Die großen Western 120: Ohne Chance
By G.F. Barner
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Diese Übelkeit kannte er niemals vorher. John Gaines geht es schlecht. Er versucht Luft zu holen, einmal richtig tief Luft. Dabei fühlt er die Schmerzen überall. Sie sind nicht nur im Magen, sie sind überall. Ein Junge von achtzehn Jahren auf einem Wagen. Der Wagen fährt ihn. John Lewis Gaines liegt in seinem Wagen. Und er ist so zerschlagen worden, dass kaum noch etwas von ihm heil ist. Und das ist die bittere Erkenntnis seines jungen Lebens. "Verdammt, in die Hölle mit Sheppard." Das Rütteln ist fürchterlich, mit dem sich der Wagen über den Weg quält. Der Weg führt von Pecos am Pecos in Texas, im heißen Süden, nach Hoban und von dort weiter zur Bell Ranch, die den Gaines gehört. Jeder Stoß der Räder, jedes Loch im Weg, all das spürt der Junge auf immer schmerzlichere Art und Weise. Er kann kaum atmen, noch weniger sprechen und ist entzwei, wie er es noch nie war. "Abe", sagt er flüsternd mit zerschlagenen Lippen. "Oh, Abe, wenn du doch dabei gewesen wärst. Du warst hart zu mir, aber es war gut so. Du hättest noch härter sein müssen, Bruder, noch viel härter."
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Die großen Western 120 - G.F. Barner
Die großen Western
– 120 –
Ohne Chance
G.F. Barner
Diese Übelkeit kannte er niemals vorher.
John Gaines geht es schlecht.
Er versucht Luft zu holen, einmal richtig tief Luft. Dabei fühlt er die Schmerzen überall. Sie sind nicht nur im Magen, sie sind überall.
Ein Junge von achtzehn Jahren auf einem Wagen. Der Wagen fährt ihn.
John Lewis Gaines liegt in seinem Wagen.
Und er ist so zerschlagen worden, dass kaum noch etwas von ihm heil ist.
Und das ist die bittere Erkenntnis seines jungen Lebens.
»Verdammt, in die Hölle mit Sheppard.«
Das Rütteln ist fürchterlich, mit dem sich der Wagen über den Weg quält.
Der Weg führt von Pecos am Pecos in Texas, im heißen Süden, nach Hoban und von dort weiter zur Bell Ranch, die den Gaines gehört.
Jeder Stoß der Räder, jedes Loch im Weg, all das spürt der Junge auf immer schmerzlichere Art und Weise. Er kann kaum atmen, noch weniger sprechen und ist entzwei, wie er es noch nie war.
»Abe«, sagt er flüsternd mit zerschlagenen Lippen. »Oh, Abe, wenn du doch dabei gewesen wärst. Du warst hart zu mir, aber es war gut so. Du hättest noch härter sein müssen, Bruder, noch viel härter.«
Das Sitzbrett ist über ihm. Ein breiter schwarzer Strich gegen den nachtdunklen Himmel. Vor zehn Minuten kam die Dunkelheit. In Texas am Pecos wird es schnell dunkel. Eine kurze Dämmerung, dann Nacht. Und nur die Sterne sind über dem Jungen. Groß, gewaltig und leuchtend das Kreuz des Südens.
Er bewegt die rechte Hand und starrt aus dem einen Auge auf seine Finger. Das andere schmerzt zu sehr, er macht es erst gar nicht auf.
»Meine Finger – dieser Wolf Coldans, dieser Halunke. Daraufgetreten ist er. Ich will sitzen.«
Willen hat er. Er hat sogar einen unheimlichen Willen und einen mächtigen Stolz. Sein Stolz, das ist es, was ihn immer wieder aufgerichtet hat, als sie mit vier Mann kamen.
Die Erinnerung an Hale Tucker, seinen Onkel, die Erinnerung an den alten Abe, seinen Vater. Seine Mutter, sein Bruder, eine stolze Sippe, stolz bis zum Zerbrechen.
