Irrlicht 69 – Mystikroman: Blutiger Spuk im Brautgemach
By Viola Larsen
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Rose Temple träumte einen seltsamen Traum. Sie befand sich in einem schwach erleuchteten Schlafgemach mit dunkler Holztäfelung und einem prunkvollen Himmelbett. Am Fenster lehnte eine junge Braut, die Rose winkte, ihr zu folgen. Draußen war es kalt und mondhell. Sie kamen durch eine Allee in einen verschneiten Park. Die steinerne Figur eines Edelmanns im Jagdkleid hob langsam das Gewehr und schoß auf die Braut. Blut quoll rot in den Schnee. Der Jäger legte wieder an, zielte auf Rose. Sie wollte fliehen und konnte es nicht. Ein Schuß peitschte durch die Stille. Mit einem Angstschrei wachte Rose auf. Was sie geträumt hatte, wußte sie nicht mehr, aber sie nahm ein unheimliches Bangen mit in den Tag hinüber.
Am selben Tag klingelte kurz vor dem Lunch bei Kinleys das Telefon.
Rose, die Tante Thea in der Küche bei der Zubereitung der Pasteten half, hoffte so sehr, daß es Mrs. Brown war, die anrief!
Selbst in einer Küchenschürze sah Rose liebreizend aus. Sie war eine schlanke junge Frau von fünfundzwanzig Jahren, hatte einen braunen Pagenkopf, braune Augen und eine angenehme, warme Stimme. Ihr Wesen war frisch und heiter, obwohl sie in ihrer augenblicklichen Situation wahrlich allen Grund gehabt hätte, den Kopf hängen zu lassen.
»Nimmst du ab, Kind?« Tante Thea kämpfte mit dem Pastetenteig. »Vielleicht ist es ja Mrs. Brown!«
Mrs. Brown besaß eine Stellenvermittlung und hatte Rose versprochen anzurufen, falls die Duchess von Bramwell sich melden sollte.
Rose war arbeitslos, seit das Astro-College in Cornwall ein renommiertes privates Institut für Sternenkunde, aus finanziellen Gründen aufgelöst worden war. Sie
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Irrlicht 69 – Mystikroman - Viola Larsen
Irrlicht
– 69 –
Blutiger Spuk im Brautgemach
Warum muß Rose Temple sterben?
Viola Larsen
Rose Temple träumte einen seltsamen Traum. Sie befand sich in einem schwach erleuchteten Schlafgemach mit dunkler Holztäfelung und einem prunkvollen Himmelbett. Am Fenster lehnte eine junge Braut, die Rose winkte, ihr zu folgen. Draußen war es kalt und mondhell. Sie kamen durch eine Allee in einen verschneiten Park. Die steinerne Figur eines Edelmanns im Jagdkleid hob langsam das Gewehr und schoß auf die Braut. Blut quoll rot in den Schnee. Der Jäger legte wieder an, zielte auf Rose. Sie wollte fliehen und konnte es nicht. Ein Schuß peitschte durch die Stille. Mit einem Angstschrei wachte Rose auf. Was sie geträumt hatte, wußte sie nicht mehr, aber sie nahm ein unheimliches Bangen mit in den Tag hinüber.
Am selben Tag klingelte kurz vor dem Lunch bei Kinleys das Telefon.
Rose, die Tante Thea in der Küche bei der Zubereitung der Pasteten half, hoffte so sehr, daß es Mrs. Brown war, die anrief!
Selbst in einer Küchenschürze sah Rose liebreizend aus. Sie war eine schlanke junge Frau von fünfundzwanzig Jahren, hatte einen braunen Pagenkopf, braune Augen und eine angenehme, warme Stimme. Ihr Wesen war frisch und heiter, obwohl sie in ihrer augenblicklichen Situation wahrlich allen Grund gehabt hätte, den Kopf hängen zu lassen.
»Nimmst du ab, Kind?« Tante Thea kämpfte mit dem Pastetenteig. »Vielleicht ist es ja Mrs. Brown!«
Mrs. Brown besaß eine Stellenvermittlung und hatte Rose versprochen anzurufen, falls die Duchess von Bramwell sich melden sollte.
Rose war arbeitslos, seit das Astro-College in Cornwall ein renommiertes privates Institut für Sternenkunde, aus finanziellen Gründen aufgelöst worden war. Sie war die Assistentin von Professor Jeremy Collins gewesen, und die Schließung des Instituts hatte für sie nicht nur den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch den Verlust einer wundervollen Freundschaft bedeutet, denn der Professor war einem ehrenvollen Ruf in die Staaten gefolgt.
Erst vor kurzem hatte Rose Vater und Mutter durch einen tragischen Unglücksfall verloren. Zwar hatte sie bei ihren Pateneltern, den Kinleys in London, einen Unterschlupf gefunden, doch eine Dauerlösung war das nicht, zumal Onkel Edgar ein recht schwieriger Mensch war.
Rose hatte wenig Hoffnung, als sie den Hörer abnahm.
»Können Sie gleich in mein Büro kommen, Rose?« fragte Mrs. Brown ganz aufgeregt. »Die Herzogin von Bramwell ist hier bei mir und möchte Sie gerne kennenlernen.«
Eigentlich hätte Rose jubeln müssen vor Freude, doch sie konnte es nicht, weil ihre Kehle wie zugeschnürt war von dem unheimlichen Bangen, das sie nicht mehr losließ, seit sie den seltsamen Traum geträumt hatte. »Bin schon unterwegs, Mrs Brown!« versicherte sie.
