Georgien für Daheimgebliebene - 2: Der Gast kommt von Gott
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Hans-Ulrich Trosien
1949 in Schwerin geboren, fuhr Hans-Ulrich Trosien zunächst bei der Handelsmarine als Maschinist zur See. Nach dem Studium an der Seefahrtsschule ist aus der großen Seefahrt leider nichts mehr geworden. Staatsfeindliche Äußerungen, pedantisch von Stasispitzeln aus den eigenen Reihen der Kommilitonen handschriftlich aufgelistet, führten zur Auflösung des Arbeitsvertrages als Schiffsingenieur wegen „Nichteignung für die sozialistische Seefahrt“. 1980 beschloss er den beruflichen Wechsel in die Gastronomie für über 30 Jahre. 2011 stand der Abschied von der aktiven Gastronomie bereits fest. Die Zukunft sollte hauptsächlich mit Reisen und ehrenamtlicher Tätigkeit im DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) gestaltet werden. Überraschend kam zeitgleich ein Angebot aus Georgien, um dort an der Steigerung der Servicequalität im Tourismus mitzuwirken. Seit 2012 lebt und arbeitet der Autor in Batumi.
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Book preview
Georgien für Daheimgebliebene - 2 - Hans-Ulrich Trosien
Dieses Buch ist allen Georgiern und den Menschen anderer Nationen gewidmet, die mich auf das Herzlichste und mit stetiger Fürsorge im Alltag begleiten, und die Zeit in Georgien zu einem unvergesslichen Erlebnis gestalten.
Gegenseitiges Verstehen und gegenseitige Achtung prägten und prägen mein Leben in Georgien. Die freundliche Grundeinstellung der Menschen hier macht das Leben für den Gast lebenswert. Aus zahllosen Begegnungen und persönlichen Kontakten entstanden zahlreiche Freundschaften. Freundschaft ist keine leere Worthülse, Freundschaft wird hier gelebt.
Im Lauf der Zeit kommt es zu Aktivitäten außerhalb der Grenzen Georgiens. Sie stehen zwar im zeitlichen Zusammenhang, entsprechen aber nicht dem Credo des Buches. Bei Bedarf sind sie im Anhang nachzulesen.
Inhalt
Der Gast kommt von Gott
Department – News
Das Polizei-Protokoll
Auf die Verlobung folgt die Hochzeit
Black Sea College
Weinlese
Studentenwettbewerb und mehr
Internationale Bildungskonferenz
AMA-Treffen
David Garedschi
Neue Pannenserie
Fahrt über Land
Die Woche nach Tbilisi
Es ist vollbracht
Zweite Bildungskonferenz
Public College „New Wave"
Die erste Universitätswoche
KEDELOBA 2012
Tbilisi
Jugendpartnerschaft
Geburtstag
Einstand in der Uni
Weihnachtsfeier
Neues zur Fahrprüfung
Weltuntergang
Neujahrsnacht
Weihnachten – Hochzeit – Neujahr
Der Januar 2013
Wieder daheim in Batumi
Besuchszeit
Exkursion nach Kintrishi
Führerschein mit Hindernissen
Ein bisschen deutsche Woche
Netter Besuch
Ab in die Natur
Samegrelo
Fernsehen
Exkursion zum Reiterhof
Abfahrt nach Tbilisi
Präsentation
Georgische Woche
Abschied
Hochzeit
Gedankenflug
Wichtiger Besuch
Besuch - Tbilisi und mehr
Botschaftsfrühstück und mehr
Richtung Daheim
Wochenende in der Hauptstadt
Besuchsmarathon
Im Kessel von Svanetien
Eröffnungen
Autoverkauf
Das Ende ist der Anfang
Tbilisiwoche
Im Osten nichts Neues
Im Osten doch was Neues – Kurt
Treffen
Zwischendurch Kakhetien
KEDELOBA 2013
Deutscher Stammtisch
Zurück nach Tbilisi
Wieder einmal Geburtstag
Georgian Railways
Anhang
Hasenwinkel und mehr
Schweriner Weihnachten
Die richtige deutsche Woche
H.G.K. Generalversammlung
Neue Horizonte
Bei den Daheimgebliebenen
Schwerin – Tbilisi – Batumi
Der Gast kommt von Gott
Den Gast als Geschenk Gottes zu betrachten, ist eine Betrachtungsweise, deren Wurzel in der Zeit der Entstehung Georgiens liegen.
