichtlich der Auslegung der Worte Buddhas ganze Schulen und Richtungen voneinander abgespalten.
Wenn man versucht Ausführungen zu den „klassischen" Übungen und Meditationsanweisungen zu finden, sind diese in den mir bekannten Publikationen häufig nur sehr kurz beziehungsweise in geringer Tiefe ausgeführt und hinterlassen den Nachgeschmack, dass etwas fehlt. Irgendwie sprang dann der Funke nicht über und es fiel mir schwer, auf dieser Basis eine starke Herzverbindung zur Metta aufzubauen.
Nachdem ich bereits einige Werke unterschiedlicher Autoren und Autorinnen zu dem Thema gelesen hatte, war es die verhältnismäßig kurze Mettasutta (Sutta Nipata 1.8), welche mich faszinierte. In diesem Text ist deutlich mehr enthalten als lediglich eine Beschreibung wie Metta als eine Form der Meditation zu üben ist. Die Lehrrede beinhaltet bei aller Kürze sowohl vorbereitende Übungen und Ideen zur heilsamen Lebensführung - die Mettameditation selbst in unterschiedlichen Varianten - als auch die erlebbaren Ergebnisse und Auswirkungen dieser Praxis.
In diesem Buch möchte ich daher nicht versuchen, Theorie und Übungen nach einer mir logischen Folge abzubilden, sondern die Lehrrede für sich selbst sprechen zu lassen. Aus diesem Grund beginnt dieses Buch mit der Übersetzung der Lehrrede. Die Abfolge der darin enthaltenen Beschreibungen gibt den roten Faden vor, an dem sich der Inhalt dieses Buches in der Folge orientiert vor.
Bitte bedenken Sie, dass die Anweisungen und Anleitungen dieses Buches davon ausgehen, dass der/die Übende die Basis der Meditation sowie der Kontemplation bereits gut beherrscht. Daher werden die grundlegenden Techniken der Meditation in diesem Buch nicht mehr erklärt.
Wien, Oktober 2015
Die Lehrrede von der liebenden Güte (Mettasutta)
Die Lehrrede von der liebenden Güte (zu finden im Sutta-Nipata), welche Inhalt dieses Buches ist, lautet auf Deutsch wie folgt (die wörtliche Übersetzung befindet sich in Anhang 1). Bitte beachten Sie, dass die Lehrrede vor über 2500 Jahren entstand und daher keine geschlechtsneutrale Schreibweise aufweist. Da ich mir nicht die Kompetenz herausnehme den Originaltext in der Hinsicht zu verändern, bleibt es in der Übersetzung der Lehrrede bei dieser Schreibweise, auch wenn selbstverständlich alle Menschen gleicherweise angesprochen sind.
Der einleitende Satz der Lehrrede kann inhaltlich auf zwei Arten (siehe Pali-Quelle) sinnvoll übersetzt werden. Beide Versionen passen sehr gut, deswegen habe ich mich an der Stelle nicht auf eine einzelne Formulierung festgelegt, sondern möchte beide Varianten zum Inhalt dieser Übersetzung und auch der inhaltlichen Beschreibung machen.
Das ist die Aufgabe für Jenen, welcher die Wirkungsweise¹ des Heilsamen kennt und bereits den Weg² zum Frieden erlernt hat:
Das ist die Aufgabe für Jenen der im Heilsamen fortschreiten möchte und bereits den Pfad zum Frieden erlernt hat:
Er soll³ fähig⁴, direkt, sehr aufrecht, zugänglich⁵, sanft, ohne Hochmut und Arroganz sein, vertrauensvoll, genügsam, sorgenfrei und ohne Verpflichtungen⁶. Er sollte zur Ruhe gekommene Sinne haben, weise, frei von Unverschämtheit und in der Familie gierlos sein.
Nicht im kleinsten sollten Übenden Dinge tun welche von anderen Weisen getadelt werden könnten.
Mögen alle Wesen glücklich und geschützt⁷ sein, mögen sie selbst glücklich werden!
Was es auch an (atmenden) Lebewesen gibt, egal ob schwach oder kräftig, ausnahmslos alle - egal ob klein, mittel oder groß, ob zart (gebaut) oder grob⁸ von Statur. Jene die sichtbar sind und jene die unsichtbar sind, Wesen die sich nah oder entfernt aufhalten, Wesen die schon existieren und solche die einer Existenz zustreben. Mögen alle Wesen selbst glücklich sein.