»Ja, aber seien Sie vorsichtig!« warnte Mrs. Brown besorgt. »Es ist glatt draußen. Londons Stra-ßen im Schnee sind gefährlich!«
Rose versprach, aufzupassen. Sie lief in die Küche. »Es war tatsächlich Mrs. Brown, Tante Thea! Die Duchess von Bramwell möchte mich kennenlernen.«
Tante Thea umarmte Rose herzlich. »Viel Glück, Kind! Du weißt, wie gern ich dich bei uns habe. Doch ein junger Mensch wie du braucht eine Aufgabe!«
»Sage Onkel Edgar aber noch nichts, bevor die Sache nicht perfekt ist!«
»Ich werde mich hüten!«
Edgar Kinley, ein pensionierter Fiscal Officer im Rang eines Oberfinanzrates, war im Gegensatz zu seiner Frau ein Pessimist, der enttäuschte Hoffnungen immer gleich in Tragödien umzumünzen pflegte.
Vom Küchenfenster aus sah Tante Thea ihrer Nichte nach, und sosehr sie Rose wünschte, daß es mit der Stelle klappte, war ihr das Herz doch schwer. Es fiel ihr, deren Ehe kinderlos geblieben war, nicht leicht, Rose wieder herzugeben, denn leider stand das herzogliche Schloß der Bramwells nicht in London, sondern in Wales.
Oder war Tante Theas Herz so schwer, weil sie in der vergangenen Nacht einen merkwürdigen Traum geträumt hatte, der sie noch immer mit einem unheimlichen Bangen erfüllte?
Sie wußte freilich nur noch, daß Rose in dem Traum eine wichtige Rollte gespielt hatte, aber sonst konnte sie sich an nichts erinnern.
Das Haustelefon auf dem Küchenbord klingelte.
»Wo bleibt denn nur der Lunch, Thea?« nörgelte der Oberfinanzrat ärgerlich. »Es ist schon drei Minuten über der Zeit!«
»Tut mir leid, Ed«, bedauerte Tante Thea. »Du wirst dich ein wenig gedulden müssen, die Pasteten sind noch nicht soweit!«
»Und wo steckt Rose? Sie könnte doch wenigstens schon mal den Tisch decken?«
»Rose hat einige dringende Besorgungen zu erledigen.«
»Ausgerechnet vor dem Lunch? Was sind denn das für neumodische Sitten!«
»Warum bist do so grätig, Ed?«
»Ach, Thea!« Der Oberfinanzrat, der ein nüchterner Mensch war, seufzte. »Ich weiß nicht. Es mag albern klingen. Aber ich habe heute nacht einen scheußlichen Traum geträumt, der steckt mir noch in den Knochen. Dummerweise kann ich mich an nichts erinnern!«
Tante Thea kannte ihren Mann, sie wußte, daß er sofort ein Drama daraus gemacht hätte, deshalb erwähnte sie nichts von ihrem eigenen schlimmen Traum, sondern meinte munter: »Ich werde den Pasteten sagen, daß sie sich beeilen sollen, Ed!«
Unterdessen schlitterte Rose so schnell es ging über die glatten Straßen, und es war ein Glück, daß Mrs. Browns Büro nur ein Block von dem Reihenhaus der Kinleys entfernt war. Sie war sehr aufgeregt, als sie ankam.
Mrs. Brown, eine freundliche, geschäftige Frau, führte sie gleich in das Sprechzimmer, einen ge-mütlichen Raum mit einer Blümchentapete und Topfpflanzen auf dem Fensterbrett.
»Hier ist die junge Dame, die Sie kennenlernen wollten, Frau Herzogin«, meldete sie eifrig.
Die Duchess von Bramwell lehnte lässig in einem der altmodischen Sessel und rührte in einer Teetasse, die auf dem Spitzendeckchen des Mahagonitisches stand.
»Ich bin Gillian Bramwell, hallo!« grüßte sie.
Das klang äußerst liebenswürdig und kein bißchen von oben herab. Die Herzogin erwähnte nicht einmal ihren Titel. Mit Adelskreisen hatte Rose bisher keinen Kontakt gehabt, das verunsicherte sie.
Die Duchess war eine aparte junge Frau. Sie hatte schwarzes Lockenhaar, trug einen schwarzen, pelzgefütterten Ledermantel, elegante Stiefeletten und wenigen aber erlesenen Schmuck. Ihr Gesicht war glatt, ebenmäßig, gepflegt, es mutete Rose beinahe wie eine schöne Maske an. Die Duchess hatte grüne Augen, die eigenartig flimmerten. Ihre Stimme vibrierte etwas, hatte, so freundlich sie auch klang, einen metallischen Unterton. Sie lächelte, aber es war kein Lächeln, das einem das Herz erwärmen mochte.
Rose verbeugte sich. »Ich bin Rose Temple, Frau Herzogin«, stellte sie sich vor.
»Setzen wir uns doch!« schlug Mrs. Brown, an Rose gewandt, lebhaft vor. »Frau Herzogin hat einige Fragen an Sie, Rose.«
»Eigentlich nur eine Frage«, schränkte die Duchess ein. »Alle üblichen, notwendigen Informationen haben wir ja den Bewerbungsunterlagen entnommen, die Mrs. Brown uns übersandt hat.« Sie musterte Rose mit ihren grünen, glitzernden Augen, fragte unvermittelt: »Können Sie mit einem Krüppel umgehen?«
Lag hier ein Irrtum vor? »Ich bin keine Pflegerin, Frau Herzogin«, stellte Rose klar. »Ehrlich gesagt, ich verstehe die Frage nicht.«