Wie überall auf der Welt haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Inwieweit das immer im positiven Sinne geschah, sei dahingestellt. Die Philosophen sprechen ja immer wenn es um die Entwicklung geht davon, dass sich alles vom Niederen zum Höheren entwickelt. Das ist so wie mit dem Bierglas. Für den einen ist es halbvoll und für den anderen eben halbleer.
Was jedoch auf sehr hohem Niveau alle Entwicklung überdauert hat, ist die georgische oder auch kaukasische Gastfreundschaft. Die hat Zaren, Lenin, Stalin und alle anderen großen Helden der Sowjetunion überstanden und ist heute neben überwältigender Natur und georgischem Wein DAS Markenzeichen des Landes, was durch seine Menschen repräsentiert wird.
Wie schon im ersten Buch beschrieben, ist gegen die ehrlichen und herzlichen Bemühungen georgischer Gastfreundschaft Widerstand zwecklos. Es gibt kein Entrinnen, wenn die Hausfrau ihre Speisen auftischt und der Hausherr aus dem Weinkeller kommt.
Tisch und Bett sind nicht zu trennen, und so wacht der Gast morgens auf und muss manchmal erst mal die Orientierung wiedergewinnen.
Der Mensch, jedenfalls geht es mir so, hat sich ja glücklicherweise die Eigenschaft bewahrt, sich zum Zeichen des Danks zu revanchieren, glücklicherweise bewahrt.
In Georgien ist es aus meiner Erfahrung heraus aber offensichtlich leichter den 5033 Meter hohen Kasbek zu besteigen, als für die Georgier auch einmal Gastgeber zu sein.
Auch im zweiten Buch zieht sich die gelebte Gastfreundschaft wie ein roter Faden durch alle Kapitel.
Department – News
Dienstag war plötzlich gegen Mittag im Department alles dunkel. Kein Strom. Das ist nichts Besonderes. Eigentlich. Kommt häufig vor. Auch ohne Sturm, Gewitter oder Eis auf den Hochspannungsleitungen. Komisch war nur, dass im Umfeld unserer Einrichtung in den Läden Licht brannte. Irgendwann wurde dann bei uns im Hause aufgeklärt, dass das Wegbleiben des Stromes keine technische, sondern eine finanzielle Ursache hatte. Man hatte schlicht und ergreifend einfach die Rechnung nicht bezahlt. Und das in einer Regierungsdienststelle!
Zwei verschiedene Versionen kursierten. Die Administration meinte, die Rechnung wäre zu spät eingegangen und andere meinten, durch die um die Wahlen entstandene Situation – jeder macht wie er will – sei die Rechnung einfach liegengeblieben. Trotz angeblich sofortiger Überweisung waren wir auch am nächsten Tag noch strom- und antriebslos. Zusatzurlaub für alle. Ich konnte mich dann für ein paar Stunden mit eigenem Laptop und Stick für den Internetzugang beschäftigen, weil ich in den georgischen Diskussionsrunden sprachlich nicht mithalten kann. Während mit intensiver Hingabe gewartet wurde, entstand die Idee, am Abend mit dem Marschrutka in ein Dorf zu fahren. Zum Team Building. Gebildet waren sind wir ja eigentlich, aber Weiterbildung schadet auch nie. Es wurde das Ajarische Weinhaus auserkoren. Also die Auswahl hätte wirklich schlimmer enden können. Trotz Untätigkeit wurde doch bis kurz vor dem regulären Feierabend abgewartet und dann abgefahren. Wegen der Ordnung und Disziplin. Obwohl freiwillig, waren fast alle dabei und wir verlebten ein schönes und unverhofftes Betriebsfest. Bei bester Stimmung, denn die Wahlen waren entschieden, demokratisch und im Sinne aller Kollegen, die nicht wegen regierungsnaher Beziehungen ihren Job bekommen hatten. Alles wird bestimmt jetzt besser werden, obwohl noch gar nicht richtig klar war, welcher Kurs und welche Prioritäten mit der neuen Regierung verbunden sind.
