Migrationspolitik der baltischen Staaten: Litauen, Lettland und Estland im Vergleich
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Dieses Buch erörtert die Migrationspolitik der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland jeweils anhand der Bereiche Migrationsgeschichte, Emigration, Immigration und Minderheiten und macht dabei deutlich, dass deren Migrationspolitik trotz vieler Gemeinsamkeiten auch signifikante Unterschiede aufweist.
Arndt Künnecke
Dr. Dr. Arndt Künnecke ist Professor für Staatsrecht und Politik an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl. Zuvor war er zehn Jahre lang als Dozent für Rechts- und Politikwissenschaften an verschiedenen Universitäten in Istanbul tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind die EU-Türkei-Beziehungen, Minderheitenrechte sowie Verbraucherschutzrecht in der EU.
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Book preview
Migrationspolitik der baltischen Staaten - Arndt Künnecke
Für Lolita in Liebe und Dankbarkeit
Vorwort
Migrationspolitik ist eines der Politikfelder, die innerhalb der EU noch unzureichend geregelt sind, in Zukunft aber immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. Während für die meisten EU-Mitgliedsstaaten die Regelung der Zuwanderungsströme von Asylsuchenden, Flüchtlingen oder Arbeitsmigranten die größte Herausforderung darstellt, haben die baltischen Staaten vor allem mit der Abwanderung großer Teile ihrer arbeitsfähigen Bevölkerung zu kämpfen.
In Politik und medialer Berichterstattung werden die drei Staaten Litauen, Lettland und Estland gemeinhin zusammen als „baltisch" bezeichnet und dabei oft undifferenziert gleichgesetzt. Gründe dafür sind vor allem die gemeinsamen Erfahrungen der drei Völker im 20. Jahrhundert – von der Besetzung im Zweiten Weltkrieg über die sowjetische Besatzung bis zur Erlangung der erneuten Unabhängigkeit Anfang der 1990er Jahre. Trotz dieser Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den baltischen Staaten aber signifikante historische, kulturelle, religiöse, sprachliche und ethnologische Unterschiede. Ein Bereich, in dem es zwischen den drei Staaten neben zahlreichen Gemeinsamkeiten auch erhebliche Unterschiede gibt, ist der Bereich der Migrationspolitik. Ziel dieses Buches ist es daher, die Migrationspolitik der drei baltischen Staaten anhand von drei Aufsätzen vergleichend gegenüberzustellen. Jeder der folgenden Aufsätze beleuchtet die Migrationspolitik eines baltischen Staates dabei unter Berücksichtigung seiner jeweiligen geschichtlichen Entwicklung. Die Migrationspolitik nach der Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit im Jahr 1991 wird dann für jeden baltischen Staat unterteilt in die Bereiche Emigration, Immigration und Minderheiten dargestellt.
Istanbul, im April 2015
Dr. Dr. Arndt Künnecke
Inhaltsverzeichnis
Die Migrationspolitik Litauens
Einleitung
Migrationsgeschichte bis 1990
Migrationspolitik seit der Unabhängigkeit 1991
Emigration
Immigration
Minderheiten
Fazit
Die Migrationspolitik Lettlands
Einleitung
Migrationsgeschichte bis 1990
Migrationspolitik seit der Unabhängigkeit 1991
Emigration
Immigration
Minderheiten
Fazit
Die Migrationspolitik Estlands
Einleitung
Migrationsgeschichte bis 1990
Migrationspolitik seit der Unabhängigkeit 1991
Emigration
Immigration
Minderheiten
Fazit
Die Migrationspolitik Litauens
I. Einleitung
Litauen ist der größte der drei baltischen Staaten. Es grenzt im Norden an Lettland, im Osten an Weißrussland und im Süden an Polen sowie an die russische Enklave Kaliningrad. Seine Unabhängigkeit hat es im August 1991 auf Grundlage der legalen Fortführung seiner von 1918 bis 1940 andauernden Staatlichkeit wiedererlangt.¹ Am 17. September 1991 wurde Litauen Mitglied der Vereinten Nationen und am 1. Mai 2004 wurde das Land im Rahmen der EU-Osterweiterung in die EU aufgenommen. Die litauische Ostgrenze ist seitdem zugleich auch die Außengrenze der EU. Seit dem 21. Dezember 2007 ist Litauen Mitglied des Schengen-Raums und seit dem 1. Januar 2015 Mitglied der Eurozone. Politisch ist Litauen ein Zentralstaat mit fünf Regionen, zehn Bezirken, 44 Landkreisen und 55 Gemeinden.
Litauen ist ein Auswanderungsland mit einer eher restriktiven Einwanderungspolitik, die ihre Ursachen in der wechselvollen Geschichte des Landes hat. Zur Darstellung der litauischen Migrationspolitik und ihres rechtlichen Rahmens wird daher zunächst die Migrationsgeschichte vor Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit nach dem Ende des Kalten Krieges erläutert. Danach werden die verschiedenen Phasen der litauischen Migrationspolitik und ihre rechtlichen Hintergründe, unterteilt nach den Zielgruppen der Emigranten, Immigranten und Minderheiten, ausführlich dargestellt.
II. Migrationsgeschichte bis 1990
Wegen seiner besonderen geographischen Lage geriet Litauen abwechselnd in die Einfluss- und Interessensphäre Polens, Deutschlands und der Sowjetunion. Nach der Realunion von 1569 wurde das litauische Gebiet in die drei polnischen Teilungen (1772, 1793, 1795) mit einbezogen und kam damit unter russische Herrschaft. Im 16. und 17. Jahrhundert wanderten regelmäßig Deutsche in das litauische Gebiet ein. Erst im 19. Jahrhundert änderte sich die Migrationsrichtung: Immer mehr Deutsche wanderten ab und größere Gruppen der einheimischen Bevölkerung wanderten durch die Industrialisierung bedingt nach Russland oder nach Nordamerika aus.² Bis zum Ersten Weltkrieg hatte bereits etwa ein Drittel der Litauer das Land Richtung Übersee (USA und Kanada) verlassen. In den litauischen Städten nahm der Bevölkerungsanteil der Russen, Polen und Juden immer mehr zu, so dass in den beiden größten Städten Vilnius und Kaunas die Litauer bis ins 20. Jahrhundert in der Minderheit blieben.³ Nach der Staatsgründung im Jahr 1918 befand sich Litauen in einer Konsolidierungsphase, zu deren Beginn von den 550.000 sich in Russland befindenden Flüchtlingen bis zum Jahr 1924 fast zwei Drittel wieder zurückkehrten. Im Rahmen der litauischen Repatriierungspolitik der 1920er Jahre verstärkten sich die nationalistischen Strömungen und nicht-litauische Gruppen – insbesondere Juden – wurden als Bedrohung für die staatliche Einheit angesehen.⁴ Im Zweiten Weltkrieg wurde Litauen als Folge des Hitler-Stalin-Paktes zunächst durch sowjetische Truppen besetzt, dann durch deutsche. Nach der Annexion des litauischen Staatsgebiets durch die Sowjetunion im Jahr 1940 wurden große Teile der litauischen Bevölkerung vertrieben. Von diesen Deportationen waren insbesondere die litauische Bildungselite sowie die Angehörigen der in Litauen ansässigen ethnischen