Und er ist so stolz, dass sie ihn nicht zerbrechen konnten. Sie könnten ihn totschlagen, und er würde vor seinem Tod doch nie sprechen.
Ein Gaines ist hart wie Granit. Das hat er immer wieder gesagt bekommen. Die Gaines und Tuckers, große Namen, einmal, vor vielen Jahren. Hale Tucker, der härteste Mann in Westtexas, der es mit acht Banditen aufnahm, drei Kugeln erwischte und noch zwanzig Meilen ritt.
Stolz und Leidenschaft.
Das sind die beiden Worte, die in der alten Bibel der Gaines-Sippe stehen. Er hat sich gewehrt, der achtzehnjährige John. Mit Leidenschaft gewehrt hat er sich.
Aber er hätte härter sein müssen, so hart wie Abe, wie sein großer Bruder.
Oh, er bedauert es, dass Abe nicht dabei war. Abe, der Büffel, wie seine Boys ihn nennen. Abe, der Mann, der einem Ochsen den Hals umdrehen kann, so groß ist seine Kraft.
John Gaines greift zum Sitzbrett. Und seine zerschlagenen Lippen flüstern: »Stolz und Leidenschaft.«
Es ist, als wenn die beiden Worte einen magischen Zauber auf ihn ausüben könnten. Er strafft sich, er kommt auf die Knie und sieht Feuer. Feuer vor seinen Augen, Schmerz in seinem Körper, Sausen in den Ohren und Stiche im Hinterkopf.
Und er zieht sich hoch, lehnt keuchend am Sitzbrett und sagt tonlos: »Ich bin jetzt Hale Tucker, mein Onkel. Ich bin Hale Tucker. Und auch ich komme sitzend auf die Ranch. Ich werde sitzen, ich will sitzen. Gott, wenn du mich siehst. Gott, wenn du bei mir bist, dann hilf mir. Ich kann nichts ohne dich, aber gib mir die Kraft zu beweisen, dass ich ein Gaines bin, ein richtiger Gaines.«
Er hat das Sausen in den Ohren und ist fast besinnungslos. Aber er glaubt an Gott. Seine Familie ist fromm. Der alte Mann liest vor jedem Essen und nach jedem Essen aus der Bibel. Es hat nichts damit zu tun, dass sie Männer sind. Gar nichts damit. Sie kämpfen und sterben, diese Gaines, und sie sterben für ihre Art von Gerechtigkeit, wenn es sein muss.
Auf einmal ist sein Ohrensausen wie weggeblasen. Auf einmal ziehen ihn seine Hände hoch, bewegt er die Beine und sitzt.
Und der Wagen rollt. Der Wagen ist leer, ganz leer. Und er sollte voll sein. Keine Säcke mit Mehl, Salz und Zucker, keine Drahtrollen, keine Nägel, kein Pulver, keine Eisenstangen, nichts.
Er war leer, als er in die Stadt kam, er war halb voll, als Mike Coldans mit Jeffrey Miller, Stewart McCloy, Reno Tollard kam. Dann wurde er leer. Und dann kam der Junge aus dem Store mit den nächsten Sachen.
Und dann wollte er aufladen.
Einer stellte ihm ein Bein, der andere trat ihn. Er flog gegen das linke Vorderrad und schlug mit dem Kopf an die Nabe. In seinem Kopf war ein Feuerwerk, aber Feuer entzündet Leidenschaft. Und Tollard lernte sie gleich kennen.
Tollard bekommt die eine Faust in den Magen, die andere ans Kinn. Er sah kleine Teufel in der Luft um ihn einen Reigen tanzen.
Diesem Jeff, dem habe ich auch ein wenig auf sein Hinterteil getreten. Er bölkte schrecklich und fiel unter die Pferde. Das war ein feiner Spaß. Dann kamen die anderen von hinten, als ich den Schuft herausziehen wollte. Und dann haben die mich langsam fertig gemacht. Gegen Mike Coldans war ich eben zu klein. Aber gewehrt habe ich mich.