Es erinnerte mich an die ähnliche, ja euphorische Stimmung, die zur Wende in der DDR in meiner „Mecklenburger Mühle" herrschte. Der Westen kommt und alles wird goldig. Vorsichtshalber, wir hatten ja Westfernsehen und ich war vor dem Zusammenbruch viele Male dort gewesen, warnte ich dort meine Kollegen, insbesondere diejenigen aus bildungsfernen Schichten und solche ohne besonders ausgeprägte Arbeitseinstellung, dass sie sich schon mal auf eine andere und härtere Gangart in der Arbeitswelt, einstellen sollten. Falls überhaupt noch genug Arbeit für alle vorhanden sein wird.
Das zählte natürlich nicht und traf auf Unverständnis. Bis zum Auslaufen des Kurzarbeitergeldes. Dann wurde meine Warnung Realität. Die tangierte mich nicht weiter, war ich doch längst selbstständig.
Hoffen wir, dass hier wirklich Einiges besser wird. Besonders was die soziale Situation vieler Menschen hier betrifft. Die meisten von ihnen haben es wirklich nicht verdient, so wenig vom Aufschwung, insbesondere hier in Batumi in der Tourismusbranche, zu profitieren.
Das Polizei-Protokoll
Mittwoch ging es wieder einmal zur Polizei. Ich wollte ja weiter Auto fahren und außerdem könnte es ja bei der Wiederbeschaffung von Dokumenten einmal wichtig sein, ein amtliches Protokoll über den Diebstahl zu haben.
Vorsichtshalber nahm ich Davit mit, obwohl der ermittelnde Kripobeamte gut mit mir in englischer Sprache zurechtkam. Der Empfang war herzlich und familiär. Wir hatten uns bei einer polizeilich abgesicherten Veranstaltung am Montag auch schon getroffen und auch die anderen Polizisten waren mit meinem Gesicht vertraut. Nachdem ich alle meine Wünsche über den Inhalt des zu erstellenden Protokolls anbringen durfte, wurde ein solches geschrieben, von Davit vorgelesen und mir dann übergeben.
Somit bin ich für weitere Wege durch deutsche Amtsstuben hoffentlich gewappnet, wenn das Papier dann noch in Amtsdeutsch übersetzt wird. Beim Abschied wurde versichert, wir werden in polizeilicher Verbindung bleiben. Na gut. Ich glaube jedenfalls nicht, dass das Diebesgut wieder auftaucht.
Ein deutscher Kollege erzählte mir, ihn hätte man auch einmal im Hotelzimmer beklaut. Noch dazu, als er darin schlief. Er hat aber Glück gehabt. Die Diebe haben ihm seine Papiere wieder verkauft. Sie hätten ja alles irgendwo gefunden, leider war aber kein Geld mehr im Portemonnaie gewesen, aber die Papiere wären doch sicherlich wichtig für ihn …
Er hat vor lauter Glück gerne gezahlt.
Auf die Verlobung folgt die Hochzeit
Donnerstag war ein großer Tag für zwei Menschen. Nach der Geburt und vor dem Tode stand eines der wichtigsten Ereignisse im Leben der Georgier bevor. Die Hochzeit.
Es heiratete das Paar, bei deren Verlobung ich schon dabei war. Davits Cousine und Verlobter. Davits Familie hatte mich seinerzeit freundlicherweise eingeladen, weil ich einmal geäußert hatte, georgische Traditionen erleben zu wollen.
Um zwei waren wir in der Kirche. Die Trauung fand für 5 Paare gleichzeitig statt. Diese kamen im Freizeitlook zu Fuß oder fuhren nacheinander mit großem Fuhrpark vor und bahnten sich durch ganze Horden von lautstark bettelnden Zigeunerinnen und deren Kindern mühsam mit Hilfe der Verwandtschaft, die die grapschende Meute versuchte fernzuhalten, den Weg in das Kircheninnere.
