Niemand weiß wohin es ihn trägt: Fünf Hundeschicksale stellvertretend für das Leid Millionen anderer
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Daniela Noitz
Daniela Noitz . Geschichtenerzählerin und Aktivistin mit Leidenschaft In einer durchstrukturierten, übertechnisierten Welt fehlt es an lebendigen Geschichten, die verbinden, Menschen zusammenbringen und zeigen, dass wir im Grunde genommen dieselben Hoffnungen, Wünsche, Sehnsüchte und Träume teilen. So erzähle ich von zutiefst Menschlichen, von der Liebe ebenso wie vom Schmerz, von Begegnung wie von Trennung, von Glück wie von Trauer. Alles Lebendige hat darin Platz. So entstanden in den letzten zehn Jahren über 700 Kurzgeschichten und 13 Bücher. Gerne erzähle ich meine Geschichten auch vor Publikum. Ihr könnt mich buchen Verschaffen Sie sich einen Überblick auf meiner Homepage novels4u.com.
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Book preview
Niemand weiß wohin es ihn trägt - Daniela Noitz
Inhaltsverzeichnis
HINFÜHRUNG
NIEMALS GIBT ES GEWISSHEIT
FANG DAS LICHT
LANA FÄHRT GERNE MIT DEM AUTO
MEIN ZU HAUSE IST DIE STRAßE
NUR EIN AGGRESSIVER HUND IST EIN GUTER HUND
WAHRE TREUE
DER BEGINN
ZU HAUSE UND DOCH HEIMATLOS
WOHLBEHÜTET
GEFAHREN DROHEN ÜBERALL
ZUM TÖTEN GEBOREN
GEBOREN UM ZU GEHORCHEN
DAS LEBEN IST VOLLER ÜBERRASCHUNGEN
NICHT NUR DIE IM DUNKLEN SIEHT MAN NICHT
IM NÄCHSTEN MOMENT IST ALLES ANDERS
EIN PLATZ AN DER SONNE
NUR HÄRTE ZÄHLT
SKLAVEN WERDEN NICHT GEBOREN
DER SINN DES LEBENS
TROTZ ALLEM ZU HOFFEN
SEID FRUCHTBAR UND VERMEHRET EUCH
EIN GUTER FANG
LEBEN ODER TOD
DIR ZU GEFALLEN
DAS HAPPY END
ALS WÄRE ES NIEMALS ANDERS GEWESEN
EIN FRIEDVOLLER ABSCHIED
EIN ABSURDER TOD
WO SANFTMUT STÄRKE BESIEGT
IN AUSÜBUNG IHRER PFLICHT?
Hinführung
Das Leben ist nicht gerecht. Das Leben ist nicht ungerecht. Recht und Unrecht sind keine Kategorien, die das Leben ausmachen. Es ist wie es ist. Es ist auch kein Verdienst. Es gibt keine Schuld.
Wird man in einem reichen Land geboren, mit all den vielfältigen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, so ist es nicht, weil man ein Verdienst erworben hätte. Es ist keine persönliche Leistung. Es ist wie es ist. Ebenso ist jemand, der in einem armen Land geboren wurde, nicht der Urheber dieser Tatsache. Er trägt keine persönliche Schuld. Es ist wie es ist. Das gilt für Menschen ebenso wie für Hunde. Ob einer in einer behüteten Zucht das Licht der Welt erblickt oder in einem stillgelegten Bahnhofswagon oder in einem engen, verdreckten Käfig der Massenzucht, all das ist Zufall. Das Schicksal ist blind gegenüber dem Leid aber auch dem Glück des Einzelnen. Es mag sich nicht verzetteln. Wie fünf Erbsen in einer Schote, die herauspurzeln in die Hand eines Jungen, der sie mit seiner Pistole in die Welt hinausschießt. Wo sie landen, das ist völlig ungewiss. Weder Verdienst noch Schuld.
Jeder Hund auf dieser Welt hat sein eigenes Schicksal. Wo und welchen Umständen er geboren wird, darauf hat der Mensch in vielen Fällen keinen Einfluss. Aber er hat Einfluss darauf wie er mit Hunden umgeht, die in seiner Gewalt sind. Misshandelte, missbrauchte, vergewaltigte Hunde sind Menschenwerk.
Willkürlich habe ich fünf Schicksale herausgegriffen, wie die fünf Erbsen, die aus der Schote in eine ungewisse Zukunft geschossen werden. Die erzählten Geschichten sind namenlos und exemplarisch, denn sie wiederholen sich, zu jeder Zeit und an vielen verschiedenen Orten. Dabei gäbe es noch viele weitere Formen des Missbrauchs, wie die Nutzung von Hunden für die Erprobung von Kosmetika oder für die Befriedigung menschlicher sexueller Bedürfnisse in sog. „Tierbordellen oder auch der ganz „normale
Sadismus Einzelner. Willkürlich wie das Schicksal ist die Auswahl, aber es gibt wohl Einblick in die Leiden, die die Menschen nach wie vor den Tieren zumuten.