Einen Anderen soll man, egal wo und wann auch immer, nicht betrügen und geringschätzen, ihm nicht zornig sein, keine Abscheu gegen ihn hegen und ihm kein langes Leid wünschen.
So wie eine Mutter ihren Sohn, ihr einziges Kind mit ihrem Leben⁹ beschützen würde, so sollen alle Wesen die unermesslichen Gedanken der liebenden Güte entwickeln.
Gegenüber allen Orten (in alle Richtungen) soll man die unermesslichen Gedanken der liebenden Güte entwickeln. Nach oben, nach unten, in alle Richtungen ohne Grenzen, ohne Aversion, ohne Feinde.
Egal ob beim stehen, gehen, sitzen oder liegen, soll man entschlossen ohne Mattheit die Achtsamkeit üben, das versteht man unter: „Ein spirituelles Leben führen".
Ohne sich falschen Ansichten zu nähern, tugendhaft mit wahrer Einsicht ausgestattet, alle Gier nach Sinnesfreuden entfernt habend, wird man nie wieder im Mutterschoß wiederkommen¹⁰.
¹ Die Übersetzung dieses Begriffs ist eher „technisch" im Sinne eines Mechanismus (einer Maschine gleich) beschrieben. Das zeigt bereits in der Einleitung der Lehrrede deutlich, dass die Brahmaviharas letztendlich einem automatischen Mechanismus unterliegen. Wenn man sich so übt wie es in der Mettasutta beschrieben wird, tritt automatisch und unweigerlich die Ruhe und die Gestilltheit ein. Unsicher ist nur wann das der Fall ist, und nicht ob diese Gestilltheit überhaupt eintritt.
² Der Begriff umfasst oder impliziert sowohl Ort als auch Weg. Das heißt, man könnte ihn auch mit …Ort des Friedens… übersetzen. Das dehnt den Umfang der Lehrrede nochmals weiter aus, indem somit auch Menschen, welche bereits das Ziel erreicht haben (also erleuchtet sind) mit dieser Lehrrede angesprochen werden. Eine weitere zutreffende Sichtweise wenn man diese beiden begrifflichen Übersetzungen verbindet, wäre der so häufig gebrauchte Begriff: Der Weg ist das Ziel.
³ In der Lehrrede finden sich sehr oft die Begriffe sollen, müssen oder sogar Pflicht. Diese Formulierungen sind bei vielen Menschen negativ belegt (aus eigenen Erfahrungen, religiöser Erziehung o.Ä.) und führen zu Widerständen. Während einige Lehrer und Übersetzter versuchen weniger belegte Worte zu verwenden möchte ich versuchen den Kerngehalt der Formulierungen herauszuarbeiten da ich der Meinung bin, dass der Buddha bewusst diese Formulierungen verwendet hat. In unserer westlich-christlichen Kultur ist müssen oder sollen üblicherweise mit einer Bezugsinstanz versehen – man muss etwas um einem Gott, der Gesellschaft oder einer Autoritätsperson zu entsprechen. Der Buddha hingegen setzt die Pflicht, das sollen oder müssen in einen anderen Kontext. Er sagt ja einleitend dass diese Aussagen für jene gelten die aus eigenen Stücken einen heilsamen Weg gehen wollen. Das sollen und müssen bezieht sich somit auf das was nötig ist um den selbstgewählten Weg zu gehen, der Bezug ist damit nicht eine andere Instanz oder Autorität der man verpflichtet ist sondern ausschließlich die eigene Entscheidung, der eigene Weg.
⁴ Der Begriff wird auch mit tüchtig und kräftig übersetzt.
⁵ In einer anderen Übersetzung wird diese Formulierung als: Er soll eine gemäßigte Sprache haben
, wiedergegeben. Das ist meines Erachtens, im Sinne des Inhaltes der Lehrrede aber nicht korrekt, und so bleibe ich bei der ursprünglichen Übersetzung.
⁶ Das wird auch mit: Ein leichtes Leben habend übersetzt. Auf diesen Aspekt des Begriffes werde ich später, bei der Beschreibung der vorbereitenden Übungen noch näher eingehen.
⁷ Der Begriff beinhaltet auch noch die Aspekte: gesichert, frei von Gefahr, in Frieden
⁸ Das damalige Wort grob könnte unserer heutigen Sprache nach auch als kompakt verstanden werden.
⁹ Man könnte es aufgrund der Breite der verwendeten Pali-Begriffe auch weniger drastisch übersetzen – aus dem Text wäre auch denkbar, dass die Mutter das Leben des Kindes soweit es geht schützt (und eben nicht ihr eigenes Leben gibt) was eigentlich vernünftiger klingt.