Um vier Uhr georgischer Zeit, war der Beginn des Hochzeitsfestes in der Ritualhalle in Gonio angesetzt. Um fünf traf das frisch vermählte Paar dann in der Stretch-Limousine ein.
Dort wurden sie von den vielen Gästen begrüßt und die standesamtliche Trauung wurde vollzogen.
Eine Pyramide aus Sektgläsern zum Anstoßen auf die Trauung brach unter dem Applaus der Anwesenden in sich zusammen. Scherben sollen ja Glück bringen! Dann begab man sich an einer Art Pförtnerloge vorbei in die Ritualhalle.
In dieser Loge sitzen je ein Mann der beiden Familien und ein neutraler Mann, die das geschenkte Geld entgegennehmen und exakt Buch führen, wer wie viel davon darreicht. Es gab also keine Bettwäsche, Plätteisen, Geschirrhandtücher oder Besteckkästen, sondern nur Geldgeschenke. Ich wurde strikt von Davit daran gehindert, auch mich in die Liste einzutragen. Mit der Einladung seiner Familie übernimmt diese das selbstverständlich. Ja, vielen Dank liebe Familie Makharadze!
Die Ritualhalle ist ein sehr großer Saal, mit einer zweiten balkonähnlicher Ebene. Hochzeiten mit mehreren hundert Gästen sind Normalität. Seitenweise getrennt nach Braut- und Bräutigamfamilie wurde an Tischen, die wie üblich, reichlich eingedeckt waren, Platz genommen. Für das Brautpaar und das Trauzeugenpaar wurde ein besonderer Tisch auf der Bühne hergerichtet.
Üblicherweise begannen die Gäste ohne weitere Aufforderung sofort und nach Belieben mit dem Essen.
Der Tamada war schon vorbestimmt, der wiederum Partnertamadas aus beiden Familienclans benannte. Einer allein ist für mehrere Hundert Menschen zu wenig und außerdem würde es an der gegenseitigen „Befeuerung" fehlen. Alle Beiträge wurden wie immer in höchstmöglicher Lautstärke, die jede Tischunterhaltung abtötete, übermittelt. Das gehört dazu und ist landestypisch. Ich frage mich allerdings warum. Hochzeiten wurden schon immer gefeiert. Strom und insbesondere Beschallungsanlagen sind historisch betrachtet noch sehr jung. Überhaupt Tradition.
Auf diese sind die Menschen hier besonders stolz und erwähnen das bei jeder Gelegenheit. Und die Traditionen werden täglich gelebt und machen viel vom Flair aus, das von diesem Land ausgeht. Erstaunlicherweise sitzt die Jugend noch mit im Zug. Etwas Veränderung gibt es aber doch schon. Während man in vergangenen Zeiten den Ausführungen des Tamadas gespannt lauschte, lauscht man in der Gegenwart dem Anrufer am Handy, telefoniert selber oder schreibt SMS. Glücklicherweise hat sich am traditionellen Speisen- und Getränkeservice noch nichts geändert.
Durch meine frühere Arbeit habe ich natürlich selber viele Hochzeiten zu bewirten gehabt. Dort kam es dann manchmal auch zu Etappen der Langeweile: Je nach Gästekreis mehr oder weniger. Das hatte ich im Vorfeld ein wenig befürchtet. Aber nichts von dem passierte. Vom ersten Moment an wurden Tanzeinlagen einer recht jungen Truppe mit viel Schwung und Lust am Tanzen gebracht. Es wurden Messer geworfen, Feuertöpfe und Fackeln geschwungen, mit Leuchtstäben jongliert.
Zwischendurch unterhielten dann immer wieder die drei Tamadas mit ihren Sprüchen. ein und Speisen wurden unentwegt aufgetragen. Das Brautpaar bekam einen Feuerwerksondertanz und die Gäste waren echt fröhlich und auch die Kinder kamen voll auf ihre Kosten.