Er sitzt steif auf dem Bock und versucht zu grinsen. Ein verunglücktes Grinsen. Wie soll ein Junge mit wackelnden Zähnen, mit aufgesprungenen Lippen und einer lädierten Augenbraue, mit geschwollenen Wangen lächeln können.
Er macht die Augen zu. Die Leine hat jemand um den Bock gebunden. Sicher Tollard oder einer der anderen.
John hält keine Leine, er hält das Sitzbrett fest. Sonst würde er glatt herunterfallen und wieder im Kasten landen.
John Gaines weiß nicht, dass er schon fast eine halbe Stunde sitzt. Er sieht nicht einmal, dass er an der Fenz vorbeikommt mit seinem Flachwagen. Er sieht erst das Dach und wird wieder munter.
Trottend gehen die beiden Gespannpferde auf die Pumpe zu.
Die Pumpe ist mitten im Hof. Dort halten die Wagen immer an der linken Seite, denn es sind nur ein paar Schritte bis zum Vorratshaus von der Pumpe.
Und auch jetzt halten die Pferde an. Sie sind es so gewohnt. Sie halten an der Pumpe. Die Deichsel knarrt einmal, und die Pferde warten.
*
Eine Laterne brennt über dem Vorbau. Sie brennt mit einem düsteren rötlichen Schein, der gelbrotes Licht auf die Bretter des Vorbaues wirft, die Tür und ein Fenster erfasst. Der Schein trifft den Tragbalken der Tür, auf dem steht: Stolz und Leidenschaft
Der Junge sieht auf die Lampe. Und die Lampe schwankt, als wenn ein Sturm sie bewegt. Hin und her …, her und hin gehen die Augen Johns. Nicht die Lampe schwankt, der Junge ist es.
Dann sieht er den ruhigen Lichtfleck rechts. Das Zimmerfenster strömt warmes Licht in die Dunkelheit. Im Zimmer sitzt sicher der alte Mann in seinem Bett und wird lesen. Er liest immer. Der alte Mann stirbt seit acht Jahren. Sein Rückgrat ist vor acht Jahren beim Sturz vom Pferd angebrochen worden. Und seine linke Seite ist gelähmt. Die Lähmung schreitet immer weiter fort. Es ist ein langsames Sterben und ein schreckliches Warten für einen Mann, der im Sattel aufwuchs und dessen Leben Arbeit war.
Jetzt ist er zum Müßiggang verurteilt. Er sitzt am Tag im Bett und schreibt oder macht aus vier Lederriemen einen. Er fertigt Lassos für seine Söhne an, er verziert mit einem Satz Biesen die Halfter der Pferde, die Gurte seiner Söhne. Er macht sogar kleine Flickarbeiten an den Sätteln.
Abe Gaines kann nie still sitzen. Das war noch nie seine Art.
Und so beschäftigt er sich mit hundert Dingen, über die er früher gelächelt hat.
Der alte Mann hört den Jungen. Und auch sein ältester Sohn hört den Wagen.
Etwas spät ist er dran, der Junge. Er hätte eine Stunde eher zurück sein müssen.
Abe Gaines, der Sohn, geht aus der Küche langsam nach vorn. Er geht durch den Gang und stößt die Tür auf.
Matt fällt das Licht aus dem Flur über die Dielen.
»John?«, fragt Abe zögernd. »John, hast du alles besorgt?«
John antwortet nicht.
John Gaines sitzt auf dem Bock und versucht aufzustehen. Langsam fasst er nach dem eisernen Sitzbügel rechts. Dann steht er krumm da, und seine Knie zittern so sehr, dass die Hosen flattern. Aus seinem Mund steigt langsam ein fauchender und scharfer Laut. Dann hebt er das linke Bein über den Kasten und will absteigen.
Er will nur, der Junge, er kann nicht.
Auf einmal ist es aus, als wenn sein Körper nicht die Spur von Kraft besitzt.
John Gaines stürzt in die Dunkelheit hinein.
Abe federt los. Er sieht, dass der Kleine vom Wagen fällt. Dann ist Abe bei ihm, packt wortlos zu.
Und dann bleibt Abe steif