Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Landhebamme aus Leidenschaft
Landhebamme aus Leidenschaft
Landhebamme aus Leidenschaft
Ebook152 pages2 hours

Landhebamme aus Leidenschaft

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Geschichten vom Land, Schicksale von Familien und Lebenswege von Kindern: Rosalie Linner hat viel gesehen in ihrem langen Berufsleben als Landhebamme. 4000 Geburten hat sie betreut und die unterschiedlichsten Menschen an einem Wendepunkt ihres Lebens kennen gelernt, wenn ein Kind zur Welt kam. Viele freudige und glückliche, aber auch traurige und rührende Erlebnisse weiß die Autorin zu berichten, und Freunde ihrer Bücher wissen, dass ihr stets das Wohl von Mutter und Kind über alles ging. Dafür hat sie sich ihr Leben lang mit aller Kraft und bewundernswertem Mut eingesetzt.
LanguageDeutsch
Release dateDec 9, 2015
ISBN9783475545320
Landhebamme aus Leidenschaft

Related to Landhebamme aus Leidenschaft

Related ebooks

Medical Biographies For You

View More

Related articles

Reviews for Landhebamme aus Leidenschaft

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Landhebamme aus Leidenschaft - Rosalie Linner

    Weg

    Der ungeliebte Name

    Es war ein typischer Februar mit Stürmen und Schneetreiben, mit Eis und Kälte. Erbarmungslos hatte man mit zugeschneiten Wegen und Straßen zu kämpfen, wenn man gezwungen war, sich diesem winterlichen Wetter zu stellen. Vorsorglich ließ ich mein Fahrzeug an der kleinen Kapelle, die im Schutz von zwei mächtigen Buchen stand, stehen, denn das letzte Stück Weges hinauf zur Anhöhe war hoffnungslos von Schnee zugeweht.

    Schon von weitem beobachtete ich, wie Martin Gschwendtner, der Besitzer des bescheidenen Anwesens, sich plagte, den Weg zu seinem Haus frei zu halten.

    »So ein Sauwetter, ein miserables«, schimpfte er, »die ganze Arbeit is umsonst, weil’s hinter einem gleich wieder zugweht is«, begrüßte er mich, als ich auf das Haus zukam.

    Der Schneesturm verschluckte seine Worte, so dass die Verständigung hier draußen recht schwierig war. Doch er schien mich zu erwarten, denn der Gschwendtner hielt in seiner Arbeit inne, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und kam auf mich zu. Mit einem festen Griff nach meiner Hebammentasche nahm er mir diese aus der Hand, was mir den mühsamen Weg zum Haus erleichtern sollte, und meinte dabei: »Die Mädi wart eh schon auf dich, und die Fanny, die meinige, aa. Meinst, dass alles gut geht?«

    Sorge stand bei dieser Frage auf seinem Gesicht, wusste ich doch, wie sehr sein Herz an seiner Einzigen hing, die er seit ihrem ersten Lebenstag liebevoll »Mädi« nannte. Statt seine Frage zu beantworten, fragte ich zurück: »Nennst du sie immer noch Mädi?«

    »Für mich wird sie die Mädi bleiben, solang i leb. Aber sie schimpft eh scho immer, weil s’ den Namen net mag.«

    »Nun wird es aber bald Zeit, dass du dich auf ihren richtigen Namen besinnst, nachdem du Großvater wirst«, meinte ich. Unter dem Vordach des Hauses klopfte ich mir den Schnee von Kleidung und Schuhen und betrat die Stube. Wie lange war es her, dass ich Christl, der werdenden Mutter, zum Leben verholfen hatte! Wie doch die Zeit vergeht. Nun war die nächste Generation an der Reihe, um das Erbe der Vorfahren fortzusetzen. Doch hier, bei den Gschwendtners, gab es einen kleinen Schönheitsfehler. Denn die Christl musste als uneheliche Mutter ihr Kind gebären, weil Vater Gschwendtner den Vater des Kindes und eigentlich zukünftigen Schwiegersohn als seinen Nachfolger ablehnte. Er wollte ihn unter gar keinen Umständen anerkennen. Christl musste sich fügen, wenn es auch schmerzte, und damit zurechtkommen, dass ihr Kind als nicht legitim registriert werden würde. Diese Tatsache verbitterte auch Mutter Gschwendtner. Sie klagte ihren Mann an: »Dir mit deiner Sturheit habn wir es zu verdanken, dass des Kind jetzt als lediger Bankert auf d’Welt kommt. Nur du bist schuld an dieser Blamage.« Mit tiefer Verärgerung sprach sie diese Worte. Als ich entgegnete, von Blamage könnte gar keine Rede sein, wo doch der Georg ein rechtschaffener, liebenswerter junger Mann wäre und ein tüchtiger Fachmann in der Werkstatt seines Onkels noch dazu, bestätigten Mutter und Christl meine Aussage mit heftigem Kopfnicken.