Auf dem Gelände hatte man mit Kerzen ein Herz gebaut, in dem das Brautpaar dann tanzte und die Braut vom Schleier befreit wurde. In Deutschland verbotene Himmelslaternen wurden gestartet und trieben dann mit dem Westwind über die Einflugschneise des Airports hinweg. Ein Feuerwerk wurde abgeschossen. Und dann war unvermittelt auch Schluss. Gegen 10 Uhr abends. Etwas ungewöhnlich. Die Herren der Brautfamilie, mit der ich ja schon seit der Verlobung bekannt war, hatten mich schon zwischendurch mit Wein aus den traditionellen Trinkgefäßen beglückt. Wegen der Brüderschaft und dem Familienanschluss, was immer wieder erneut bekräftigt werden musste.
Das ist natürlich eine große Ehre und die wird nicht jedem Gast so einfach zuteil. Es ist schon eine Art Garantie für den Fall, dass Unglück oder andere Schwierigkeiten des Lebens über einen kommen und man Hilfe braucht. Diese ist dann selbstverständlich und man gibt das Letzte. Zum Abschluss wurde noch einmal verstärkt angegriffen und mein Erscheinen für den nächsten Tag um zwei erbeten. Hier wird mindestens drei Tage gefeiert, wobei der Gästekreis sich täglich immer mehr auf die Familien reduziert.
Ich versprach nichts, denn wenn Davit nicht hingeht, gehe ich natürlich auch nicht hin.
Black Sea College
Im Rahmen des „Projekts Kaukasus wurde für die kommende Woche eine dreitägige
Internationale Bildungskonferenz der Wirtschaft" einberufen. Unter der Führung des deutschen Projektträgers wurden Methoden und Erfahrungen der Länder der Kaukasusregion im Bereich der Berufsbildung ausgetauscht. Eingeladen waren Vertreter der Ministerien, Arbeitgeberverbände, Bildungseinrichtungen und Ausbildungsbetriebe aus Aserbaidschan, Armenien, Georgien und obwohl nicht ganz so Kaukasus, aus Kasachstan. Selbstverständlich war auch eine Delegation aus Deutschland angereist. Ein Wiedersehen mit guten Bekannten und meinen früheren Partnern des DEHOGA im Bereich der Berufsbildung.
Ich lief unter Georgien auf und sollte auf deutschen Wunsch hin etwas zur Aus- und Weiterbildung im Gastgewerbe Georgiens, speziell Ajara, vortragen. Die Präsentation hatte ich mehr oder weniger auf die Aussagen meiner Kollegen gestützt vorbereitet. Demnach gibt es nach deren Kenntnisstand keine Berufsausbildung und keine Berufsschulen für die Gastronomie. Ich konnte es zwar kaum glauben, aber bei den Restaurantbesuchen kann man ohne weiteres den Eindruck gewinnen, sie haben 90% Recht. Da Berufsausbildung bisher kein Arbeitsthema für mich war, habe ich das so hingenommen, mir aber vorgenommen, das alles einmal zu prüfen.
Mein Thema, Verbesserung der touristischen Situation, hängt unmittelbar mit einer ordentlichen Ausbildung zusammen.
Zufällig erfuhr ich aber im Rahmen der deutschen Woche, wo ich jemanden aus dem Bildungsministerium kennenlernte, es gibt eine gute Berufsschule. In Kobuleti. Durch Hinweise aus der Bevölkerung wurde kurz vor meiner Reise nach Tbilisi sogar in Batumi eine Schule, das Black Sea College
, bekannt. Eine Schule, die von der georgischen Regierung getragen wird.
So war Eile geboten und mit Hilfe meiner Kollegin Tamuna machte ich dort kurzerhand einen Termin mit der Direktion und wir fuhren dorthin.
Von wegen keine Ausbildung! Dort im College werden mehrere Berufe ausgebildet. Nach Rahmenplänen, die verbindlich sind.