Laut Schätzungen leben weltweit 375.000.000 Hunde auf der Straße. Das bedeutet, dass 75% der auf der Welt lebenden Hunde kein Zu Hause haben und oft unter elenden Bedingungen hausen. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch die Lösungen sehr naheliegend. Denn wenn nur ein Paar dieser Hunde kastriert werden würde, bedeutete das Elend für weitere 8.000 Tiere über fünf Jahre zu verhindern. Doch nicht nur, dass sie verelenden, der Mensch weiß dieses Elend auch noch für seinen Profit und seine Bequemlichkeit zu nutzen.
So werden tausende Hunde illegal und unter den miserabelsten Bedingungen gezüchtet, weil viele einen Rassehund haben wollen, der nichts kostet. Die Hündinnen werden zu Zuchtmaschinen und, sobald funktionsuntüchtig, auch ebenso entsorgt.
Hunde werden aufgenommen, weil der menschliche Nachwuchs Freude daran hat, und ebenso entsorgt, wenn er keine Freude mehr zeigt, wenn man merkt, dass ein Lebewesen Verantwortung und Einschränkung bedeutet. Hunde werden zu Kampfhunden ausgebildet und dazu gebracht sich gegenseitig im Ring zu zerfleischen, aber auch mit fragwürdigen Methoden zu Jagdhunden ausgebildet.
Hunde werden auf jegliche erdenkliche Art gequält oder einfach irgendwo zurückgelassen, dem Hungertot preisgegeben.
Hunde werden willkürlich ermordet, und ihr Fell zu billigem Pelzbesatz verarbeitet.
Die beschriebenen Beispiele sind willkürlich und wahllos gewählt, doch es sind welche, die überall auf der Welt zu jeder Zeit geschehen. Natürlich können wir nicht von heute auf morgen 375.000.000 Straßenhunde retten, aber wir können durch unser Konsumverhalten andere Grausamkeiten verhindern.
Wir können der illegalen Welpenzucht und damit dem Elend dieser Tiere ein Ende machen, indem wir keine Hunde aus fragwürdigen Quellen beziehen.
Wir können dem Treiben der Pelztiermafia ein Ende setzen, indem wir konsequent keine Kleidungsstücke mehr kaufen, die mit Pelz versehen sind.
Denn letztlich gibt es nur ein Argument, das im Kapitalismus zählt, der Gewinn. Sobald etwas keinen Gewinn mehr abwirft, wird es eingestellt. Damit tragen wir die Verantwortung, mit jeder einzelnen Kaufentscheidung.
Viele Vereine und Initiativen haben es sich zur Aufgabe gemacht, für ausgesetzte, vertriebene oder einfach ungewollte Hunde ein neues Zu Hause zu finden. Sie wirken vor allem in Ländern, die gegenüber dem privilegierten Westen immer noch benachteiligt sind, da die Menschen dort aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage sind, sich angemessen um ihre Tiere zu kümmern. Die, die kein Heim mehr haben und nicht direkt vermittelt werden können, kommen nach Österreich. Die, die ihre Tiere behalten werden mit Futter, aber auch medizinischer Betreuung, die sich die ansässigen Hundehalter oft nicht leisten können, unterstützt. Darüber hinaus werden die Tiere kastriert, so dass weiteres Elend von vornherein verhindert werden kann. All diese Aktivitäten sind nur durch Spenden möglich.
Lassen Sie sich Ihre Verantwortung nicht abnehmen, sondern tragen Sie dazu bei, dass immer mehr Hunde auf dieser Welt ein Leben führen können, das eines Lebewesens würdig ist.
Tragen Sie dazu bei, indem Sie die richtigen Kaufentscheidungen treffen, indem Sie andere informieren und es damit schwerer machen, dass nach wie vor weggesehen wird.
Und tragen Sie dazu bei, indem Sie die großartige Arbeit und den Einsatz für Hunde in Not unterstützen. Einen Anfang haben Sie damit gemacht, dass Sie dieses Buch kauften, denn ein Teil des Verkaufserlöses kommt direkt den Hunden zugute.