    Bis zur Geburt dieses Kindes hatten wir eine längere Wartezeit vor uns. Aus Angst und Sorge wegen dem kommenden Ereignis hatte man mich schon sehr früh geholt, und so konnte ich nicht nur in aller Ruhe die geburtshilflichen Vorbereitungen treffen, es war auch genug Zeit, die familiären Probleme anzuhören. Dabei waren meine Meinung und mein Rat als Außenstehende in dieser verzwickten Lage erwünscht und gefragt. »Warum magst du den Georg net?«, fragte ich den Gschwendtner. »A so halt«, war seine nichts sagende Antwort, die man entweder benutzte, wenn einem nichts Besseres einfiel, oder wenn man zu keiner Aussage bereit war. Nach kurzer Überlegung glaubte er dann doch die richtigen Worte gefunden zu haben. »I brauch einen Bauern auf dem Hof, verstehst mich, und wenn sich schon einer Georg nennt, statt Schorsch, wie sich’s ghört, dann reicht’s mir scho. I mag ihn net, den Autoflicker, den herglaufenen, der soll unser Mädi stehen lassen, den brauchen wir net, den net.« Es war inhaltsleeres, bedeutungsloses Geschwätz, was der Gschwendtner da vorbrachte, und seine Argumente waren keinesfalls zu akzeptieren.

    Da meldete sich Christl zu Wort: »Geh, Vater, ich versteh dich net, ich mag den Georg und seinen Nam’ auch, weil er schön is, der Nam’, mein i, und du sollst net allaweil Mädi zu mir sagn.« Verärgert über die Zurechtweisung seiner Tochter antwortete der Gschwendtner etwas lauter, als es sonst seine Art war: »Soll des Kind vielleicht auch Georg heißen, weil dir der Nam’ aa so gfällt. So was Hochgschraubt’s, so was Damisch’s. I hab nix dagegen, wenn der Nam’ Georg auf dem Papier steht, aber sagn tut man Schorsch oder Schorschi oder, wenn er noch klein is, Schorscherl. Des sind angstammte Namen, aber Georg, naa, nia.« Die Mutter sah ihren Mann missmutig an, ließ das Strickzeug auf den Schoß fallen und sagte verärgert: »Wie ein Mensch bloß so hitzköpfig sein kann und dem Dirndl sei Lebn so schwer machen mag. Wegen nix und wieder nix.« Dabei wandte sie sich zu mir herüber und erwartete offenbar Bestätigung und Zustimmung. Ich musste Mutter Gschwendtners Worte unterstreichen und machte dies dem Vater deutlich: »Wenn der Name der einzige Grund für deine Ablehnung des jungen Mannes ist, dann ist das aber schwer zu verstehen. Oder hast du vielleicht andere Gründe, andere Argumente? Ist es die Angst um deine Tochter, die dir von diesem Mann weggenommen werden könnte, dass ihre Liebe dann erstrangig ihrem Mann und dem Kind gehört? Wenn ja, dann musst aber auch du dich mit diesem ewigen, naturgegebenen Gesetz abfinden, denn daran kann niemand etwas ändern.« Missmutig zurrte er an dem Weidengeflecht, um einen demolierten Futterkorb wieder brauchbar zu machen, den er gerade in Händen hielt.

    Es vergingen Stunden um Stunden, und das Gerangel um den zukünftigen Vater des Kindes und Ehemann seiner Tochter, den der Gschwendtner nicht anerkennen wollte, obwohl es keinen vernünftigen Grund für sein starres Verhalten gab, war ein scheinbar unerschöpfliches Thema, das kein Ende nahm. Die Geburt machte Fortschritte, und so wurde über die leidige Sache bald immer weniger gesprochen.

    Draußen tobte ein schauriger Schneesturm, der mit aller Gewalt an Türen und Fenstern rüttelte. Die Dämmerung kam, und der Gschwendtner wurde immer unruhiger. »Diesem Herglaufenen«, schimpfte er, »hat sie’s zu verdanken, die Mädi, dass sie so plagt wird. Dieser Mensch wird mir allaweil unsympathischer.« In seinem Mitleid um Mädi, seine Einzige, war dieser Mann wirklich zu bedauern. Angst und Sorge um sein Kind sowie Wut und Verärgerung über den Kindsvater, der seine Christl in diese schwierige Lage gebracht hatte, waren deutlich in seinem Gesicht zu lesen. »Mei, Dirndl«, rief er bekümmert aus, »wenn dir bloß zum helfen wär.« Dabei fiel sein verzweifelter Blick auf mich, doch ich war ebenfalls zum Warten gezwungen. »Geh, Vater, jammer net allaweil, freu dich halt auch über unser Kind«, sprach ihn die Christl hin und wieder an.