Die Direktion war sehr auskunftsfreudig und ich erfuhr neben den speziellen Dingen dieser Schule auch sehr viel über das gesamte georgische Bildungssystem. Eine Besichtigung schloss sich an. Es wurde einfach in den Unterricht hineingegangen und ich erlebte etwas, was seit meiner Schulzeit wohl aus der Mode gekommen ist: Die Schüler, manche schon so um die 25, standen artig von ihren Plätzen auf, wenn Erwachsene eintreten. Allesamt machten die Jugendlichen doch einen interessierten Eindruck und rechtfertigten die Zulassung zu dieser Einrichtung, was alleine wegen der Kapazitätsgrenzen nur 50% schaffen. Da träumen wir in Deutschland momentan nur von und trauern alten Zeiten hinterher, als die Bewerber noch Schlange standen. Jetzt können wir die Fachkabinette mangels Lehrlingen für einen guten Zweck dann nach Georgien verschiffen. Der Bedarf ist riesig und das Problem sind aber wohl die Transportkosten. Vielleicht findet sich ja ein Sponsor.
Zu meinen persönlichen Aufgaben fügte ich nach der Visite hinzu, mich um Mittel und Material aus internationalen Projekten für diese Einrichtung zu bemühen. Es war schon in manchen Kabinetten, nicht alle waren von Cisco und USAID ausgerüstet worden, ein wenig nostalgisch. Der Gebäudezustand lässt sicher auch noch so manche Investition zu. Und wenn es nur Farbe ist.
Nachmittags schrieb ich meinen Vortrag um. Ich hätte mich schön blamiert, wenn ich mich auf das Hörensagen verlassen hätte.
Weinlese
Für den Sonnabend, den 20. Oktober, hatte der Dean der Touristischen Fakultät, Herr Rostom Beridze, einige Kollegen und Freunde eingeladen. Es ging wieder einmal in den Weinberg. Zu Lado Shavishvilis Weinhaus, welches ich schon zweimal besucht hatte.
Das Wetter wartete mit Vollsonne und um 25 Grad auf. Zuerst wurden zwei Reihen Weinreben abgeerntet.
Das ist wenig anstrengend, weil die Trauben in Bauchhöhe und etwas drüber hängen. Es wäre noch leichter, wenn das Werkzeug dann scharf gewesen wäre. Aber wir arbeiteten schließlich nicht im Akkord.
Der Weg über den Zaun für den Abtransport war legal, anders kam man dort nicht ran.
Anschließend wurden dann im Weingut die Trauben mit einer Riffelwalze geritzt, der Most aufgefangen und die Rückstände in die Presse gegeben.
Der Most wird zu Wein vergoren und der Pressling wird ebenfalls zu Alkohol „umgebaut", und ist die Grundlage zur Destillation zum Tschatscha.
Zwischendurch führte der Chef, Lado, höchstpersönlich eine Degustation seiner Produkte durch. Das fing ja am Morgen schon mal gut an.
Nach getaner Arbeit war der Tisch wieder übervoll eingedeckt und die Weine standen zum Verzehr parat.
Die richtigen Arbeiter Freunde, Nachbarn und Verwandte in sozialversicherungsfreier Nachbarschaftshilfe und die Hausfrau. Das Essen war oberlecker, und auch sonst hatten die Gastgeber wieder einmal alles vorzüglich gestaltet.
Studentenwettbewerb und mehr
Mein Kollege und Freund Davit war trotz seiner 23 Jahre und seines Vorlebens in der Region Batumi noch nie im Mtirala Nationalpark gewesen. So bot ich ihm am Sonnabend angesichts des vielleicht letzten schönen Wochenendes in diesem Jahr an, dorthin zu fahren. Er konnte sich aussuchen, wen er noch mitnehmen wollte. Morgens holten wir dann seinen Cousin von zu Hause ab. Ich war über den offensichtlichen Wohlstand und von der traditionellen, vielleicht etwas russisch überladenen Einrichtung in der Stadtvilla echt beeindruckt. Der Chef des Hauses macht da was im Moskauer Geschäft. Also ab auf die Schotterpiste, mein armes Auto klapperte voller Hingabe.
Wir erreichten nach einer trotzdem schönen Fahrt