I. Niemals gibt es Gewissheit
Es war einmal eine Erbsenschote, die war durch die Sonne gereift. Zunächst waren die Erbsen in der Schote so winzig, dass sie sich wie verloren vorkamen, doch dann wuchsen sie heran, und mittlerweile waren sie so groß, dass sie sich wie gequetscht vorkamen. Es war Zeit, dass die Schote aufbrach und sie in die Welt entließ. Was würde wohl mit ihnen geschehen? Würden sie abgepflückt von einer braven Hausfrau, die sie in ihre Schürze packte, mitsamt all den anderen Schoten vom Strauch, um sie sorgfältig auszulösen, und alle miteinander in einen Topf zu geben, auf dass sie ein schmackhaftes Mahl abgäben? Oder würde sich gar niemand um sie kümmern, so dass die Schote einfach aufplatzte und sie hinaus in die Freiheit kullerten? Doch was war dann? Sie wussten es nicht und konnten es auch nicht wissen, denn ihre Welt endete am Innenrand der Schote. Von allem anderen wussten sie nichts. Doch dann ging ein Ruck durch die Schote. Sie wurde gepflückt, von einer Kinderhand, einer kleinen Kinderhand. Den Erbsen in der Schote erschien die Hand gleichwohl riesig und mächtig.
* * *
Fang das Licht
Fünf Erbsen waren in der Schote. Fünf Erbsen kamen aus der Schote in die Hand des Jungen, der sie in seine Pistole tat und abfeuerte. Eine flog auf ein Fensterbrett, ein hölzernes, schmales Fensterbrett vor einem verwitterten, windschiefen, alten Fenster, hinter dem eine Mutter mit ihrer Tochter lebte. Und mit ihnen eine schwere Krankheit, eine Krankheit, die man weder mit dem Stethoskop noch mit dem Fieberthermometer messen konnte, eine Krankheit, die nicht ans Bett fesselt und nicht in ein Krankenhaus zwingt, sondern die einfach da ist wie das Wetter. Oft ungesehen. Und die Erbse landete auf dem Fensterbrett und wurde in einem Spalt, den das alte Holz durchzog, eingezwängt. Verwundet war sie und gefangen. Die eine der fünf Erbsen aus der Schote.
* * *
Die Maisonne fiel durch die Blätter der Bäume und warf Muster auf den Boden, die sich immerzu veränderten, wenn der Wind die Blätter bewegte. Sonnenstrahlen und Wind spielten miteinander, während ein kleines tapsiges Welpenmädchen voller Lebens- und Abenteuerlust von einem glitzernden Flecken zum nächsten hopste. Dabei musste sie achtsam sein, dass sie die anderen nicht aus den Augen verlor. Doch es war einfach zu verführerisch. Ab und an ließ sich ein kleines helles Quietschen vernehmen. Mit sehr viel Phantasie könnte man es für ein Bellen gehalten haben, allerdings auch nur dann, wenn man das kleine Wollknäuel zuvor als Hund identifiziert hätte. Es tat aber niemand. Es war eben so. Ein kleiner Hund, im Spiel versunken, und gleichzeitig begierig Schritt zu halten mit den Großen und den Geschwistern. Gerade mal acht Wochen war sie alt, doch ihre Mutter hatte befunden, dass es Zeit für sie war sich abzunabeln, in die Welt hinaus zu gehen und für sich selbst zu sorgen. Am Morgen noch hatten sie energische Versuche unternommen an die Zitzen zu gelangen. Mehr um die Nähe noch ein wenig zu spüren, als dass die verbleibende Milch wirklich gesättigt hätte. Milch, die mehr fürs Herz war als für den Magen. Doch die Hündin hatte genug von den kleinen Saugern und biss sie weg.
Bloß nicht alleine sein. Tollpatschig, wie sie nun mal waren, hüpften sie mit den anderen mit. Wo die großen Hunde leichtfüßig dahinschlenderten, mussten sie sich schon ordentlich anstrengen. Fielen auf die Schnauze. Standen wieder auf. Kugelten im Gras und übereinander. Bissen sich spielerisch in die Ohren, die Beine oder was ihnen gerade zwischen die kleinen, spitzen Zähnchen kam. Der übermütigste aus dem Wurf hatte gerade den Schwanz des größten Rüden ins Visier genommen, doch das sollte ihm nicht gut bekommen. Verärgert schleuderte er den Welpen von sich, denn Welpenschutz, das ist eine Mär aus der Menschenwelt. Respekt sollten sie haben. Der kleine, dreiste Kerl flog durch die Luft und schlug zwei Meter weiter auf, zum Glück gedämpft durch das üppig wuchernde Gras, so dass er sich aufrappelte, schüttelte und kein bisschen weniger frech war. Nur den Schwanz des großen Rüden, das hatte er doch begriffen, den würde er nun in Ruhe lassen. Zumindest eine Zeit lang.
Und die Kleine war in das Spiel mit den Sonnenstrahlen vertieft. Mit anhaltender Begeisterung sprang sie weiter und weiter, schlang die