    Ich empfahl schließlich dem überbesorgten werdenden Großvater, die Christl in Ruhe zu lassen, damit sie sich auf die kommenden Stunden konzentrieren und besinnen könne, denn seine Angst war bestimmt keine gute Hilfe für die bevorstehende Geburt. Die werdende Mutter wollte mit mir allein sein. Auch die Gegenwart und den gut gemeinten Zuspruch der Mutter wollte sie nun nicht mehr und schickte die beiden – wohl auch aus Sorge um die Eltern – hinaus. Oder gab es andere Gründe, die ich nicht kannte? Vermutlich hätte sie sich ihren Georg am Kreißbett gewünscht, hätte seine Hand und seinen Trost spüren wollen, doch diese Erleichterung gab es für sie nicht. Georg war in diesem Hause nicht erwünscht, und selbst wenn er vom Schwiegervater nicht abgelehnt worden wäre, so war es damals doch undenkbar, dass ein unehelicher Vater bei der Geburt seines Kindes anwesend war. Dies hätte nach dem Empfinden der Menschen gegen alle guten Sitten verstoßen, und die musste man auf jeden Fall wahren.

    Die schweren Schritte des Vaters vor der Tür verschluckte der gewaltige Sturm, der um das Haus tobte. Christl spürte die Unruhe ihres Vaters, der sich wie ein Gefangener seiner selbst verhielt. Aber auch diese Stunden des zermürbenden Wartens gingen zu Ende, und Christl konzentrierte sich auf die letzten Wehen, die das Ende des Geburtsverlaufes ankündigten. Immer wieder suchte sie meine Hand, von der Stütze und Hilfe ausgehen sollte, vielleicht auch Trost in dieser Stunde.

    »Ob jetzt, in diesem Moment, Georg an mich denkt?«, fragte mich die werdende Mutter. »Aber nein, er weiß ja gar nicht, was jetzt gerade geschieht.«

    »Vielleicht weiß er es doch«, gab ich ihr zur Antwort. »Es wäre möglich, dass er spürt, dass sein Kind zur Welt kommt. Du denkst doch ganz intensiv an ihn, sonst würdest du nicht fragen.«

    Christl nickte nur, sonst schwieg sie. Sie wollte mir ihre Gedanken, die um Georg, den Vater ihres Kindes, kreisten, nicht mitteilen.

    »Es könnte auch sein«, sprach ich weiter, »dass er mich auf dem Weg zu dir gesehen hat und seine Schlüsse daraus gezogen hat. Ich bin ganz sicher, dass er an dich denkt.«

    »Mei, wär des schön«, freute sich Christl. »Ach bitte, ich wär Ihnen so dankbar, wenn Sie den Georg verständigen würden, wenn der Bub da is und dass sie ihm sagen, dass er natürlich Georg heißen wird und net anders.«

    »Mit diesem Namen wird es Schwierigkeiten geben«, gab ich zu bedenken, »aber warten wir ab.« Doch die Sorgen um den Namen des Kindes wurden gegenstandslos, als sich mit lautem Schrei ein gesundes Mädchen auf dem Gschwendtner-Hof zum Leben meldete. Die schweren Schritte vor der Tür waren plötzlich verstummt. Nur der ungeduldige Schrei des Kindes, das gegen die Kälte dieser Welt protestierte, war zu hören. Ein leises Klopfen an der Tür, und die Großeltern betraten die Stube.

    »Gott sei Dank!«, hörte ich als erstes Martin Gschwendtners Stimme. »Vergelts Gott ..., weil’s vorbei is, mei, bin i froh«, fügte die Großmutter hinzu und strich liebevoll über das Köpfchen des Kindes.

    »Is er gsund, der Bub?«, wollte der junge Großvater wissen.

    Das ist eine Frage, die vorrangig ist und immer als erste gestellt wird, weil sie für die meisten Menschen den höchsten Wert besitzt. Alles Weitere wird dadurch in den Hintergrund gedrängt. So war es auch bei Martin Gschwendtner, der ja mit Namen seine Probleme hatte, und doch erkundigte er sich endlich zögernd: »Und ... wie heißt er denn?« Es wurde ganz still im Raum, als erwarte man die Antwort auf eine der wichtigsten Fragen der

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1