¹⁰ In diesem Absatz sind die Erleuchtungsstufen verklausuliert angegeben – mehr dazu findet sich im entsprechenden Kapitel.
Für wen sind die Lehrrede und dieses Buch gedacht?
Üblicherweise wird in einem Buch nach den einleitenden Worten des Autors die Frage angesprochen, für wen das Buch geschrieben wurde, wer die Leser und Leserinnen sein sollten. Die Voraussetzungen und die nötigen Vorkenntnisse des Lesers und der Leserin werden beschrieben, welche nötig sind um dem Inhalt folgen zu können.
Dieses Vorgehen ist nicht neu und so findet sich auch in der Einleitung der Mettasutta die Ausführung, wer der Adressat bzw. die Adressatin dieser Lehrrede Buddhas ist.
Die Aufgaben, welche im Text der Lehrrede beschrieben werden sind für all jene Menschen gedacht welche sich zu einem heilsamen Dasein hin entwickeln möchten. Diesem Wunsch nach Entwicklung kann sowohl in einer generellen inneren Motivation liegen, sein Leben „spiritueller" entwickeln zu wollen oder auch im bereits erlangten tieferen Verständnis der Funktionsweise des Heilsamen. Egal worin die Motivation konkret liegt, ist es der Wunsch nach dem Heilsamen, den der Buddha als Grundlage nahm darzustellen für wen die Lehrrede gedacht ist.
Diese Lehrrede beschreibt wie man durch sehr konkrete Übung das Ziel der Befreiung vom Leid erlangen kann. So weist diese Lehrrede vor allem in der Praxis eine große Bedeutung auf, da sie sich nicht auf einen philosophischen Diskurs darüber einlässt was heilsam ist und was nicht, oder ob das Ziel der Heilsamkeit in diesem Leben erreichbar ist oder nicht. In diesem Text wird den Übenden eine Reihe an sehr konkreten Hinweisen gegeben wie ein umfassender Ansatz zu einem heilsamen Leben aussehen könnte. Dieser Ansatz umfasst nicht nur formale Methoden der Mettameditation sondern beschreibt einleitend eine Reihe von Aspekten des täglichen Lebens, die ebenso bedeutend sind wie die Meditation selbst. Weiters stellt die Lehrrede die (erwartbaren) Veränderungen an einem Menschen dar, der sich in Metta übt bis hin zu den möglichen tieferen Ergebnissen und Erfahrungen, welche ein solches heilsames Leben bewirken kann.
Neben dem Wunsch nach einem heilsamen Leben ist in der Zielgruppenbeschreibung ebenso enthalten, dass der oder die Jene, welche sich durch die Lehrrede angesprochen fühlen, den Weg (oder auch den Ort) des Friedens bereits kennen sollen. Diese Formulierung hat zu einiger Kontroverse geführt, sodass einige Lehrer und Lehrerinnen ihre Argumentation, warum Metta nur für fortgeschrittene Meditierende geeignet ist, daran aufhängen. Auf den ersten Blick verleitet diese Formulierung ja tatsächlich zur Annahme, man müsste den Weg zum Frieden bereits erlernt haben, um sich mit der Lehrrede beschäftigen zu können. Bei der Betrachtung des folgenden Inhaltes der Lehrrede wird aber klar, dass das nicht so gemeint sein kann, da eine Reihe von Themen angesprochen werden, welche für Menschen die den Weg zum Frieden bereits komplett erlernt haben längst erledigt sein sollten.
Wenn man in die Zeit Buddhas zurückgeht, dann lässt sich diese Formulierung wohl etwas besser deuten. Man könnte diesen Ausdruck so sehen, dass die Lehrrede für Personen gedacht war, welche den Weg zum Frieden bereits (theoretisch) erlernt haben, welche also Buddhas Lehre, die vier edlen Wahrheiten bereits hören konnten, in ihren Grundzügen verstanden hatten und so den tieferen Sinn der folgenden Anweisungen nachvollziehen konnten.
Ein weiterer Aspekt zu dieser Thematik ist nicht in der Lehrrede enthalten, kann aber aus der vorliegenden Literatur sowie den eigenen Erfahrungen abgeleitet werden. Meiner Meinung nach kann man in der konkreten Übung und Ausführung (wie diese gelehrt werden) zwei Arten oder Varianten der Mettameditation unterscheiden.
Einerseits kann Metta mit dem Ziel einer meditativen Vertiefung geübt